Gaiser Platons Ugeschriebene Lehre I

202
KONRAD GAISER PLATONS UNGESCHRIEBENE LEHRE Studien zur systematischen und geschichtlichen der Wissenschaften der Platonischen Schule ERNST KLETT VERLAG STUTTGART

Transcript of Gaiser Platons Ugeschriebene Lehre I

KONRADGAISER PLATONS UNGESCHRIEBENE LEHRE Studien zur systematischen und geschichtlichen der Wissenschaften der PlatonischenSchule ERNSTKLETT VERLAG STUTTGART Erste Auflage1963,alsHabilitationsschrift auf Empfehlung derPhilosophischenFakultiitderUniversitiitTiibingen gedrucktmitUnterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Zweite,miteinemNachwort versehene Auflage1968 AllcRechtcvorbchalten Fotomechanischc WiedergabeQur mitGcnchmigung desVerlages ErnstKlettVcrlag,Stuttgart1962, .Printed Germany Druck:AntonHainKG.,Meisenhcim WOLFGANGSCHADEWALDT DANKBARKEITUNDVEREHRUNG -VORWORTZURERSTEN AUFLAGE DieFassung Bucheswurde im Jahre1960 der Philosophischen Fakultat der alsHabilitationsschrift anerkannt.BeiderspaterenNeugestaltungistderzweitederdas Geschichtsdenken behandelt, worden.Dieser mitt-lere derGesamtdarste11ungsol1einerseitsan einem wichtigen Beispiel zeigen,wiesich die der innerakademischen LehrePlatons,derensystematische imersten derArbeit beschriebenwerden,auf dieInterpretationder Dialogeaus-wirkt; und andererseits sol1 sich dabei erweisen, dafidie geschicht1iche ordnungundDeutungdesplatonischenSystems,dieimabschliefienden dritten versucht wird, schon im eigenenund Geschichts-bewufitseinPlatons",-eitgehendvorweggenommen ist. denZeugnissender auf denendieDar-ste11ungder Lehre Platons beruht, die wichtigsten,soweit sienicht denAusgabender DialogeundBriefe finden sind,hier einemAnhangabgedruckt.DiesevorlaufigeSammlungder Quellentextesol1eineleichtereKontro11edervorgelegten Untersuchungen und ForschungenalsGrundlagedienen. MeinLehrerWolfgangSchadewaldt,demdiesesBuchgewidmetist,hat meine Arbeit Grund auf und jeder \Veisegefordert. im August1962K.G. VORWORTZURZWEITENAUFLAGE DiezweiteAuflagediesesBuchesist dererstenimwesent-lichen unverandert.LediglichdieDruckfehlersindkorrigiert.AmSchlufi isteinNachwortdas derkritischenDiskussion,die zwischenstattgefunden hat und noch im Gange ist,Stellung nimmt. Demerfasserwarees heute,nach Jahren,moglich,die Darstellung manchen scharfer,klarerund vollstandiger ent-wicke1nund denTextenhernochsichererzubegriinden.Mehrere Einzelfragen, zunachst noch nicht befriedigend erklart werden konnten, sichheuteeherbeantworten.Dennochdiirftederunveranderte Nachdruck gerechtfertigtsein.Der vorgelegteEntwurfzu einerGesamt-darstellung derLehre Platons ist, trotz teilweise heftiger Kritik, im Grunde unwiderlegt gebJieben und hat sich beiderTextinterpretation bewahrt, auch dort, wo seitdem neue Resultate erzielt worden sind. Ebenso erfiilltdieSammlungderQuellentextedenihrzugedachtenZweckund wird nochJahre unersetzt bleiben. DaBunsdieHauptkonturenderPrinzipientheorie, Platon seiner Schulevertretenhat,durch mehrereBerichtezuverlassig sind, wird mittlerweile fast allgemein anerkannt. Damit eroffnet sich ein weiterer Horizont fiirjede angemesseneInterpretationder Dialoge.WiedieAspekte,diesich zeigen,metho- undmiteinander zusammenhangen und wie die systematische Orientierung zu verstehen ist, dariiber wirdtiert werden miissen. Tiibingen, im Oktober 1967K.G. INHALT EINLEITUNGUND Das derUntersuchung ,Esoterische' und ,exoterische' Philosophie bei Platon 2.System und Aporetik..... 3.Erkenntnis, Lehre, 11.die derForschung Jlnd dieErgebnisse derUntersuchung Die Frage nach der esoterischen Philosophie Platons.... 2.VorlaufigeZusammenfassung.............. a)Die platonische VerbindungvonMathematik und Ontologie b)und GeschichtsbewuBtseinbeiPlaton. c)Philosophie und EinzelwissenschaftenbeiPlaton..... ERSTERTEIL UNDONTOLOGIE Dimensionenfolgeund Mitte Die Zusammensetzung derWeltseeleitJJ DasVerhaltniszwischenontologischemund Gegensatz 8 11 2.0 20 (Sein:Nichtsein, Identitat:Verschiedenheit)...............41 2.Die Zeugnisse zur esoterischenErklarung der Timaios))-Stelle.......44 a)AristotelesiiberdiedimensionaleZusammensetzungderSeelebeiPlaton (De anima 404b16-27).......................44 b)WeitereZeugnissezurontologischenDeutung der Dimensionenfolge bei Platon46 3.Der mathematische Aspekt der platonischenSeelen1ehre..52 a)Die geometrische Verbindung zwischen denDimensionen52 b)Die Seele als Begrenzung desKorpers.........59 4.Die Mittelstellung der Seele zwischen Idee (Zahl) und Erscheinung (Korper)61 a)Die vier Erkenntnisvermogen...........61 b)Die Rangordnung der Seelenteile und der Lebewesen62 c)Die ontologische Einordnung derSeele......64 ) Inhalt Der mathenIatische und der werthaJteAspekt der,Mitte' : Platons VberdasGute 1.ZurmathematischenTheorievonder geometrischenMitte(Kommensurabilitat und.................... 2.DiedimensionaleStrukturundPlatonsLehreUberdasGute(beiSextus Empiricus)............. a)Logisch-kategorialeundontologischeBedeutungderWertstruktu.r b)Die dimensionale Reduktion von den Erscheinungen zu den Prinzipien und die entsprechende Deduktion..................... c)Aufbau und Einheit derLehrvortrageUber dasGute CDie ontologischeMittelstellung der,Mathematika' und dic5eele 1.Die Mittelstellung der ,Mathematika'......... a)Die Darstellung bei Aristoteles.......... b)DieDarstellung der Politeia(Buch und 2.Die grundsatzliche Identitatder mathematischen und der seelischenForm 3.Die derSeinsstruktur derSprache.... a)Mathematische und sprachliche ReflexiondesSeienden . b)Die innereStruktur der Sprache(Onomaund Logos). 4.Physisund Techne (Erzeugung der technischen,Ideen' derSeele) Aufbau und der Seinsbereiche Die Dinlensionenfolge als5trukturmodell 1.DieVier-Zahl imAufbau der Seinsbereiche....... 2.Die geometrische Darstellung der harmonischenIntervalle DieLehrevondenIdeen-Zahlen 1.Die Erzeugung der Ideen-Zahlen..... a)DieZehnzahl(Dekas)der Ideen..... b)Die Gleichsetzung von Ideen und Zahlen. 2.MathematischeErklarung der Ideen-Dihairesis als a)Genos und Eidos.............. b)Die Logoi bei der Dihairesis........... aa)Der Schnitt zum Atomon Eidos(Binomiale) bb)Die vorausgehendenSchnitte(harmonischeMitte) 73 73 95 100 100 102 111 Inhalt 3.Die ontologische Bedeutung der mathematischen Logoi. a)Die Seinsstellung der Ideen:Genos - Eidos - Atomon Eidos. b)Die Form derSeele:Arete und Kakia.......... . CMakrokosmischeEinheiten und mikrokosmische Elemente 1.Die Elementarkorper........................ a)Die Entstehung der Korper ausFlachen.............. b)Die Beziehung zwischenden Atomen und demmakrokosmischen Ganzen. 2.Die Gliederung der Weltseele und die Elementar-Flachen . a)Geometrische der Seelenstruktur. b)Die Beziehung zu den Elementar-Dreiecken 3.Die Untei1barkeitdes MaBes:Atom-Linien.. 4.Die Mittelste11ungdes konkreten Einze1nen zwischen dem umfassenden Ganzen 137 137 141 145 145 150 und den kleinsten ........................164 a)Die Entstehung des Einzelwesens (Atomon Eidos) durch Dihairesis und Syn-thesis...............................164 b)Der Vergleich mit der Struktur der Sprache: Gesamtlogos - Onoma - Stoicheion165 5.Zusammenfassende Ubersicht iiber dieGliederungderSeinsbereiche.....169 Die Lehre der Bewegung Die Bewegung im Aufbau der 5einsbereiche(nachNomoi1.Die zehn Arten der Kinesis..... 2.Die sechsraumlichen Bewegungsarten a)Die prinzipielle Einteilung der raurnlichenBewegungen b)Die entsprechende Rangordnung im Kosmos. c)Die Zeit als Funktion der Bewegung. 3.Entstehen und Vergehen....... Die prinzipielle Einordnung der Bewegung 173 176 176 181 186 1.Das zweite (Apeiron) alsGrund der Bewegung und Veranderung.190 2.Das Seinsprinzip(die Idee) als ,demiurgische'Ursache193 3.Die Seele alsBewegungsprinzip..........195 a)Die Selbstbewegung als Ausgleich von Bewirken und Erleiden(Aktivitat und Passivitat).............................195 b)Das Zusammenwirken der gegensatzlichen Krafte in der Seele....."197 4.DiedynamischeSpannungzwischendenPrinzipienunddieBegriindungdes geschichtlichenGeschehens.......................198 i Inhalt ZWEITERTEIL GESCHICHTEUNDONTOLOGIE Die platonische Geschichtsdeutung:Ontologische der Geschichte Die cfynanIischeZusamnIensetzung desKOS!J10S(Po/itikos-Mythos) DasZusammenwirkender Prinzipien....2.05 2.. Die Tendenzen im Kosmos.2.08 a)Die vomausgehende Tendenz derAuf10sung .2.09 b)Die Gegentendenz der Entwicklung der menschlichen Kultur.2. 10 DieVerbindung pon Kreis/auf und fortschreitender Entwick/ung Der Rhythmus deskosmischenGeschehens. 2.. Die Geschichte der Menschheit im Kosmos. 2.14 2.16 a)Der Zustand ,auBerhalb'der gegenwartigenZeit b)Die zweifacheTendenzder gegenwartigen Entwicklung Das platonische GeschichtsbewuBtsein: Die geschichtliche Entstehung und Situation der Philosophie DieEntwick/ung dernJenschlichenKu/tur : handwerkliches, politisches und phi/osophisches Wissen Die Rangordnung der Wissensarten und Wissensgebiete2.18 2.. Die Steigerung desmenschlichenWissens2.2.3a)Konstruktive Darstellungen derKulturgeschichte..2.2.3 b)Die Vorbereitung derErkenntnis.2.2.9 3.V Platon angeregte Darstellungen der Entwicklung des Wissens2. 35 a)Der Aspekt des Aufstiegs vom Praktischen zum Theoretischen(im Protrep-tikosdesAristoteles)........................2.36 b)Der Aspekt der ,Aufklarung' vom Mythos zum Logos der Schrift )................2.42-c)Die Betrachtung der der Epinomis.....2.44 DieG/eichzeitigkeit ponAufstieg und Zerfall Das Zunehmen der Arete und der Kakia im Leben.2.48 a) .2.48 b)Menexenos.2. 5 c)Nomoi 2.52 = Inhalt 2.. Ursprung und Entwick1ung der Sprache.. 3.Zur Ste11ungdes Menschen in der Entwick1ung Das systematische Geschichtsbild Platons Die Ana/ogie zwischen Kosmos, und Mensch . Die einzelnenLebensprozesse:Entwicklung und a)Mensch b) ............. . c)Kosmos............ . 2.. Die Koordinierung der Lebensprozesse . a)Die Dauer der einzelnenPerioden. b)Zusammenstellung der drei Zyk1en(Mensch- - Kosmos). Der ,Idea/staat' Ursprung und Zie/ derEntwick/ung Das Wechselverhaltnis von Herrschaft und Freiheit 2.. Die Herrschaft des der Geschichte . 3.Die philosophische Vorstellung des ,Idealstaates'. CZur Methode des p/atonischenGeschichtsdenkens Kreislauf des Lebens alsGrundkategorie der platonischen Mythen. 2.. Mythos - Dichtung - Wissenschaft - Philosophie....... . DRITTERTEIL PLATONSSTELLUNG DERGESCHICHTEDES WISSENSCHAFTLICHENDENKENS und dieder Wissenschaft ZurFragederEntwick1ungdesplatonischen fortschreitende ,Mathematisierung' der Ontologie.............. 2.. Zu Platons Stellung der Geschichte der Mathematik...... a)Die pythagoreischeZahlen1ehre und andere V oraussetzungen. b)Platons Unterscheidung zwischenMathematik und Ontologie . c)Die Grundlegung der systematischen Methode. 3.Die Bedeutung der AnalogiebeiPlaton:Abbild,Hypothese, Modell ............................... . 2.77 2.79 2.81 Inhalt Die des platonischenSystemsbeiAristoteles Die Weiterentwicklung innerhalbder Akademie:Speusipp undXenokrates 2.Der Neuansatz des Aristoteles: Umformung der platonischen Prinzipienlehre unJ Ontologie..................... . 3.Aristoteles und die platonische ..... a)Die Ent-Mathematisierung der bei Aristotelcs.... b)Der Ver:zicht auf die systematische Begriindung der Wissensc11aften c)Der Ver:zicht auf die prinzipielle Begriindung der Geschichte.. Platon und diemoderneNaturwissenschaft Die Mathematisierung der Welt 2.Natur und Geschichte.... ANMERKUNGEN ........... Anhang:TESTIMONIAPLATONICA ...........

