Einführung in die Kosmologie...unterscheiden und die Werte der unbekannten Parameter zu bestimmen ....

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Kosmologie Ein kleiner Überblick Jan Hamann

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  • Kosmologie Ein kleiner Überblick

    Jan Hamann

  • Worum geht es in der Kosmologie?

    Κοσμολογία = Lehre von der Welt

    Physikalische Kosmologie

    Beschreibung des Universums durch physikalische Gesetze

  • Kosmologische Fragestellungen

    • Woraus besteht das Universum?

    • Was ist seine Struktur?

    • Was ist sein Ursprung?

    • Können wir die Geschichte des Universums rekonstruieren?

    • Was hat das alles mit dem CERN zu tun?

  • Meta-Kosmologie

    Theorie

    Beobachtung

    Daten

    Mathematik Gmn =

    8pG

    c4Tmn

    sagt vorher bzw. erklärt

    bestätigen oder widerlegen

  • Video: The known Universe http://www.wimp.com/knownuniverse/

  • Das kosmologische Prinzip

    “Auf genügend großen Skalen betrachtet ist das Universum homogen und isotrop”

    Wir befinden uns nicht an einem speziellen Ort

    isotrop, aber nicht homogen

    homogen, aber nicht isotrop

    homogen und isotrop

  • Statisches Universum

    Warum nicht auch zeitliche Homogenität?

    Olberssches Paradoxon

    Wieso ist es nachts dunkel?

    Nicht vereinbar mit einem räumlich und zeitlich unendlichen,

    unveränderlichen Universum, das gleichzeitig dem kosmologischen

    Prinzip gehorcht

  • Allgemeine Relativitätstheorie

    Einstein 1915

    Gmn =8pG

    c4Tmn

    Geometrie der Raumzeit

    Energie-Impuls-Verteilung der

    Materie

    Raum und Zeit sind keine unabhängigen, absoluten Größen!

  • Allgemeine Relativitätstheorie

    • Materieverteilung bestimmt Krümmung der Raumzeit

    • Krümmung der Raumzeit bestimmt Bewegung der Materie

  • Die Metrik der Raumzeit

    Beispiel: leerer Raum

    (Minkowski-Raumzeit)

    Raumzeit- Abstand

    Zeit- Abstand

    Raum- Abstand

    Lichtgeschwindigkeit

  • Friedmann-Lemaître-Robertson-Walker-Metrik

    ds2 = -c2dt2 +a(t)2dS2

    Allgemeinste Metrik, die das kosmologische Prinzip erfüllt

  • Friedmann-Lemaître-Robertson-Walker-Metrik

    ds2 = -c2dt2 +a(t)2dS2

    Skalenfaktor

    Räumliche Abstände sind zeitabhängig!

    Der Raum selbst expandiert (oder kontrahiert),

    etwa so wie der Teig im Rosinenkuchen

  • Friedmann-Lemaître-Robertson-Walker-Metrik

    ds2 = -c2dt2 +a(t)2dS2

    Skalenfaktor

    hyperbolische, flache oder sphärische Raumgeometrie

    sphärisch

    hyperbolisch

    flach

    (Euklidisch)

    Raumgeometrie

    In einem homogenen und isotropen Universum kann der Raum gekrümmt sein!

  • Die Friedmann-Gleichung

    1

    a2da

    dt

    æ

    èç

    ö

    ø÷

    2

    º H 2 =8pG

    3r -

    kc2

    a2

    Hubble-Parameter Energiedichte

    Krümmungsparameter +1 geschlossen

    0 flach

    -1 offen

    Die Expansionsrate des Universums hängt von seinem Inhalt (und seiner räumlichen Krümmung) ab

  • Kritische Dichte

    rc º3H 2

    8pG

    geschlossen: ρ > ρc

    offen: ρ < ρc

    flach: ρ = ρc

    entspricht heutzutage etwa fünf Wasserstoffatomen pro Kubikmeter

    3H 2

    8pG= r -

    3kc2

    8pGa2Friedmann-Gleichung (umgeformt)

  • Zutaten des Universums

    Teilchen des Standardmodells

  • Zutaten des Universums

    Teilchen des Standardmodells

    = instabil

  • Zutaten des Universums

    Photonen

    Elektronen

    Neutrinos

    Protonen, Neutronen

    (“Baryonen”)

    = instabil

  • Entwicklung der Energiedichte

    Nicht-relativistische Materie (‘’Staub’’)

    Relativistische Materie (‘’Strahlung’’)

    r µa-3

    r µa-4

  • Entwicklung der Energiedichte

    Nicht-relativistische Materie (‘’Staub’’)

    Relativistische Materie (‘’Strahlung’’)

    Vakuumenergie

    r µa-3

    r µa-4

    r µconst.

