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69 3 69 Ethik im Praxisalltag: Handeln und Entscheiden Methodische Ansätze der Medizinethik Für die Lösung medizinethischer Probleme sollten vier Ansätze im Blick behalten wer- den: π Prinzipienethik π Fürsorgeethik π |narrative Medizinethik π |kasuistische Medizinethik Zentraler Kritikpunkt an den Formen der Prinzipienethik nach Beauchamp und Childress ist, dass sie oft dem schwierigen, wertbeladenen medizinischen Kontext in der Praxis und der Komplexität der Entscheidungssituationen nicht gerecht werden. So stellt sich anhand des Beispiels der Akutbehandlung in der physiotherapeutischen Praxis trotz tatsächlich erheblicher Wartezeiten die Frage: Welches Prinzip steht im Vordergrund? Ist ausreichend Zeit und Kompetenz für eine Entscheidung vorhanden? Als alternative Grundlagen für eine Entscheidung wurden einige andere Ansätze ent- wickelt. Die Fürsorgeethik hebt, ähnlich wie die narrative Medizinethik, den Beziehungs- kontext der Patienten hervor, sie betont eher die emotionale Lage der Patienten, weni- ger die rationalen Argumente. Die Grundlage bildet die Kenntnis und das Bewusstsein um die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen. Probleme werden durch geteilte Empfindungen und Empathie gelöst. Hierbei soll es dem Therapeuten gelingen, sich in die Situation des betroffenen Patienten realistisch einzufühlen. Bei der narrativen Medizinethik liegt der Schwerpunkt auf der individuellen Inter- pretation. Die Lebens- und Krankheitsgeschichte der Patienten sollen berücksichtigt werden [Abb. 2]. Die Krankheitsgeschichte zu erzählen, hat therapeutische Wirksamkeit für den Erzählenden. Sie birgt für Therapeuten oder Ärzte das Wissen um die Erfah- rungen der Patienten, die Einsicht in Unterschiede der Wahrnehmung und den Unter- schied der Perspektiven. Nur unter Einbeziehung der individuellen Geschichte und Situation ist ein ethisches Problem lösbar. Diese Lösung ist im physiotherapeutischen Alltag, begründet durch knappe zeitliche Ressourcen, teilweise schwer umzusetzen. Mitunter lässt sich trotzdem ein Gespräch ermöglichen, welches entweder eine kurz- fristige therapeutische Lösung oder eine Alternative zur Linderung der akuten Be- schwerden thematisiert. Die kasuistische Medizinethik orientiert sich an |paradigmatischen Fällen. Hier geht es in erster Linie um eine |pragmatische Lösung, die gut zu handhaben ist. Sie geht davon aus, dass ein Fall anhand der Kenntnis von Fallgeschichten zu lösen ist. In einer physiotherapeutischen Praxis lässt sich z. B. ein Akutbehandlungszeitraum für klar definierte „(Not-)Fälle“ einrichten. Ethische Entscheidungskompetenz und Reflexion Die Ethik ist eine traditionsreiche Wissenschaft mit zahlreichen Untergebieten, die über viele Jahrhunderte Unmengen von Wissen angehäuft hat. Es gibt kaum ethisches Wissen, welches nicht für die Praxis nutzbar wäre. Nun stellt sich die Frage, welche Teile davon für die verschiedenen Professionen der Gesundheitsberufe wichtig sind. Ressourcen an Geld (Behandlungssätze der Krankenkassen), und daraus resultierend Zeit (Behandlungszeit), sind in der Praxis meist knapp bemessen, es geht also um eine „minimale“ Auswahl an Kompetenzen. 3.5 3.5.1 narrativ erzählerisch narrare, lat. = erzählen kasuistisch Betrachtung von Einzelfällen in einem Fachgebiet casus, lat. = der Fall paradigmatisch Eine Handlung ist an Beispie- len oder Mustern orientiert. pragmatisch Eine Handlung richtet sich nach bekannten Gegeben- heiten und verzichtet auf eine theoretische Analyse. [2] Therapeuten sollten sich ausrei- chend Zeit nehmen, Patienten beim Beschreiben ihrer Krank- heitsgeschichte zuzuhören. 3.5.2

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3 Ethik im Praxisalltag: Handeln und Entscheiden

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Ethik im Praxisalltag: Handeln und Entscheiden

Methodische Ansätze der Medizinethik

Für die Lösung medizinethischer Probleme sollten vier Ansätze im Blick behalten wer-den:

π Prinzipienethikπ Fürsorgeethikπ |narrative Medizinethikπ |kasuistische Medizinethik

Zentraler Kritikpunkt an den Formen der Prinzipienethik nach Beauchamp und Childress ist, dass sie oft dem schwierigen, wertbeladenen medizinischen Kontext in der Praxis und der Komplexität der Entscheidungssituationen nicht gerecht werden. So stellt sich anhand des Beispiels der Akutbehandlung in der physiotherapeutischen Praxis trotz tatsächlich erheblicher Wartezeiten die Frage: Welches Prinzip steht im Vordergrund? Ist ausreichend Zeit und Kompetenz für eine Entscheidung vorhanden? Als alternative Grundlagen für eine Entscheidung wurden einige andere Ansätze ent-wickelt.