333 Quellentexte zur Schule und Lehre Platons.......441 Register Antike Autoren und Textstellen 11.Literaturver:zeichnis,moderne Autoren Nachwortzur zweiten Auflage.................... 575 EINLEITUNGUND (Plutarch,Quaest.conv. 2) Das Ziel der Untersuchung diesemBuchwirdderVersuchunternommen,diephilosophischen FragenundErkenntnisse,diePlaton derAkademie vorge-tragenhat, ermittelnund das derplatonischen Philosophie auszuwerten.DaBPlaton dem engeren,'esoterischen' Kreis der Freunde undeine bestimmte 'Lehre', die seinen Dialogen andeutungsweise findenist, dargelegt, und Diskussiongestellthat,darfheutewiederalsgesichertgelten1 der Hauptsache handelt essich dabei um die Platon unter dem TiteldasGute 'Lehrvortrage';Aristotelesge-brauchtgelegentlichauchdieallgemeinereBezeichnung"Ungeschriebene Lehren" s.Anh.Nr.54).Diese Lehrvortrage Platonsgilt esausden undSpuren- ausdenDialogenundBriefen,denBerichtendesAristotelesunddenfragmenta-rischen Resten der Schultradition - moglichst vollstandig zu rekonstruieren und sicher erklaren. Das Ziel der hier vorgelegten Arbeit ist ein Gesamt-entIvurJ,derweiterenEinzeluntersuchungenalsGrundlagezudienenver-mag: die "Agrapha Dogmata" Platons sollen in ihrem ganzen U m.fang U/nrissen lIndzusam1JJenjassendgedeutetwerden.Dabeiwirdesbesondersauchdarauf ankommen, die Beziehung zwischen der Lehre Platons und den literarischenDialogen klar erkennen. Es geht also um eine V ollstandigkeit der Darstellung der einzelnen Probleme, wohl aber darum, Stellung und Zusammenhang der verschiedenen des Pllilosophierens einem systematischenGanzen zu bestimmen und soeine neue Vorstellung vom Wesen und der inneren Geschlossenheit desplatonischen Denkens geben. Gegen dieBerechtigung diesesV orhabenskonntensich vornherein Zweifel erheben.DasichPlatondagegenverwahrthat,daBdieimesote-rischen Bereich der Schule erorterten Gedanken schriftlich, ein breiteres 1Gaiser.Platon Ein!eitung und dargestellt \verden,scheint unsere Absicht Platons eigenem Sinn widersprechen. derTatbestebtdieGefah/"des die Platon im Auge hatte, als er eine sc11riftlic11e Veroffentlichung seiner internen Lehre ablehnte, heute nicht weniger als damals: die Gefahr einer vorschnellen Fixierung,einerfalschenVereinfachung,einesleerenFormalismus.Auch dieser Arbeit bringt esdie Notwendigkeit einer moglichst Darstellungmitsich,daJ3diesystematischen,dogmatischenundschema-tischen desplatonischenDenkensvielleicht stark denVorder-grund treten.Aber die Gefahr einer MiJ3deutung desplatonischen Denkens ist nicht geringer, wenn die esoterische Dimension seiner Philosophie igno-riertoderunterschatztwird;undim istanzunehmen,daJ3 einewissenschaftlicheUntersuchungheuteinnerhalbdesBereichsbleibt, der derverandertengescllichtlichenSituationdeminnerenBezirkder platonischenAkademieauchinsofernentspricht,alsdiegrundsatzliche Bedingtheit und Vorlaufiglceit jeder begrifflichen Darstellung ohne weiteres Rechnunggestellt wird. Sodann ergibt sich aus dem Zustand der die Notwendigkeit, beiderRekonstruktionderplatonischenLehreverschiedentlicheinzelne die sich nicht und direkt durch Zeugnisse belegen lassen, vonde/"Sacheherzu erganzen.Es istselbstverstandlich,daJ3derartigeErgan-zungen hypothetisch werten sind und daJ3der Grad ihrer Sicherheit zunachstproblematischbleibt.1mganzenwirdhierjedochderAnspruch erhoben,daJ3dievorhandenenQuellena usreichen,umdie'Sache',deren innere und Evidenz solchen Fallen alsMaJ3stabanerkannt werden muJ3,so weit und sogenau erfassen,daJ3die historische Rekon-struktiondesGanzen den sicheristundjeder Zweifel an derMoglichkeit des Unternehmens werden kann. SchlieJ3lichkonntedieBehauptung,daJ3esein 'SysteIJJ'der platonischen Philosophiegebe, vornhereinBedenkenerregen.DieAbsichteiner systematischen,auf einenesoterischenHintergrundabhebenden1nterpre-tation der Dialoge scheint dem eigentlich dialogischen Moment,der kunst-vollen,psychagogischwirksamenFormundFunktionderplatonischen Schriften nicht gerecht werden.Esseidaher im folgendenzunachst all-gemein entwickelt, welchem Sinne bei Platon einem philosophischen 'System'dieRedeseinkann und wiesichdie LehrePlatons derschriftlichen denDialogenverhalt,besondersalso: welcheArtderErkenntnisundMitteilungjeneminternenBereichder platonischen Philosophie zugeordnet ist. 2 -DasZie!der Untersuchung 'ESOTERISCHE'UND'EXOTERISCHE'PHILOSOPHIE PLA Wie vergleichbarerFormschonbeidemBundderPythagoreer,so ergibt sich auch beiPlaton dasNebeneinander einer innerschulischen For-schungundLehre(Esoterik)undeiner diepolitischeOffentlichkeit bestimmtenSchriftstellerei(Exoterik) selbst ausderLebenssituationder 'Schule':diese verlangt einerseits eine Abgrenzung der kultisch gebunde-ner Gemeinschaft(vgl.Anh.Nr.2/3)lebenden Freunde der Umwelt, andererseitsaber willsieauf dasgesamteoffentliche Leben,besondersauf die staatliche Ordnung der Polis,einwirken und bedarf somit einer werben-denundaufklarenden'Selbstdarstellung'nach'auJ3en'(vgl.Anh.Nr.5)2. Nach den eigenen W orten Platons im Siebenten Brief und im Phaidros ist anzunehmen, daJ3er das Wesent1ichste seiner die Lehre den Prinzipien,keineSchrift verfaJ3that.Die Dialogestammen - nach derFormulierungimZweitenBrief- nicht Platonselbst,sondern dem jung und schon gewordenen Sokrates", d.h.sie wiederholen die nurvorlaufigzurphilosophischenErkenntnishinwendenden, schen'Gesprache des Sokrates der Form des literarischen Kunstwerks. Damit isteinVorrangundeinestarkereVerbindlichkeitder Lehre demgeschriebenenWerk behauptet;zugleichaber wird deutlich,daJ3esunmoglich ist,sich desesoterischen Zentrums der platoni-schen Philosophie unmittelbar versichern:esentspricht offenbar durch-ausderAbsicht Platons,wenn heutederZugang zum tieferenSinn seiner PhilosophienotwendigerweisedieinterpretatorischeAneignungder Dialoge die allein und vollstandigerhaltensind. DiehiergeplanteErsch1ieJ3ungderinternenLehrePlatonswirdalso niemals einer 'Entwertung' der literarischen Dialoge kOnnen.Es handeltsichvielmehrzunachstdarum, furdie der schenSchriJtenselbst wichtigeDimensionwieder ZUgeIJJinnen,nachdem sieim Lauf der Jahrhunderte dem BewuJ3tsein fastganz entschwunden war.Jede Aussageeine'hinter'denDialogenstehendeesoterischeLehrewird nurdann alszutreffendgelten wennsiezugleichein besseresVer-standnisdesgeschriebenen Werksermog1ichtund gerade auch dasApore-tische und Spielerische,alsoscheinbarUnverbind1iche denDialogen als notwendigundsinnvollerweist.Allerdingsist hinausauch erwarten, daJ3durch jene Einbeziehung einer weiteren Dimension Eigenart und Bedeutung desgesamten platonischen Philosophierens einem neuen undanderenLichterscheinen. 3 und Vbersicht diesemZusammenhangerha1tauchdieBeobachtung,dafiderp1ato-nische Dia10gseinerFunktion und Form nach mit der sophi-stischen 'Werberede'(LogosProtreptikos) verg1eichbar ist, eine allgemeinere Denn einertiefer auf die Notwendig-keit einerBesinnung und Umkehr, zug1eich aber auch auf die philosophischePaideiaderp1atonischenSchu1ehinweisenden'Protreptik' kann der Rechtsgrunddie p1atonische Dia10gschriftstellerei gesehen werden 3. DieDarstellungdesPhilosophierens denDia10gengehorta1so P1atonmitder Lehrezweifellosuntrennbarzusammen,und zwar verha1ten sich die Schriften zur esoterischen Lehre sicher nichteinfachsowie und sondern beides ist miteinander verbunden wie Aufieres und 1nneres und derse1ben Sache. Es nahe, diese Beziehung mit dem erha1tnis zwischen der \Va11rnehmbaren,aufieren 'Erscheinung'und dernur im Den1cen erfaBbaren'Idee' verg1eichen.Die Darstellung- sokonnte man sagen -leitet dazu an, die Strulcturen und Ursachen, nochvorlaufig, deneinze1nenPhanomenbereichenaufzusuchenund konkret erfassen,wahrend die Lehre dann zur theoretischen K1arungderSeinsformenundSeinsverha1tnisse der1deenwe1t,wovor allem auch die hochsten Prinzipien allesSeienden am reinsten erkannt wer-denkonnen, sol1.Auchdermethodisch-psychagogischeZu-sammenhangzwischenderexoterischenundderesoterischenBehand1ung der scheint dem Wechse1verha1tnis zwischen Erscheinung und 1dee entsprechen:"\viedurchdenderkonkretenGesta1tdierein noetische 1deenschau vorbereitet wird und andererseits die Erscheinung nur der 1dee her verstehbar ist,so gewisserWeisedie '" platonischenDialogeprotreptisch-propadeutischzuresoterischen1deen-und Prinzipienlehre hin underhalten umgekellrt erst dieserher ihren vollenSinn. Freilich gilt es aber beachten, daj fiir jede Art derbegriff/ichen Mitteilungnotwendigerweisenur "abbildhaft"ist.Deshalbmufiauch die Lehre P1atons,gerade sofern sie auf dasHochste und gerichtet ist, und immer noch vorlaufigsein4Die Unzulang-lichkeitderDarstellungmufihiersogarnochstarkerempfundenwerden als bei der Beschreibung den Dialogen, die sich an Sachverhalten und auf das nur vorsichtig-umschrei-bend hinweist. 1nnerhalb der Schule hat Platon, sovielwirsehen, ein festes 4 -DasZiel der Untersuchung Begriffssystementwickeltundangewandt,um die Zusammenfassung und Zusammenschau der Seinsstrukturen erleich-tern.Eben damit ist aber zugleichauchdie besondere Gefahr desMiBver-standnissesgegeben;denndieLehrekannaufdieseWeisesehreinfach formuliertund zum Ausdruckgebraclltwerden,wahrendsie Wahrheit hochst voraussetzungs- und beziehungsreich ist.den Dialogen wird diese Gefahr durch den bewuBten erzicht auf jede terminologische Fixierung so weitwiemoglichvermieden. Der hohere Wert der Lehre Platonsden Dialogen alsonicht demohneweitereslehrhaftMitteilbaren,da Platon alleArtender Darstellung,jaselbstdieGedanken und orstellungen der See1e,am Wesen der Saclle gemessen "abbildhaft" bleiben.MaBgebend ist vielmehr alleindas selbst, dessen innererAneignungesbesondererorbedingungenundorbereitungen bedarf.Daher ist mit einem weiteren Unterschied zwischen dem Bereich des lehrhaft Mitteilbaren und einem Bereich des ganzlich "Unsagbaren" rechnen:dieErkenntnisderSeinsprinzipien sichistdem Logosentzogenundeinerintuitiv-'mystischen'Erfahrungvorbehalten. Zwischen dieser hochsten Einsicht und dem den Dialogen Dargestellten ist aber, alssystematisch vermittelnde 1nstanz, die Lehre denken, die jener unmittelbaren 'Synopsis' und andererseits diePrinzipienschausogenau wieRechenschaftgibt. 