  • Kosmologische Rotverschiebung

    In einem expandierenden Universum wächst die Wellenlänge eines Photons proportional zum Skalenfaktor a(t)

    Je weiter entfernt eine Lichtquelle, desto mehr werden die Photonen gestreckt (“Rotverschiebung”)

  • Kosmologische Rotverschiebung vs. Doppler-Effekt

    Die Kosmologische Rotverschiebung ist vergleichbar mit einer Rotverschiebung durch relative Bewegung von Quelle und Beobachter

  • Messung der Rotverschiebung

    Wellenlänge [Å]

    Spektroskopie

    Emissionslinien

    im Labor

  • Entfernungsmessung

  • Standardkerzen und -maßstäbe

    Helligkeitµ1

    Entfernung2

  • Typ Ia supernovae

    Supernovae können kurzzeitig soviel Energie wie eine ganze Galaxie freisetzen!

  • Typ Ia supernovae

    Chandrasekhar-Grenze:

    Weißer Zwerg

    M >1.39MSonne

  • Typ Ia supernovae

    Möglicherweise geht ein Großteil der SNe Ia auf eine Verschmelzung von zwei weißen Zwergen zurück…

  • Typ Ia supernovae als Standardkerzen

    Zeit [d]

    • Je breiter die Lichtkurve desto größer die absolute Helligkeit

    • Messung von scheinbarer Helligkeit und Lichtkurve

    • Vergleiche absolute mit scheinbarer Helligkeit

    Leuchtkraftentfernung

    Lichtkurven

  • Das Hubble-Diagramm

    Entfernung

    Das Universum dehnt sich aus!

    H0 » (73.8±2.4)kms-1 Mpc-1

  • Konsequenzen der kosmischen Expansion

    • Je weiter wir in die Vergangenheit gehen, desto höher die Energiedichte und Temperatur des Universums

    • Vor einer endlichen Zeit war a(t) ≈ 0 “Urknall” (Big Bang)

    • Es gibt einen kosmischen Horizont, von jenseits dessen uns keine Information erreichen kann (Beobachtbares Universum)

  • Nukleosynthese

  • Big Bang Nukleosynthese

    • Primordiale Erzeugung von Elementen bis Li-7

    • Schwerere Elemente entstehen werden erst sehr viel später in Sternen erzeugt

    Netzwerk an Kernreaktionen

  • Big Bang Nukleosynthese

    Baryonen pro photon

    • Messung der primordialen Elementhäufigkeit an alten Objekten erlaubt Bestimmung von η

    • Sehr gute Übereinstimmung zwischen D, He-3 und He-4: η ≈ 6×10-10

    • Baryonen machen etwa 5% der kritischen Dichte aus!

  • Rekombination

  • Rekombination

    • Unterhalb von T = 3000 K (t = 300000 a) können sich neutrale Atome bilden

    • Die Photonen streuen danach nicht mehr an freien Elektronen Das Universum wird durchsichtig!

  • Rekombination

    Alles was vor der Rekombination

    passierte ist unseren Blicken verborgen!

  • Die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung

    (CMB)

    Wellenlänge

    Rotverschiebung um Faktor 1000

    Bei der Rekombination sind die Photonen im thermischen Gleichgewicht mit Elektronen

    und Atomkernen

    Ihr Energiespektrum ist das eines schwarzen Körpers

    (“Planckspektrum”)

  • Entdeckung des CMB

    1964 fanden Penzias und Wilson ein Rauschen, das sie nicht erklären konnten

    (1978)

  • Messung des CMB Energiespektrums

    (2006)

    Der CMB ist extrem isotrop mit einer Temperatur von

    TCMB = 2.725 K

  • Temperaturfluktuationen des CMB

    • Der CMB hat winzige Temperaturunterschiede in verschiedenen Richtungen

    • Dipol (ΔT/T ≈ 10-4) durch Dopplereffekt

    • Intrinsische Fluktuationen ΔT/T ≈ 10-5

  • Temperaturfluktuationen des CMB

    • Temperatur der Hintergrundstrahlung ist extrem isotrop, T ≈ 2.725 K

    • Winzige Anisotropien, σT ≈ 20 μK, hervorgerufen durch Dichtefluktuationen zur Zeit der Rekombination

    • Diese Dichtefluktuationen sind Ausgangspunkt der Bildung von Strukturen wie Galaxien oder Galaxienhaufen

    COBE DMR (1992)

    kälter als das Mittel

    wärmer als das Mittel

  • Strukturbildung

  • Strukturbildung

    http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=jHoHz9fSGVI

    http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=bbLq_skQ_As

    http://www.deus-consortium.org/gallery/videos/

    http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=bbLq_skQ_Ashttp://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=bbLq_skQ_Ashttp://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=bbLq_skQ_As

  • Zum Vergleich: Galaxienverteilung

    Daten vom 2dF survey

    Jeder Punkt ist eine Galaxie!

