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Neutronenzerfall und Quarkmischung Seminarvortrag im Rahmen des F-Praktikums von Christian Ludwig am 30.01.2006 1. Motivation: Das Standardmodell der Teilchenphysik beinhaltet verschiedene Parameter, die nicht von der Theorie vorhergesagt werden, sondern gemessen werden müssen. An dieser Stelle seien als Beispiele erwähnt die Matrixelemente der CKM-Matrix und die Kopplungskonstanten g V und g A , die für Fermi- bzw. Gamow-Teller-Übergänge wichtig sind. CKM-Matrix Eine Möglichkeit diese Parameter zu bestimmen ist das Studium des Neutronenzerfalls. 2. Neutronenzerfall Neutronen zerfallen über die schwache Wechselwirkung. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist durch Fermis Goldene Regel gegeben: dW ist die differentielle Zerfallswahrscheinlichkeit, dρ der Phasenraumfaktor und M fi das Übergangsmatrixelement. Dieses Matrixelement hat die Form G F ist die Fermikonstante, γ μ die Diracmatrices. Der Parameter λ bestimmt das Verhältnis von Vektor- zu Axialvektorkopplung (Vektorkopplung entspricht Fermi-Übergängen und Axialvektorkopplung Gamow-Teller- Übergängen). = b s d V V V V V V V V V b s d tb ts td cb cs cd ub us ud dW E = 2 M fi 2 d E M fi n p =G F V ud p 5 n 〉〈 e - 5 e

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Neutronenzerfall und QuarkmischungSeminarvortrag im Rahmen des F-Praktikums

von Christian Ludwig am 30.01.2006

1. Motivation: Das Standardmodell der Teilchenphysik beinhaltet verschiedene Parameter, die nicht von der Theorie vorhergesagt werden, sondern gemessen werden müssen. An dieser Stelle seien als Beispiele erwähnt die Matrixelemente der CKM-Matrix und die Kopplungskonstanten gV und gA, die für Fermi- bzw. Gamow-Teller-Übergänge wichtig sind.

CKM-Matrix

Eine Möglichkeit diese Parameter zu bestimmen ist das Studium des Neutronenzerfalls.

2. Neutronenzerfall Neutronen zerfallen über die schwache Wechselwirkung. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist durch Fermis Goldene Regel gegeben:

dW ist die differentielle Zerfallswahrscheinlichkeit, dρ der Phasenraumfaktor und Mfi das Übergangsmatrixelement. Dieses Matrixelement hat die Form

GF ist die Fermikonstante, γµ die Diracmatrices. Der Parameter λ bestimmt das Verhältnis von Vektor- zu Axialvektorkopplung (Vektorkopplung entspricht Fermi-Übergängen und Axialvektorkopplung Gamow-Teller-Übergängen).

=

′′′

bsd

VVVVVVVVV

bsd

tbtstd

cbcscd

ubusud

dW E =2ℏ

∣M fi∣2 d E

M fi n p=G F V ud ⟨ p∣−5∣n⟩ ⟨e-∣−5∣e ⟩

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Integriert man nun über die differentielle Zerfallswahrscheinlichkeit, so erhält man die Lebensdauer der Neutronen:

Die Gleichung enthält 2 Parameter und eine Messgröße: λ, Vud und τ. Um Vud zu berechnen werden also zwei Experimente benötigt, eins zur Bestimmung von τ und eins für λ.