1m ganzen kann also eine dreifache Stufung angenommen werden:litera-rische Dialoge - Lehrvortrage - intuitive Erkenntnis.Dabei ist jedoch einescharfeAbgrenzung nicht InsbesondeI"e dieGrenze ZJJJischen WirksaJJJkeitundesoterisch-innerschulischerLehr- nicht einfachJJlitdemUtJterschiedzwischenden Schriftenund denmundlichenVortragenzusatJlmen.VieltJlehI"reicheneinerseitsdieDialoge stark den Bereichder'Sch/Ile'hinein, andererseitsdie platonischetlLehrvOI"frage nicht alsexklusiIIe,sondernalszunachst offenzuganglicheVeranstaltungenZU gelten haben.Nimmt man dazu welterhin die fachwissenschaftlichenUntersuchun-gen und Erfahrungen innerhalb und auBerhalb der Akademie, diePlaton Bedeutung sind(besondersdiemathematischenForschungen unddie Arbeiten auf dem Gebiet der politiscllenGesetzgebungund Rhetorik),so zeigtsichinsgesamteinvielfaltigesZusammenspielderverschiedensten Formen desPhilosophierens.Wir konnendies,um dieStellung der und Obersicht lichenLehrvortrageimgro13erenGanzenunddasIneinandergreifendes vorwiegendExoterischenunddesvorwiegendEsoterischenzuverdeut-lichen,schematischetwafolgendermaBendarste11en. $CHULE (.,esoferisch ") (.e)(oferisch ")/ / /--,- ---_ ....... ''" /iferarisr:he Gesefzgebl/nq lInd geschichfl. / Sfllclien / / ,- /Jia/-..._--Fig. Zwischen den einzelnen Wirkungsbereichen bestehen enge sachliche und funktionel1eZusammenhange,wievorlaufignochdurchdiefolgenden Bemerkungen angedeutet, im aber - besondersdie Verbindung zwischen den mathematischen Wissenschaften und den zusammenfassenden ontologischen Vortragen dasGute - im Lauf der weiteren rungen genauerdargestel1t werden sol1. a)Die Dialoge sind zweifacher Hinsicht auf die Schule und miindliche Lehre Platonsbezogen:zum einendurch dieentsprechende 'protreptische'Ten-denz(s.Anh.Nr.5),zumanderendurchdie'Nachahmung'desLehr-gesprachs derliterarischenDarste11ung(sobesonders denspaten Dialogen, etwa im Sophistes und Politikos). AuBerdem ist anzunehmen, daBbestimmte Dialoge,wie der Parmenides,nichteine breitere Offentlichkeit,sonderneinen Kreisder schon mit den philosophischen Problemen der Akademie Vertrauten gedacht sind - wie samtliche literarischenWerke\vahrscheinlichzuerst der'Schule'vorgelesenund hier aus'veroffentlicht'wurden. b) die dasCuteist uns bezeugt, daBsie zunachst ein-mal a11gemein zuganglich waren (s. Anh. Nr. 7), Es gab alsokeine6 -Das Ziel der'Geheimhaltung'der Lehre.Wohl aber ist mit einer inneren Abstufung rechnen, derzufolge die gesamte Lehre doch den wenigen zum Verstand-nisBefahigtenvorgetragenwurde.Platonscheint diesemZweckdie Vortrage mit einer nach Art der beidem Dionysios Syrakus veranstalteten 'Peira' (Epist. - 341 begonnenzu haben: sowurden dieungeeigneten Zuhorer bald durch die vornherein stark hervorgehobene Strenge und Schwierigkeit der Lehre abgeschreckt. - gensschlieBtder und esoterischeCharakter der V ortrage nicht aus,daBdie 'Nachschriften'alsypomnemata herste11ten(s. Anh. Nr.8),diezwar im BesitzderSchuleblieben,derenInhaltaberdoch im Lauf derZeit weiter verbreitet werden konnte. c)DieErgebnissedermathematischenForschung(vgl.Anh.Nr.15-2.1) wurden PlatonzumTeil dieliterarisch-dialogischeDarstellungein-bezogen(sobesondersimTimaios).HiererscheintdasMathematische schon weiterreichendenProblemzusammenhangen,sodaBseineal1ge-meine philosophische Bedeutung wenigstens andeutungsweise sichtbar wird. EbensoberuhtdiepolitischeKotfzeptionPlatons,diemehrfach den Dialogenentwickeltwird(besonders:Politeia,Politikos,Nomoi) zweife110sauf umfangreichem Studium und Erfahrungsaustausch innerhalb undauBerhalbderSchule.DieDialogesol1enVertrauenwecken die philosophischePolitikderAkademieund zurechten,politisch notwendigen Arete (vgl.Anh.Nr.12.). d)DieVerbindungzwischendenmathematischenWissenschaJtenundden zusammenfassendenLehrvortragenPlatons liegt darin,daBPlaton einerseits das Gebiet der Mathematik als Mode11- und Vergewisserungsbereichdie a11gemeineOntologieauswertete,andererseitsdieMathematikerimmer wiederdurchdiephilosophischeForderungeinerstrengenSystematik methodischsicheremAusbaudesmathematischenWissensanregte.(Dies jedenfa11sist dasErgebnisder folgenden Untersuchungen,daswir hier als noch unbewiesene These die genauere Betrachtung wird zeigen, daB derWechselbeziehungzwischenMathematikund Ontologieder methodische unddassystembildendeMomentderplatonischen Lehrezuerkennen sind.) Entsprechendesgilt dasWechselverhaltniszwischendenpolitisch-rhetorischenUntersuchungenunddenLehrvortragen dasGute:Platon gibteineontologischeder diepolitischeOrdnungmaB-gebendenWertstrukturenundGesetzmaBigkeiten,indemerdieseauf die a11gemeineSeinsordnung 7 Ein!eitung und e)Die selbstzeigen,\viedieverschiedenenPhanomeneauf verschiedenenstets auf den gleichen allgemeinsten Gegensatz z\veier Prinzipienwerden kOnnen.Bei diesem umfassenden logisch-dialektischenProzeBkann eineplotzliche 'E,-leuchtung'eintreten,durch die offenbar eine prinzipielle Einheit aller Gegenstande des Denkens unmittelbar evident \vird. * Die bewegende Kraft beiall diesen V organgen einer zweifellossehrstar-kenund vielfaltigen philosophisch-sachlichen Kommunikation sieht Platon derMachtdesETosundderPhilia.Der AufstiegvombloB'Mensch-lichen' dem 'GDttlichen', das allein des vollen Ernstes und Eifers wert ist, istnichtmoglichohneeineenthusiastische Begeisterung, wiesie der Eros vermittelt. Dieser dynamische Aspekt des platonischen Philosophierens muB jedochbeiunsererUntersuchung daesunshauptsachlich darauf ankommt,diesystematischen,im Logos begrifflich faBbarenStruk-turendesplatonischen Denkensherauszuarbeiten. 2.SYSTEMUNDApORETIK Die platonischen Dialoge weisen doppeltem Sinn sich hinaus auf eineandere,'spatere'Erorterung:einmalfindensichsolcheVerweisebei bestimmtenEinzelpTobleJJJen,dieeiner speziellenUnter-suchungzum anderen findensiesich dort, wo esum die Ideenund PTinzipienund umganzallgemeine Voraussetzungen desPhilo-sophierens geht5 beiden Fallen handelt essich um schwierige, nicht ohne weiteresmitteilbareSachverhalte;undesist vermuten,daBdie den DialogennurangedeutetenFragen derSchulePlatonsdiegeforderte eingehende Behandlungerfahrensollten. Der Unterschied zwischen der schriftlichen Darstellung den Dialogen und den U ntersuchungen innerhalb der Schule liegt demnach nicht eigentlich einerVerschiedenheitderGegenstandeundProblemedesPhilosophie-rens.Vielmehr hat Platon, wie wir im einzelnen genaner nachzuweisen ver-suchen,diegleichenFragen,die den Dialogen BewuBtseingebracht werden, letzten Endes aber offen bleiben, auch innerhalb der Schule behan-deltoderimKreisderFreundeund fachwissenschaftlichunter-suchenlassen.DerUnterschiedliegtalso darin,dajdieesoterische Behandlungstii,-ker .[JsteJJlatischund MajeIJJissenschajtlich-exaktwaT, 8 -DasZie! derUntersuchung und das Wesentliche der Lehre Platons ist somit darin zu sehen, daB sie dem Streben der Zusammenfassung des Einzelnen unc1. Vielfaltigen znm Ganzen und Einheitlichen die Darstellung den Dialogen hinaus-gingundzueinersystematischenVerbindungallerEinzelerkenntnisse anleitete. Die Tatsache,daf3die esoterische Philosophie Platons stark systematische aufweist,geht ausden Zeugnissen insgesamt mit groBer Deutlichkeit hervor. Es gilt daher, die systematischen Tendenzen des platonischen Philo-sophierenszunachsteinmal ihremganzenUmfangund ihrervollen Bedeutung hervorzuheben.Dann wirdsichschlieBlichnur um sosicherer zeigen, daBdie Systematik bei Platon, richtig verstanden,dem aporetischen Moment nicht widerspricht und daBPlaton nicht et\va auf ein geschlossenes und festesSystem Lehrsatzen hinzielte. Platon wollte,wiedieZeugnisseklar erkennen lassen,vor den undFreunden derAkadernieimmerwiederneudeneinenNachweis erbringen,daj Dinge- dieErscheinungenebensoIJJiedieIdeen- sichletzten Endesauf eineneinzigenPrinzipien-Gegensatzzuriickfiihrenla.rsenund daBsie ausdenselbengegensatzlichenPrinzipienandererseitsfolgerichtig'abge-leitet'werden kOnnen. diesem methodischen Ansatz liegt unverkennbar die Forderung einer moglichst vollstandigen Systematisierung der Realitat. Platon hat die beiden Grundprinzipien,derenGegensatzverhaltnis im gan-zenundimeinzelnendenAufbaunnddenZusammenhangdesSeienden konstituierensol1, derSchuleals"dasEine" oderalsdashDchste "Gute" und "die UnbestimmteZweiheit" oder "dasGroBe-und-Kleine" bezeichnet.Der Versucheiner systematischen\'{TelterklarungnndOntologieberuhtalsoaufdieserein-fachenGrundkonzeption:dasichallesausderSpannungzweierGrund-prinzipien ergibt,erhebt sichdieForderung, iibeI'alI dasIneinanderiJJirkenund derge,.gensiitzlichen eillheitIichZU Dieswird dadurchmoglich,daBsich denverschiedenenPhanomen- undSeins-bereichen analoge,dasheiBt im Grunde gleiche,Struktur-gesetzenach\veisen lassen.Und zwar ist eshauptsachlich die MatheI1Iatik,die esermoglicht, die Analogiegleic11heitaller im Seinsaufbau vorkommenden Strukturen exakt und einfach zu erfassen. Das'System'einerPrinzipienlehreundOntologie,dasPlaton diesem Sinne fordern kann, muB freilich als grundsatzlich 'offen' verstanden werden. DieMoglichkeitendergegenseitigenDurchdringungderPrinzipien,der AbstufungundGliederungimSeinsaufbausindsomannigfaltig,daBsie 9 und Vbel"Sicht durch diemenschliche Erfahrung und allen Einzelheiten nachvollzogenwerdenkOnnen.DieZuriickfiihrungderverschiedenen Beziige und Strukturen auf die Prinzipien und die entsprechende Deduktion derPhanomeneausdenPrinzipienmu13alsoeinunendlichesBeginnen bleiben.WennPlatontrotzdem daBdiePrinzipienallerDinge und dieGesetzmaBigkeit ih1:esZusammenwirkenssystematisch erfaBt wer-den konnen, so im Sinne einer 'abbildhaften'VergeIvi.r.serung,wie sie durch mehroder adaquate'Modelle'ermoglichtwird.Durchdassyste-matische Untersuchen und Zusammenfassen wird der Philosoph also unmittelbar zum Ganzen der Realitat und den Seinsprinzipien selbst gefiihrt, sondern immer nur einer vorlaufi.gen Annaherung: zu Analogien, Aspekfen,hypofhetischen Sosind besonders auch alle begrifflichen Benennungen der Prinzipien - etwa als'Einheit' und 'Vielheit' - abbildhaft und ansich DasBegriindendeselbstoder,wasdasselbeist, dieGesamtheit desdurch die Prinzipien Bewirkten,bleibt fiirdasmensch-liche Denken unfaBlich und 'unaussprechbar" Ferneristhier bedenken,daBPlatondieDingenichtauf einenein-zigen,allgemeinstenUrgrund hat,sondernauf zwei gegen-siifzlichePrinzipien.Dies bedeutet aber,daBbeider systematischen Reduk-tion ein logisch aufhebbarer Dualismusoder'Widerspruch' bestehen bleibt.SofernfiirdassystematischeDenkendie'Widerspruchsfreiheit' konstitutivist,tritthieralsoeineBedingtheitdessystematischenLogos selbstzutage:dasSystemstehtoffenbar einemweiterenHorizont,der mit dem Logos an sich mehr zu erfassen ist. SowohlderCharakterder'Abbildhaftigkeit'alsauchdieprinzipielle Spannung,dieden Logoserst ermoglicht,laBtdeutlicherkennen,daBdas philosophische'Nichtwissen'desSokrates bestimmterWeisebis die systematischeLehrePlatonshereinreicht.Die'Aporie'desmenschlichen Wissenswird hier etwa einfach aufgehoben,sondern ihrer grund-satzlichen Notwendigkeit erst eigentlich sichtbar gemacht .. Eine Unzulang-lichkeit zeigtsichhier nur darin,daBdasethische Wissen,daswahr-haft'Gute' lehrhaftmitgeteiltwerdenkann;vielmehrwirddariiber hinaus erkennbar,daBgerade diekonsequente und vollstandige Systemati-sierung letzten EndeseinewesensmaBigeDeftzienz desiJJlLogoserreichbaren Wissens zu vermag.diesem Sinne scheint Platon bei der imRahmender Prinzipienlehre der "menschlichen"UnzulanglichkeitundUnsicherheitgesprochenzu (s. Nr. 10 -DasZiel der Untersuchung Ausder philosophischenGrunderfahrung,daBdiesystematischeErfas-sungdesSeienden im Logos immer nur eineabbildhafteVorstellung der Realitat selbst vermittelt, ergibt sichPlaton einDoppeltes: zum einen dieForderungeinermoglichststrengen,folgerichtigenundvollstandigen SystematisierungallesEinzelwissens,weildamitimmerhineinanaloges 'Bild'desSeins gewinnenist,andererseitsdasBewu13tsein,daBdurch dieseArt der VergewisserungdasAbsolute und erreicht werden kann. HieristnunaberschlieBlichwiederdaraufhinzuweisen,daBPlaton offenbariiberzeugt ist,dieeinzelnenzunachstsystematisch-begrifflich sammengefaBten konnten,nachlangerV orbereitung,durch eineArt 1ntuitionunmittelbar'zusammengeschaut'undsomitabsoluter GewiBheit Erfahrunggebrachtwerden. 