  • COBEs Karte der CMB Temperaturfluktuationen

    COBE hatte lediglich eine Auflösung von 7°

    COBE DMR (1992)

    Weltkarte mit gleicher Auflösung

  • Die nächsten Generationen von CMB-Experimenten

  • Messung des CMB durch Planck

    Video: Planck cruise to L2 www.esa.int/spaceinvideos/Videos/2013/10/Planck_cruise_to_L2

  • Der Himmel mit den Augen von Planck gesehen

    9 Frequenzbänder kombiniert

  • Der Himmel mit den Augen von Planck gesehen

  • Separation des CMB von anderen Komponenten

    Video: Revealing the Cosmic Microwave Background with Planck

    www.esa.int/spaceinvideos/Videos/2013/03/Revealing_the_cosmic_microwave_background_with_Planck

  • Plancks Karte der CMB Temperaturfluktuationen

  • Von der Karte zum Spektrum…

    • Die Theorie ist nicht in der Lage, die genaue Position einzelner heißer oder kalter Flecken vorherzusagen

    • Stattdessen: Vorhersage von statistischen Eigenschaften der Temperaturkarte (zum Beispiel Mittelwert, Varianz, Korrelationen,…)

    + …

    +

    +

    +

    =

    Entwicklung in Kugelflächenfunktionen

  • Das CMB-Winkelleistungsspektrum ungefährer

    Winkelabstand

    Multipolmoment

    Typische Größe der heißen und kalten Flecken (Standardlineal!)

  • Theoretische Vorhersage des CMB-Spektrums

    Räumliche Krümmung

    Vakuum- energie- dichte

    Baryon- energie- dichte

    Materie- energie- dichte

    • Das theoretische CMB-Spektrum hängt vom Modell und den Werten gewisser kosmologischer Parameter ab

    • Vergleich mit gemessenem Spektrum erlaubt es, zwischen verschiedenen Modellen zu unterscheiden und die Werte der unbekannten Parameter zu bestimmen

  • Das kosmologische Standardmodell

    Das einfachste Modell, mit dem sich CMB-Daten erklären lassen (Ockham’s Rasiermesser!)

    • Räumlich flaches FLRW-Universum, rund 13,8 Mrd. Jahre alt

    • Anfängliche Dichtefluktuationen ungefähr weißes Rauschen

    • Kosmische Torte:

    Normale Materie

    Dunkle Materie?!

    Dunkle Energie?!?!

    (Vakuumenergie)

    Etwa 95% des Universums sind

    unbekannt…

  • Nicht nur der CMB…

    … auch andere Daten von unabhängigen Messungen lassen sich durch dieses Modell erklären, z.B.:

    • Primordiale Elementhäufigkeiten (BBN)

    • Räumliche Galaxienverteilung

    • Anzahl von Galaxienhaufen

    • Typ Ia supernovae

    • Gravitationslinseneffekte

    • etc.

  • Was ist dunkle Materie?

    • Elektrisch neutral (und daher dunkel!)

    • Kaum anderweitige Wechselwirkung mit normaler Materie

    • Ist kalt, d.h., im späten Universum nicht-relativistisch (daher nicht Neutrinos)

    • War bereits vor der Rekombination vorhanden (also keine braunen Zwerge, etc.)

    • Vermutlich ein bislang unentdecktes Elementarteilchen (Supersymmetrie?)

  • Weitere Hinweise auf dunkle Materie: Rotationskurven von Galaxien

    Rotationsgeschwindigkeit

    gemessen

    erwartet (von sichtbarer Materie)

    Radialer Abstand [Lichtjahre]

  • Gravitationslinseneffekt

    Massive Objekte “beulen” die Raumzeit aus und verzerren dadurch dahinterliegende Objekte

    Messung der Stärke des Effekts ermöglicht Bestimmung der Gesamtmasse (dunkle+ evtl. sichtbare) der Gravitationslinse

  • Weitere Hinweise auf dunkle Materie: Gravitationslinseneffekt auf den CMB

    Dunkle (und sichtbare) Materie bewirken eine leichte Verzerrung der ursprünglichen Temperaturfluktuationen

    Charakteristisches Muster von Planck beobachtet

  • Weitere Hinweise auf dunkle Materie: Bullet cluster

    Röntgen: heißes Gas Gravitationslinseneffekt: Massenverteilung

    Interaktion zweier Galaxienhaufen: Normale Materie wechselwirkt und wird abgebremst

    Dunkle Materie wechselwirkt nicht und durchdringt sich

  • Die Suche nach der Identität der dunklen Materie

    ?

