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7. Tag der Gesundheitswirtschaft 8. November 2013 Ι Flughafen Münster/Osnabrück Telemedizin im ländlichen Raum: Irrweg oder Rettungsanker?

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7. Tag der Gesundheitswirtschaft

8. November 2013 Ι Flughafen Münster/Osnabrück

Telemedizin im ländlichen Raum:

Irrweg oder Rettungsanker?

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Inhalt

Grußworte

Dr. Michael Böckelmann

1. Vorstandsvorsitzender des GewiNet Kompetenzzentrum Gesundheitswirtschaft e.V.

4

Wolfgang Loos

Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin....

5

1. Telemedizin als Lösung in der ländlichen Versorgung

Joachim von Mirbach,T-Systems International GmbH

Brandenburgisches Telemedizin-Netzwerk zur Versorgung von kardiologischen Hochri-

sikopatienten in der ländlichen Region………………………………………………………

6

Nicole Egbert, Hochschule Osnabrück

Telehealth: Wenn die Versorgung mobil wird – Beispiele aus der Wundversorgung…..

9

2. Telemedizin: Irrweg oder Ausweg?

Marcus Garthaus, Universität Osnabrück, Fachgebiet Pflegewissenschaft

Sinn und Zweck intersektoraler Referenzmodelle in der Telematik: Beispiel Tumor-

schmerz…………………………………………………………………………………………

12

3. Steigerung von Nutzen und Strahlkraft durch regionale Kooperationen

Dr. Maik Plischke, Braunschweiger Informatik- und Technologiezentrum Erfolgsfaktoren für Gesundheitsnetzwerke am Beispiel eHealth.Braunschweig………..

16

Thea Remers, Euregio Rhein-Waal

Deutsch-niederländische Kooperationen in der Gesundheitsversorgung……………….

18

4. Und wer zahlt’s? Finanzierungsmodell in der Telemedizin

Dr. SabineVoermans, Leiterin der TK-Landesvertretung Niedersachsen

Telemedizin aus der Sicht der TK-Erfahrungen und Erwartungen……………………….

22

Rainer Beckers, ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH

Mit Telemedizin kann man rechnen – Kosten-Nutzen-Betrachtung für die Teleintensiv-

medizin………………………………………………………………………………………….

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Grußwort

Dr. Michael Böckelmann,

1. Vorstandsvorsitzender des GewiNet Kompetenzzentrum Gesundheitswirtschaft e.V.

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Netzwerk der regionalen Gesundheitswirtschaft stehen für GewiNet die Zusammenarbeit, der

Austausch und die Verknüpfung von Interessen an erster Stelle. In unseren

Arbeitsschwerpunkten Betriebliches Gesundheitsmanagement, Telemedizin,

Palliativ und Versorgungssicherheit und -qualität bringen wir die zentralen Ak-

teure zusammen. Gemeinsam leisten wir so einen Beitrag zu einer besseren

Versorgungslandschaft in der Region. Den 7. Tag der Gesundheitswirtschaft

veranstaltet GewiNet in Kooperation mit der IHK Osnabrück - Emsland - Graf-

schaft Bentheim, der Initiative EHealth.Niedersachsen und INTERREG.

In diesem Jahr widmen wir uns dem Thema Telemedizin im ländlichen Raum.

Die Bereiche Telemedizin, EHealth und assistive Technologien haben sich in

den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt. Die Implementation der Anwendungen in der me-

dizinischen Gesundheitsversorgung steht jedoch in vielen Bereichen noch aus. In den folgenden

Beiträgen werden wir eine Reihe von Themen beleuchten, die in diesem Zusammenhang, insbe-

sondere im Hinblick auf den ländlichen Raum, eine Rolle spielen.

Gern möchte ich Sie auf die Initiative EHealth.Osnabrück hinweisen, die aus EHealth.

Niedersachsen entstanden ist. Unser Dank gilt hier insbesondere dem Niedersächsischen Minis-

terium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Die Initiative bündelt Aktivitäten in der Region Osnabrück

im Bereich EHealth, identifiziert den Bedarf in der Region, generiert mit Partnern aus Wissenschaft

und Wirtschaft Projektideen und setzt diese um. Das Ziel ist es, die Region auf die technischen

und menschlichen Herausforderungen der nächsten Jahre vorzubereiten. Mit Frau Prof. Hübner

von der Hochschule Osnabrück und Herrn Prof. Remmers von den Pflegewissenschaften an der

Universität Osnabrück haben wir bereits ausgewiesene Experten im Bereich Pflege und Technik

in unserem Netzwerk.

Viele neue Erkenntnisse beim Lesen der Lektüre wünscht Ihnen Ihr

Dr. Michael Böckelmann

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Grußwort

Wolfgang Loos,

Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der DeutschenGesellschaft für Telemedizin

Sehr geehrte Damen und Herren,

in absehbarer Zeit wächst der Bedarf, hochspezialisierte medizinische

Expertise standortunabhängig auch dort zugänglich zu machen wo sie

nicht vorhanden ist, aber dringend benötigt wird. EHealth-Anwendun-

gen ermöglichen neue Versorgungs- und Betreuungsangebote für äl-

tere und chronisch kranke Menschen im häuslichen Umfeld und ver-

bessern dadurch die Versorgungsqualität insbesondere in ländlichen

Räumen deutlich.

Die demografische Entwicklung, die zunehmende Spezialisierung und

die Änderungen der Versorgungsstrukturen im ländlichen Raum sind

die großen Herausforderungen für das deutsche Gesundheitswesen. Diese können erfolgreich

bewältigt werden, wenn es gelingt, heute schon teils etablierte Anwendungen der Telemedizin

flächendeckend und in der Regelversorgung zu realisieren.

Der vom GewiNet Kompetenzzentrum Gesundheitswirtschaft e.V. geplante 7. Tag der Gesund-

heitswirtschaft greift ein bedeutendes Thema für die Gesundheitswirtschaft und das Gesundheits-

wesen der Zukunft auf. Im Rahmen der Veranstaltung werden die Potenziale der Telemedizin

diskutiert, bereits erfolgreiche Initiativen präsentiert und interessierte Akteure zum Erfahrungsaus-

tausch zusammengebracht. Freuen Sie sich auf spannende Diskussionen mit ausgewiesenen Ex-

perten der Region über die Potenziale telemedizinischer Anwendungen. Sie werden sehr schnell

erkennen, welche Chancen sich aus modernen, bedarfsgerechten telemedizinischen Entwicklun-

gen für eine gute, flächendeckende und auf lange Sicht kosteneffiziente Patientenversorgung er-

geben.

Die DG Telemed unterstützt GewiNet bei der Bestrebung, die Potenziale von Telemedizin

sichtbar zu machen und weitere regionale Befürworter für das Thema zu gewinnen.

Auch im Namen des Vorstands der DGTelemed wünsche ich Ihnen eine interessante Lektüre.

Wolfgang Loos

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1. Telemedizin als Lö sung in der la ndli-chen Versörgung

Joachim von Mirbach, T-Systems International GmbH

Brandenburgisches Telemedizin-Netzwerk zur Versorgung von kardiolo-

gischen Hochrisikopatienten in der ländlichen Region

Das bundesweit erste flächendeckende Telemedizin-Netzwerk zur Versorgung von kardiologi-

schen Hoch-Risikopatienten wurde am 12.10.2011 in Cottbus offiziell gestartet und am Carl-

Thiem-Klinikum erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Durch die TeleMedizinZentren am Cottbu-

ser Klinikum sowie am Städtischen Klinikum in Brandenburg/Havel - dem zweiten Standort des

Telemedizin-Netzwerkes - sollen Hoch-Risikopatienten mit chronischer Herzschwäche künftig

rund um die Uhr aus der Ferne medizinisch betreut werden.

Telemedizin-Netzwerk mit 1,53 Millionen Euro gefördert

Für die Realisierung des gemeinsam mit der Charité entwickelten Versorgungsangebotes, mit

dem bis zu 500 Patienten betreut werden sollen, haben die Deutsche Telekom und die GETEMED

Medizin- und Informationstechnik in Teltow in den vergangenen Wochen die technische Infrastruk-

tur installiert. Das Projekt war mit 1,53 Millionen Euro aus Mitteln des Konjunkturpaketes II, und

damit aus Mitteln des Bundes und des Landes, gefördert worden. Dieses erste umfassende tele-

medizinische Projekt im Rahmen der Patientenversorgung soll helfen, belastende Doppelunter-

suchungen und teure Krankenhausaufenthalte zu vermeiden sowie die Lebensqualität der Hoch-

und Höchstrisiko-Herzpatienten zu verbessern. Dafür hat die AOK Nordost mit den Kliniken einen

integrierten Versorgungsvertrag geschlossen.

„Mit diesem Telemedizin-Netzwerk ist Brandenburg Vorreiter und beweist eindrucksvoll, wie ge-

meinsames Engagement von Partnern aus Politik, dem Gesundheitsbereich und der Wirtschaft

die gesundheitliche Versorgung der Menschen maßgeblich verbessern kann. Vor allem die haus-

ärztliche Betreuung von Patientinnen und Patienten in ländlichen Regionen wird davon profitie-

ren“, sagte Brandenburgs Gesundheitsministerin Anita Tack in Cottbus.