3.ERKENNTNIS,LEHRE,WISSENSCHAFT DiehochstephilosophischeEinsichtwird,wiePlatonimSiebenten Briefsagt,durcheineplotzliche'Erleuchtung'erreicht;dochbleibfdiese infuifiveErfahrung derWahrheifandasstreng logischeDenken gebunden.1mmer wieder betont Platon,daBzur sicheren der Wahrheit die Fahig-keitdesBegriindensdurchdenLogosgehort6Dasheillt:diemathema-tischenoderlogisch-begrifflichenAnalysenundSynthesen,Reduktionen und Deduktionen,dasdialektische Einteilen undZusammenordnen - dies alles zwar selbst die unmittelbare GewiBheit ein,wohl aber liegt darin die notwendige Voraussetzung fiirjene 'Erleuchtung' oder Zusammenschau,diedenSinn unddie der hochsten Prinzipien unmittelbar zu Bewu13tseinbringt;und ebensoerwartet Platon offenbarandererseits,daBderPhilosoph einersolchenunmittelbaren Erfahrung'Rechenschaft zugeben' vermag,indem er das allgemeinErkannteimeinzelnenaufzeigtundsoerstzuvollerEvidenz und erhebt. Wenn man diese Zusammenhange bedenkt, zeigt sich ein doppelter Grund daBPlaton die systematisch-zusammenfassende Erorterung der Prin-zipienlehreundOntologie denDialogendarstellt,sonderndem V ortrag und dem engeren Kreis der Schule vorbehalt.Die ent-scheidende Einsicht (daBnamlich dasgesamte Sein im Grunde durch einen allgemeinen, wirksamen Prinzipiengegensatz konstitciert wird) muB immer wieder neu vorbereitet und verifi.ziert werden durch den Nachweis, Ein!eitung und Vbersicht daBdie deneinzelnenErfahrungsbereichenauftretenden Strukturen und zueinander Analogie stehen und also einem hochsten, umfassend-einfachen beschlosseJ:!. sind. DieerstrebteEinsic11tistdaheran vorausgehendeEinzeluntersuchungen, besondersandasStudiumderMathematik,gebunden.Einezweite Vor- liegtdarin,daBdie nichtohneeine geeignete Beschaffenheit derSeele,vor allem nicht ohne jene Fahigkeit zur Zusammenschau AnalogienundGesetzmaBigkeiten,erreichtwerden kann.Wenn diesedoppelte V oraussetzungist,muBdieplato- Prinzipienlehre, gerade wegen ihrerEinfach11eit, als formelhaft-leeroder als erscheinen.Undsoist es verstehen,daBPlatonungeeigneteZuhorerdurchdieSchwierigkeitdes Dargebotenen fernzuhalten suchte und Zusammen-hange seinerLehre nicht den Schriften,sondern nur inner-halb der Schule sprach, wo diese V oraussetzungen des wenn irgendwo,gegebenwaren. Esist daBjeneZusammenschauoder'Erleuchtung' nur einerlogischenVerallgemeinerungoderAbstraktionbestehen Denn die Prinzipien - 'Einheit' und 'UnbestimmteZweiheit' - werden hier nichtmehrnuralsallgemeinste Begriffe erfaBt,sondern alsSeinsursachen. diesemSinneerreichtder Logos dieVoraussetzung,dieihn selbst das Ausdenken und die Darstellung der Seinsverhaltnisse durch den Logos hebt sich hier gleichsam auf, wird, daBdas Denken dasMittel desLogos Grunde nicht sich aus

Vielleichtdarf man vermuten,daBesgeradedieAntit11etiklllldGegen- derPrinzipien ist,dienachderAuffassungPlatons,indemsie immerwiederneuaufgewiesenunddurchdachtwird, derstarksten Spannung zujenem desFunl(ens'unddamit zur Erleuchtung Jedenfalls aber kann nUll dem hochsten Zielder demnoetischen1nnewerdender Seinsursachen und der damit gewonnenen und Arete, dieser Arbeit weiter die Rede sein.Es kannnur darum gehen,die Mog- einer solchen und Bestatigung des Lehrsystems der richtigenWeiseoffenzuhalten.Wirkonnendaszentralesach1icheund Problem,dashier mit unserenMitteln nicht losen,da die Texte keine eindeutige Auskunft geben.Zur genaueren Formu- desProblemswaredieFrage zu stellen:wiesichdiebeiden gegensatz-12. -DasZie!derUntersuchung lichenPrinzipiennachderAuffassungPIatonsletzten Endesverhalten. Zunachst ist daBPlaton beiden Prinzipien ontologischgleichwertigsind,d. h.daBnurdas"Eine"den1nbegriffdeswahrhaft Seienden,GGtt1ichen und Guten darstellt,dasandere Prinzip dagegen eher alsGrund desNichtseins und desUnguten erscheint (vgl.Anh.Nr. 51/5 Als'Prinzip'jedoch,als Ursacheund wirkendeMacht,muG das dem "Einen" Entgegengesetzte, soscheint es, ebenso und ebensostarksein\viedas "Eine" selbst.Daher bestehtPlatonobo-leich ,b seinDenken dasPrinzipdesGuten alsSeinsgrund entschieden bevorzugt, reinprinzipie11einlogischunaufhebbarerGegensatzoder Aber hier istnUlldieFrage,obdieseKonzeptionvielleichtnureinevor-laufigeBedeutunghabenso11undob PlatonzwischendemMonisJJlus der Ontologie (oder Theologie) lllld dem DuaIismus der Prinzipienlehre eine nichtohneweitereserkennbare besteht.Eswarealso besonderszufragen,obPlaton - etwa Sinneder neuplatonischenAuf-fassung - eine Einheit der Gegensatze l(ennt:ein hochstesWesen,dasa11es SeiendeumfaBtunddasdannwohlnichtohneeinMomentder'1rratio- und'Freiheit'Zudenkenware8Vie11eichtweistdieplatonische Aussage(s.Anh.Nr.50),daGdas"Eine"allesSeiende diese Richtung,abernirgends dieZeugnisseentschiedendiestischeKonzeptionder Prinzipienlehrehinaus.Wir lassendaherdieange-deutete Frage offenund halten unsbei unserer Untersuchung an diesicher bezeugteVorstellungdesPrinzipien-Gegensatzes:auf dieserVorstellung, nachderSeinundNichtsein,gutundschlecht,rational-bestimmtund irrational-unbestilnmtgleichermaBengetrenntsind,beruht offenbardassystematische AuseinanderfallenundAnordnen, dasden1nhalt der Lehrvortrage ausmachte.(Vgl. zu diesem Problem u.S.65.2.00/1.317, 14.54.165.

Ausder Annahmeeinesallgemeinen Prinzipiengegensatzesundderent-sprechenden Aufgabe, das allen Seinsbereichen analoge Zusammenwirken der Prinzipien systematisch zu erfassen,ergibt sich nUllbesonders auch der 'wissenschajtliche'CharakterderesoterischenPlatonsbzw.ihre Bedeutung. Unter wir dabei zunachst eine bestimmte Form des Denkens: Methode, einzelne Phanomene auf allgemeinere, einfachere undUrsachen undwiederausdiesen abzuleiten. Das damit umschriebene Verfahren derWelt-Ein1eitungund erklarung ist offenbar im Rahmen der systematischen Seins-undPrinzipien-lehrePlatonsangewandtundzugleichallgemein worden(vgl. bes.Anh. Nr. 10).DabeilaBtsichbehaupten,daBPlatondurchdiesen Ansatz und durch die Einbeziehung aller erreichbaren Gegenstandsbereiche diesystematischeOntologieentscheidendwichtigeAnregungenzur Grondlegung und zum Ausbau der einzelnen Fachwissenschaften gegeben hat, ganz besonders im Bereich der mathematischen Wissenschaften. Wenn wir von einer 'Begriindung derWissenschaJtenin der p/atonischenSchll/e' sprechen, geschieht dies also mehrfacher Hinsicht: zunachst sachlich und erkenntnistheoretisch, sodann historisch angesichts der geschichtlichen Ent-stehung und Entwicklung der verschiedenen Einzelwissenschaften, schlieB-lichauch geschichtstheoretischemSinne,danamlichbeiPlatoneine Einordnung der wissenschaftlichen Erkenntnis die geschichtliche Gesamt-entwicklung sowie eine Reflexion auf diegeschichtlichen V oraussetzungen der eigenen philosophischen Position zu beobachten ist. DiesedreiAspektesollen derfolgendenUntersuchunggenauerauf-gewiesenwerden.Siestehenuntereinander engstemZusammenhang. DieszeigtsichbesondersandenmathematischenWissenschaften.Mathe-matik Gesamtont%giestehen Platon einemVerhaltniswechsel-seitigerErhellungund einerseitssollendieSeinsgesetzemit HilfederMathematik ermittelt und beschrieben werden;andererseitsaber wird die Mathematik, alssystematisch verfahrende Wissenschaft, diesem gro13erenZusammenhangderphilosophischenOntologieundPrinzipien-lehre erst Ahnlichstehtesum dasplato-nischeGeschichtsdenken.SolaBtsichzeigen,da13beiPlatoneinerseitsdas Bewu13tseinder geschichtlichen Entwicklung desmenschlichen Wissens dasPhilosophierengrundsatzlicheinbezogenistunddaBandererseitsdie Gesetzma13igkeitdesGeschichtsverlaufs Zusammenhangder umfassen-den ontologischen Konzeption erst eigentlich wird. ganzenwirdausderUntersuchunghervorgehen,daBPlaton gerade auch dort einem strengen Sinn 'wissenschaftlich'denkt,wo er scheinbar unwissenschaftlich vorgeht. Dies ergibt sich besonders aus dem Zusammen-hangzwischendervorlaufigenBehandlungeinzelnerErscheinungenund Probleme denDialogenunddersystematischenGrundlegungimeso-terischen Bereich der Schule.Die spielerische,ofterscheinende Darstellung Phanomenen - besonders naturwissenschaftlichen und geschichtlichenErfahrungstatsachen- istbeiPlatonebenderAusdruck da13diewesentlichenUrsachenundGesetzma13igkeitennichtim .. Situation der Forschung und Ergebnisse der Untersuchung Bereich der einzelnen sinnlich wahrnehmbaren Dinge,sondern jenseitsder Phanomene liegen.Und die scheinbar nur spekulativ-konstruktiven Gedan-kenderesoterischenPrinzipienlehreerweisensichzugleich,aufsGanze gesehen, als eines systematischen Entwurfs, der als produktiver VersucheinerumfassendenwissenschaftlichenWelterklarungverstanden werden mu13. tJberblick dieSituation der Forschung und die Ergebnisse der Untersuchung DIE FRAGENACHDERESOTERISCHENPHILOSOPHIEPLATONS DieneuerephilologischePlaton-1nterpretationwar derHauptsache durchdieFragenachderFormdesDialogsunddurchdasProblemder 'Entwicklung'Platonsbestimmt.DiesetraditionellenAspekteder"plato-nischenFrage"sollenbeiunsererUntersuchungzunachsteinmalbeiseite gelassenwerden.Esistjedoch vornhereindamitzurechnen,daBdie Erschlie13ung der esoterischen Lehre Platons indirekt gerade auch zum Ver-standnisder literarischenDialogformundzurLosungdes problemsWesentlichesbeitragenkann9- UnsereDarstellungdereso-terischenPhilosophiePlatonswirdmitSicherheitnur dieZeiteiner fortgeschrittenen und reifen Phase des platonischen Denkens gelten kOnnen. den platonischen Spatdialogen, auf diesich die neuere Forschung immer mehrkonzentrierthat,wirdjedenfallsderesoterisch-akademischeHinter-grundwesentlichdeutlichersichtbarals denSchriften.Auch Aristoteles beiseinenZeugnissenundBerichtenhauptsachlichauf denspatenPlatonBezugnehmen.UnddieanfechtbaremoderneBezeich-nung der platonischen Lehrvortrage das Gute als "Altersvorlesung" ist wohl insofern berechtigt, als den Nachschriften der aus denen uns einzelne Angaben erhalten sind, wahrscheinlich die spateste Fassung der LehrePlatonsfestgehaltenwar.Dochsprichtmanches dieAnnahme, dafi wesentliche der esoterischen Lehre Platons nicht erst wahrend der Abfassungszeit der spateren Dialoge entwickelt wurden, sondern auch schon SchriftenPlatonsbewuBtvorausgesetztsindunddemLeser absichtlich werden. * 15 Ein1eitung und DieUntersuchungderesoterischenPhilosophiePlatonshaterst Zeitkraftige1mpulseerhalten,nachdemdieserFragenkomplex der neuerenPlaton-Erklarungzunachstvernachlassigtwordenwar.Dadie forschungsgeschichtlicheEntwicklung heute klar Augen liegt,braucht hier an diewichtigstenZusammenhange erinnert werden10 Die an sich hochst fruchtbareEntdeckung der platonischen 'Kunstform' (d.h.der philosophischen BedeutungdesdialogischenGeschehens)durch S chleiermacherhatdazubeigetragen,dafiallesWesentlichederPhilosophie Platons seinen Dialogen gesucht wurde.Jedenfallsbliebdieesoterische PhilosophiePlatonsnachSchleiermacher langereZeit fastganz sichtigt, sodafischliefilich sogar ihre Existenz bestritten wer-den konnte. Die unsystematische, vorlaufig-andeutende Art der schriftlichen Darstellung den Dialogen wurdealskennzeichnenddasplatonische Denken angesehen. -den letzten J ahrzehnten ist jedoch das Pro-blem neu Angriff genommen und einer Losung sichtlich naher gebracht worden. Eine wichtige Vorarbeitleistete L. Robinmit einerumfangreichen Zusammenstellung und Erklarung der bei Aristoteleserhaltenen Zeugnisse die Lehre Platons den 1dealzahlen, die den Dialogen bekanntlich nirgendserortert wird( .