β-adrenerge Rezeptoren besitzen ein Aktivierungsgedächtnis

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338 KARRIERE, KÖPFE & KONZEPTE BIOspektrum | 03.12 | 18. Jahrgang DOI: 10.1007/s12268-012-0186-8 © Springer-Verlag 2012 ó Adrenerge Rezeptoren vermitteln die zel- lulären Antworten auf die Stimulation durch die Stresshormone Adrenalin und Noradre- nalin und stellen gleichzeitig wichtige Ziel- strukturen für häufig verwendete Arzneimit- tel dar. Ihre Funktion und ihr Ansprechen auf Liganden werden durch Polymorphismen in ihrer Primärsequenz moduliert. Die zugrun- de liegenden Mechanismen sind jedoch weit- gehend unklar [1]. Wir haben die Technik des Fluoreszenz- Resonanz-Energietransfers (FRET) genutzt, um den Einfluss der am häufigsten vorkom- menden Polymorphismen im β 2 -adrenergen Rezeptor (β 2 AR) auf die Konformation des Rezeptors nach Aktivierung zu untersuchen. Dafür wurden FRET-Sensoren für die β 2 AR- Varianten mit einem gelb fluoreszierenden Protein (YFP) sowie einem cyan fluoreszie- renden Protein (CFP) in der dritten intrazel- lulären Schleife bzw. am C-Terminus herge- stellt (Abb. 1A, B). Nach Stimulierung der β 2 AR-Sensoren konnte die Aktivierung der polymorphen Rezeptorvarianten in lebenden Zellen in Echtzeit untersucht werden. Dabei behielten die FRET-Sensoren sowohl die Bin- dungsaffinitäten der nativen Rezeptoren als auch eine intakte Funktionalität hinsichtlich der Bildung des sekundären Botenstoffes cAMP. Die Analyse der Aktivierungskinetik ergab sehr ähnliche Geschwindigkeiten der ver- schiedenen polymorphen β 2 AR-Varianten nach einmaliger Stimulation. Die Kinetik änderte sich jedoch nach Vorstimulation in Abhängigkeit des Vorliegens bestimmter Rezeptorvarianten (Abb. 1C). So konnten wir im Vergleich zur ersten Aktivierung eine schnellere Aktivierung der effizienteren Gly16-Variante des β 2 AR feststellen, während die weniger effiziente Arg16-Variante dage- gen bei einer wiederholten Stimulation lang- samer aktiviert wurde. Diese Ergebnisse las- sen auf ein polymorphismusspezifisches „Rezeptorgedächtnis“ schließen. Die Ausbil- dung der unterschiedlichen Aktivierungski- netik hing von der Interaktion des Rezeptors mit löslichen intrazellulären Faktoren ab und bedurfte einer Phosphorylierung intrazellu- lärer Serin- und Threoninreste durch G-Pro- tein-gekoppelte Rezeptorkinasen [2]. Die Daten implizieren eine polymorphis- musabhängige Eigenschaft des β 2 AR, die die Aktivierungskinetik der Rezeptoren bei wiederholter Stimulation determiniert. Diese könnte auch für die zwischen Individuen vari- ierende Ansprechbarkeit auf β-Agonisten und β-Blocker mitverantwortlich sein. ó Literatur [1] Ahles A, Engelhardt S (2009) Polymorphisms determine beta-adrenoceptor conformation: implications for cardiovascu- lar disease and therapy. Trends Pharmacol Sci 30:188–93 [2] Ahles A, Rochais F, Frambach T et al. (2011) A polymor- phism-specific “memory“ mechanism in the β 2 -adrenergic receptor. Science Signal 4:ra53 Korrespondenzadresse: Dr. Andrea Ahles Institut für Pharmakologie und Toxikologie Technische Universität München Biedersteiner Straße 29 D-80802 München Tel.: 089-41403277 [email protected] Fritz-Külz-Preis 2011 der DGPT β-adrenerge Rezeptoren besitzen ein Aktivierungsgedächtnis ANDREA AHLES INSTITUT FÜR PHARMAKOLOGIE UND TOXIKOLOGIE, TU MÜNCHEN Andrea Ahles Jahrgang 1983. 2002–2007 Bio- medizinstudium an der Univer- sität Würzburg (B. Sc., M. Sc.). 2007–2012 Promotion am DFG- Forschungszentrum für Experi- mentelle Biomedizin (Rudolf-Vir- chow-Zentrum) der Universität Würzburg sowie am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der TU München. Seit 2012 Postdoc am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der TU München. ˚ Abb. 1: A, Schematischer Aufbau der β 2 AR-FRET-Sensoren. B, subzelluläre Lokalisation der β 2 AR-FRET-Sensor-Varianten in HEK-293-Zellen. Konfokalmikroskopische Aufnahmen repräsenta- tiver Einzelzellen. C, oben: schematische Darstellung des experimentellen Ansatzes zur Untersu- chung der Aktivierungskinetik bei wiederholter Stimulation der β 2 AR-Sensoren. Mitte: Mittelwert und Standardfehler aus n = 5 monoexponentiell gemittelten Kurven der ersten und zweiten Akti- vierung. Unten: Zeitkonstanten für die erste und darauf folgende zweite Aktivierung (n = 7) (aus [2], © AAAAS). A C B

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338 KARRIERE, KÖPFE & KONZEPTE

BIOspektrum | 03.12 | 18. Jahrgang

DOI: 10.1007/s12268-012-0186-8© Springer-Verlag 2012

ó Adrenerge Rezeptoren vermitteln die zel-lulären Antworten auf die Stimulation durchdie Stresshormone Adrenalin und Noradre-nalin und stellen gleichzeitig wichtige Ziel-strukturen für häufig verwendete Arzneimit-tel dar. Ihre Funktion und ihr Ansprechen aufLiganden werden durch Polymorphismen inihrer Primärsequenz moduliert. Die zugrun-de liegenden Mechanismen sind jedoch weit-gehend unklar [1].