„In dem Telemedizin-Projekt wird nun durch modernste Technik, ein umfassendes Know-how der

beteiligten Partner und die enge Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kardiologen auch

die ambulante telemedizinische Betreuung von Patienten mit hohem bzw. sehr hohem Risiko für

eine chronische Herzinsuffizienz ermöglicht“, sagte AOK-Vorstandsvorsitzender Frank Michalak,

der sich heute zusammen mit der Ministerin die Funktionsweise des Telemedizin-Netzwerkes de-

monstrieren ließ. Nach von der Gesundheitskasse bereits etablierten Betreuungsansätzen für

Herzpatienten - angefangen von den bekannten Chroniker-Angeboten (DMP) bis hin zu Patien-

tenschulungsprogrammen - komplettiert das Telemedizin-Netzwerk die medizinische Versorgung

für Herz-Risikopatienten.

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Herzinsuffizienz als gesundheitspolitische Herausforderung

Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten internistischen Erkrankungen in Deutschland mit geschätzt

zwei bis drei Millionen Betroffenen. Nach den Daten des Statistischen Bundesamts Deutschland

war die Herzinsuffizienz in 2010 die dritthäufigste Todesursache und der zweit-häufigste Anlass

für eine stationäre Behandlung.

„Für eine bessere Versorgung chronisch herzinsuffizienter Patienten insbesondere in struktur-

schwachen Regionen, die die unsrige es ja ist, bietet diese Vernetzung neue weitreichende Mög-

lichkeiten. Noch dazu, da es sich erstmals um eine Regelversorgung handelt. Die enge Koopera-

tion mit den niedergelassenen Kollegen aus der Kardiologie und dem Hausarztbereich und insbe-

sondere mit dem Klinikum Brandenburg, wo ja bereits gute Erfahrungen vorliegen, bietet alle Vo-

raussetzungen für eine qualitativ hochwertige Vernetzung im Interesse der Patienten“, sagt Chef-

arzt Dr. Jürgen Krülls-Münch, I. Medizinische Klinik des Carl-Thiem-Klinikums Cottbus. Die Ge-

schäftsführerin des Klinikums Heidrun Grünewald ergänzt: „Die Mitwirkung am Telemedizin-Netz

ist für unser Klinikum eine neue Herausforderung, der wir uns aus vielen Gründen gern stellen:

Wir erweitern unsere Betreuungsmöglichkeiten zeitlich und räumlich über das Krankenhaus hin-

aus, das fordert Mitarbeiter ebenso wie Technik, Krankenhausorganisation und Verwaltungspro-

zesse. Eine Herausforderung, die in die Zukunft hineinreicht, denn wir denken schon weiter: Mor-

gen werden vielleicht Risikoschwangere, Diabetiker, Schlaganfallpatienten und die, die pflege-

dürftig sind, in virtuelle Betreuungsnetze eingebunden sein. Wir bereiten uns darauf vor.“

Prof. Dr. med. Michael Oeff, Chefarzt am Städtischen Klinikum Brandenburg freut sich, die flä-

chendeckende Herzversorgung mit modernster Technologie fortsetzen zu können. „Die jetzt ein-

gesetzte Technik eignet sich ja für eine Kommunikation auch über weite Strecken, sodass dem

Patienten und seinen Angehörigen lang dauernde Fahrten in unserem Flächenland erspart blei-

ben. Wir können beginnende Verschlechterungen frühzeitig erkennen und gegensteuern. Dies

erfolgt sektorübergreifend in Kooperation mit den niedergelassenen Kollegen, die durch das Te-

lemedizin-Zentrum sachgerecht aufgearbeitete Informationen zu ihren Patienten erhalten“, so O-

eff. Bei vorangegangenen Forschungsvorhaben in der Havelstadt konnte gezeigt werden, dass

sich Krankenhauseinweisungen um bis zu 11 Prozent und die stationären Behandlungstage um

bis zu 23 Prozent reduzieren lassen, wenn Patienten kontinuierlich telemedizinisch betreut wer-

den.

Nach dem offiziellen Startschuss für das Telemedizin-Netzwerk wurden die niedergelassenen

Kardiologen informiert. Sie werden ebenso wie Hausärzte eng in das Projekt eingebunden. Zu-

sammen mit dem Cottbuser und dem Brandenburger Klinikum werden die ambulanten Fachärzte

für das Programm geeignete Patienten ansprechen und zur Teilnahme vorschlagen. Die Teilneh-

mer werden umgehend mit den telemedizinischen Geräten zu Hause ausgestattet.

Die Deutsche Telekom versteht sich als Partner im Gesundheitswesen, insbesondere in der Te-

lemedizin. „Das flächendeckende Netz in Brandenburg ist ein Meilenstein für die Telemedizin in

Deutschland. Die Deutsche Telekom zeigt in dem Projekt, was Informations- und Kommunikati-

onstechnik im Gesundheitswesen leisten kann und leisten muss“, sagt Dr. Axel Wehmeier, Leiter

Konzerngeschäftsfeld Gesundheit bei der Deutschen Telekom. Telemedizin stehe dabei auch sy-

nonym für intersektorale Gesundheitsversorgung. „Die sichere Vernetzung, gekoppelt mit der

elektronischen Patientendokumentation und IT-gestützte Behandlungsprozesse bilden das Kern-

stück der Telemedizin und sorgen so nicht nur für mehr Patientensicherheit und eine optimale

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post-stationäre Versorgung, sondern auch für effektive Hilfe in häuslichen Notsituationen. Tele-

monitoring ist heute technologisch ausgereift. Aktuelle Studien belegen den medizinischen Nutzen

vor allem für chronisch kranke Risikopatienten“, so Wehmeier.

Hintergrund: Wie funktioniert die telemedizinische Betreuung?

Patienten werden durch die beiden TeleMedizinZentren in Cottbus und in Brandenburg/Havel be-

treut. Im Vorfeld werden die ambulanten Kardiologen und internistisch tätigen Hausärzte über das

Betreuungsangebot informiert. Wenn die niedergelassenen Ärzte einen Patienten behandeln, der

aus medizinischen Gründen in Frage kommt, kann dieser nach Abstimmung mit der Klinik in das

Programm eingeschrieben werden. Angesprochen werden Patienten mit chronischer Herzinsuffi-

zienz mit fortgeschrittenem Schweregrad.

Hochrisiko-Patienten erhalten diagnostische Geräte

Hochrisikopatienten werden zu Hause mit diagnostischen Geräten ausgestattet. Diese liefern per

Datenleitung wichtige Vitaldaten an die TeleMedizinZentren der beiden Kliniken. Ärztliche Teams

in 24-Stunden-Bereitschaft werten die Daten aus und informieren bei einem sich abzeichnenden

kritischen Gesundheitszustand die Patienten und deren Ärzte. Den behandelnden Hausärzten und

Kardiologen liegen somit vor dem Patientenbesuch bereits alle wichtigen Diagnose-Daten vor.

Die Telemedizin-Lösung von der Deutschen Telekom und GETEMED besteht aus intelligent ver-

netzten Endgeräten (z. B. Waage, Blutdruckmessgerät), die von den Patienten zu Hause einfach

zu bedienen sind. Vitaldaten, wie EKG, Gewicht, Sauerstoffsättigung und Blutdruck sowie Anga-

ben zu Befunden und zur Medikamenteneinnahme liefern den Ärzten in den angeschlossenen

TeleMedizinZentren wichtige Hinweise, um den Zustand des Patienten aus der Ferne einzuschät-

zen und bei Bedarf intervenieren zu können. Durch den engen Patientenkontakt und die Rück-

kopplung der Befunde werden die Patienten außerdem in ihr Krankheitsgeschehen eingebunden.

Betroffene messen täglich ihre Werte

Diese ermittelten Werte des Patienten werden automatisch und kabellos direkt in die elektronische

Patientenakte im TeleMedizinZentrum übertragen. Von einem telemedizinischen Arbeitsplatz aus

lassen sich die Werte dann überwachen. Die Geräte für den häuslichen Bereich und die Software

für die Analyse des EKG liefert GETEMED. Die Telekom bindet mit ihrem telemedizinischen Ar-

beitsplatz die beiden Kliniken und die Hausärzte an und versorgt die Beteiligten mit Telefon-, In-

ternet- oder Mobilfunkverbindungen. Von der Telekom kommt auch die elektronische Patienten-

akte. Alle Geräte sowie die Software erfüllen die Anforderungen des Medizinproduktegesetzes

(MPG).

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Nicole Egbert, Hochschule Osnabrück

Telehealth: Wenn die Versorgung mobil wird – Beispiele aus der Wund-

versorgung

Was ist Telemedizin?

Telemedizin ist die Durchführung konkreter medizinischer Dienstleistungen unter Einsatz von In-

formations- und Kommunikationstechnologien zur Überwindung räumlicher Entfernungen zwi-

schen zwei medizinischen Leistungserbringern (Doc2Doc) oder einem medizinischen Leistungs-

erbringer und einem Patienten (Doc2Patient)1.Durch den Einsatz von Telemedizin soll z.B. eine

ortsnahe Versorgungsqualität erreicht werden, d.h. die Behandlung des Patienten soll möglichst

nah des häuslichen Umfeldes stattfinden. Dem Patienten werden dadurch Fahrten zum Arzt und

deren Kosten erspart und es wird eine hohe Qualität der Versorgung auch in strukturschwachen

und ländlichen Regionen sichergestellt2. Die Informationstransparenz kann einrichtungsübergrei-

fend verbessert und ein zeitnaher und einfacherer Zugang zu medizinischem Wissen ermöglicht

werden3.