- SEELE KORPER (APEIRON) Fig57 DadiemenschlicheGeschichtedemkosmischen Geschehenmimetisch entspricht D6), ist eswohl erlaubt, hier aus auf denSinn der kosmischenPeriodenimganzenzuschlieBen.Die'Trennung'zwischen GottundKosmos,diederMythosbeschreibt(vg1. 273 C4), geschiehtsinngemaBanderzentralenStelledes ander Chorismos und Methexis zwischen 1deenwelt und Erscheinungswelt ent-scheidenderWeisestattfinden:mitten im Bereich derSeele. 210 Verbindung Kreislauf und fortschreitenderEntwicklung Das Motiv der Abwendung desGottes der Welt bleibt unbestimmt, selbstverstandlich darf aber diese Abwendung zu dem an sich guten Wesen des Gottes nicht im Widerspruch stehen und kann nicht einer Schwachung derFormkraftdesEinheitsprinzips sein.Vielleichtdarf ange-nommen werden, daBder Gott, wenn er sich zu der ihm eigenen "Aussicht" 5) eine innere Steigerung der noetischen Kraft bewirkt, die der zunehmenden Auswirkung des Apeiron-Prinzips im Bereich desKorperlichenentsprache.AufjedenFalllaBtsichdenken,daBdie beiden Prinzipien stets, auch wahrend der gegenwartigen Periode des Welt-zerfalls, im gleichen Starkeverhaltniseinander wennman annimmt,daBderUnterschiedzwischendenbeidenWeltperiodeninder!JJehroder Ivenigerstarken gegenseitigenDurchdringungderGegensatzeliegt.Schauplatzder Verflechtung und Lockerung muB vor allem die Mitte dessein, der Bereich der Seele, wo der vOVSalsformierendeund die alszur AuflosungdrangendeKraftsichentscheidendauswirken. dereinen WeltperiodedrohtdasWerkdesDemiurgos,die der WeltseeleausdenGegensatzen(Timaios35 gemachtzu werden;durch dieLenkungdesGottes im anderen Weltzeitalter wird der Zusammenhalt wiederhergestellt. SoverstandenbedeutendieWeltperiodendesPolitikos-Mythosalso nicht einfach die Aufeinanderfolge Ordnung und Unordnung, dies etwa Empedok1es gelehrt hat176Wenn unsere Erklarung zutrifft, sind ferner alle Versuche, die platonische Darstellung der Weltperioden als rein formale Umsetzung des zeitlosen Gegensatzes Ordnung und Unordnung ein zeitlich-geschichtlichesNacheinanderzubegreifen,imwesentlichenver-fehlt177Eshandeltsich,sovielwirsehen,vielmehrumdenperiodischen Wechsel einer Zeit dauernder Ausgeglichenheit und einer Zeit fortschreitenderDijJerenzierungundSpannung. Die Verbindung und fortschreitenderEntwicklung DER RHYTHMUSDESKOSMISCHENGESCHEHENS Der Politikos-Mythos beschreibt, wie sich uns gezeigt hat, ein periodi-schesWechselspieldergegensatzlichenPrinzipien:Verbundenheitund Trennung,AusgeglichenheitundDifferenzierung.DurchdieAnnahme dieseruniversalenDynamikkonntePlatondieTatsachedesWerdensund Vergehens,dieMoglichkeit ObergangenzwischenGeformtheitund 211 Geschichte und Ontologie Formlosigkeit(Areteund einemkonstantender Prinzipien bringen - wobei Frage, welcher umfassendeGrunddaswechselnde zwischendenPrinzipien regelt,offenbleibt(vgl. S.200jI). Die ArtdesZusammenwirkensderPrinzipienbedeutet zunachst, daB wahrend der Zeit "unter Kronos" ein imgleich-bleibenderZustandherrscht,im Weltzeitalterjedocheine umkehrbareEntwicklung Diese Entwicklung besteht vor allem darin, daBder Kosmos Anfang noch seine Kreisbewegung guterOrdnungvollfiihrt,imLaufderZeitaberdie Ordnung undsich aufzulDsendroht,und daBer zunachst noch -wiewahrendderZeitder Lenkung- Schlechtesund vielGutes,zumSchluBaber GutesundvielSchlechtes sich erzeugt(273 Cf.).WahrendjeneranderenZeitdesKosmosdagegen 'bleibtderAblaufdesLebensunverandert; AbwendungdesGot-tes wenndas'MaBderZeit'erfulltundeinebestimmteZahl der Umdrehungen des Kosmosoder der LebensabHiufe im Kosmos erreicht ist(269C6. Besonders bemerkenswert ist dabei, wie der Aufeinander-folgeder beiden Weltzeitalter Kreislauf und gleichsam geradlinigfortschreitende Entwicklungmiteinander sind.Der Mythosbesagt,daB seitdem Bestehen desKosmos Zeitder Herrschaft unddie Periodeder desKosmosimmerwiederineinanderum-schlagen.So ergibt sich im ganzen ein Verlauf der der einerseits derPeriodederSelbstandigkeitdesKosmos)eine um-kehrbare andererseitsaberauch,weil Entwicklung immerwlederabgebrochenwirdundubereinzum Anfangzuruckkehrt,einestandigeWiederkehrdesGleichenaufweist. Platon wird auf Weise dem Phanomen der Entwicklunggerecht - ohneeinenProgreBoderauch ein absolutesEnde derEntwicklung annehmen miissen. Die Verbindung gleichsam Fortschreiten undKreis-bewegung kommt dadurch zustande,daBder umkehrbare ProzeBder Auflosung und Vernichtung('Alter', 'Tod', katastrophale am Ende,sichselbstaufhebend, den allgemeinenKreislauf einmiindet. Inwiefern dabei iiber Naturkatastropheneine echte besteht,wirdsichausderweiterenUntersuchung(besondersdurchden Vergleich dem Leben)ergeben. 212 - und fortschreitender Entwicklung Wolltemanden Gesamtverlauf des Geschehens darstellen, so man die beiden PhasenPeriode des gleichbleibenden Zustandes und die Periode der Differenzierung, vgl. Fig.57) verbinden. Am besten wurde man dabei wieder dieVorstellungderSeinspyramide(vgl. Fig.55) Hilfenehmen.So sich zeigen, daBdieEntwicklung sich gleichsam auf der dem Betrachter zugewandten Seite abspielt, wahrend die andere Periode als Umkehrbewegung denken ist.Jedenfallsist bemerken, daBsich 'aufsteigende'Tendenz fortschreitendeErkenntnis)dem BereichderIdeenannahert,wahrend entgegengesetzteTendenz(das Begehren und Vergessen)dem Apeiron zustrebt. ZurgenauerenErklarungderTendenzenundVerlaufs-formen, denen im Rede ist,kann vor allem der bewegungstheoretische Aspekt der Ontologie und Kosmologie der im ersten Teil unserer Untersuchung zuletztbehandelt wurde.Wie besonders ausdem Timaios hervorgeht, unterscheidet Platon die BelJJegung, sichgeschlossenistunddementsprechend derEinheitunddemgleichbleibendenSeinderIdeennahesteht ,b der geradlinigenBewegung, an sich einem Endekommt und daherzumApeiron

wird den rein seelischen, vom Nus her bestimmten Wesen-heiten zugeschrieben, fortschreitende Bewegung dagegen den unbeseelten Kreisbev!egungund Fortschreitenver-halten sich alsozueinander wie das zum haften Leben;und dementsprechend kann beides, Kreislauf und irreversible Entwicklung, deneinzelnen Lebewesen auf Weise ander verbunden sein und auseinanderstreben.Versteht man dies auch Sinne, so laBt sich die Doppeltendenz der gegen-wartigen genauer interpretieren.Die aufsteigende,der noeti-schen zustrebendeTendenz sichder Kreisbewegung an. Die andere Tendenz dagegen, vomher bewirkt wird und zur Auflosung der lebendigen Einheitentspricht demnichtumkehrbarenFortschreiten.Diesaberwiirde bedeuten,daB beidenVerlaufsformen - Kreislauf und fort-schreitende - nur im Ganzen des sich wieder-holendenGeschehens,sondernauchinnerhalbdereinen, miteinander verbundensind.Fiir eines 213 Geschichte und Ontologie inneren Zusammenhangs beim einer Weltperiode zur anderen ergibt sich dabei: den beiden Tendenzen der gegenwartigen Entwick-lunggeht nurdieeine,namlichdievom her bewirkte,ganz der geradlinigen, nicht umkehrbaren Entwicklung auf, und der Abbruch dergegenwartigenEntwicklungdurchdieNaturkatastrophenbeider Umkehrung der Kosmosbewegung betrifft daher nur das Korperliche der Welt;dasreinSeelischedagegenkannuberdauernundimKreislaufdes Lebenszu einemneuen Anfang 2.DIE GESCHICHTEDERMENSCHHEIT KOSMOS DerSinndesPolitikos-Mythosliegtnichtzuletzt derVerbindung des kosmischen Geschehens mit der menschlichen Geschichte.wird hervorgehoben,dafidieMenschenjeweilsdenZustand und dieEnt-wicklungdesGesamtkosmos"nachahmen"und"befolgen" D): dereinen,fernenWeltperiodestehensie,wiederKosmosimganzen, untergottlicherHerrschaft und Fursorge, dem anderen,gegenwartigen Zeitalter sind sie sich selbst Uberlassen.Auf diese zweifache Darstellung des menschlichen Lebensgilt esnun noch genauer zu achten. a)Der Zustand 'aujerhalb'der gegenlvartigenZeit Die Beschreibung der menschlichen Lebensweise wahrend jener Zeit der gottlichenHerrschaft lehntsichandieErzahlungen einem'goldenen Zeitalter' unter der Herrschaft des Kronos an.Die Menschen hatten damals - so heillt esauch bei Platon (21 D ff.)- alles selbst und siestanden unter gottlicher und lebten unter-einanderundauchmitdenTieren Frieden.AufierdemsollendieMen-schen damals auch hinsichtlich der Erhaltung der Art durch Nachkommen-schaftnichtsichselbst gewesensein:Geburt undTod waren, ahnlichwiejetztbeidenPflanzen,geregelt,dadieMenschendamalsaus derErdeherauswuchsenundsichdurchEinsenken Samen die Erde fortpflanzten. Doch mufi auffallen, dafi Platon die damalige Zeit im ganzen nicht einfach alsgoldenesZeitalter,alseineZeitdesglucklichenDaseinsschildert.Die Frage, ob die Menschen damals waren, soll offen bleiben, bis einer kommt,der zuverlassigeKunde bringt(212D2).WenndieMen-schen unter der Herrschaft desKronos - so gibt Platon weiter zu verstehen (212 8ff.) - ihre Mufie die 'Philosophie' und durch Verbindung von Kreislauf und fortschreitender Entwicklung deneintrachtigenUmgangmitallenWesenzuEinsicht kamen,dannwarensie wennsieabernur dieBefriedigungihrerleiblichen sorgtenundunwissend dahinlebten,dannistklar,dafisienichtsondernvieleherun-zu nennen sind. Alles also darauf an, "ob sich das Begehren derdamaligenMenschenauf Erkenntnisundauf Betatigung desDenkens richtete"(212D 3). Deutlich sind also auch der Beschreibung jenes ganz anderen Weltzeit-altersdiebeidenseelischenKrafteunddieentsprechendenTendenzenzu erkennen,die wahrend der gegenwartigenZeit dasSchicksalder Welt und der Menschen bestimmen:einerseits das Begehren und die blofie Befriedigung der Triebe, andererseits das verniinftige Denken,die Moglichkeit derphilosophischenErkenntnis. Was bedeutet nUll aber die ironische desUrteilsden tatsachlichenZustandderMenschenwahrendjener anderen\Veltperiode? SichernichtnureinenformalenHinweisaufdieUnsicherheitunseres Wissensuber dieseder Erfahrung Zeit179Vielmehrsoll offenbar das Leben wahrend jener Zeit zwar alsgesichert und gleichformig geregelt, aber nicht alsdurchausgut und erscheinen.Man erhalt den druck,dafiesbesser ist, dergegenwartigenZeit nachdenForderungen der Philosophiezuleben,als jenem anderen Zeitalterein sorgloses,aber unwissendes Dasein zu geniefien.Denn man darf nicht nur auf das licheachten, daswahrendjenerZeit gut gesorgt ist,sondern mufidas GanzeundbesondersauchdenZustandderSeele,deruber oder entscheidet,bedenken. Weniger leicht ist zu sagen, ob Platon auf die Moglichkeit hinweisen will, dafidie beiden verschiedenen Lebensformen - der philosophische Biosund derdeIll BegehrenhingegebeneBios- auf irgendeineWeise auch wahrendjener anderenZeitje sichverwirklichtwerdenkonnen, oderoberaneinenmittlerenZustanddesgesunden,unschuldigenund zugleich einfaltig-unbewufiten Lebensdenkt.Mit der zweiten Moglichkeit, derAnnahmeeineralleMenschengleichermafiengeltenden'mittleren' Lebensweise, liefie sich leichter erklaren,dafisich die Menschheit zu Beginn dergegenwartigenGeschichtsperiodezunachstnoch einemsolchen . Zustand deseinfaltigen Lebensbefindet. die erste Moglichkeit dagegen sprichtdieAnalogiezumKreislaufderEinzelseele,dieimjenseitigen Lebeneinganzbestimmtes oderSchicksalhat (vgl. u.S.282.285). Jedenfalls wird im Politikos angedeutet, dafi wahrend 215 Gescruchte und Ontologie jenes anderen