Wir haben die Technik des Fluoreszenz-Resonanz-Energietransfers (FRET) genutzt,

um den Einfluss der am häufigsten vorkom-menden Polymorphismen im β2-adrenergenRezeptor (β2AR) auf die Konformation desRezeptors nach Aktivierung zu untersuchen.Dafür wurden FRET-Sensoren für die β2AR-Varianten mit einem gelb fluoreszierendenProtein (YFP) sowie einem cyan fluoreszie-renden Protein (CFP) in der dritten intrazel-lulären Schleife bzw. am C-Terminus herge-stellt (Abb. 1A, B). Nach Stimulierung derβ2AR-Sensoren konnte die Aktivierung derpolymorphen Rezeptorvarianten in lebendenZellen in Echtzeit untersucht werden. Dabeibehielten die FRET-Sensoren sowohl die Bin-dungsaffinitäten der nativen Rezeptoren als

auch eine intakte Funktionalität hinsichtlichder Bildung des sekundären BotenstoffescAMP.

Die Analyse der Aktivierungskinetik ergabsehr ähnliche Geschwindigkeiten der ver-schiedenen polymorphen β2AR-Variantennach einmaliger Stimulation. Die Kinetikänderte sich jedoch nach Vorstimulation inAbhängigkeit des Vorliegens bestimmterRezeptorvarianten (Abb. 1C). So konnten wirim Vergleich zur ersten Aktivierung eineschnellere Aktivierung der effizienterenGly16-Variante des β2AR feststellen, währenddie weniger effiziente Arg16-Variante dage-gen bei einer wiederholten Stimulation lang-samer aktiviert wurde. Diese Ergebnisse las-sen auf ein polymorphismusspezifisches„Rezeptorgedächtnis“ schließen. Die Ausbil-dung der unterschiedlichen Aktivierungski-netik hing von der Interaktion des Rezeptorsmit löslichen intrazellulären Faktoren ab undbedurfte einer Phosphorylierung intrazellu-lärer Serin- und Threoninreste durch G-Pro-tein-gekoppelte Rezeptorkinasen [2].

Die Daten implizieren eine polymorphis-musabhängige Eigenschaft des β2AR, die dieAktivierungskinetik der Rezeptoren beiwiederholter Stimulation determiniert. Diesekönnte auch für die zwischen Individuen vari-ierende Ansprechbarkeit auf β-Agonisten undβ-Blocker mitverantwortlich sein. ó

Literatur[1] Ahles A, Engelhardt S (2009) Polymorphisms determinebeta-adrenoceptor conformation: implications for cardiovascu-lar disease and therapy. Trends Pharmacol Sci 30:188–93[2] Ahles A, Rochais F, Frambach T et al. (2011) A polymor-phism-specific “memory“ mechanism in the β2-adrenergicreceptor. Science Signal 4:ra53

Korrespondenzadresse:Dr. Andrea AhlesInstitut für Pharmakologie und ToxikologieTechnische Universität MünchenBiedersteiner Straße 29D-80802 MünchenTel.: [email protected]

Fritz-Külz-Preis 2011 der DGPT

β-adrenerge Rezeptoren besitzen einAktivierungsgedächtnis

ANDREA AHLES

INSTITUT FÜR PHARMAKOLOGIE UND TOXIKOLOGIE, TU MÜNCHEN

Andrea AhlesJahrgang 1983. 2002–2007 Bio-medizinstudium an der Univer-sität Würzburg (B. Sc., M. Sc.).2007–2012 Promotion am DFG-Forschungszentrum für Experi-mentelle Biomedizin (Rudolf-Vir-chow-Zentrum) der UniversitätWürzburg sowie am Institut fürPharmakologie und Toxikologie

der TU München. Seit 2012 Postdoc am Institut fürPharmakologie und Toxikologie der TU München.

˚ Abb. 1: A, Schematischer Aufbau der β2AR-FRET-Sensoren. B, subzelluläre Lokalisation derβ2AR-FRET-Sensor-Varianten in HEK-293-Zellen. Konfokalmikroskopische Aufnahmen repräsenta-tiver Einzelzellen. C, oben: schematische Darstellung des experimentellen Ansatzes zur Untersu-chung der Aktivierungskinetik bei wiederholter Stimulation der β2AR-Sensoren. Mitte: Mittelwertund Standardfehler aus n = 5 monoexponentiell gemittelten Kurven der ersten und zweiten Akti-vierung. Unten: Zeitkonstanten für die erste und darauf folgende zweite Aktivierung (n = 7)(aus [2], © AAAAS).

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