Telemonitoring von chronischen Wunden

Ein Einsatzgebiet der Telemedizin ist die Dermatologie, die durch die optische Komponente sehr

gut für Telemedizin geeignet ist und keine besondere und teure Ausstattung erfordert. Hochwer-

tige Digitalkameras, hochauflösende Monitore und Breitbandinternet sind zunehmend weit ver-

breitet und zu erschwinglichen Preisen verfügbar. Telemedizin bietet sich sehr gut an für den

Einsatz im Rahmen der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden. In Deutschland lei-

den nach Schätzungen ca. 3-4 Mio. Menschen an einer chronischen Wunde des Typs Dekubitus,

Ulcus cruris oder Diabetischer Fuß,die Kosten von ca. 3 Mrd. Euro/Jahr verursachen.An der Ver-

sorgung dieser Patienten ist eine Vielzahl an Akteuren beteiligt, nämlich Hausärzte, niedergelas-

sene Fachärzte (Diabetologen, Chirurgen, Dermatologen, Angiologen u.a.)und Fachärzte und

Pflegekräfte in Krankenhäusernsowie Pflegekräfte und Wundexperten in Alten- und Pflegehei-

men, ambulanten Pflegedienstenund bei Home Care Versorgern. Zwischen diesen Akteuren be-

steht ein hoher Kommunikationsbedarf und die große Herausforderung liegtdaher darin, eine ein-

richtungsübergreifende, interdisziplinäre und zunehmend komplexe Versorgung der Patienten zu

koordinieren.Für die Patienten selber stellen die chronischen Wunden eine hohe Belastung und

auch Einschränkung der Lebensqualität dar, z.B. durch lange Krankenhausaufenthalte oder auch

die Abhängigkeit von einem ambulanten Pflegedienst. Eine mangelhafte sektorenübergreifende

Kooperation der Behandler und der damit einhergehende unzureichende Informationsfluss bezüg-

lich der Erkrankung können die Wundheilung erschweren4.

1Schultz C, Salomo K. Systematik und Eigenschaften telemedizinischer Dienstleistungen. In: Salomo K, Gemünden HG, Salomo S (Hrsg.) Akzeptanz der Telemedizin. Minerva KG, Darmstadt, 2005, S. 17-42.

2Horsch A, Handels H. Telematik im Gesundheitswesen. In: LehmannTM (Hrsg.) Handbuch der Medizinischen Infor-matik. 2., vollständig neu bearbeitete Auflage. München, Wien, Carl Hanser Verlag, 2005, S. 673-712.

3 Haas P. Gesundheitstelematik. Grundlagen, Anwendungen, Potenziale. Heidelberg, Berlin, Springer Verlag, 2006. 4 Gries C. Wirtschaftlichkeit der Wundtherapie: Die Sicht des Kostenträgers. In: Augustin M, Debus ES (Hrsg.): Mo-derne Wundversorgung im Spannungsfeld zwischen Qualitätsanspruch, Zuständigkeit und Sparzwang. Wiesbaden, mhp-Verlag, 2009, S. 89-96.

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Das Telemonitoring von chronischen Wunden kann hier eine Möglichkeit sein, die Kooperation

und Kommunikation der Leistungserbringer untereinander und auch mit den Patienten zu verbes-

sern. Im Rahmendes Telemonitorings erfolgen die Begutachtung der Wunde und die Überwa-

chung des Heilungsverlaufes durch einen Spezialisten im eigenen Zuhause des Patienten oder in

einer Pflegeeinrichtung mit Hilfe von digitalen Bildern oder Videokonferenztechnik. Folgende

Techniken können dabei unterschieden werden5:

Live-interaction:Beurteilung der Wunde im Rahmen einer audiovisuellen Übertragung mit-

tels Videokonferenztechnik. Ein direkter Austausch zwischen den Beteiligten ist möglich

(synchron).

Store-and-forward: Beurteilung der Wunde anhand eines digitalen Fotos. Die Begutach-

tung der Wunde erfolgt zeitversetzt (asynchron).

Hybrides Modell: Kombination von Elementen aus live-interaction und store-and-forward.

Die Aufnahmen von Fotos zur Begutachtung einer Wunde müssen unter standardisierten Bedin-

gungen erfolgen, um eine Vergleichbarkeit der Aufnahmen zu gewährleisten. Eine möglichst hohe

Qualität der Fotos ist dabei anzustreben. Standardisierung bedeutet, dass die Aufnahmen u.a.

immer aus dem gleichen Abstand zur Wunde, im gleichen Winkel und unter den gleichen Licht-

verhältnissen erfolgen müssen. Es existiert jedoch bislang kein allgemeingültiger Standard für die

Fotodokumentation. Wichtig ist auch, dass die Pflegekräfte im richtigen Umgang mit der Kamera

geschult sind. Die aufgenommenen Fotos müssen mit den dazugehörigen Befunden in einem

geeigneten System gespeichert werden, z.B. in einem Dokumentenmanagementsystem, in dem

sie zum Zweck des besseren Auffindens verschlagwortet und in einem geeigneten Bildformat ab-

gelegt sind, um von dort auch wieder angezeigt werden zu können. Ein ersterAnsatz für eine

sektorenübergreifende Bilddokumentation zwischen Ärzten und Pflegekräften im Krankenhaus,

im niedergelassenen Bereich und bei einem Home Care Versorger wird im Osnabrücker Wund-

und Lymphzentrum praktiziert.

Das Telemonitoring von chronischen Wunden bietet für alle Beteiligten Nutzen und Vorteile. Die

Patienten profitieren durch eine gezieltere Therapie von einer schnelleren Wundheilung. Durch

den Wegfall von Arztbesuchen reduzieren sich Transferzeiten und –kosten, sowohl für Patienten

als auch für Pflegeeinrichtungen. Veränderungen in der Wundheilung werden schneller erkannt

und so Langzeitrisiken, wie z.B. der Amputation von Gliedmaßen, vorgebeugt. Auch Kranken-

hausaufenthalte können dadurch vermieden werden. Ärzte können sich bei Unsicherheiten

schnell Zweitmeinungen bei Spezialisten in Form von Telekonsultationen einholen. Insgesamt

kann das Telemonitoring von chronischen Wunden zu einer Verbesserung der Versorgungskon-

tinuität und sektorenübergreifenden Versorgung sowie Senkung der Kosten der Wundversorgung

beitragen, also einen Nutzen für das Gesundheitswesen allgemein darstellen.

5 Pak HS, Edison KR, Whited JD. Teledermatology modalities. In: Pak HS, Edison KE, Whited JD (eds.) Teledermatol-ogy: A User´s Guide. Cambridge University Press, 2009, pp. 5-8.; Desai B, McKoy K, Kovarik C. Overview of interna-tional teledermatology. Pan Africa Medical Journal. 2010, 6:3.;Gray LC, Armfield NR, Smith AC. Telemedicine for wound care: Current practice and future potential. Wound Practice and Research.2010, 18(4).

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Da diese Vorteile häufig nicht bekannt sind, finden dazu im Rahmen der AAL-Schulungen des

Projektes MHH-QuAALi6 spezifische Lerneinheiten der Hochschule Osnabrück statt. Diese richten

sich sowohl an Pflegekräfte wie an Techniker, die eine entsprechende Infrastruktur aufbauen sol-

len.

In Deutschland erfolgt bislang kein flächendeckender Einsatz von Telemedizin und Teledermato-

logie im Speziellen. Ein Grund dafür ist, dass Telemedizin kein Bestandteil des Leistungskatalo-

ges der Krankenkassen ist. Eingesetzt wird sie im Rahmen von Verträgen der Integrierten Versor-

gung nach §140aff. SGB V, z.B. für Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz. Auch für die

Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden existieren Integrationsverträge, jedoch spie-

len telemedizinische Anwendungen darin keine Rolle7. Anders sieht es z.B. in den Niederlanden

aus, wo Teledermatologie seit 2006 im Gesundheitssystem integriert ist und vollständig durch die

Krankenversicherungen erstattet wird. Mehr als ein Drittel der Hausärzte führen teledermatologi-

sche Konsultationen durch, hauptsächlich für Hautausschläge, Infektionserkrankungen und gut-

artige Tumore8, jedoch - ähnlich wie in Deutschland - noch nicht im Rahmen von chronischen

Wunden.

eWundbericht

Eine reine Bilddokumentation reicht nicht für eine gute sektorenübergreifende Kommunikation

aus. Ähnlich wie in der Radiologie müssen die Bilder durch einen schriftlichen Befund ergänzt

werden. Im Bereich der elektronischen Kommunikation von Akteuren in der chronischen Wund-

versorgung ist das ein elektronischer Wundbericht. Entsprechende Entwicklungenzur Standardi-

sierung des eWundberichts als elektronische Abschlussdokumentation am Ende einer Behand-

lungsepisode finden aktuell an der Hochschule Osnabrück statt9. Diese erfolgen in Kooperation

mit allen maßgeblichen wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Der eWundberichtergänzt den

elektronischen Arztbrief und den elektronischen Pflegebericht nach HL7 CDA10um die sehr spezi-

fischen Informationen, die in der Wundversorgung benötigt werden.