Die Fürsorgeethik hebt, ähnlich wie die narrative Medizinethik, den Beziehungs-kontext der Patienten hervor, sie betont eher die emotionale Lage der Patienten, weni-ger die rationalen Argumente. Die Grundlage bildet die Kenntnis und das Bewusstsein um die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen. Probleme werden durch geteilte Empfindungen und Empathie gelöst. Hierbei soll es dem Therapeuten gelingen, sich in die Situation des betroffenen Patienten realistisch einzufühlen.

Bei der narrativen Medizinethik liegt der Schwerpunkt auf der individuellen Inter-pretation. Die Lebens- und Krankheitsgeschichte der Patienten sollen berücksichtigt werden [Abb. 2]. Die Krankheitsgeschichte zu erzählen, hat therapeutische Wirksamkeit für den Erzählenden. Sie birgt für Therapeuten oder Ärzte das Wissen um die Erfah-rungen der Patienten, die Einsicht in Unterschiede der Wahrnehmung und den Unter-schied der Perspektiven. Nur unter Einbeziehung der individuellen Geschichte und Situation ist ein ethisches Problem lösbar. Diese Lösung ist im physiotherapeutischen Alltag, begründet durch knappe zeitliche Ressourcen, teilweise schwer umzusetzen. Mitunter lässt sich trotzdem ein Gespräch ermöglichen, welches entweder eine kurz-fristige therapeutische Lösung oder eine Alternative zur Linderung der akuten Be-schwerden thematisiert.

Die kasuistische Medizinethik orientiert sich an |paradigmatischen Fällen. Hier geht es in erster Linie um eine |pragmatische Lösung, die gut zu handhaben ist. Sie geht davon aus, dass ein Fall anhand der Kenntnis von Fallgeschichten zu lösen ist. In einer physiotherapeutischen Praxis lässt sich z. B. ein Akutbehandlungszeitraum für klar definierte „(Not-)Fälle“ einrichten.

Ethische Entscheidungskompetenz und Reflexion

Die Ethik ist eine traditionsreiche Wissenschaft mit zahlreichen Untergebieten, die über viele Jahrhunderte Unmengen von Wissen angehäuft hat. Es gibt kaum ethisches Wissen, welches nicht für die Praxis nutzbar wäre. Nun stellt sich die Frage, welche Teile davon für die verschiedenen Professionen der Gesundheitsberufe wichtig sind. Ressourcen an Geld (Behandlungssätze der Krankenkassen), und daraus resultierend Zeit (Behandlungszeit), sind in der Praxis meist knapp bemessen, es geht also um eine „minimale“ Auswahl an Kompetenzen.

3.5

3.5.1

narrativerzählerisch

narrare, lat. = erzählen

kasuistischBetrachtung von Einzelfällen

in einem Fachgebiet

casus, lat. = der Fall

paradigmatischEine Handlung ist an Beispie-

len oder Mustern orientiert.

pragmatischEine Handlung richtet sich

nach bekannten Gegeben-

heiten und verzichtet auf eine

theoretische Analyse.

[2] Therapeuten sollten sich ausrei-chend Zeit nehmen, Patienten beim Beschreiben ihrer Krank-heitsgeschichte zuzuhören.

3.5.2

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Arn und Weidmann-Hügel (2009) prägten den Begriff der Ethikkompetenz und teilten diese in sieben Grund- oder Elementarkompetenzen auf. Die Auswahl kann als Leitli-nie für die Praxis genutzt werden, um ethische Probleme zeitnah zu lösen.

π Kenntnis der Grundbegriffe; ethische Grundbegriffe sollten bekannt sein, um diese gezielt anzuwenden

π Werte von Fakten unterscheiden können; Differenzierung zwischen |normati-ven und |deskriptiven Aussagen

π Systematisieren der Werte; Verhältnisse zwischen den Werten erkennen, Wert-typen

π Würde und |Autonomieanspruch des Menschen als zentrale Werte in der Medi-zin erkennen

π Modelle zur Entscheidungsfindung kennen (Was leistet Ethik | 55 )π spezifische ethische Probleme für das eigene Berufsfeld herausfilternπ Selbstreflexion hinsichtlich der eigenen Werte, der des eigenen Berufs und be-

wusster Umgang mit anderen Berufsgruppen und deren Werte bzw. Normen

Ethikkompetenz zu besitzen, bedeutet noch nicht, ethisch zu handeln. Daher muss das konkrete Üben ethischer Kompetenzen – zunächst unter Anleitung – ein Bestandteil der Ausbildung sein. Letztlich wird kontinuierliche |Fort- und Weiterbildung |Hand-lungskompetenzen entstehen lassen, die sich entlastend auf den Alltag auswirken und damit die Arbeitsqualität erhöhen und die Berufszufriedenheit verbessern. Entschei-dend ist also die erfolgreiche Anwendbarkeit im physiotherapeutischen Alltag.