3. Experimente Die Neutronen für Experimente werden zum Beispiel am Hochflussreaktor in Grenoble produziert. Hier wird U235 gespalten, wobei Neutronen freigesetzt werden. Diese heißen Neutronen werden zunächst in schwerem Wasser auf thermische Energien gebracht und anschließend in Materie weiter abgebremst. Die nunmehr etwa 30 K kalten Neutronen können durch Rohre zu Experimenten geleitet weden, da sie unter flachen Winkeln an Wänden reflektiert werden. Dieses Reflexionsvermögen ist zudem polarisationsabhängig, wodurch sich ein polarisierter Neutronenstrahl erreichen lässt. Ein Teil der kalten Neutronen wird in eine Steyerl-Turbine geleitet, wo diese auf Temperaturen im Millikelvin-Bereich abgekühlt werden. Die Turbine dreht sich hierfür langsam in die Flugrichtung der Neutronen und nimmt bei Stößen einen Teil des Impulses auf. Die so entstehenden ultra-kalten Neutronen (UCN) werden unter allen Winkeln an Wänden reflektiert, was für das folgende Experiment wichtig ist.

Messung der Lebensdauer

Die ultra-kalten Neutronen werden durch ein Ventil in eine sogenannte UCN-Flasche geleitet. In diesem abgeschlossenen evakuierten Volumen befinden sie sich für eine gewisse Speicherzeit. Das Volumen lässt sich für unterschiedliche Messungen variieren. Am Ende der Speicherzeit wird ein zweites Ventil geöffnet und die Anzahl der übriggebliebenen Neutronen gemessen. Wir erwarten natürlich eine exponentielle Abnahme der Neutronenzahl mit einer Zeitkonstanten τexp. Diese setzt sich zusammen aus der natürlichen Lebensdauer der Neutronen und einer Lebensdauer durch Wandstöße (das Reflexionsvermögen ist nicht exakt 100%).

1=∫dW E =

me5 c4

23 ℏ7 GF2 ∣V ud∣

2 132=me

5 c4

23ℏ7 gV2 3 g A

2

gV=G F V ud g A=GF V ud

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UCN-Flasche

Trägt man nun die inverse gemessene mittlere Lebensdauer gegen die inverse mittlere freie Weglänge (die proportional zum Speichervolumen ist) auf, so ergeben sich für verschiedene Speicherzeiten Geraden unterschiedlicher Steigung.

Extrapoliert man diese Geraden in Richtung unendliche mittlere freie Weglänge, so erhält man die natürliche Lebensdauer der Neutronen. Die Steigung der Geraden ist von der Speicherzeit abhängig, da zu Beginn der Speicherzeit hauptsächlich etwas schnellere Neutronen durch Wandstöße verloren gehen, weil diese häufiger mit den Wänden stoßen. Bei höheren Speicherzeiten ist also zu fortgeschrittenem Zeitpunkt die durchschnittliche Neutronengeschwindigkeit kleiner und es ergibt sich eine höhere experimentelle mittlere Lebensdauer.

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Die Messmethode der UCN-Flasche, erstmals 1989 von Mampe et al. verwendet, führte zu einer deutlichen Verbesserung der Messgenauigkeit, so dass alle nachfolgenden Messungen nach dem gleichen Prinzip durchgeführt wurden.

Messung von λ

Da der Parameter λ das Verhältnis von Gamow-Teller- zu Fermi-Übergängen angibt ist es möglich ihn über eine Asymmetriemessung zu bestimmen. Vom Experiment PERKEO II wird zum Beispiel die Beta-Asymmetrie, das heißt die Korrelation zwischen Neutronenspin und Elektronenimpuls gemessen. Hierfür wird einfach ein polarisierter Neutronenstrahl durch ein Zerfallsvolumen geleitet. Dort durch Zerfall entstehende Elektronen werden entlang der Feldlinien eines anliegenden starken Magnetfeldes zu Plastikszintillatoren geleitet.

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Die experimentelle Asymetrie ist einfach die Differenz der Zählraten der beiden Detektoren geteilt durch die Summe. Um den Korrelationskoeffizienten A zwischen Neutronenspin und Elektronimpuls zu erhalten muss man zunächst über die differentielle Zerfallswahrscheinlichkeit integrieren, allerdings ist hierbei die Winkelabhängigkeit zu beachten.