Zusammen mit den standardisiert aufgenommenen Wundbildern liefert der eWundbericht eine

umfassende Beschreibung des medizinisch-pflegerischen Geschehens und bietet eine Chance,

die Informationen am Ende einer Behandlungsepisode gebündelt zu kommunizieren.

Mit dem Wund-Telemonitoring als Unterstützung des Behandlungsverlaufes und dem eWundbe-

richt als Instrument des Behandlungstransfers gibt es zwei Ansätze zur einer informatorischen

Begleitung des gesamten interdisziplinären und einrichtungsübergreifenden Behandlungsprozes-

ses.

6Krückeberg J, Behrends M, Kupka T, Marschollek M, Schulze M, Illiger K, Matthies HK, Schmeer R, Meyenburg-Alt-warg I, Mascia M, Hübner U, Egbert N, Goll S, Nitschke M, Kammeier D, Plischke M, Lumpe AK. MHH-QuAALi – In-terdisziplinäre, berufliche und akademische Weiterbildung im Bereich AAL. Tagungsband des 5. Deutschen AAL-Kongresses, 24.-25.01.2012 Berlin, VDE Verlag GmbH, Berlin, Offenburg, 2012, CD-ROM.

7 Egbert N, Hübner U. Sichert die Integrierte Versorgung eine adäquate Informationsweiterleitung? WundManage-ment. 2013;2:54-60. 8van der Heijden JP, de Keizer NF, Bos JD, Spuls PI, Witkamp L. Teledermatology applied following patient selection

by general practitioners in daily practice improves efficiency and quality of care at lower cost. Br J Dermatol. 2011 Nov;165(5):1058-65.

9Cruel E, Hübner U (2012) Auf dem Weg zu einem multiprofessionellen elektronischen Wundbericht in der intersek-toralen Versorgung. Wundmanagement. 2012;6[6]:256-264.

10 Schulte G, Flemming D, Hübner U. Die Zukunft ist elektronisch. ePflegebericht. Die Schwester Der Pfleger; 5/2013: 494-498.

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2. Telemedizin: Irrweg öder Ausweg?

M. Garthaus, U. Hübner, H. Remmers

Sinn und Zweck intersektoraler Referenzmodelle in der Telematik: Bei-

spiel Tumorschmerz.

Ergebnisse des Verbundprojektes IKM health.

Ausgangslage und Problemstellung

Das deutsche Gesundheitswesen wird bislang nach wie vor von intrasektoralen Strukturen domi-

niert. Eine weitgehend offene aber zentrale Frage ist, wie eine adäquate Informationsweiterleitung

in den Versorgungsprozessen des Gesundheitswesens ausgestaltet sein sollte, um eine an den

Bedürfnissen der Patienten orientierte, strukturierte Informationsübermittlung sowie engmaschige

Koordination aller beteiligten Akteure zu forcieren. Eine sektorenübergreifende Abstimmung, die

aufgrund der Komplexität und Spezialisierung der medizinisch-pflegerischen Versorgung uner-

lässlich wird, bedarf daher zunächst eines Orientierungsmusters, das die oftmals unübersichtliche

Interaktionsstruktur zwischen den Leistungserbringern aufgreift. Zu diesem Zweck und zur forma-

lisiertenallgemeingültigen Beschreibung der Informationen und der Informationsaustauschpro-

zessebieten sich intersektorale Referenzmodelle an, wie sie für die drei Anwendungsbereiche

Chronische Wunden, Rücken- und Tumorschmerzinnerhalb des niedersächsischen Verbundpro-

jekts IKM health11 entwickelt wurden.Insbesondere chronifizierte Schmerzbelastungen, welche

auf Tumorerkrankungen zurückzuführen sind, stellen für viele Betroffeneaufgrund ihrer Vielschich-

tigkeit außerordentliche Belastungen dar. Nicht selten kommt es an den Übergabepunkten entlang

dieser speziellen Versorgungsketten zu kommunikationsbedingten Problemen und Informations-

defiziten.

(Multi-)Methodische Vorgehensweise

Um den Anforderungsempfehlungen (intersektoraler) Referenzmodelle nach Allgemeingültigkeit,

Anpassbarkeit und Anwendbarkeit12 Rechnung zu tragen, wurde eigens ein multimethodisches

Vorgehensmodell entwickelt13 (siehe Abbildung 1).Zur Generierung der Informations- und Pro-

zessanforderungen bei derVersorgung von Patienten mit Tumorschmerzen wurde zunächst eine

strukturierte Recherche nach nationalen und internationalen Leitlinien und Standards durchge-

führt, da diese bei zunehmender medizinisch-pflegerischer Komplexitätsystematische und evi-

denzgestützte Hilfen für Entscheidungeneiner adäquaten und leistungsfähigen Versorgung dar-

stellen.14Zunächst lag der Fokus auf Leitlinien und Standards,die Empfehlungen zu patientenbe-

11IKM health: Informationskettenmanagement zur Verbesserung der Patientenversorgung. Niedersächsisches Ver-bundprojekt (EFRE-Förderlinie 2.2.1). Anwendungsfelder Chronische Wunden (Hochschule Osnabrück), Rücken-schmerz (Universitätsmedizin Göttingen) und Tumorschmerz (Universität Osnabrück). 12 Vgl. Hars A. & Scheer A.W. (1994). 13 Vgl. hierzu u.a.Hübner U. et al.(2012). 14 Vgl. Cruel E. et al. (2012).

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zogenen Transferdatensätzen und intersektoralen Prozessenenthielten. Um auch den Ansprü-

chen der derzeitigen Praxis gerecht zu werden, wurden dieeruierten Leitlinienergebnisse mit Ex-

pertinnen und Experten der onkologischen Versorgung (u.a. Fachärzte und Pflegekräfte) mithilfe

von Delphibefragungenund Experteninterviews abgeglichen und konsentiert.Ergänzt wurde die-

sesmultimethodische Vorgehen um eine Analyse verschiedenartiger Dokumente (hier u.a.spezifi-

sche Schmerzanamnesebögen, Schmerztagebücher). Die Informations-

und Prozessreferenzmodelle wurden für alle Anwendungsdomänen als UML Diagramme (Klas-

sen- und Aktivitätsdiagramme) erstellt.

Ergebnisse

Die durchgeführten Arbeiten und methodischen Schritte zur Generierung der spezifischen Infor-

mations- und Prozessanforderungenfür die Anwendungsdomäne Tumorschmerz offenbartenkom-

plexe Anforderungen bei der Versorgung dieser höchst vulnerablen Patientengruppe. In einem

weiteren Schritt ließen sich die eruierten Anforderungen in UML Klassen- und Aktivitätsdiagramme

überführen.

Abbildung 1: Multimethodisches Vorgehensmodell zur Erstellung intersektoraler Referenzmodelle.

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Relevante Items zur Anwendungsdomäne Tumorschmerz

Den Anforderungen an Referenzmodelle hinsichtlich ihrer Allgemeingültigkeit, Anpassbarkeit und

Anwendbarkeit konnte insbesondere aufgrund des Leitlinien-PraxisabgleichsRechnung getragen

werden. Sie erweisen sich als allgemeingültig wegen ihrer evidenzbasierten Grundlage und

sindanwendbar, da sie die Forderungen der derzeitigen Praxis integrieren. Die Anpassbarkeit ist

mitunter auf die unterschiedlichen Anwendungssituationen zurückzuführen, die eine Ausgangs-

lage für die Anpassung an eine konkrete Versorgungssituation bilden.15

Ausblick

In dem IKM health Projekt konnte beispielhaft für die Anwendungsfelder Chronische Wunden,

Rücken- und Tumorschmerz aufgezeigt werden, dass intersektorale Referenzmodelle als Basis

für die Entwicklung domänenspezifischer EHealth Standards dienen. Referenzmodelle dieser Art

besitzen das Potenzial,die spezifischen medizinisch-pflegerischen Anwendungen zu unterstützen,

wie bspw. eine engmaschige Koordination der involvierten Akteure einer fachgebietsübergreifen-

den, multiprofessionellen Versorgung von Patienten oder aber einer strukturierten Befundüber-

mittlung.

Die Entwicklungen für das Anwendungsfeld Chronische Wunden von der Hochschule Osnabrück

sind bisweilen am weitesten fortgeschritten. An diesem Beispiel konnte bereits demonstriert wer-

den, wie die Referenzmodelle in die Entwicklung eines HL7 CDA basierten Dokumentenstandards

15 Vgl. Garthaus et al. (2012).

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7. Tag der Gesundheitswirtschaft

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für den eWundbericht einfließen und somit einer konkreten praktischen Verwertung zugeführt wer-

den konnten.

Literatur

Cruel E., Hübner U., Garthaus M., Gök M., Zimansky M., Remmers H., Rienhoff O. (2012): Requirements Engineering für Referenzmodelle mittels eines multimethodischen Vorgehensmodells. In: Mattfeld DC, Robra-Bissantz S (Hrsg.) MWKI 2012 Tagungsband, Berlin, Gito Verlag, 2012, S. 317-327.

Garthaus M., Hübner U., Cruel E., Zimansky M., Gök M., Rienhoff O., Remmers H. (2012): Intersektorale Referenzmodelle als ein Baustein zum effektiven Informationsaustausch bei Patienten mit Tumorschmer-zen. Aktuelle Ergebnisse des Verbundprojektes IKM health. GMDS Tagungsband 2012. http://www.egms.de/static/en/meetings/gmds2012/12gmds079.shtml.