Für die Anwendung ethischer Reflexion im medizinischen und physiotherapeu-tischen Alltag beschreibt das Modell der Pflegeethikerin Marianne Rabe (2009) [Abb. 1] drei Grundschritte [Tab. 1]. Es gibt Anregung und Anleitung zur ethischen Reflexion und zum Nachdenken über Werte und Prinzipien, die das Handeln in einer bestimmten Problemsituation bestimmen.

Beispiel Die Patientin Gülnur, eine junge Muslimin, soll für die Manuelle Therapie durch Dirk die Bekleidung des Oberkörpers ablegen. Dies ist für die optimale Behand-lung erforderlich, stößt aber auf Widerstand bei der Patientin. Dirk reagiert mit Unbe-hagen und Ärger auf diese Reaktion, denn für ihn steht die optimale Versorgung der Patientin im Vordergrund.

In diesem Beispiel gilt es nun, alle Beteiligten (Physiotherapeuten, verordnenden Arzt, Patientin) sowie deren Sichtweisen und (religiöse) Normen zu beachten. Alternativ wäre z. B. der Einsatz einer weiblichen Therapeutin angeraten oder die Diskussion des islamischen Rechtsprinzips, dass die Notlage (in diesem Fall Schmerzen durch eine Blockierung) das Verbotene erlaubt. Eine andere Möglichkeit des Konsens wäre, die Kleidung nur zu einem für das Verständnis der Patientin vertretbaren Teil zu entfernen. Dies setzt immer eine Aufklärung der Patientin über die Behandlung voraus.

normativ | 56

deskriptiv | 56

Autonomie | 51

Fort- und Weiterbildung | 88

Handlungskompetenz | 107

[1] Marianne Rabe (geb. 1954)

1. Situationsanalyse 2. Ethische Reflexion 3. Ergebnisse

persönliche, eigene Reaktionen Benennen des ethischen Problems ethisch begründete Beurteilung

Sichtweise aller am Fall beteiligten

Personen berücksichtigen

Formulieren der normativen Orientierung

(Normen und Werte) und Prinzipien, z. B.

Autonomie, Gerechtigkeit

Konsens oder Dissens

alternative Handlungsmöglichkeiten und

ihre Folgen für die Betroffenen betrachten

Verantwortungsebenen benennen (per-

sönlich, institutionell oder gesellschafts-

politisch)

nötige praktische Konsequenz und deren

Durchsetzung

[Tab. 1] Schritte für die ethische Reflexion nach Rabe

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3 Berufsethik und berufsethische Kodizes

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Berufsethik und berufsethische Kodizes

Viele Berufe, Berufsgruppen und Vereinigungen, wie z. B. Parteien, haben berufs­ethische Kodizes für die Durchführung ihrer |Profession erarbeitet und sich selbst zur Einhaltung der darin festgehaltenen Leitlinien verpflichtet. Dazu gehört die Einhal­tung qualitativer Standards ebenso wie die Verpflichtung zur gleichen Behandlung von Angehörigen verschiedener Religionen. Allgemein formuliert umfassen die berufs­ethischen Kodizes eines jeden Berufes sowohl die persönlichen Werte, die bei der Aus­übung eines Berufes Beachtung finden, als auch die |Werte und |Normen eines be­stimmten Berufsstandes, welche bei der Ausübung von den Berufstätigen beachtet werden müssen.

Werte und Normen unterliegen gesellschaftspolitischen Einflüssen und finden somit auch Einzug in die |Kodizes der einzelnen Berufsgruppen. Wie es um die beruflichen Kodizes der Physiotherapie bestellt ist, wird im Abschnitt 3.6.3 genauer betrachtet. Das Erstellen von eigenen Kodizes stellt ein wichtiges |Professio nalisierungsmerkmal eines Berufes dar.

Berufsethische Kodizes in der Medizin

In der Medizin stehen verschiedene Kodizes für eine hohe Professionalisierung. Stellvertretend sollen hier einige genannt werden:

π Hippokratischer Eid: Dies ist die älteste bekannte Form der Berufsethik in der Medizin. Er beinhal­tet die Verpflichtungen, stets zum Nutzen der Patienten zu handeln, keine Sterbehilfe zu leisten, gleiche Behandlungen walten zu lassen, die Schweigepflicht sowie die Achtung und Ehrer­bietung gegenüber dem eigenen Lehrer.

