Phylogenetik -...

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Phylogenetik

Dr. Vera Warmuth SS2019

Aufbau der Vorlesung

Teil I:

Geschichtliche Entwicklung und Grundlagen der Phylogenetik

Teil II:

Bäume verstehen

Teil III:

Bäume berechnen

Teil IV:

Anwendung phylogenetischer Analysen

Definitionen

Altgriechisch φῦλον („Stamm“) & γένεσις („Ursprung“)

Phylogenese: stammesgeschichtliche (evolutionäre) Entwicklungen biologischer Einheiten (Arten, bestimmte Verwandtschaftsgruppen, Gene)

( Ontogenese: individuelle Entwicklung eines Organismus

Phylogenetik: Fachrichtung der Genetik und Bioinformatik, die sich mit der Erforschung von Abstammungen beschäftigt

Entstehungsgeschichte der Phylogenetik

Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) „Vater der Klassifizierung“

- ordnete die ihm bekannten Lebewesen in einer Stufenleiter nach dem Grad ihrer

„Perfektion“, also von primitiven zu höher entwickelten

- Einige der von ihm eingeführten Bezeichnungen finden heute noch Verwendung

(Coleoptera, Diptera)

- Student Theophrastus (370–285 v. Chr.): Historia Plantarum

Scala naturae

- 7-Stufen hierarchischen Systems der Klassifizierung

Carl von Linné (1707-1778)

Entstehungsgeschichte der Phylogenetik

- Begründer der binären Nomenklatur

Species Plantarum (1753): Botanik

Systema Naturae 10th ed. (1758/95): Zoologie

- Ausgangspunkt für alle heute gültigen Namen

Taxonomie:Wissenschaftl. begründete

Beschreibung, Namensgebung, Klassifizierung

Entstehungsgeschichte der Phylogenetik

v. Chr. 18. Jhdt

Entwicklung der Phylogenetik

einfache Namensgebungenund Klassifizierungen

Renaissance

Andrea Cesalpino (1519–1603)John Ray(1627–1705)

Entstehungsgeschichte der Phylogenetik

Erasmus Darwin (1731-1802)

Zoönomia (1794–1796)

‚... would it be too bold to imagine, that all warm-blooded animals have arisen from one living filament,…’

The Loves of the Plants’ (1789)Weitere Gedanken zur Evolution

Entstehungsgeschichte der Phylogenetik

- Erste kohärente Theorie biologischer Evolution

Jean-Baptiste Lamarck (1744 –1829)

Klassifikation der InvertebratenSystème des animaux sans vertèbres (1801)

- Vererbung von im Laufe des Lebens erworbenen Merkmalen (‘soft inheritance’)

Entstehungsgeschichte der Phylogenetik

Charles Darwin (1809-1882) & Alfred Russell Wallace (1823-1913)

1850s: Darwin–Wallace theory of evolution by natural selection

George Beccaloni and the Wallace FundWikipedia

http://darwin-online.org.uk

Entstehungsgeschichte der Phylogenetik

Charles Darwin (1809-1882)

Theorie der Abstammung-mit-Modifikation (‚common descent with modification‘)

als Erklärung für die Beziehungsverhältnisse zwischen verwandten Arten

‚Notebook B‘ (1837)

1858: gemeinsame Präsentation zweier Studien vor der Linnean Society of London:

“On the Tendency of Species to form Varieties”

“On the Perpetuation of Varieties and Species by Natural Means of Selection"

Notwendigkeit der Einordnung von Organismen in ein natürliches System, das das Prinzip der gemeinsamen Abstammung reflektiert

Entstehungsgeschichte der Phylogenetik

‘The affinities of all the beings of the same class have sometimes been represented by a great tree….The green and budding twigs may represent existing species; and those produced during former years may represent the long succession of extinct species.‘

Charles Darwin, (1872), pp. 170-171. The Origin of Species. Sixth Edition. The Modern Library, New York.

Entstehungsgeschichte der Phylogenetik

Taxonomie:Wissenschaftl. begründete

Beschreibung, Namensgebung, Klassifizierung

Entstehungsgeschichte der Phylogenetik

v. Chr. 18. Jhdt

Entwicklung der Phylogenetik

einfache Namensgebung und Klassifizierung

Renaissance

Andrea Cesalpino (1519–1603)John Ray(1627–1705)

19. Jhdt

Systematik: Klassifizierung anhand evolutionärer

Beziehungen, die auf Abstammung von einemgemeinsamen Vorfahren beruhen

Darwin–Wallace theory of Evolution by natural selection

Lamarck’s theory of the Transmutation of Species

Taxonomie oder Systematik?

Taxonomie Systematik

Taxonomie: Gruppierung anhand von Ähnlichkeiten

Systematik: evolutionäre Beziehungen die auf Abstammungvon einem gemeinsamen Vorfahren beruhen

Goldsmith 2003

‚The great clade race‘

‚The great clade race‘

Goldsmith 2003

Rekonstruiere den Laufpfad (=Baum) anhand der an checkpoints erworben Marken (= Merkmale)

‚The great clade race‘

Goldsmith 2003

Rekonstruiere den Laufpfad (=Baum) anhand der an checkpoints erworben Marken (= Merkmale)

Lösung

Sobald Objekte/Organismen eine gemeinsame Geschichte teilen, fallen sie in natürliche, hierarchische Gruppen, basierend auf dieser Geschichte

Aufgabe 25 Minuten

Wo würden sie diese zusätzliche Karte einordnen?