Hars A. & Scheer A.W. (Hrsg.): Referenzdatenmodelle: Grundlagen effizienter Datenmodellierung, Gabler, Wiesbaden, 1994.

Hübner U., Cruel E., Gök M., Garthaus M., Zimansky M., Remmers H., Rienhoff O. (2012): Requirements engineering for cross-sectional information chain models. Akzeptiertes Paper: 11th International Congress on Nursing Informatics, Montreal, 2012 (Veröffentlichung in StudHealthTechnolInform).

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7. Tag der Gesundheitswirtschaft

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3. Steigerung vön Nutzen und Strahlkraft durch regiönaleKööperatiönen

Dr. Maik Plischke, Braunschweiger Informatik- und Technologiezentrum

Erfolgsfaktoren für Gesundheitsnetzwerke am BeispieleHealth.Braun-

schweig

„Move the information, not the patient“. Dieser Slogan bringt die Leitidee des Projektes

eHealth.Braunschweig auf den Punkt. Das Ziel des im April 2009 initiierten Projektes ist es, sich

der Herausforderung zwischen IT, Versorgung und Gesundheitswirtschaft zu stellen. Über eine

Förderlaufzeit von drei Jahren widmen wir uns verstärkt den Themenfeldern intelligentes Woh-

nen/altersgerechte Assistenzsysteme, optimiertes Einweisungs- und Entlassmanagement, elekt-

ronische Pflegeüberleitung, MRSA-Register sowie Dokumentation in der Pflege.

Der Begriff eHealth fasst neue Informations- und Kommunikationstechnologien zusammen, die

mit dem Ziel eingesetzt werden, die Interaktion zwischen dem Patienten und dem Leistungser-

bringer zu verbessern, die Übertragung (der Behandlungs-)Daten schnell und sicher zu gewähr-

leisten sowie die Kosteneffizienz der Gesundheitsbranche zu optimieren. Der Anteil der Kosten,

die aufgrund von Redundanz und Ineffizienz im Gesundheitswesen verursacht werden, wird ak-

tuell auf 25 bis 40 % geschätzt16. Somit bietet der Einsatz neuer IuK-Techniken vor allem in diesem

Sektor enorme Potenziale, die es auszuschöpfen gilt. Durch eine verbesserte Vernetzung aller

Leistungsanbieter können Kosten gesenkt und gleichzeitig die Qualität der Behandlung deutlich

angehoben werden.

Entlang der Versorgungskette vom Notfall zu Hause, über die ambulante und stationäre Versor-

gung, bis hin zur ambulanten oder stationären Pflege werden in Braunschweig Best-Practice-Bei-

spiele etabliert. Hervorzuheben ist der Ansatz sich auf unterstützende einrichtungsübergreifende

Prozesse sowie die Einbindung der zu entwickelnden Lösungen in den Versorgungskontext und

deren Nachhaltigkeit zu konzentrieren und eben nicht auf die technische Machbarkeit.

Braunschweig stellt mit der höchsten Wissenschaftlerdichte die forschungsintensivste Region in

Europa dar und bietet daher eine hervorragende Ausgangsposition für die Umsetzung der unten

genannten Ziele. Neben den federführenden Beteiligten, wie dem Peter L. Reichertz Institut für

Medizinische Informatik der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hoch-

schule Hannover, dem Braunschweiger Informatik- und Technologie-Zentrum (BITZ) GmbH, dem

etablierten Softwarehaus LINEAS GmbH sowie dem Städtischen Klinikum Braunschweig, berei-

chern und unterstützen zahlreiche weitere Unternehmen und Einrichtungen das Netzwerk.

Konkret sollen mit der Schaffung des Gesundheitsnetzwerkes Braunschweig folgende Ziele er-

reicht werden:

16Roland Berger, E-Health: Wachstumsperspektiven für die Telekommunikation, 2009.

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1. Identifikation, Konzeptionalisierung und prototypische Umsetzung neuer vernetzter Versor-

gungsdienste sowie von IuK-Werkzeugen zur Unterstützung der Zusammenarbeit in einem

regionalen Gesundheitsnetzwerk.

2. Herstellung der Interoperabilität medizinischer Informationssysteme zur Unterstützung der

patientenzentrierten Versorgung.

3. Überprüfung der neuen IuK-basierten Dienste im Gesundheitsnetzwerk auf ihren Beitrag zur

Versorgungsqualität und -effizienz.

4. Schaffung einer Organisationsstruktur zur Unterstützung des systematischen Aufbaus und

der systematischen Weiterentwicklung des Gesundheitsnetzwerks.

Durch die Einbindung verschiedenster Akteure (Seniorengruppen, Kassenärztliche Vereinigung,

Kliniken, Kostenträger, ambulante und stationäre Pflege, Gesundheitsamt etc.) aus den entspre-

chenden Sektoren der Gesundheitswirtschaft wurden problembehaftete Prozesse analysiert und

Arbeitspläne aufgestellt.

Agiert wird dabei immer aus Sicht des Patienten, ganz im Sinne einer patientenzentrierten Ver-

sorgung. Nur so können Lösungen konzipiert und umgesetzt werden, um die sektorenübergrei-

fenden Prozesse neu zu gestalten und mit IT zu unterstützen. Die Prozessgestaltung und Ent-

wicklung neuer Softwarelösungen erfolgt in direktem Austausch mit den ambulanten, stationären

und pflegerischen Leistungserbringern. Des Weiteren werden durch die Einbindung verschiedens-

ter Partner aus der freien Wirtschaft, wie bspw. IT-Unternehmen oder auch die Wohnungswirt-

schaft, sowie die Anbindung von Handwerkskammern nachhaltige Konzepte für einrichtungsüber-

greifende Versorgung in einem Netzwerk und altersgerechte Assistenzsysteme entwickelt.

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Thea Remers, Projektkoordinatorin der Grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung

der Euregio Rhein-Waal

Deutsch-niederländische Kooperationen in der Gesundheitsversorgung

Die Arbeitsgemeinschaft Euregio Rhein-Waal wurde 1971 gegründet. Seit 1993 ist diese ein öf-

fentlich-rechtlicher Zweckverband, getragen von deutschen und niederländischen Städten und

Gemeinden, Kreisen, Industrie- und Handelskammern, mit der Aufgabe, die Kommunikation und

Zusammenarbeit im deutsch-niederländischen Grenzraum zu fördern. Die Zusammenarbeit läuft

und funktioniert in allen Bereichen der Wirtschaft, über Kultur, über Arbeitsmarkt bis hin zur grenz-

überschreitenden Gesundheitsversorgung. Um grenzüberschreitende Projekte zu fördern, erhält

die Euregio Rhein-Waal von der EU Finanzmittel im Rahmen des Interreg-Programms.Es gibt 74

europäische grenzüberschreitende Region, 14 deutsche und 6 niederländische. Die europäischen

Grenzregionen gelten als Versuchsgärten Europas.

Unser Programmgebiet erstreckt sich von Groningen bis Mönchengladbach (4 Euregios:Euregio

Ems-Dollart, die EUREGIO, Euregio Rhein-Waal und euregio rhein-maas-nord). Die Euregio

Rhein-Waal umfasst das Gebiet am Niederrhein zwischen Duisburg und Wageningen in den Nie-

derlanden. Die Euregio Rhein-Waal hat erkannt - und nicht nur wir, sondern auch die anderen

Grenzregionen -, dass bei uns der europäische Alltag gelebt wird. Bei uns wird Europa geübt und

gelebt. Im Moment wird das sog. INTERREG IV A-Programm „Deutschland – Nederland 2007-

2013“ durchgeführt. Drei verschiedene thematische Schwerpunkte werden gefördert:

Wirtschaft, Technologie und Innovation

nachhaltige regionale Entwicklung und

Integration und Gesellschaft.

Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung fällt unter das Thema „Integration und Gesell-

schaft“. Es wurden 3,5 Mio. Euro an Gesamtkosten (= 1.750.000 EU Mittel) in Gesundheitspro-

jekte umgesetzt (diese Mittel sind derzeit ausgeschöpft). Im Bereich der grenzüberschreitenden

Gesundheitsversorgung versuchen wir, die Bedürfnisse gemeinsam zu erfassen. Wir haben keine

weiten Entfernungen. Wir arbeiten in einem Grenzraum von 80 km diesseits und jenseits der

Grenze. Ein Bürger in Kleve (D) fragt z.B. ob er das Universitätskrankenhaus in Nijmegen für eine

spitzenmedizinische Versorgung besuchen könne. In Nijmegen (NL) fragt eine Patientin, ob sie

eine Hüftoperation im Krankenhaus in Emmerich vornehmen lassen kann. Es gibt diese Möglich-

keiten, aber man muss bürokratische Hindernisse und Hemmnisse überwinden. Oft sind diese

Möglichkeiten nicht bekannt, weil die betreffende Information über die Grenze, trotz des recht

geringen räumlichen Abstandes, nicht ausreichend ist. Es gibt für Deutsche die Möglichkeit, in

den Niederlanden eine Universitätsklinik in Anspruch zu nehmen, nur 20 km entfernt, die norma-

lerweise (in Deutschland) in die andere Richtung 80 km bis 100 km (nämlich in Duisburg) entfernt

wäre. Viele Niederländer müssen lange Wartezeiten hinnehmen. Sie könnten die deutschen Kli-

niken entlang der Grenze nutzen.