π Nauheimer Gelöbnis: Das Nauheimer Gelöbnis wurde auf der Ärztetagung der westdeutschen Landesärztekammern in Bad Nauheim im Juni 1947 beschlossen. Dies geschah als unmittelbare Reaktion auf die Nürnberger Ärzteprozesse 1946/47 [Abb. 2]. In diesen Prozessen wurden Mediziner angeklagt, die während der Zeit des National sozialismus in Konzentrationslagern Versuche an Menschen durchgeführt hatten. Im Vergleich zum religionsbezogenen Anfang des Hippokratischen Eides sind die Wurzeln des Nau­heimer Gelöbnisses |säkular. Ethische Werte wie Menschlichkeit fanden Einzug in das Gelöbnis.

π Genfer Gelöbnis von 1949: Das Genfer Gelöbnis oder auch die Genfer Deklara­tion des Weltärztebundes stellt eine moderne Form des Hippokratischen Eides dar, die im Laufe der Jahre mehrfach aktualisiert wurde, zuletzt im Jahr 2006.

π Code of Nurses: Der Code of Nurses beinhaltet die ethischen Richtlinien für Pflegeberufe und deren grundlegenden Verantwortungen.

π Islamic Code of Medical Ethics: Dies ist ein Beispiel für einen Kodex unter reli­giösen Aspekten.

3.6

Profession | 102

Werte | 53

Normen | 53

Professionalisierung | 102

KodexSammlung von Grundsätzen,

Verhaltensregeln, Leitlinien

bzw. die Selbstverpflichtung

der Einhaltung selbiger; fin­

det sich in verschiedenen Be­

rufsgruppen und Vereini­

gungen, wie z. B. ärztlicher

Kodex

3.6.1

[2] Nürnberger Ärzteprozess in den Jahren 1946/47

säkularweltlich; von der Religion ge­

trennt

www.bundesaerztekammer.de/downloads/Genf.pdfUnter dieser Adresse finden Sie

die deutsche Übersetzung des

Genfer Gelöbnises.

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Ethik im physiotherapeutischen Alltag

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Ethikorganisationen

Organisationen, die sich mit Ethik befassen, gibt es auf verschiedenen Ebenen. Die Entstehung von Ethikkommissionen geht auf die |Deklaration von Helsinki zurück. In Deutschland gibt es mehrere Organisationen, die ethisch relevante Themen, wie Em-bryonenforschung, Einrichtung von Biobanken, moralisch einwandfreie Arzneimittel-forschung und Ressourcenverteilung, aufgreifen, entsprechende Richtlinien heraus-geben und konkrete Entscheidungshilfen geben.

Deutscher EthikratEine zentrale Rolle spielt hier der Deutsche Ethikrat. Der Ethikrat wurde per Gesetz

(Ethikratgesetz EthRG) am 16. Juli 2007 eingerichtet. Im Deutschen Ethikrat sind mit 26 Mitgliedern Vertreter aus den Bereichen Naturwissenschaften, Theologie, Medizin, Philosophie, Ethikwissenschaften, Soziologie, Ökonomie und Recht zusammenge-kommen. Er ist eine unabhängige Einrichtung mit gesetzlich vorgegebenem Auftrag. Seine Aufgaben bestehen darin, ethische Fragen und deren Folgen für Individuum und Gesellschaft zu untersuchen.

Aus den Untersuchungen des Ethikrates werden Stellungnahmen erarbeitet und Empfehlungen für politisches Handeln und die Gesetzgebung herausgegeben. Die Stellungnahmen werden dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung vor der Veröffentlichung zugeleitet. Ein weiterer Auftrag besteht in der Information der Öf-fentlichkeit und der damit verbundenen Förderung der Diskussion in der Gesellschaft. Viele Veranstaltungen sind öffentlich.

Zentrale Ethik-KommissionDie Zentrale Ethik-Kommission der Landesärztekammern versteht sich als Kom-

mission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und in angrenzenden Ge-bieten, z. B. der Biologie. Sie entspricht dabei den Werten des Grundgesetzes und nimmt im Wesentlichen Bezug auf die |Genfer Deklaration. Universitäten und For-

schungseinrichtungen, stellvertretend sei das Robert Koch-Institut [Abb. 1] genannt, haben eigene Ethikkommissionen.

Auch Kliniken haben heute Ethikkommissionen, die in konkreten Fragen innerhalb der Einrichtung, wie z. B. der Patientenfixierung, Unterstützung bei Entscheidungen geben. Entsprechend der Prägung und Werte der Institu-tion werden die Entscheidungen unterschiedlich ausfallen. So fließen z. B. bei konfessionell geführten Häusern christliche Werte in Entscheidungsprozesse ein.