Zeitalters die gleichen Seelen leben wie der gegenwartigen Zeit ff.).AuBerdem wirdanscheinend auch fiir diese ferne Kosmos-periodeaufdieMoglichkeithingewiesen,daBeinzelneSeelen der Gottheit aus dem Kreislauf des Lebens herausgenommen und einen ande-ren Daseinszustand versetzt werden(271 CZ). b)DieZIveifacheTendelJZder gegenIvartigenEntIvicklung Wenn dermythischenErzahlungerklartwird,daBderKosmos wahrenddergegenwartigenGeschichtsperiodeimmermehrSchlechtes sich entstehen laBt, bis er sich schlieBlich wegen der des Schlechten aufzulosendroht(273 Cf.),sodarf manannehmen,daBgeradeauchdas MenschengeschlechtandemfortschreitendenZerfallderWelt teilhat.WasdannaberamSchluBderErzahlungdasSchicksalder Menschen gesagt wird, laBt, wie s'chon bemerkt, eine ganz andere Tendenz derEntwick1ungerkennen. DieMenschen,soheiBtes(274B-D),warennachderUmkehrungder Kosmosbewegung und den dabei entstehenden Naturkatastrophen zunachst ohne und deshalb,vorallem wegen der wilden Tiereund der Not-wendigkeitderNahrungsbeschaffung groBer Not. Durch die Gotter wurden sie dann aber den lebensnotwendigen unterwiesen Prometheus brachtedasFeuer,HephaistosundAtheneverhalfen denwichtigsten handwerklichen Bauen,Weben);dazukamendie. der Nahrung dienenden Pflanzen (das Getreide durch Demeter, der Olbaum durch Athene).Nachdem die die Sorgedie Gestaltung des Lebensden Menschenselbst hatten,entstand, wie weiter gesagt wird, aufgrund dieser Anfange alles, waSsonst zur Einrichtung des mensch-lichenLebensgehort.DabeiistwohlhauptsachlichandieOrdnungdes politischenLebensdurchGesetze denken180 DieWeiterentwick1ungdestechnischenWissensdurchdieMenschen sichoffensichtlichnicht denV organgderfortschreitendenVer-schlechterung und Auflosungein.Vielleicht isteSerlaubt,dieSteigerung des menschlichen Wissens, weil sie dem durch ein 'Vergessen' 7 3 C 6) derwahrenOrdnungmotiviertenZerfallsprozeBzuwiderlauft,alseine zunehmende'Anamnesis' bezeichnen,dieimmermehrundimmer sichererdie OrdnungenundGesetzmaBigkeiten Be-wuBtseinbringt. Verbindung und fortschreitender Entwicklung Dabei ist besonders fragen,obPlaton,dieErrungenschaft der politischenGesetzgebunghinaus,schlieBlichauch dieeigene philosophische ErkenntnisalsAuswirkungdereinenTendenzansieht,die dendurch gottliche Hilfe gewonnenenhandwerklich-technischen Erfindungen beginnt. dem Mythos des Politikos kommt dies nicht zum Ausdruck;doch geht ausdemFortgangdesDialogs181 undausanderenplatonischenSchriften deutlich hervor,daBPlaton derTat dieeigenephilosophischeLehrealseine ge1JJisseErfiillung der gesamtenKulturentIvicklung ansieht. diegewol1nliche ArtderpolitischenGesetzgebung dasplatonischePhilosophieren insofern folgerichtig hinaus, als es durch die Aufdeckung der Ideen und Seinsverhaltnisse die theoretische Erfassung der Normen ermog-licht,dieauch daspolitischeLebenmaBgebendsein Dieser Gedanke laBtsichausdemgroBerenZusammenhangdesganzenDialogs entnehmen. UnausgesprochenermaBen zeigt auch die mythische Darstellung selbst durch dieneue,grundsatzliche Deutung der herkommlichen Mytho-logeme,daBeinhoheresWissenerreichtist,durchdasdieZusammen-setzungdesKosmosundderGesamtverlaufderGeschichte letzten Prinzipien her erk1artwerdenkOnnen. Da das philosophische Wissen der platonischen Ideen- und Prinzipienlehre zur Erkenntnis des gottlichen Seinsgrundes gelangt, scheint es der gottlichen Herrschaft und ihren Gesetzen eigenartig nahezukommen und den Zustand derOrdnung,wieerwahrendjenerganzanderen Weltperiodeherrscht, potentiellvorzubereiten.AndererseitsistdiesehochsteSteigerungdes menschlichen Wissensoffenbar erst im Lauf der Entwick1ung moglich, also doch wohl erst einem Stadium des schon fortgeschrittenen 'Weltzerfalls'.-Die den Blick getretenen Fragensollen groBeremZusam-menhangbehandeltwerden,sodaBsichschlieBlichgenauersagenlaBt, inwiefernsichPlaton einergeschichtlichenVorbereitungundBedingtheit dereigenenphilosophischenLehrebewuBt ist. 217 DASPLATONISCHEGESCHICHTSBEWUSSTSEIN: DIE GESCHICHTLICHEENTSTEHUNG UNDSITUATION DER PHILOSOPHIE Die Entwicklung der menschlichen Kultur: handwerkliches, politischesund philosophisches Wissen D1ERANGORDNUNGDERWISSENSARTENUNDWISSENSGEBIETE BeiderInterpretationdesPolitikos-Mythoswurdenwirschonver-mutungsweisedarauf daJ3Platonmiteinerimwesentlichen dreistujigenRangfolgedesmenschlichenWissensrechnet.Platonscheint die geschichtlicheEntwicklungderKultureinebestimmteReihenfolgeanzu-nehmen:(a)zuerst werden die handIverklich-technischen Kiinsteerfunden bzw. den Gottern gestiftet, die dem unmittelbar Lebensnotwendigen dienen; (b)spaterfolgtdieGestaltungdespolitischenLebensdurch Cesetzgebung;(c)schlieJ3lich folgtdie philosophisch-theoretische Ergriindungder WeltordnungundderSeinsprinzipien.- EinesolcheEntwicklunghatte jedenfalls im Rahmen der Ontologie eine sachliche, dem Aufbau der Realitat entsprechende Folgerichtigkeit: Stufe Stufe aufsteigend dasmenschliche Wissen 50immer hohere Lebens- und Seinsbereiche erfassenundbewaltigen.DiesesachlicheRangfolgeder\Vissensartensoll nun,zunachstnochohnedieEinbeziehungdesgeschichtlich-genetischen Aspekts,beiPlatongenauernachgewiesen werden. Auch dieFragedersachlichenRangordnungderWissensartenund WissensgebieteistderDialogPolitikosbesondersaufschluJ3reich.Ins-besonderegehteshierumdenUnterschiedzwischendempolitischen Wissen und den anderen Wissensarten.Die politische Tecl1newird schlieJ3-lichbestimmtalsdasVermogen,aufgrundderErkenntnisderhDchsten, maJ3gebendenNorm(desGutenansich)dieeinanderwiderstrebenden KraftederSeelerichtig verbinden und auszugleichen.Auf dieWichtig-keit der Norm, das Prinzip jeglicher Erkenntnis und Gestaltung, wird vor allem durch die exkursartig der Mitte desDialogs Grundsatzehingev.Tiesen(283 Bff.):daswahrhaftAngemessene \virddortalsdierichtiggetroffeneMittezwischendemZuvielunddem Zuwenig be5timmt182 218 Entwicklung der menschlichen Kultur Die Suche nach dem rechten politischen Wissen beginnt im Gesprach mit einer Unterscheidung zwischen dem und dem erkennenden Wissen; dannwirddaserkennendeWissenwiederum dasnur urteilendeund das'verordnende' Wissen zerlegt(259Dff.).Diese Dreiteilung zeigt schon, daJ3dasgesuchte Wissen,das beiderverordnenden Wissensart suchenist,eineMittelstellungzwischendem theoretischenunddempraktischenWisseneinnimmt.Weiterhinwerden zunachst zur Unterscheidung der eigentlich politischen Techne andere Technai- namlichdiederKaufleute,Bauern,Speisebereiter,Turnlehrer undArzte - dieebenfallsdemWohlderMenschen dienen. Auch auf die schonen des musischen Spiels wird hingewiesen AlledieseTechnaibefassensichoffenbarhauptsachlichmitdem leiblichenWohldesMenschenundmitderPRegedesunteren,triebhaft-begehrendenSeelenteils183Der wahre hatesdagegen - wiesich immerdeutlicher herausstellen wird - mitderGestaltungder ganzenSeele zu tun.Schon durch den Mythos, der den Blick auf die gDttliche Herrschaft lenkt,wirddeutlich,daJ3derwirklichzurHerrschaftBefahigteaufeine hohere,gDttlicheOrdnunghinwirkt. 1m weiteren Verlauf desDialogs zeigt sich dann beim Stand der Priester und der durchsLosgewahlten Beamten etwas,dasdem politischen Wissen selbst zwar untergeordnet, aber doch schon enger mit ihm verwandt ist als dienurdemleiblichenWohldienendeTatigkeit(29oDjE).Nochnaher stehen dem Wissen die strategische, die dikanische und die rhetorische Techne(303Eff.).SiescheinenaberdempolitischenWissen ahnlicher Weise unterstellt zu sein wiedie praktischeCesetzgebung,die noch vor ihnen alsebenfallsunzureichendeAnnaherungandiepolitischeWissenschaft genannt wird. andererHinsichtwirdfernerdaswahre Wissen den unzulanglichen Formen der politischen Herrschaft unterschieden(292Bff.). Platon gibt zu verstehen,daJ3zur der wirklich guten Herrschaft eben ein besonderes politischesWissen gehortkann die HerrschaftderVielennichtgut sein.Ja,auchdieHerrschaft desGesetzes wirdschlieJ3lichnur alsdiezweitbesteArt [JolitischerOrdnung anerkannt (297 Der Vergleich mit den Fachwissenschaften, besonders mit der Arzt-kunstzeigt,daJ3durchGesetzedoch dasimEinzelfallErforderliche festgelegtwerdenkann unddieAnwendungneuer,bessererErkenntnisse erschwert wird (295Cff. Die Herrschaft desGesetzes ist also besten-fallseine'Nachahmung'der alleinwahrhaft guten Verfassung,dieauf di(, 219 Geschichte und Ontologie unmittelbare derechten(philosophischen)Einsichtge- ist. diesemSinnewerden empirisch gege"benen Arten der Ordnung abgewertet(302D9); Herr-schaft desWissenden sol1sich den gegebenen Verfassungen \vie verhalten(303 4)184. Als'gut'hat,wennman andenMythos ver- Herrschaft desGottes zu gelten. Aus dem ganzen Dialog, beson-dersdem gehtjedochauch dafiderMenschjetzt Aufgabeund hat, umfassende Kraft als derNusdesKosmoszuverstehenwar) sich durch Aktivierungdeserkennenden seinerSeelevermager Gesetze der Weltherrschaftzu undunterUmstandenauch zu

Derechte bindet - soheilltesim letzten desganzenGesprachs- dasTapfere unddas Besonnene der zusammendurcheinBand' (309C), dem Weber vergleichbar, der starke und weiche Faden eins webt. Unter diesem 'Band' ist - zumal imauf den 'Exkurs' der Mitte desDialogs - derGegenstand derhochsten zu verstehen:das Gute selbst alsdas'Eine' oder das'a11erexaktesteMafi'186. 1m ganzen lafit sich also dem die oben angedeutete entnehmen: -Gesetz-gebung - derUberhaupt. DiesederWissensartenist der der Seinsbereiche und auch derSeelenkrafte analog: (vovs) Erkenl1ll1is der wahren Norm s (Gesetzgebungtnit Strategi!"Dikanik,Rhetorik) 1 v 1 V hal1dlllerk!iche Techl1ai(der ersorgung desLeibesundderHerstellung auBerer dienend) Fig.58 Der desDialogszeigt,dafi des tikersderSeele,besondersdem muthaften derSeele Bereich gehoren die strategische, die dikanische und die rhetorisclle TechnesowiedieKunstdesGesetzgebers,wahrend primar auf die 1deen und die Prinzipien desSeienden uberhaupt 220 Entwicklung der menschlichen gerichtetist.AberdemPhilosophenkommtzugleichdieleitende,nJajgebende StellunginderpraktischenPolitikzu:erbesitztdasIvahre'politische'Wissen, Iveil er dieNormen und im Blick hat,dieletztenEndes auch fiir die politischeWirksamkeit grundlegend sind,wenngleich siesich schrift- Gesetzefassenlassen.Das zwischen scher und ist somit analog zu dem Seins- und zwischendem Bereichder 1deen unddem Bereich derSeele:hier wie dort wirkt sich dasformgebend unddamitgut-machendauf dasUntergeordneteaus.Dasselbe weiter das zu dem Bereich derErscheinungen:durch dieArete derSeele wird auch hier a11es einegute Ordnung gezwungen. * DieRangfolgeder Wissensgebiete und -arten,im besonders dargelegt lafitsich auchschon den friiherenplatonischenDialogennachweisen.Auchdort wird was derverschiedenenWissensartenausmacht,ist mafigebendeNorm der und der Gestaltung:derPhilosophsol1 dieseorm ganz alsdasSeinsprinzip 'IdeedesGuten') erfassen,derPolitikersol1sie derSeelezur Wirkungbringen, hand-IverklichenTechnai haben esmit der AuspragungNorm im Bereichzutun. Schon derApologie dasNichtwissen desSokratesals echte (20D 8)das WissenderHand-werl(er,Dichterund geste11t.DochbleibtderAnspruchdes Philosophen, durch Hinwendung zur desGuten selbst a11em anderenWissenundTun wahregebenzukonnen,hier noch