Im Jahre 1993 war die AOK Rheinland die erste Kasse, die sich sehr intensiv um dieses Thema

gekümmert hat. Über Verbindungen mit der Universität in Nijmegen ergab sich 1996 erstmals ein

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grenzüberschreitendes Projekt, das mit europäischen Zuschüssen gefördert wurde. Dieses Pro-

jekt war die Grundlage für eine 1997 abgeschlossene Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit

deutschen und niederländischen Institutionen. Dazu gehörte auch die Euregio Rhein-Waal. Im

Laufe der Zeit wurde ein Netzwerk gebildet: Das Euregionale Forum Grenzüberschreitende Ge-

sundheitsversorgung. Inzwischen beteiligen sich 47 niederländische und deutsche Organisatio-

nen und Einrichtungen aus dem Gesundheitssektor an diesem Netzwerk (Versicherer, Kranken-

häuser, Ärzte, Apotheker, Zahnärzte, Patientenorganisationen etc.).Die Zusammenarbeit ist im

Hinblick auf die gemeinsame Entwicklung und Umsetzung von Projekten in organisatorischer, fi-

nanzieller und sonstiger Verantwortung abgestimmt. Es gibt zudem ständige Abstimmungspro-

zesse mit den politischen Stellen. Die Gegenseitigkeit ist eine Grundvoraussetzung bei uns in der

Region. Die Projekte sollen natürlich für beiden Seiten Vorteile bringen. Das funktioniert nicht im-

mer im einzelnen Projekt, aber bei der Mehrheit der Projekte ist das sichergestellt.

Einige Beispielprojekte

Medizinisch:

Grenzüberschreitender Einsatz Rettungshubschrauber

o MMT-Einsätze mit dem NL-Rettungshubschrauber im Kreis Kleve

o Ermöglichung von Einsätzen des Rettungshubschraubers Duisburg auf niederlän-

discher Seite

o Abstimmung von Einsatzkriterien / -abläufen / -plänen

o Absprachen zur Bezahlung

o Leitfaden für Schulung und Übung von Hilfsorganisationen in Deutschland und den

Niederlanden

o Zielgruppe(n) des Projekts: Verletzte in lebensbedrohlicher Situation, Hilfsorgani-

sationen / Krankenhäuser. Dieses Projekt zeigt sich als eine wertvolle Verbesse-

rung bei der Versorgung akut lebensbedrohter Unfallopfer und Patienten.

Eureg-Kind(Zusammenarbeit Universitätsklinik RadboudumcNijmegen und St.-An-

tonius-Hospital Kleve)

o Zusammenarbeit der Kinderärzte (D/NL)

o Videokonferenzen

o Fortbildung für Assistenzärzte

o Ortsnahe Versorgung

o Lösung der MRSA Problematik

o Ziel: durch Verbesserung der Kommunikation und Information zwischen den Klini-

ken eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Kinderärzten zu ermögli-

chen, um die pädiatrische Betreuung im Grenzbereich ortsnah zu verbessern.

Wirtschaftlich:

Grenzüberschreitender Einkauf

o große Preisunterschiede zwischen in den Niederlanden und in Deutschland ge-

kauften Krankenhausartikeln und -dienstleistungen

o Unterschiede in der Einkaufsweise

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o Zielsetzungen des Projektes: Erwerben von Kenntnissen und Können im Bereich

des grenzüberschreitenden Einkaufs durch Krankenhäuser, Einblick in spezifische

Möglichkeiten und in die Realisierbarkeit grenzüberschreitender Einkaufsgemein-

schaften, Entwickeln grenzüberschreitender Einkaufsnetzwerke.

Präventiv:

Nachhaltig Gesund (Zusammenarbeit Regionalprodukte-Food – Versorgung Ι

Stg. Landwaard und verschiedene Krankenhäuser)

o Entwicklung bzw. Ausarbeitung von Unterstützungstools in 5 (Pilot-) Krankenhäu-

sern in der Grenzregion Arnheim-Nijmegen-Kleve um die Speisenversorgung so

zu gestalten, dass die Gesundheit und die Kundenzufriedenheit verbessert und

gleichzeitig die Pflegekosten sowie vermeidbare Lebensmittelverschwendung re-

duziert werden.

o Mindestens die Hälfte der Lebensmittelverschwendung in Einrichtungen ist ver-

meidbar.

o Zusätzlicher Nutzen des Projekts:

• Frische, wohlschmeckende Nahrung macht die Menschen gesünder.

• Nachhaltige Lebensmittelketten verbessern die regionale Wirtschaft und den

gesellschaftlichen Zusammenhalt.

• Nachhaltige regionale Lebensmittelversorgung und die Reduzierung von Le-

bensmittelverschwendung sind gut für die Umwelt und senken die Kosten.

Technologisch - e-health:

ParkinsonNet(Zusammenarbeit RadboudumcNijmegen – Parkinson-Zentrum Nijme-

genΙParC-Nijmegen und Evangelisches Klinikum Niederrhein gGmbH, Duisburg)

o Mit zunehmendem Alter steigt das Erkrankungsrisiko.

o Entwicklung eines grenzüberschreitenden Parkinson-Net Versorgungsmodells in

der Euregio Rhein-Waal (ein regionales Netzwerk von Krankenhäusern, behan-

delnden Ärzten, Pflegepersonal und anderen Therapeuten (u.a. Physiotherapie,

Ergotherapie und Logopädie).

o Qualität der medizinischen Versorgung wird erheblich verbessert d.h. ein verbes-

serter Zugang zur Versorgung.

o Größere Flexibilität und bessere Abstimmung zwischen Patienten und Behand-

lungsteam: zu jedem gewünschten Zeitpunkt Patientenkontakt mit Therapeuten

über eine gemeinsame Internet-Plattform möglich.

o Ein schneller Austausch von Expertenwissen ist die Grundlage für eine zeitnahe

patientenindividuelle Behandlung.

o Kostenersparnis: durch eine strukturiertere Zusammenarbeit werden Kosten ge-

spart.

Probleme

In den gerade erwähnten Projekten wird konstruktiv zusammengearbeitet. Dennoch gibt es Prob-

leme. Diese Probleme resultieren vor allem aus der unterschiedlichen Organisationsstruktur des

niederländischen und des deutschen Gesundheitssystems. In den Niederlanden werden 90 Pro-

zent der Behandlungen durch den Hausarzt durchgeführt. Man ist zudem an seinen Hausarzt

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gebunden. Es gibt keine freie Hausarztwahl. Nur zehn Prozent der Überweisungen erfolgen an

den Facharzt. Diese Fachärzte sind in den Krankenhäusern angesiedelt. In der niederländischen

Grenzregion kennt man keine Facharztpraxis in einem privaten Bereich. Die Fachärzte sind An-

gestellte der Krankenhäuser. Wenn wir als Euregio also in den Facharzt-Bereich für unsere Pro-

jekte hineingehen, brauchen wir nicht nur die Fachärzte als Projektpartner, sondern auch die

Krankenhaus-Leitungen. Ein weiteres Problem ist, dass die Hausärzte einen Mehraufwand haben

bzgl. der Überweisung ins Ausland.

Trotz der bestehenden Probleme werden wir weiterhin das Ziel der grenzüberschreitenden Ge-

sundheitsversorgung aufrechterhalten, und zwar auf Grund der Kooperationsvereinbarungen. Wir

müssen davon ausgehen, dass die Systeme in den Ländern in Europa nicht so schnell angegli-

chen werden können. Von daher bleibt es Aufgabe der Kooperationspartner, die grenzüberschrei-

tende Patientenbehandlung flexibler zu machen, sie den Bedürfnissen der Patienten entspre-

chend zu öffnen, um bürokratische Hemmnisse zu beseitigen.Die internationale Versicherungs-

karte (AOK/CZ) für die Patienten im Grenzraum ist ein vernünftiges Instrument, um die grenzüber-

schreitende Gesundheitsversorgung in Europa zu vereinfachen.

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4. Und wer zahlt’s? Finanzierungsmödell in der Telemedizin

Dr. Sabine Voermans, Leiterin der TK-Landesvertretung Niedersachsen

Mandy Kettlitz, TK Hauptverwaltung

Telemedizin aus der Sicht der TK - Erfahrungen und Erwartungen

Telemedizin bezeichnet den Austausch fallbezogener Daten durch Überwindung einer räumlichen

oder auch zeitlichen Distanz unter Zuhilfenahme von Informations- und Kommunikationstechno-

logien (Telematik). Dabei bietet die Telemedizin universelle Einsatzmöglichkeiten zwischen den

verschiedenen Akteuren und Dienstleistern im Gesundheitswesen als auch in der Interaktion mit

dem Patienten.17

Telemedizin als zukünftiges Modell im Gesundheitssektor

Um den zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen zu begegnen, wird derTelemedi-

zin ein großes Potential zugesprochen:

Verbesserung der Qualität in der Versorgung, insbesondere durch Struktureffekte

Überbrückung sektoraler, räumlicher und zeitlicher Distanzen

Ressourceneinsparungen durch teilautomatisierte (telemedizinische) Prozesse

Steigerung der Effizienz und Transparenz der medizinischen Versorgung

Verbesserung der Integration des Patienten in den Behandlungsprozess

Wie jede andere Technologie ist Telemedizin a priori weder nutzbringend noch schädlich. Tele-

medizin bietet die Chance eine größere Effizienz in der Versorgung zu erreichen. Unter dem Ein-

satz der Telemedizin lassen sich Strukturen und Prozesse im Gesundheitswesen derart reformie-

ren, dass die Kontinuität, Kooperation und Transparenz der medizinischen Versorgung verbessert

wird. Daraus können Kosteneinsparungen entstehen, die zu mehr Effizienz, bei gleichzeitigver-

besserter Qualität, in der Versorgung führen.18

Dies geschieht allerdings nicht automatisch, sondern in Abhängigkeit von ökonomisch-organisa-

torischer Einordnung sowie adäquater Nutzung der Telemedizin im Gesundheitswesen.19Nicht

alle telemedizinischen Anwendungen und Verfahren sind mit organisatorischem Fortschritt oder

einer kostensenkenden Prozessinnovation verbunden. Vielmehr werden telemedizinische Zusatz-

technologien entwickelt, die als Medizinprodukte mit veränderten oder neuen Qualitätsmerkmalen

(sog. Produktinnovationen) auf den Markt gebracht werden.Diese etablieren sich häufig in Koexis-

17Vgl. Schultz C. et al. (2005), S. 17-42. 18Vgl. Zipperer M. (2002), S. 37-43. 19Vgl. Sachverständigenrat, Sondergutachten (1997), S. 35-40.