Über medizinische Ethik wird heute in vielen Fachbüchern und Zeitschriften publiziert. Ein Beispiel ist die „Zeitschrift für medizinische Ethik“, die von der wissenschaftlichen, katholisch geprägten Görres-Gesellschaft herausge-geben wird. Sie ist die auflagenstärkste deutschsprachige Zeitschrift auf dem Gebiet der Medizinethik und will „Arzt und Christ“ praxisorientiert helfen, Problemlösungen bei ethischen Fragestellungen zu finden.

3.6.2

Deklaration von Helsinki | 55

www.ethikrat.orgAuf dieser Website finden Sie

Veröffentlichungen und Ver-

anstaltungen des Deutschen

Ethikrates.

www.rki.deHier finden Sie Informationen

über das Robert Koch-Institut.

[1] Robert Koch-Institut in Berlin

Genfer Deklaration | 71

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3 Berufsethik und berufsethische Kodizes

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Berufsethik und Verbände in der Physiotherapie

Gibt es eine spezielle Ethik im Beruf des Physiotherapeuten?Neben den vielen spektakulären Ethikbereichen, die in der Forschungsmedizin ver-

treten sind, wie z. B. der Embryonenforschung, nimmt die Physiotherapie bisher einen vergleichbar bescheidenen Platz ein. Die Frage nach einer speziellen Berufsethik in der Physiotherapie erhält erst in jüngster Zeit näheres Interesse. Ethische Fragen erwach-sen hier eher aus Alltagssituationen.

  Die Frage nach einer physiotherapeutischen Berufsethik geht eng mit der Eigenstän-digkeitsdiskussion zur |Profession der Physiotherapie im Gesundheitswesen einher. Dabei stellt sich die Frage nach berufsspezifischen Werten im therapeutischen Alltag.

Von besonderer Bedeutung ist, dass Physiotherapeuten sehr viel mit therapeutischen Berührungen arbeiten [Abb. 2]. Die dabei aufgeworfenen berufstypischen ethischen Frage-stellungen, wie nach Autonomie und Patientenzufriedenheit, müssen in der Ausbil-dung und im physiotherapeutischen Alltag stärker Beachtung finden. Eine große Be-deutung im Rahmen der Ausbildung kommt der Sensibilisierung für ethische Problemsituationen zu, denn in der physiotherapeutischen Praxis ist buchstäblich Fin-gerspitzengefühl gefragt.

Im direkten Patientenkontakt mit den Händen treten Physiotherapeuten in eine nonverbale Kommunikation mit dem Patienten. Wie in der verbalen Kommunikation soll die Berührung nicht zufällig sein und eine Antwort des Körpers auf die Berührung muss, wie die Antwort in einem Gespräch, abgewartet werden. Im zwischenmensch-lichen Kontakt mit dem Patienten spielt das Fingerspitzengefühl im übertragenen Sinne eine ganz besondere Rolle. So kann z. B. während einer Behandlung durch zu frühes „Handanlegen“ die Therapeut-Patient-Interaktion durch körperliche Abwehr-reaktionen gestört werden, wenn der Patient noch nicht ausreichend Gelegenheit hat-te, sich auf die Behandlung einzustellen. Häufig entstehen derartige Situationen durch Routine und Zeitdruck. Aus diesem Grunde sollte die Reflexion von Behandlungen ein wichtiger Bestandteil der physiotherapeutischen Praxis sein.

Die passende Frageformulierung, der richtige Moment für kritische Rückmeldungen und das richtige Maß von Nähe und Distanz zum Patienten sind abhängig von der |Empathie. Welche Formen von Empathie im Therapiealltag angebracht sind, muss jeweils im Rahmen einer |ethischen Reflexion sorgfältig analysiert werden.

  Professionelle Empathie sollte mit dem Ende der therapeutischen Situation abge-schlossen werden, damit der Therapeut die Probleme und Sorgen des Patienten nicht 

„mit nach Hause nimmt“. 

Systematisierung in der physiotherapeutischen EthikPhysiotherapeutische Ethik wird in den USA bereits seit 1935 thematisiert. In Europa

und v. a. in Deutschland begann die Ethikdebatte erst in jüngster Zeit mit der Akade-misierung. Die amerikanische Physiotherapeutin und Professorin für Ethik Ruth B. Purtilo gehört zu den Fachleuten, die sich seit vielen Jahren mit ethischen Themen in der Physiotherapie beschäftigen. Sie ist Mitglied der Ethikkomission der „American Physical Therapie Association“ (APTA). Purtilo (2000) identifizierte zwei Phasen, wel-che die Berufsethik der Physiotherapeuten beeinflusst haben:

π Zeitraum der eigenen Persönlichkeitsfindung im Beruf (the period of self-identity)π Zeitraum, der den Patienten in den Mittelpunkt stellt (the period of patient-

focused identity)

3.6.3

Profession | 102

[2] Therapeutische Berührungen sind typisch bei der Arbeit eines Physiotherapeuten und erfor-dern ein besonderes ethisches Bewusstsein.