treten die Zusammenhange im Gorgiaszutage, besonders beider dort vorgenommenen Unterscheidungund 'psychischer' Technai (464Aff.517 Bff.).beiden Bereichen sol1 essowohl echtealsauchunechteTechnaigeben.Auf demGebietdes dasechteWissen gymnastische und Kunst, dieauf dieGesundheitund Aretedes Korpers-wogegen die Putzkunst und Kochkunst nur zum Ziel haben. Auf dem Gebiet desSeelischen,dasauch hier alsder Bereich bewirktdieKunstderGesetzgebungundderRechtsprechungdas Gute,wahrendsich SophistenundRhetorennachder und 221 -Geschichte und Ontologie der Menschenrichten.Das hDchste,maBgebende Wissen a11edieseTechnaidasWissen Gutenselbstsein.UmdiesesWissen sichSokrates;unddeswegenkann er sichbehaupten,dafier a11ein wahrsten Sinn Politik treibe(52 D 7)'Die Frage nach dem Guten selbstgiltdabeieinernoetisch-theoretischenErkenntnis,diedie Stufendessomatischenunddesseelisch-politischenWissens DiedeutlichsteAnspielungaufdieseshDchsteWissenliegthier der BemerkungdesSokrates(507Ef.):HimmelundErde,GDtterundMen-schenseien,wiedieWissenden sagen, einer Ordnung (Kosmos) zusammengeschlossen. Als die Wissenschaft dieser Ordnung erscheint dabei die "Geometrie". So ist hier schon der universale, auchNaturwissenschaftundMathematikumfassendeCharakterdes Sokrates erstrebten Arete-Wissensunverkennbar angedeutet. Auch Sy,nposionwird - derSokrates-Rede,dieden Aufstieg hochstenWissen, "Mathema"desSchonenselbstbeschreibt- das philosophische Erkennen dichterischen, handwerklich-technischen und politischenWissenabgehoben. sachlich-ontologischerHinsichtistder Aufstieg durch die Rangfolge Korper - Seele - 1dee bestimmt. Dem mittle-ren,seelischen Bereich werdendiepraktisch-poietischen Technai zugeord-net: den sol1endie'Erfinder'hierhergehorenbei den Dichtern wird an Homer und Hesiod, bei den Politikern an Lykurg und Solon erinnert (209CjD).Die Schau desSchonen an sich sol1 aber noch die hochsten Leistungen auf jenen anderen Gebieten Einen tieferen Einblick die platonische Lehre Zusammenhang der verschiedenen Wissensgebiete erDffnet das siebente Buch der Politeia. Dort wirddiepaideutischeFunktiondermathematischenWissenschajten(Arith-metik, Geometrie und Stereometrie, Astronomie, Harmonielehre) behandelt. Das mathematische Wissen sol1dabeioffensichtlich eine Mittelste11ungein-nehmen:wiediemathematischenGegenstandezwischenden1deenund de,nErscheinungenstehen,soauchdiemathematischenWissenschaften zwischen der 1deenlehre(Dialektik)und den praktisch-herstellenden Tech-nai.Auffallend ist dabei unseremZusammenhang,dafiderMathematik eine ahnliche Mittelste11ung zuzukommen scheint wie der praktischen Poli-tik.Dieswurdeschon ersten TeilunsererUntersuchungbeider Frage nach derSeinsste11ung der technischen '1deen' (vgl. S.104/6) ontologisch erklart:dieGemeinsamkeit hat ihren Grund darin,dafidie politischen wie diemathematischenStrukturendemmittlerenSeinsbereich(derSeele) zugeordnetsind.AusdieserGemeinsamkeit ergibtsichaucheinanaloges 222 Entwicklung der menschlichen Kultur Verhaltnis derphilosophisch-dialektischen 1deen- undPrinzipienlehre. die Mathematik gilt nicht weniger als diePolitik,dafisiedurch die Einbeziehung eineuniversalephilosophischeOntologie und Prinzipien-lehre erst wird (vgl. dazu u.S.301/5).Und andererseits dient beides - das politische Leben und der Bereich der Mathe-matik- methodischalsAusgangs- undVergewisserungsbereich die Erkenntnisder 1deen und Prinzipien. Wir konnen die Frage aufnehmen, ob das Rangverhaltnis der Wissens-gebietenebenseinemontologischeneinenbestimmten geschichtlichenSinn hat.Es wird sich zeigen,dafi Platon diegeschichtliche Reihenfolge der Entstehung und Entwicklungderontologisch-sachlichen Anordnungent-spricht. 2.DIEGESCHICHTLICHESTEIGERUNGDESMENSCHLICHENWISSENS a)KonstruktiveDarstellungen derKulturgeschichte Neben den Hinweisen auf die systematische Rangfolge und wechselseitige AbhangigkeitderverschiedenenWissensartenfindensich mehreren platonischen Dialogen Angaben eine erste Entstehung und fortschrei-tende Entwicklung desmenschlichen Wissens Lauf derZeit. Dialog Protagorasfindetsich die bekannte mythische Erzahlung des Sophisten die Entstehung des technischen und des politischen Wissens bei den Menschen. und W ortlaut dieser Darste11ungstammen wohl Platon, aber die Gedanken wesentlichen auf Protagoras selbst Die Frage, wie weit Platon selbst mit dem Mythos einig ist, wird sich am besten durch den Vergleich mit verwandten Stellen ande-ren Dialogen beantworten lassen.Allgemein sich zunachst sagen,dafi Platon auch hier die Gedanken des Sophisten als vorlaufigeAnnaherung an die Wahrheit wertet, sie aber auf echtere Griinde bezieht und siesoerst eigent-lichrichtigste11t.Gefahrlichsind diesophistischen Ansichtennach plato-nischer Auffassung insofern,alssiezur Verabsolutierunguntergeordneter PositionenverleitenunddiewirklichmaBgebendenNormenverdecken. NachdemMythosdesProtagorashabendieMenschendieTechnaides Hephaistosund der Athene Prometheus erhalten Sokonnten siesich gegen dieSchaden der Witterung undihre Ernahrung sorgen.AberdenTierenwarensienochschutzlosausgeliefert -l' Geschichte und Ontologie Damit das Menschengeschlecht nicht untergehe, stiftete Zeus deshalb Aidos und Dike, die ein Leben Gemeinschaft und zwar sollten Menschen - nicht, wie bei denTechnai,jeweils nureinzelne- ander AreteoderTechneteilhaben(322Dff.). WennmandenMythosiiberhauptauslegendarf,gehort nach Protagoras dasWissen nicht zum Besitz der Menschheit,sondern wurde erst im Lauf der Zeit gewonnen. Dabei scheint derSophist aber im iibrigenkciine Steigerungund Weiterent-wick1ungdiesesWissensanzunehmen:er rechnetnurdamit,dafieinzelne Menschen immer wieder eine besondere der Ausiibung oder im Lehren dieses Wissens haben, und so ordnet er sich selbst die mit Homer beginnende ReihedergroBenLehrer ein(316Df.). der Aporie am des Dialogs, wo Sokrates scheinbarem Gegen-satz seiner AuffassungdieLehrbarkeitderAretevertritt, ist unverkennbar,dafiesSokratesum ein hoheresArete-Wissen tun ist alsdem Sophisten.Wie verhalt sich nun,sodarf wohl gefragt werden,das SokratesgesuchteWissen der Techne, dienachdem ythos Gottgegebenist? einer Stelle im Philebos beschreibt Platon dieMethodeseineseigenenPhilosophierens,die alseinevor altersden MenschenzuteilgewordeneGabederGotter:sieseigleichsam durch einen Prometheus gebracht worden als ein Feuer der hellsten Erleuch-tung(16C).DieAn1ehnungandiemythischeVorstellung,dieauchder Protagoras-Erzahlung ist docherhaltdas desUrsprungs der Kiinste bei Platon einen ganz neuen Sinn. Es kann nichternst gemeint sein,wenn hier die zipien1ehrePlatons- eineganzneueErrungenschaft- dieV orzeit zuriickverlegt wird,"als dieMenschen noch naher bei den Gottern wohn-ten".AberesgehtauchgarnichtnurumdieseLehre,sondernumdie allgemeineMethodedesDenkens,auf dersieberuht.V dieserMethode heillt es:alles,wasmittelseinerTechne oder wasauf technischemGebiet herausgefundenwordenist,seiaufdiesemWegeoffenkundiggeworden (16C2). Damit ist offenbar gemeint, daj.iedetechnischeHervorbringung und.iede dersachgemiijenGestaltungundErkenntnisinJGrundc demgleichen denkerischenAnsatzberuht.DieserhalteinenSinn,wennmanmitPlaton annimmt,daj .iedereinzelnenTechneumdiespeziel/eAuspriigung und 'Nach-ahmung'einerallgemeinen,idealenNormstrukturZUtunist.Dieseallgemeine Entwicklung der menschlichenKultur Normstrukturwird aber derplatonischenDialelctik ontologisch-prinzipiellergriffen.Der'Exkurs' derMittedesDialogs erlcennen,dafidiese wesentliche Struktur auf einem Geo-en-b satz zwischen einem mittleren MaB und einem Mellr-oder-Weniger beruht.DiesemGegensatzentsprichtderanunsererStelleimPhilebos angegebenedialektischePrinzipiengegensatzVOtl undApeiron,Einheit undVielheit:zwischen den Gliedern diesesGegensatzesgi1t essystematisch dieZwischenstufen derMittezu finden(16C9ff.).AlsBeispielfurdie Anwendung der Methode erscheint dabei die Untersuchung der Sprache, die einen zahlenmaBig faBbaren Obergang vom Ganzen zu den einzelnenElementen zu erkennen gibt(vgl. S.IOoff. 165 ff., u. S. 25 5 ff.).Es handeltsichalsoumdieallgemeineGegensatz-Strukturderplatonischen Lehre, die ebenso als 'Wertstruktur' wiealslogischesSchemader Dialektik zuversteheniSt,dieaberauch oder beijeder Art der Gestaltungund Anordnung maBgebend zugrundeliegt. Es ist daher nun durchaus verstandlich, dafiFlaton hier im Fhilebos die Methode'geschichtlich'zuruckverfolgtbiszudenAnfangen der menschlichen Techne Uberhaupt.Flaton scheint sagen zu wollen, indem erdie Methodemiteinergewissen andenBeginnder Kulturentwick1ung setzt:daj dietheoretischeErfassung derPrinzipien durchdie Dialektik inder ganzen geschichtlichenEntwicklung derKulturangelegt und durch JriiherenErrungenschaJtendesDenkens vorbereitet ist,daj abererst diePhilo-sophiedurchJolgerichtigesWeiterdenkenZUdenSeinsgriindenselbstge/angtist, wahrenddiefriiherenMenschennoch vorlaufiger, WeisedieallgemeinenSeinsgesetzegesehenundangewandthatten.Die LehreistalsotatsachlichnurderMethodenachundnur einem allgemeinenSinnsoalt wiedieeinfachenTechnai: sieist diejungsteundallerdingszugleichdie'ursprunglichste' Wissenschaft. WennFlatonbesondershervorhebt,dafidieallgemeineMethodedes Denkens ursprunglich den Gottern stammt,sobesagt dieswohl auch, dafidie philosophische eine neue Vergegenwartigung desGott- bedeutet:die friiherenMenschen,die"noch naherbeidenGDttern wohnten",brauchtendiewahren nochnichtzuvoller aufzuk1aren, wei1 sie ihnen anderer Weise gegenwartig waren; jetzt,dadieunmittelbareVerbindungmitdem nichtmehr besteht,hat die Phi1osophie die Aufgabe,sich des Seinsgrundes, desEinen und Guten selbst, neUerWeiseZuvergewissern. 15 Gaiser,P1aton225 ........