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tenz zu bestehenden Anwendungen und Verfahren und führen zu zusätzlichem Ressourcenein-

satz.20,21Ob Telemedizin letztendlich zu mehr Effizienz in der Versorgung führt, hängt somit auch

von der jeweiligen Anwendungs- undNutzungsart ab.

Telemedizin in der Selektivvertragswelt

Bislang sind telemedizinische Leistungen nicht zu Lasten der vertragsärztlichen Kollektivversor-

gung abrechenbar.Oder sie sind in der bisherigen Vergütungssystematikderart unzureichend ab-

gebildet bzw. bewertet, dass faktisch keine Abrechnung erfolgt.22Aus diesem Grund sind viele

telemedizinische Projekte von den Krankenkassen im Rahmen von Selektivverträgen umgesetzt

worden. Die TK hat telemedizinische Versorgungsangebote im Rahmen von Telemonitoring, Te-

letherapie und Telekonsultationen für verschiedenste Erkrankungs- und Indikationsbereiche ent-

wickelt und implementiert. Auch im Bereich des Online- und Telecoaching hat die TK zahlreiche

primär- und tertiärpräventive Angebote etabliert.23

Dabei besteht der größte Vorteil solcher selektivvertraglichen Telemedizinprojekte in der relativ

flexiblen, individuellen und schnellen Umsetzbarkeit sowie Anpassungsfähigkeit. Insbesondere

solche telemedizinischen Leistungen, die einen fach- und/oder sektorenübergreifenden Wirkungs-

grad haben, indem sie traditionell getrennte Sektoren der Kollektivversorgung miteinander verbin-

den, lassen sich durch flexible selektivvertragliche Versorgungs- und Vergütungsstrukturen bes-

ser abbilden. Besondere Bedeutung kommt telemedizinischen Projekten mit begleitender Evalu-

ation zu, welche die Wirksamkeit in der Versorgungsrealität messen (sog. effectiveness). Selek-

tivverträge dienen somit auch als Wegbereiter der Telemedizin für den Übergang in die kollektiv-

vertragliche Versorgung.

Telemedizin bald auf Rezept?

Bei vielen Politikern ist dies sicherlich ein lange gehegter Wunsch. Man schreibt der Telemedizin

schließlich das Potential zu, die medizinische Versorgung in ländlichen oder strukturschwachen

Regionen sicherzustellen. Damit wird in der Telemedizin die universelle Lösung für Unterversor-

gung gesehen.24Telemedizin kann allerdings nur ein Baustein in der Versorgung sein und dazu

dienen sektorale, räumliche und zeitliche Distanzen zu überbrücken. Den Behandlungsprozess

gänzlich zu ersetzen, vermag die Telemedizin nicht. Zudem ist die Telemedizin keine übergrei-

fende Untersuchungs- und Behandlungsalternative für alle Patienten, alle Indikationen und alle

Erkrankungsschweregrade. Selbst innerhalb eines Krankheitsbildes profitieren nicht alle Patien-

ten gleichermaßen von telemedizinischen Interventionen.25Telemedizin kann somit nur ein Bau-

stein von vielen sein, um der Unterversorgung effektiv zu begegnen.

Ferner gibt es für die Telemedizinkeine klare wissenschaftliche Evidenz. Verfügbare gesund-

heitsökonomische Evaluationen sind in Methodik und Ergebnissen derart heterogen, dass keine

20Vgl. Oberender P. et al. (2002), S. 132-136. 21Vgl. Reimers L. (2008), S. 25-32. 22 Beispiel: Die Funktionsanalyse des Herzschrittmachers, auch mittels telematischer Abfrage ist mit 28,26 Euro abre-chenbar. Damit finanziert sich die ärztliche Leistung, nicht aber die telemedizinischen Komponentenzur Datenerfas-sung, -übertragung und -aufbereitung. 23 Weitere Informationen im Internet unter: http://www.tk.de. 24Vgl. AGENON (2009), S. 82-84. 25Vgl. Köhler F. et al. (2011), S.143-150.

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konsistenten, generalisierbaren Aussagen abgeleitet werden können.26Im Versorgungsstruktur-

gesetz hat der Gesetzgeber den Bewertungsausschuss beauftragt, zu prüfen, welche vertrags-

ärztlichen Leistungen telemedizinisch erbracht und wie diesegesondert vergütet werden können.

Welche telemedizinischen Leistungen, in welchem Umfang das in Zukunft sein werden, ist nach

aktuellem Stand offen. Die Telemedizin steht heute an der Schwelle zum Übergang in die Kollek-

tivversorgung.Telemedizinische Leistungen müssen grundsätzlich den Vorgaben derRahmenver-

einbarung entsprechen.27Die größere Hürde stellt allerdings die Bewertung im Ausschuss zwi-

schen Kassenärztlicher Seite und dem Spitzenverband der Krankenkassen dar. Durch überge-

ordnete Vorschriften im Bundesmantelvertrag der Ärzte sowie berufs- und haftungsrechtlicher

Vorschriften wird eine schnelle Einigung auf konkrete telemedizinische Leistungen erschwert. Dar-

über hinaus müssen teilweise von der Leistungserbringung bis zur Abrechnung neue Strukturen

und Prozesse gedacht und implementiert werden. Das verzögert den Einzug der Telemedizin in

die Kollektivversorgung.

Fazit

Die Zukunftsfähigkeit der Telemedizin ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Ob und in wel-

chem Ausmaß sich die Telemedizin in der Versorgung etabliert, hängt von den folgenden Kriterien

ab:

o Nachweis medizinischer Wirksamkeit und der Wirtschaftlichkeit in der Versorgungsreali-

tät.

o Potential der Telemedizin für die Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen im Ge-

sundheitswesen.

o Darstellbarkeit und Messbarkeit der Effekte telemedizinischer Interventionen.

o Erkennbarkeit des Mehrwertes der Intervention für alle Beteiligten (Akzeptanz).

o Vereinbarkeit mit gesetzlichen Rahmenvorgaben (Rahmenvereinbarung).

o Gesundheitspolitische (Be-)Förderung des Themas Telemedizin.

Literatur

AGENON (2009), Entwicklung der Telemedizin im Land Brandenburg aus versorgungsinhaltlicher Sicht, Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familien des Landes Branden-burg, S. 82-84.

KBV - Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Gebührenordnungsposition 13552: Funktions-analyse eines Herz-schrittmachers und/oder eines implantierten Kardioverters bzw. Defibrillators, Online im Internet: http://www.kbv.de/ebm2014/EBMGesamt.htm (Abfrage am 16.01.2014).

Köhler F. et al. (2011):Telemedicine in heart failure: Pre-specified and exploratory subgroup analyses from the TIM-HF trial, in: International Journal of Cardiology, Volume 161, Issue 3, S.143-150.

Mistry H. (2012): Systematic review of studies of the cost-effectiveness of telemedicine and telecare. Changes in the economic evidence over twenty years, Journal of Telemedicine and Telecare 2012, 18, S. 1-6.

Oberender P. / Hebborn A. / Zerth J. (2002): Wachstumsmarkt Gesundheit, 1. Auflage, Stuttgart, Lucius und Lucius, S. 132-136.

26Vgl. Mistry H. (2012), S. 1-6. 27 Rahmenvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband als Trä-gerorganisationen des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Überprüfung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes gemäß § 87 Abs. 2a Satz 8 SGB V zum Umfang der Erbringung ambulanter Leistungen durch Telemedizin.

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Reimers L. (2008): Medizinisch-technischer Fortschritt. Theoretische Grundlagen, Regelungsbereich, Fi-nanzierung und Vergütung, in: Europäische Schriften zu Staat und Wirtschaft, Henke K.-D. (Hrsg.) (2009), 1.Auflage, Baden-Baden, Nomos, S. 25-32.

Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (Sondergutachten 1997): Gesund-heitswesen in Deutschland. Kostenfaktor und Zukunftsbranche, Bd. II: Fortschritt, Wachstumsmärkte, Fi-nanzierung und Vergütung, Baden-Baden 1998, S. 35-40.