EmpathieEinfühlungsvermögen; Fä-

higkeit, die Gedanken, Ge-

fühle und Weltbilder eines

anderen Menschen nachzu-

empfinden

ethische Reflexionnachträgliche Beurteilung ei-

ner Situation in Bezug auf

ethische Fragestellungen

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Ethik im physiotherapeutischen Alltag

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In diesen beiden Phasen sind angemessene echte Fürsorge und Pflege sowie Verant­wortlichkeit für professionelles Handeln die wichtigsten Bestandteile der physiothera­peutischen Ethik. Gleichzeitig fordert Purtilo einen dritten Schritt:

π Zeitraum der gesellschaftlichen Einordnung der Persönlichkeit im Berufsfeld (the period of social identity).

Hier fordert sie die Physiotherapeuten zur Auseinandersetzung mit dem medizi­nischen Fortschritt sowie wirtschaftlichen und politischen Fragen der Gesellschaft auf. Damit tritt der Physiotherapeut aus dem rein ausführenden Tätigkeitsbereich heraus und wird mehr in die gesellschaftliche und ethische Verantwortung einbezogen. Dies ist für die angestrebte Stellung der Physiotherapeuten als |First Contact Practitioner von zentraler Bedeutung. Das First Contact Practitioning ermöglicht den Patienten einen schnelleren, adäquateren Zugang zu entsprechenden Behandlungen bei einem Physiotherapeuten. In den USA ist es seit 1957 möglich, Patienten ohne ärztliche Ver­ordnung zu behandeln, wobei die Vorschriften in den Bundesstaaten variieren.

Aus der ForschungIn einer Literaturstudie stellt Jurgons (2009) fest, dass in Deutsch­

land, trotz Debatte über die |Autonomie und |Akademisierung der Physiotherapie und die Entwicklung zur |Profession, ethische Ansprüche nur unzureichend thematisiert werden. Ganz anders in den USA: Hier existiert ein Ethikkodex mit hohem Stellenwert, der jährlich überprüft und gegebenenfalls aktualisiert wird. Als einen Grund für diese Diskrepanz führt Jurgons die Zersplitterung in mehrere Berufsverbände in Deutsch­land an – in den USA werden die Physiotherapeuten von einer Organisation vertreten. Ein anderer Grund ist, dass die amerikanischen Physiotherapeuten die Bedeutung der Ethik für ihre Funktion als First Contact Practitioner erkannt haben.

Der amerikanische Physiotherapeut Herman L. Triezenberg (1996) von der Central Michi­gan University unterscheidet drei Kategorien in der Berufsethik der Physiotherapie:

π Patientenrechte und -wohl: Hier thematisiert Triezenberg Probleme, welche sich aus dem direkten Patientenkontakt und den Patientenrechten ergeben. Be­sonders gewichtet er das Thema Missbrauch in der therapeutischen Beziehung.

π berufsbezogene Fragen: Fachliche |Kompetenzen und |interdisziplinäres Arbei­ten spielen hier die zentrale Rolle. Konkret werden die Verpflichtung zur Siche­rung der fachlichen Kompetenz, die Verantwortung für die |Supervision des eige­nen Personals oder die Pflicht, Fehlverhalten von Kollegen zu melden, genannt.

π ökonomische Fragen: Hier werden unternehmerische und ökonomische Aspekte, die Abrechnung von Leistungen, der Wettbewerb und die Gefahren von finanziellen Abhängigkeiten zum Schaden der Patienten thematisiert.

Ethische Positionen der PhysiotherapieverbändePhysiotherapeuten sind international, national und auf Bundesländerebene organi­

siert. Der größte deutsche |Verband ist der ZVK. Derzeit werden unter Mitarbeit des ZVK |Leitlinien für die Physiotherapie entwi­

ckelt, die es bisher in Deutschland noch nicht gab. Sie enthalten allerdings noch nicht in ausreichendem Maße spezifisch physiotherapeutisch­ |ethische Kompetenzen. Zu­dem wird vom ZVK in der Darstellung des Berufsbildes innerhalb der Berufsordnung lediglich auf die ethischen Grundsätze der Heilberufe allgemein verwiesen, ohne auf eine spezifische physiotherapeutische Ethik einzugehen. Die Leitlinien bündeln aber aktuelle Erkenntnisse zu Krankheitsbildern und machen diese Erkenntnisse in der Behandlungspraxis nutzbar.