Homoplasie: das selbe Merkmal kann mehrfach unabhängig voneinander entstehen

Lösung

Merkmalszustände

Plesiomorphie

(plēsios, plesios = benachbartμορφή , morphe = Form)

Apomorphie(ἀπό , apo = weg vonμορφή , morphe = Form)

ursprünglicher Merkmalszustandabgeleiteter Merkmalszustand

Synapomorphie(σύν , syn = gemeinsamἀπό , apo = weg vonμορφή , morphe = Form)

Mehreren Gruppen gemeinsames,

abgeleitetes Merkmal

Autapomorphie(autos = selbstἀπό , apo = weg vonμορφή , morphe = Form)

Auf eine Gruppe beschränktes,

abgeleitetes Merkmal

Merkmalszustände

Achtung!

Plesiomorphie und Apomorphie sind relative Begriffe

Beispiel: Milchdrüsen sind eine Synapomorphie der Mammalia, wenn man diese mit den Tetrapoda vergleicht, aber ein Symplesiomorphie wenn man verschiedene Mammalia Gruppen (z.B. Nager, Primaten) miteinander vergleicht

Milch(drüsen) = Synapomorphie Milch(drüsen) = Symplesiomorphie

Apomorphie

Autapomorphie

jünger

älter

Symplesiomorphien sind (evolutionär) ‚älter‘, und Autapomorphien ‚jünger‘ als Apomorphien

Beispiel: geht man von der Wirbelsäule als Apomorphie der Vertebrata aus, werden Milchdrüsen (evolutionär jünger) als eine Autapomorphie der Mammaliabezeichnet

Symplesiomorphien sind (evolutionär) ‚älter‘, und Autapomorphien ‚jünger‘ als Apomorphien

Dagegen: geht man von Milchdrüsen als Apomorphie der Mammalia aus, wird die (evolutionär ältere) Wirbelsäule als Plesiomorphie der Mammalia bezeichnet

Apomorphie

Plesiomorphie

jünger

älter

Plesiomorphie ‚älter als‘ ApomorphieAutapomorphie ‚jünger als‘ Apomorphie

Homoplasie: ein abgeleitetes Merkmal, das bei mehreren Taxa jeweils voneinander unabhängig entstanden ist (Konvergenz)

Homoplasie

Merkmalszustände

Plesiomorphie oder Apomorphie: Zusammenfassung

Kladistik

• Kladistische Logik: Evolution als fortschreitende Gabelung(Bifurkation, Dichotomien), die immer wieder Schwestergruppenerzeugen

• Schwestergruppen sind einzig und alleine auf gemeinsamen, abgeleiteten Merkmale (Synapomorphien) begründet

Der evolutionäre Prozess führt zu genesteten, hierarchischen Beziehungen zwischen Taxa und Taxongruppen

break

• Bäume verstehen

Teil II

Tree thinking

Welche Aussage trifft zu:

I) B und C sind näher miteinander verwandt als B und D

II) B ist mit C und D gleich nah verwandt

Tree thinking

Korrekt: II) B und C teilen den gleichen gemeinsamen Vorfahren wie B und D

Letzter gemeinsamer Vorfahre von B, C, und D

(Engl.: most recent common ancestor, MRCA)

Tree thinking

Welche Aussage trifft zu:

I) A, B, C und D sind alle gleich eng mit ihrem MRCA verwandt

II) A ist primitiver als B, C, und D; B ist primitiver als C und D

Tree thinking

Identifiziere:

I) den MRCA von A, B, C, D

II) den MRCA von C, D

Tree thinking

Welche Aussage trifft zu:

I) A, B, C und D sind alle gleich eng verwandt mit ihrem MRCA

II) A ist primitiver als B, C, und D; B ist primitiver als C und D

Korrekt: I) - alle extanten Arten sind mit ihrem MRCA gleich nah verwandt!

Tips:

• Lese Bäume nicht von links nach rechts in der Annahme dass

Evolution von links nach rechts stattfindet; identifiziere stattdessen

den MRCA (Knotenpunkte)

• die Anzahl der Knoten ist kein Maß für die evolutionäre Distanz

zwischen zwei Taxa. Hier zählt wiederum nur die Zeit seit dem MRCA

(‘time to the most recent common ancestor, TMRCA’)

Tree thinking

NU (s) = 2s – 2 NR (s) = 2s – 1

BU (s) = 2s – 3 BR (s) = 2s – 2

Anzahl Knoten/Nodes (N)

Anzahl Zweige/Branches (B)

external node

internal node

(internal)

Terminologie

Unterschiedliche Repräsentationen sind stilistisch

Baumarten

Unterschiedlich aussehende phylogenetische Bäume können identisch sein,

denn Äste können rotiert werden

Baumarten

Je nach Baumart, haben Astlängen unterschiedliche Bedeutungen:

Baumarten

keine Bedeutung Anzahl Merkmalsänderungen Zeit

Längster Pfad: A-Eroot: max(dEA)/2

Beispiel Outgroup-rooting

Die Anzahl möglicher ungewurzelter Bäume für n taxa (n ≥ 3):

NU

= (2n – 5)! / [2n-3(n – 3)!]