Schultz C. / Salomo K. (2005): Systematik und Eigenschaften telemedizinischer Dienstleistungen, in: Ak-zeptanz der Telemedizin, Schultz C / Gmünden H.G. / Salomo S. (Hrsg.) (2005), 1. Auflage, Darmstadt, Minerva KG, S. 17-42.

Zipperer M. (2002): Die Entwicklung der Telematik in Deutschland aus Sicht des Aktionsforums Telematik im Gesundheitswesen, in: Klusen N. / Meusch A. (Hrsg.) (2002), Gesundheitstelematik, Beiträge zum Ge-sundheitsmanagement, Band 2, Baden Baden, Nomos Verlag, S. 37-43.

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Rainer Beckers, ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH

Mit Telemedizin kann man rechnen – Kosten-Nutzen-Betrachtung für die

Teleintensivmedizin

Eine immer älter werdende Bevölkerung, eine steigende Anzahl chronisch Kranker, Fachärzte-

mangel in ländlichen Gegenden sowie steigende Kosten und sinkende Einnahmen stellen das

deutsche Gesundheitswesen vor große Herausforderungen. Ein Aspekt, der im Zuge dessen an

Bedeutung gewinnen wird, ist der steigende Bedarf an intensivmedizinischen Kapazitäten. Diese

hoch technisierte Disziplin ist gekennzeichnet von vielfältigen Überwachungs- und Therapieauf-

gaben, die meist stark spezialisiert und interdisziplinär sind sowie einer hohen fachlichen Verant-

wortung bedürfen.Die Intensivmedizin steht nicht zuletzt aufgrund ihrer besonderen Strukturen vor

großen qualitativen Herausforderungen wie dem Personalmangel, steigenden Fallzahlen und ei-

nem steigenden Kostendruck. Gleichzeitigsoll bspw. eine hohe Qualität durch Präsenz ärztlichen

Personals mit der Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ sowie eine konsequente und frühzeitige

Behandlung und eine Adhärenz an Leitliniengewährleistet werden.

Auf Länderebene gibt es bisher kaum zufrieden stellende Lösungsansätze, um die intensivmedi-

zinische Behandlung insbesondere in strukturschwächeren Regionen sicherzustellen. Zahlen für

NRW aus dem Jahr 2011 unterstreichen das Bild einer dezentralen Versorgung. So fallen auf

100.000 Einwohnerinnen und Einwohner rund 32 Intensivbetten in unterschiedlicher regionaler

Verteilung. Von den insgesamt 401 Krankenhäusern betreiben 303 Kliniken Betten zur intensiv-

medizinischen Versorgung, 27 davon mit einer eigenen intensivmedizinischen Fachabteilung. Le-

diglich 8,4% der 522.750 intensivmedizinischen Behandlungsfälle werden in Fachabteilungen be-

handelt.

Nur eine sehr geringe Anzahl der Versorgungsaufgaben wird von den hoch-spezialisierten Uni-

versitätskliniken abgedeckt. Die überwiegende Mehrzahl der Krankenhäuser verfügt über relativ

kleine Intensivstationen mit einer geringen Bettenzahl. Es gibt große Schwierigkeiten, das medi-

zinisch notwendige Niveau zu halten und diese essentielle, aber ressourcenaufwändige Fachab-

teilung entsprechend den Anforderungen der Kostenträger bzw. des INEK zu betreiben. Exemp-

larisch sei die Forderung nach ständiger Präsenz eines erfahrenen Arztes/einer Ärztin als Teil des

Behandlungsteams zur vorgeschriebenen 24-stündigen akuten Behandlungsbereitschaft zu nen-

nen. Ohne dieses Strukturmerkmal ist eine Abrechnung und Vergütung der intensivmedizinischen

Komplexbehandlung gesetzlich nicht erlaubt. Diese und entsprechende weitere Anforderungen,

(die für eine Gewährleistung einer adäquaten intensivmedizinischen Versorgung der Patienten

und Patientinnen in jedem Fall notwendig sind) können gegenwärtig von vielen Krankenhäusern

nur noch formal, jedoch nicht mehr in der tatsächlichen klinischen Praxis gewährleistet werden.

Ein Wissenstransfer und damit eine Verbesserung der intensivmedizinischen Expertise in der

Fläche in einem konsiliarischen System erscheint daher mehr als sinnvoll.

Vor diesem Hintergrund sind die Etablierung innovativer Versorgungskonzepte sowie die Entwick-

lung neuer effizienter Methoden zur Verbesserung der Versorgungskonzepte bei gleichbleibender

Behandlungsqualität im Bereich der Intensivmedizin erforderlich, um auch in Zukunft eine flächen-

deckende und qualitativ hochwertige intensivmedizinische Versorgung im ländlichen Raum wei-

terhin zu gewährleisten. Laut dem Krankenhausplan für NRW 2015 kann der Einsatz von Infor-

mations- und Kommunikationslösungen dabei einen wesentlichen Erfolgsfaktor darstellen und

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vielfältige Prozesse unterstützen. Besonders im kostenintensiven Bereich der Intensivmedizin be-

steht hier großes Potential.

Am Universitätsklinikum Aachen existiert hierzu ein Projekt im Bereich der Teleintensivmedizin

(TIM). Dem Trend folgend, dass immer mehr deutsche Kliniken sich zu Verbünden zusammen-

schließen oder fusionieren, profitieren auch kleine Kliniken, die eine wohnortnahe Versorgung si-

cherstellen, von den Ressourcen der Universitätsklinik Aachen. So werden mittels intensivmedi-

zinischer Videokonferenzen tägliche Visiten durchgeführt und es kann eine fachärztliche Zweit-

meinung eingeholt werden. Ergänzt wird das System durch eine mögliche Fernbefundung im Rah-

men eines telemedizinischen Vitaldatenmonitorings.

Anerkannte (RCT-)Studien - vor allem aus den USA - und die Erfahrungen in Aachen zeigen, dass

es funktionierende telemedizinische Lösungsmodelle gibt, die positive Effekte auf verschiedene

Kenn- und Rechengrößen haben.So können die Mortalitäts- und Komplikationsraten auf der In-

tensivstation und im Krankenhaus verringert werden (Hulshoff et al. 2011, Lilly et al. 2011, Wilcox

&Adhikari 2012, Sadaka et al. 2013, Young et al. 2013), die Liegezeiten verkürzt (Zawada et al.

2009, Lilly et al. 2011, Sadaka et al. 2013), Komplikationen wie Sepsis und Pneumonien vermie-

den (Lilly et al. 2011) und mehr Entlassungen nach Hause als in Langzeitversorgungseinrichtun-

gen erzielt werden. Die telemedizinischen Anwendungen ersetzen dabei jedoch nicht den Medi-

ziner vor Ort, sondern dienen der Unterstützung der diensthabenden Ärzte durch einen permanent

ansprechbaren Anästhesisten.

Es besteht ein großer Bedarf für die Ermittlung der gesundheitsökonomischen Potentiale, die aus

diesen Ergebnissen für NRW resultieren, um einen flächendeckenden Einsatz voranzutreiben.

Erste Hochrechnungen innerhalb einer Kosten-Nutzen-Betrachtung durch die ZTG GmbH, beider

die durch das Aachener TIM-Projekt generierten Daten die Basis bilden,lassenbereits hohe ge-

sundheitsökonomisches Effekte erahnen.Kosten können dabei besonders durch die Qualitätser-

höhung in der Peripherie und der effizienteren Nutzung einer Ressourceneinheit eingespart wer-

den. Deutlich machen dies insbesonderefolgende Ergebnisse:

Reduktion von Schwerkranken mit Organversagen und Sepsis,

Vermeidung zu später oder unnötiger Verlegungen zwischen Fachzentren und Kliniken

in der Peripherie sowie

Verringerung von Fällen in der Langzeitversorgung nach Entlassung aus der Klinik.

So kann die Teleintensivmedizin ein Weg zu einer langfristigen Sicherstellung einer qualitativ

hochwertigen und wohnortnahen intensivmedizinischen Versorgung sein.

Literatur

Hulshoff L, Rood E, tenCate J, Bosman RJ, van der Voort PHJ (2011): Telemedicine in the ICU, a review. Netherland Journal of Critical Care.Vol 15, NO 1.

Lilly CM, Cody S, Zhao H, Landry K, Baker SP, McIlwaine J, Chandler MW, Irwin RS (2011): Hospital MOrtality, Length of Stay, and Preventable Complications Among Critically Ill Patients Before and After

Tele-ICU Reengineering of Critical Care Processes. JAMA journal of the American Medical Associa-tion.Vol 305(21):2175-83.

Sadaka F, Palagiri A, Trottier S, Deibert W, Gudmestad D, Sommer SE, Veremakis C. (2013): Telemedi-cine intervention improves ICU outcomes. Critical Care research and practice. 2013:456389.

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Wilcox ME, Adhikari NK (2012): The effect of telemedicine in critically ill patients: systematic review and meta-analysis. Critical Care. Jul 18;16(4):R127.

Young LB, Chan PS, Lu X, Nallamothu BK, Sasson C, Cram PM (2011): Impact of telemedicine intensive care unit coverage on patient outcomes: a systematic review and meta-analysis. Archives of internal medi-cine. Mar 28;171(6):498-506.

Zawada ET Jr, Herr P, Larson D, Fromm R, Kapaska D, Erickson D. (2009): Impact of an intensive care unit telemedicine program on a rural health care system. PostgraduateMedicine. 121(3):160-70.