---------- Geschichte und Ontologie Vergleicht man dieSte11e Fhilebosmit dem Frotagoras-Mythos,so zeigtsich,daBgeradediesokratisch-platonischeFhilosophiesichmit Recht auf ein den GDttern gestiftetes Wissen berufen kann und daBsiedas "Teilhaben am GDttlichen"(Frotagoras dasdurch dieGabeder Technaimoglichgewordenist,bewuBt vo11endenstrebt. * Die derKulturentwicklung,diewir,derweiterenUnter-suchungzumTeilvorgreifend,ausdenplatonischenBemerkungenFhilebosentnonlmenhaben,sind anderenplatonischenSchriften wiederzufinden.Bemerkenswertist,daBSteigerungundErweiterungdes menschlichenWissensnirgendseinseitighervorgehobenwerden,sondern daGstetszugleichauf eineTendenzdesZerfa11shingewiesenwird.Daher sollen die anderen platonischen Bemerkungen dieKulturentwicklung erst spater behandelt werden,wenn esgilt,geradedenZusam-menhang zwischen der Steigerung desWissens und der jortschreitenden der Lebensordnungen genauer erfassen S.248 ff.).Hierseien nur kurz und vorlaufig - unter einseitiger der aufsteigenden Ten-denz - wichtigstenSte11enDer SchluB des Politikos-Mythos, wo dem gDttlichen Geschenk der einfachenTechnaiundihrerWeiterentwicklungdurchdieMenschenge-sprochen wird, und die Ste11e Symposion, wo die 'Erfindungen' und Errungenschaften, besondersdie der Dichter und Gesetzgeber, alsnur vorlaufigder philosophischen Erkenntnis erscheinen, sind schon besprochen worden S. 210.216/7 und S. 222). -DieDarste11ung imMene-xenos, wo Flaton die Geschichte Athens Blick auf dasideale Faradeigma der Folisentwirft,zeigt ebenfa11sdietypische Reihenfolge.Zuerstwerden die handwerklichen Technai den GDttern gestiftet Darauf folgt die der staatlichen Ordnung, die der 'Ernahrung' der Seele dient (238 C 1).Die dritte und hDchsteStufe desWissens ist Menexenosnur indirekt sehen - dannnamlich,wenn man bedenkt,daBesSokratesist, der dieRede die Geschichte Athens halt,und daG diesernur aufgrund seinerphilosophischenEinsicht diewahrenSeinszusammenhangedas WesendesathenischenStaatesaufzuzeigenvermag. Ebensoist zweiten Buchder dieDarste11ungder "Entste-hung"und Entwicklung des Staatesnicht nur sachlich, sondern auch histo-risch-genetisch verstehen (vgl. u.S.248 ff. )188.Nach diesem Entwurf einer KulturgeschichtegabeszuerstnurdieTechnai,diezurBefriedigungder 226 Entwicklung der menschlichenKultur lebenswichtigen nDtigsind.Dazukamdannspateralles,was der dient(besondersdie'nachahmenden',musischen und darausergabsichweiterdasKriegswesen,und soerst entstanden auchdie engerenSinnepolitischenEinrichtungenzurAufrechterhaltungder Ordnung und Gerechtigkeit Staat. wird aber die politische Ordnung hier derFoliteiasc11lieBlichaufeinhDchstesFrinzip(die'Ideedes Guten') dasnur der Fhilosoph wirklich erkennt; und sicher kommtdiephilosophischeTheorie,diejaerstdurchdieplatonischen SchriftenselbstihrenpolitischenHerrschaftsanspruchanmeldet,derge-schichtlichen Entwicklung nach ganz zuletzt.Soist auch derFoliteiawesentlichendieDreigliederung- lebensnotwendigeTechnai, politischeTechne,philosophischeErkenntnis- entnehmen. Etwas komplizierter ist eine Ste11e TitJlaios, die aber doch die gleichen Grundgedanken erkennen gibt (24A-C). Es handelt sich die Beschrei-bungdesagyptischenStaates,derwiedas Athendieideale Folisverkorpernsol1. diepolitischeVerfassungdiesesStaatesistzu-nachsteineDreigliederungderStandekennzeichnend,diederEinteilung des derFoliteiaentworfenenStaatesentspricht:Demiurgoi(Hirten, JagerundBauernwerdenbesondersgenannt),Krieger,Friester.Diese Verfassungso11ihren Ursprung der "Aufzucht und Erziehung"(23D7) durch dieGDttin Athene haben. Die GDttinsorgtevora11emauchdie Ausstattung mit Waffen - alsowohl ganzen,wiebeidenAthenerndes Menexenos, dieeinfachsten,lebensnotwendigenTechnai.Darauf sorgte dann,wie esweiter heiBt,'dasGesetz' dasfeinereund technisch fortgeschritteneWissen "A11esbishinzurArztkunstund Seherkunstwurdeaufgrunddergottgegebenen V oraussetzungen die menschlichenVerhaltnisseherausgefunden;undauchdiesich anschlieGenden'Wissenschaften' wurden Besitzgenom-men" (24Bf.). Wahrscheinlich besagt diese Einteilung, daBnach der grund-legendenSicherungundAusstattungdesLebensdurchdieGottindie derVerjeinerungderKulturdienenden erfundenwurdenunddaG schlieBlichauchdieganzdiepraktischen den,potentie11theoretischenBeschaftigungenaufkamen,besondersdie fangederMathematik(deren'Erfindung'denAgypternzugeschrieben wurde) 189. sprichtFlaton dritten Buch der NOtJ10i die geschichtlicheEntwicklungderKultur.DashistorischeMoment tritt dort dem mythischen besondersstark hervor.Zunachst sich 227 Geschichte und Ontologie die Menschen, so wird auch hier festgeste11t,die lebensnotwendigen Technai aneignen.WesentlichspatererstkommteszurErfindungderdie dringendstenhinausgehenden (677 D).Auch der poli-tische Zusammenschlufi und die politische Gesetzgebung gelten als ziemlich spateErrungenschaften.Dabeiwird bemerkt,dafidieguten Verfassungen zunachst durchgottlicheHilfezustandekommenkonnten,dafiesda-gegen"jetzt"im Blickauf solche einemGott aufgeste11tenBeispiele verhaltnismafiigleichtsei,dasPrinzipdergutenpolitischenOrdnung erkennen DieNorm,diees erkennengilt,istdasmafivo11 Ausgeglichene zwischen dem Zuvielund dem Zuwenig. ist esaberdieplatonischePhilosophieselbst,dieeinemoglichstsichereund adaquate ErkenntnisdesMafiesund Grundes a11erOrdnung zum Ziel hat. Daherliegtesauchhiernahe, derphilosophischenLehrePlatonseine hochsteSteigerung undder'kulturgeschichtlichen' sehen. Derhatgezeigt,dafiPlatonmit einerZunahmedesmensch-lichen Wissensund einer entsprechenden Entwicklung der Kultur im Lauf derGeschichterechnet.Die Entwicklung beginnt mit derErfindungoder gottlichen Stiftung der einfachen,praktisch-herstellenden Kiinste,schreitet dann zur Gestaltung des politischenLebens(Gesetzgebung) fort undschliefi-lichzurtheoretischenErkenntnisderPrinzipiendurchdiePhilosophie.Als Zwischenstufe erscheinendie musischenKiinste(dieeinerseits dasLebensnotwendige undandererseitsdieNotwendigkeit einerstrengeren politischenOrdnungmitsichbringen). Dabeiistunverkennbar,dafidieaufsteigendeTendenzdergeschichtlichen EntJvicklungimganzenderontologischenundRangfoigederWissens-gebieteentspricht:im Lauf derGeschichte werden Stufe Stufe immer hohereSeinsbereicheerkenntnismafiigerschlossen unddem Wissenunter-worfen.EbenweilzwischendemseinsmafiigenAufbauderLebens- und WissensbereicheunddemFortschreitendesmenschlichenWissens der GeschichtePlaton eine innerlich not';vendige besteht, ste11terdieEntwicklungniereinhistorisch,sondernstetsmehroder weniger 'mythisch'und konstruktiv-systematischdar.Die innere stimmung ermoglicht es,einerseitsden Gang der Geschichte aus der Onto-logie abzuleiten, andererseits aus der geschichtlichen Abfolge den sachlichen Rang derjeweilserreichten Erkenntnis5e erschliefien. Nachdem sich bisher gezeigt hat, dafi Platon den Anfangen der mensch-2.2.8 Entwicklung der menschlichen Kultur lichenKultur auch dengeschichtlichen Ursprungder eigenenPhilosophie 5ieht,5011 imnachstenAbschnittdiegleicheGeschichtsauffassungan einigenSte11ennachgewiesenwerden,woPlaton dereigenenphilo-sophischen Position ausauf diegeistesgeschichtliche Entwicklung und auf dasDenkenvonzuriickblickt,woalsodieGeschichteder Philosophie einemengerenSinnegesprochenwird. b)Die geschichtlicheVorbereitungder philosophisch-dialektischenErkenntnis Schonaufgrundunserer bisherigen Beobachtungen lafitsich behaupten, dafiPlaton seinereigenen philosophischen Lehre eineAufgipfelungdes men5chlichenWissen5zumGottlichenhinsiehtunddafiermiteiner geschichtlichen Entstehungder philosophischen Erkenntnisrechnet.Doch handelte e5sichdabeibisher umdieGesamtentwicklung,deren Beginn mythischer Ferne liegt. 5011dasEntsprechende auchdie geschicht-lichenErscheinungengezeigtwerden,andiePlatonganzunmittelbar besonders also die Ansatzenschon'wissenschaftlich'ver-fahrendeNaturerkliirungundPrinzipien-Spekulationdervor50kratischen DenkerundSophisten190GeradedieEntdeckungenaufdiesemGebiet betrachtetPlatonbewufit alsnotwendigeV oraussetzungenseinereigenen Phil050phie;esgeht ihm hierdarum,dasbishergewonneneWissen tiefer und sodieGefahr einerfalschenVerabsolutierungdesvor-laufigErreichten Wahrscheinlichlafitsich behaupten,dafiPlaton besondersauchbeiden LehrvortrageninnerhalbderSchuleausdrucHichandieNaturerklarung undPrinzipienspekulationfruhererDenkeranknupfte (vgl.o.S.2.8/9).Nach demBerichtbeiSextusEmpiricus schliefien(Anh.Nr.32.),warenes spezie11diematerialistischenKorpuskulartheorieneinesAnaxagorasund Demokrit, die Platon aufgriff, um sie zugleich weiterzufuhren und winden (vgl. u.S.2.31/2..2.98/9). derHauptsache sind wirjedoch, wenn wir PlatonseigenesVerhaltnis denV orbereiternseinerphilosophischen Konzeptionkennenlernenwo11en,aufdieDarste11ung denDialogen angewiesen, denen eine mannigfaltige Kommunikation undA useinander-setzungmit Traditionen verschiedenster Art sichtbar* Die Frage, welchem Sinne Platon sein Verhaltnis Sokrates geschicht-lichsieht,kann hier gestreiftwerden.Sokratesist fiirPlaton offenbar a11emdergrofieAnreger,der denhochstenGegenstandendes Geschichte und Ontologie Philosophierens vorlaufigerForm'hinwendet'.Soerscheinter den Dialogen,unddiesistimwesentlichenauchdieFunktion,diedieplato-nischen Schriften selbstsollen. der 'Protreptik' scheintPlaton alsozugleich diebesondere geschichtlicheLeistung desSokratesund einedauernde p.[Jchagogisch-sachliche Aufgabe der Philosophie liegen. Die spateren Dialoge Platohs, denenSokrates als zeigen,daGdie schulmaBigen und lehrhaften Erorterungen dem Wesen desSokrates fremd sind 191.1m Wesentlichen freilich - darin, daGer das Gute als eigentliches Ziel desPhilosophierensbetrachtet- weichtPlatonnie Sokratesab.Er sich vielmehr um dieallseitigeontologische Verifizierungdes SokrateszunachstintuitiverfaBtenSeinsgrundes.Wahrscheinlicherkennt Platonalsobesondersauch seinemVerhaltnis SokratesdasGrund-gesetzdergesamtenkulturgeschichtlichenEntwicklung:daGnamlichdas wahre und gute Leben zuerSt durchHilje verwirklicht wird und daGdamitspater ein Paradeigma gegeben ist, das eine bewnGtere Erfassung desgGttlichen Grundes der Wahrheit und der Arete ermoglicht. EinergenauerenErorterung auchdieFrage,obbeiderplato-nischen'Kritik'anderherkommlichenDichtung,RhetorikundGesetzgebul1g ein geschichtsphilosophisches Moment mitspielt. Diese drei Machte sind es, die(besondersdeutlichetwaim Phaidros,vgl. der echten Philosophie abgewertet werden,sofernsienichtdieWahrheit Rechenschaft geben kOnnen.Es ist anzunehmen,daBsich Platon bei dieser Auseinandersetzungnichtnur derallgemeinsachlichen,sondern auch der geschichtlichen Momente bewuBt ist.sprechen weniger die einzelnen geschichtlichenBeispiele,die denDialogen werden(hierim Phaidros erscheinen Lysias, Homer und Solon als Hauptvertreter des vor-philosophischen Wissens); vielmehr gilt esauch hier auf die groBen Zusam-menhange achten.PlatonsuchtdieherkommlicheDichtung,Rhetorik und Politik,und sozugleichauchdie'Sophistik' indem er ihre Mittel und Funktionen und DiesesVerhaltnis beruht wahrscheinlich auf dem geschichtlichen Urteil, daGalle diese Erscheinungen alsechteErrungenschaftendermenschlichen Kuli:ur und Erkenntnis gelten konnten,daBsie aber jetzt,zur Zeit Platons, einer tieferen Platon sieht,daBdieDichter,Redner undGesetzgebernichtmehr derLagesind,OrdnungundAreteim menschlichenLebenzugewahrleisten,daGvielmehrgeradeauf diesen Gebieten ein ZerfallsprozeB imGang ist.V der Philosophie Platons aus gesehen zeigt sich also bei all diesen Machten eine Ambivalenz,nicht zuletzt Entwick1ung der menschlichenKultur bezug auf die geschichtliche Entwicklung, sodaBihr Anteil an der Vor-bereitungderphilosophischenWahrheitserkenntnisnichteindeutigzu beschreiben ist192 einem speziellerenSinnekommt hier auchdasVerhaltnisPlatonszur GeschichtsschreibungundbesonderszurkritischenGeschichtsforschung, wie sie erreichthatte, Frage.NeuereUntersuchungenhabener-geben,daBsichPlatonmitThukydidesauseinandersetztunddaBermit dessenkritisch-historischerMethodedurchausvertrautist193Aberdas platonische Geschichtsdenken kann doch nicht speziell aus der griechischen Geschichtsschreibung hergeleitet werden,sondern hat allgemeinere geistes-geschichtliche Voraussetzungen. Die starkste Anregung findet Platon offensichtlich - die Dialoge sprechen ebensowie die Berichte die innerakademischen Lehren - bei den Denkern,diedieNaturder Dinge und ihren Ursprung zu bestimmen versuchten:alsobesondersbei und EtJJpe- und Anaxagoras,schlieBlich auch beiDemokrit und - wieAristoteles derMetaphysikhervorhebt - bei denPythagoreern Unteritalien. diesenvorphilosophischenVersuchenderumfassendenNaturerk1arung liegendieAnsatzedestheoretischenDenkens,diePlatonkonsequentund systematisch Als erstes deutliches Zeugnisdas bewuBt geschichtliche Bezugnehmen dersokratisch-platonischenPhilosophieaufdie Natur-Wissen-schaft kann die bekannte St