First Contact Practioner | 114

Autonomie | 51

Akademisierung | 12

Profession | 102

Kompetenzen | 107

Interdisziplinarität | 143

Supervisionspezielle Beratungsform, die

von einer speziell ausgebil­

deten Fachkraft, dem Super­

visor, angeleitet wird zur Re­

flexion und Verbesserung

beruflichen oder ehrenamt­

lichen Handelns

Verbände | 20

ethische Kompetenz | 69

Leitliniensystematisch entwickelte

Empfehlungen von (medizi­

nischen) Fachgesellschaften,

die den Therapeuten bei Ent­

scheidungen unterstützen

sollen

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3 Berufsethik und berufsethische Kodizes

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Länder wie England, Schweden, Norwegen und Holland besitzen eigene berufsspezi-fi sche Leitlinien mit stärkerer Betonung ethischer Kompetenzen. So hat der britische Verband Chartered Society of Physiotherapy in seinem Regelwerk ethische Vorgaben, wie die Achtung verschiedener Glaubensbekenntnisse, verankert. Der VPT (Verband Physikalische Therapie) und der IFK (Verband freiberufl icher Krankengymnasten) set-zen sich als Interessenvertreter für selbstständige Physiotherapeuten in Deutschland ebenfalls für die First-Contact-Berechtigung von Therapeuten ein.

Ethische Aspekte der Physiotherapie halten bisher nur geringfügig Einzug in Behandlungsempfehlungen und Berufsbildbeschreibungen. Verschiedene nationale Verbände der Physiotherapie, z. B. PhysioAustria in Österreich, haben die vom |WCPT herausgegebenen ethischen Richtlinien in der Physiotherapie aufgenommen und als verbindlich erklärt. In Deutschland fi nden sich diese bisher kaum.

Die acht ethischen Prinzipien des WCPT für Physiotherapie von 2007:π Physiotherapeuten respektieren die Rechte und Würde aller Individuen.π Physiotherapeuten akzeptieren die Rechte und Regelungen zur Ausübung des

Berufes im jeweiligen Land.π Physiotherapeuten haben die Pfl icht, nach besten Erkenntnissen zu behandeln.π Physiotherapeuten arbeiten kompetent, aufrichtig und verantwortungsvoll.π Physiotherapeuten sind zu hoher Arbeitsqualität verpfl ichtet.π Physiotherapeuten haben einen Anspruch auf angemessene Entlohnung.π Physiotherapeuten geben Patienten, Institutionen und der Gesellschaft genaue

Informationen über ihre Arbeit.π Physiotherapeuten wirken bei Planung und Entwicklung von Gesundheits-

dienstleistungen mit.

Ethik und professionelles Handeln in der PhysiotherapieDie Physiotherapie gehört zu den medizinisch-therapeutischen Berufen und wurde

lange Zeit als medizinischer Hilfsberuf bezeichnet. Heute ist sie ein selbstständiger Teil der Schulmedizin. Vielen Lernenden ist zum Anfang nicht ganz klar, ob Physio-therapie ein „Handwerk“ oder eine „Wissenschaft“ ist. Die Antwort lautet: „Sie muss das eine bleiben und das andere werden“(Schämann 2005, S. 208). In Deutschland gibt es neben der Ausbildung an |Berufsfachschulen auch aufbauende |Fachhochschulstu-diengänge für Physiotherapie, in anderen Ländern ist die Physiotherapie bereits ins-gesamt auf Fachhochschulebene angesiedelt.

Der Aspekt der Ethik in der Physiotherapie ist von besonderer Bedeutung im Hin-blick auf die Akademisierung des Berufes und hat damit berufspolitische Bedeutung. Neben den alltäglichen ethischen Herausforderungen, z. B. Engagement für den ein-zelnen Patienten oder Zeiteinsatz, ist die berufsspezifi sche Ethik für den Prozess der |Professionalisierung, wie in anderen Berufen, von elementarer Bedeutung und Vo-raussetzung für diese. Auf der internationalen Ebene gehört die ethische Kompetenz eines Berufsstandes zu den Kenngrößen seiner Professionalisierung. Vor diesem Hin-tergrund sind auch die Richtlinien des WCPT zu sehen.

Die Akademisierung erö¤ net den Physiotherapeuten die Forschung als neues Handlungsfeld. In diesem Bereich ist es besonders wichtig, ethische Richtlinien einzu-halten, um die Qualität und Seriosität der Forschung zu gewährleisten.

Die |evidenzbasierte Praxis gewinnt für die Physiotherapie im Hinblick auf die Wahl der e¤ ektivsten Behandlungsmethode und vor dem Hintergrund der Professionalisie-rung und Akademisierung immer mehr an Bedeutung. Hierzu muss der Physiothera-peut in der Lage sein, fachlich, sozial, ökonomisch und gesellschaftlich verantwortlich zu entscheiden.