    Dunkles Materie-Teilchen Standardmodell-Teilchen

    Unbekannte Wechselwirkung

    Annahme: Thermische Produktion im frühen Universum

  • Die Suche nach der Identität der dunklen Materie

    ?

    Dunkles Materie-Teilchen Standardmodell-Teilchen

    Zeit

    Prozeß

    + +

    DM-Erzeugung

  • DM-Erzeugung an Beschleunigern

    • Suche nach Ereignissen mit “fehlender” Energie und fehlendem Impuls

    • Bislang noch keine Hinweise…

    • Vielleicht im nächsten Jahr am LHC?

  • Die Suche nach der Identität der dunklen Materie

    ?

    Dunkles Materie-Teilchen Standardmodell-Teilchen

    Zeit

    Prozeß

    + +

    DM-Annihilation

  • DM-Annihilation: Indirekte Detektion

    Suche nach Röntgen-/Gammastrahlungs-/hochenergetischen Teilchen-Signal aus

    Gebieten mit hoher Dichte an dunkler Materie (z.B. dem Zentrum der Milchstraße)

    Simuliertes Signal

    z.T. vielversprechende Kandidaten, aber nicht

    immer einfach von astrophysikalischen Signalen

    auseinanderzuhalten

  • Die Suche nach der Identität der dunklen Materie

    ?

    Dunkles Materie-Teilchen Standardmodell-Teilchen

    Zeit

    Prozeß

    + +

    DM-Streuung

  • DM-Streuung: Direkte Detektion

    • Suche nach Rückstoßsignal

    Einige Experimente behaupten, ein Signal gesehen zu haben, aber verschiedene Signale sind nicht kompatibel und bislang keine unabhängige Bestätigung

  • Zeitalter der dunklen Energie

  • Weitere Hinweise auf Dunkle Energie: Typ Ia supernovae

    (2011)

    Materie-Energiedichte

    Rotverschiebung

    Universum ohne DE

  • Dunkle Energie

    • Bewirkt ein beschleunigtes Wachstum des Skalenfaktors a(t)

    • Ewige Expansion des Universums, Materie wird immer weiter verdünnt

    • Mögliche Erklärung wäre Vakuumenergie (“kosmologische Konstante”), aber warum so klein? Naive quantenfeldtheoretische Schätzungen um viele Größenordnungen höher…

    • Vielleicht auch ein Zeichen, daß unsere Theorie der Gravitation erweitert werden muß?

  • Inflation

  • Inflation

    • Exponentielles Wachstum des Skalenfaktors a(t) um einen Faktor 1030 in einem Bruchteil einer Sekunde

    • Glättet den Raum lokal • Angetrieben durch potentielle

    Energie eines Skalarfeldes Quantenfluktuationen! • Erzeugt genau die Art Dichte-

    fluktuationen, die im CMB beobachtet werden

    • Erzeugt zusätzlich Gravitationswellen!

  • Polarisation des CMB

    • Der CMB ist schwach linear polarisiert

    • Es gibt zwei Arten von Polarisation, E und B

    E B wird durch Dichte- Fluktuationen und Gravitationswellen

    erzeugt

    wird nur durch Gravitationswellen

    erzeugt

  • BICEP2…

    … ist ein Mikrowellenteleskop am Südpol

  • Messung der CMB B-Polarisation durch BICEP2

    B-Signal von inflationären Gravitationswellen

    B-Signal durch Gravitationslinsen-

    Effekt (keine neue Physik)

    Caveat: BICEP2 hat nur auf einer Frequenz gemessen Keine Möglichkeit, galaktisches Signal zuverlässig abzuschätzen

  • Messung des galaktischen polarisierten Staubsignals durch Planck

    Galaktische polarisierte Staubemission hat ähnliche Amplitude wie das von BICEP2 gemessene Signal…

  • Zusammenfassung

    • Überwältigende experimentelle Evidenz für das Urknall-Modell

    • Enorme Fortschritte im Verständnis des Universums in den letzten 20 Jahren

    • “Standardmodell” der Kosmologie, Parameter mit Prozentgenauigkeit bestimmt

    • Offene Fragen: Dunkle Materie, Dunkle Energie, Inflation?