A ist der Korrelationskoeffizient, Pn die Polarisation des Neutronenstrahls und ve die Geschwindigkeit der Elektronen. Letztere ist wichtig, da die Polarisation und damit auch die bevorzugte Emissionsrichtung der Elektronen geschwindigkeitsabhängig ist.Ein Detektor erfasst den halben Raumwinkelbereich. Eine Mittelung über den Cosinus ergibt 0.5. Damit folgt

Da die Elektronen nicht monoenergetisch sind erhält man auch eine energieabhängige experimentelle Asymmetrie

dW E =2ℏ

∣M fi∣2 d E 1A P n

ve

ccos∢ pe , n

Aexp=N +−N -

N +N -=12

A P nve

c

Aexp E = N +E −N - E N +E N - E

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Aus dem errechneten Korrelationskoeffizienten kann man nun λ bestimmen und mit Hilfe von τ das Matrixelement Vud ausrechnen.

Da die CKM-Matrix als Basistransformation unitär sein muss, gilt

Unter Verwendung von Werten aus anderen Experimenten kann man also die Unitarität der CKM-Matrix überprüfen. Folgendes Bild ergab sich im Jahre 2004:

Der durch Experimente bestimmte Wert weicht deutlich ab von dem Wert, den man durch Annahme der Unitarität erwarten würde. Allerdings lässt sich die Genauigkeit der Experimente noch weiter verbessern und vor allem ist der aus Kaonzerfällen bestimmte Wert von Vus falsch.Ein weiteres Experiment zur Bestimmung von λ befindet sich in Mainz. Im aSPECT Experiment wird der Korrelationskoeffizient a zwischen Elektronen- und Antineutrinoimpuls bestimmt. Dies ist möglich durch eine Messung des Protonenspektrums, da bei einer positiven Korrelation zwischen Elektron- und Antineutrinoimpuls diese bevorzugt in die gleiche Richtung emittiert werden und somit das Proton im Mittel höhere Energien erreicht als im Falle keiner Korrelation.

=885.7±0.8 s =−1.273919

∣V ud∣= 14908±4 s

132 =0.9713 13

∣V ud∣2∣V us∣

2∣V ub∣2=1

V us=0.224 3

V ub=0.00378

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Der Aufbau stellt ein Retardierungsspektrometer dar.

0 200 400 600proton kinetic energy E [eV]

deca

yra

tew

(E)

Spectrum for a = 0

Spectrum for a = 1

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Die im Zerfallsvolumen emittierten Protonen bewegen sich in Spiralbahnen entlang der Feldlinien eines starken Magnetfeldes. Nach unten fliegende Protonen werden an einer Spiegelspannung reflektiert und bewegen sich dann nach oben in Richtung Detektor. Auf diesem Weg treffen sie auf eine regelbare Gegenspannung, die nur Protonen mit einer gewissen Mindestenergie überwinden können. Schließlich werden diese Protonen von einer Hochspannung in Richtung PIN-Diode beschleunigt, wo sie detektiert werden. Diese Messmethode liefert zunächst ein integrales Spektrum der Form

Je höher die angelegte Gegenspannung ist, desto weniger Protonen erreichen den Detektor. Dieses integrale Spektrum kann man nun in ein Energiespektrum umrechnen.

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

20 30 40 50 60 70 80 90

Pulse Height (ADC channels)

Cou

nt ra

te (H

z)

0 V50 V200 V400 V600 V

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Die bisher aufgenommenen Messpunkte sprechen für ein a von -0.1017, jedoch liegen noch keine endgültigen Ergebnisse vor, das Experiment befindet sich noch in der Strahlzeit.

4. Zusammenfassung Zusammenfassend kann gesagt werden, dass im Studium des Neutronenzerfalls noch viel zu tun ist. Bisher sind die Ergebnisse nicht konsistent mit dem Standardmodell der Teilchenphysik und weitere, genauere Experimente sind nötig. Mit diesen wird es hoffentlich möglich sein die Parameter des Standardmodells λ, Vud, gA und gV mit hoher Genauigkeit zu bestimmen und damit das Standardmodell zu bestätigen oder sinnvoll zu erweitern.