WCPT | 110

www.wcpt.orgPolicies

Ω Declarations

Ω Ethical principles

Hier fi nden Sie die ethischen

Prinzipien des WCPT und im

Appendix eine ausführliche In-

terpretation.

Berufsfachschulen | 78

Fachhochschulstudium | 84

Professionalisierung | 102

evidenzbasierte Praxis | 118

Evidenzbasierung; Clinical ReasoningBand „Wissenschaftliches

Arbeiten“

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Die Physiotherapy Evidence Database (PEDro) ist eine internationale Plattform für evidenzbasiertes Fachwissen und eine wichtige Grundlage für verantwortungsvolles, professionelles Handeln [Abb. 1]. Die Klassifikation nach |ICF und |Clinical-Reasoning-Formen, hier vor allem das ethische Reasoning, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle für ein strukturiertes und ethisch korrektes Handeln.

Beispiel Herr Schüller kommt mit einer Bänderläsion im oberen Sprunggelenk in die Praxis von Frau Lahn. Sie beurteilt die Verletzung nicht nur nach der Größe des geschä­digten Bereiches, sondern auch nach dem Funktionsverlust und dessen Folgen für den Patienten. Sie misst den Behandlungserfolg nicht allein anhand der verheilten Läsion, sondern berücksichtigt auch das Wiedererlangen der Funktion und die Integration des Patienten in den Alltag. Für die Wahl ihrer Behandlungsmethode orientiert sich neben ihrer Berufserfahrung an evidenzbasierter Fachliteratur. Hierbei ist die Anwendung der evidenzbasierten Praxis von elementarer Bedeutung, um die effizienteste Thera­piemethode zu finden.

Die europäische Sektion des WCPT hat 2003 das |Benchmark Statement verabschiedet. In dieser Stellungnahme sind u. a. auch ethische Prinzipien für die Physiotherapie verankert, die im Folgenden genannt werden:

π A1 Berufliche Autonomie und Verantwortung des Physiotherapeuten: Verständnis der rechtlichen Verantwortungsbereiche und ethischen Erwä­gungen der beruflichen Praxis

π B2 Allgemeine fördernde Kompetenzen: Identifikation und Anerkennung der physischen, psychologischen und kulturellen Bedürfnisse von Individuen und Gemeinschaften

π C1 Wissenschaftliche Grundlage der Physiotherapie: Prinzipien der Eva­luierung und Forschungsmethodologie, die die Integration der theoretischen Perspektiven und Forschungserkenntnisse in die Konzeption und die Implementierung der effektiven Physiotherapie ermöglichen

π C2 Kontext der Leistungserbringung und der beruflichen Praxis: Der Diplominhaber weist Kenntnisse und Verständnis auf ethischen, rechtlichen und beruflichen Problemfeldern auf, die Einfluss auf die physiotherapeutische Praxis haben.

Die Ethik hat also eine theoretisch­philosophische und eine praktisch­problemorien­tierte Seite. Oft erscheint die theoretische Seite der Ethik als Wissenschaft sehr abstrakt. Wenn der Ausdruck „philosophieren“ jedoch als eine Art „Lebenshilfe“ verstanden wird, kann das der Weg zur praktischen Seite der Ethik sein. In diesem Verständnis hilft Ethik dem Physiotherapeuten, mit schwierigen Fragen umzugehen und Lösungen zu finden.

Die Umsetzung in die Praxis dient der Überprüfung ethischer Theorien, die Distanz der theoretischen Ethik hilft, „gute“ Lösungen zu finden. In der Physiotherapie sollte Ethik Raum bekommen als „Nachdenken, um des Denkens willen“ und als Werkzeug zur Lösung von „Fällen“.

Die Präsidentin des österreichischen Berufsverbandes PhysioAustria, Silvia Meriaux­Kratochvila, schreibt über das Thema Ethik in der Physiotherapie:

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therapy Evidence Database.

[1] Logo der Physiotherapy Evidence Database (PEDro)

ICF | 83

Clinical Reasoning | 118

Benchmark Statement | 110

[2] „Der Denker“ von Auguste Rodin zeigt, dass Denken nicht immer leicht ist.

„Im täglichen Umfeld mit PatientInnen ist sie ein Gradmesser für die Behandlungs­qualität. Ethik in Gesundheitsberufen ist, den Menschen (PatientInnen) in ihrer psy­chosomatischen Ganzheit zu begegnen.

Und das steht der Physiotherapie, die sich seit jeher als ganzheitliche Behandlungs­methode versteht, sehr gut zu Gesicht.“ — Silvia Meriaux­Kratochvila, 2010, S. 1

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