Wie viele phylogenetische Bäume gibt es?A) ungewurzelt

Exkurs: Fakultät

Wikipedia:

• Die Fakultät ist eine Funktion, die einer natürlichen Zahl das Produkt aller natürlichen Zahlen kleiner und gleich dieser Zahl zuordnet.

• Sie wird durch ein dem Argument nachgestelltes Ausrufezeichen („!“) abgekürzt

Beispiele:

0! = 1

1! = 1

2! = 1 * 2

3! = 1 * 2 * 3 = 6

4! = 1 * 2 * 3 * 4 = 24

5! = 1 * 2 * 3 * 4 * 5 = 120

Die Anzahl möglicher ungewurzelter Bäume für n taxa (n ≥ 3):

NU

= (2n – 5)!/[2n-3(n – 3)!]

Beispiel für n = 4:

(2*4 – 5)! / [24-3 *(4 – 3)!](8-5)! / [21 *(1)!] 3! / 2! 1*2*3 / 1*2 = 6 / 2 = 3

Wie viele phylogenetische Bäume gibt es?A) ungewurzelt

C D

BAA

B D

C A

D C

B

Die Anzahl möglicher ungewurzelter Bäume für n taxa (n ≥ 3):

NU

= (2n – 5)!/[2n-3(n – 3)!]

Beispiel für n = 4:

NU

= (2*4 – 5)! / [24-3 *(4 – 3)!]N

U= (8-5)! / [21 *(1)!]

NU

= 3! / 2! N

U= 1*2*3 / 1*2 = 6 / 2 = 3

Wie viele phylogenetische Bäume gibt es?A) ungewurzelt

A

B D

C

Mögliche Positionen für die Wurzel

Die Anzahl möglicher gewurzelter Bäume für n taxa (n ≥ 3):

NR

= (2n – 3)! / [2n-2(n – 2)!] = NU(n + 1)

Wie viele phylogenetische Bäume gibt es?B) gewurzelt

A

B D

C

Mögliche Positionen für die Wurzel

Die Anzahl möglicher gewurzelter Bäume für n taxa (n ≥ 3):

NR

= (2n – 3)! / [2n-2(n – 2)!] = NU(n + 1)

Beispiel für n = 4:

NR = (2*4 – 3)!/[24-2(4 – 2)!] = 120/8 = 15

Wie viele phylogenetische Bäume gibt es?B) gewurzelt

A

B D

C

Mögliche Positionen für die Wurzel

Die Anzahl möglicher gewurzelter Bäume für n taxa (n ≥ 3):

NR

= (2n – 3)!/[2n-2(n – 2)!] = NU(n + 1)

Beispiel für n = 4:

NR = (2*4 – 3)! / [24-2*(4 – 2)!]NR = 5! / [4 * (2)! ]NR = (1*2*3*4*5) / 4*(1*2) = 120 / 8 = 15

Wie viele phylogenetische Bäume gibt es?B) gewurzelt

A

B D

C

Mögliche Positionen für die Wurzel

Die Anzahl möglicher gewurzelter Bäume für n taxa (n ≥ 3):

NR

= (2n – 3)!/[2n-2(n – 2)!] = NU(n + 1)

Beispiel für n = 4:

NR = (2*4 – 3)! / [24-2*(4 – 2)!]NR = 5! / [4 * (2)! ]NR = (1*2*3*4*5) / 4*(1*2) = 120 / 8 = 15

Wie viele phylogenetische Bäume gibt es?B) gewurzelt

Wie viele phylogenetische Bäume gibt es?

Es gibt 7.5 x 1056 Atome im sichtbaren Universum!

Gruppierungen in einem phylogenetischen Baum

Polyphylum: Group does not contain the most recent common ancestor of all its members

Paraphylum: Group contains its most recent common ancestor, but not all the descendants of that ancestor

Gruppierungen in einem phylogenetischen Baum

© Dr. Susanne Schulmeister

Phylogenetische Bäume müssen nicht binär sein; sie können auch Polytomien (ein Ast spaltet sich in > 2 Äste) haben

Es wird zwischen harten Polytomien (gleichzeitige Artenbildung) undweichen Polytomien (fehlende Auflösung) unterschieden.

Verschiedene Gruppen können monophyletisch und von gleichem Rang sein (z.B. Gattung), aber es bedeutet nicht das beide equivalent im evolutionären Sinn sind

Beachte: phylogenetische Bäume sind Abbildungen eines rekonstruierten Prozesses, d.h., sie beinhalten keine ausgestorbenen Arten

break

Teil III

• phylogenetische Bäume berechnen und analysieren

Klassifizierung von kontinuierlichen morphologischen Merkmalen oft uneindeutig

• Heutzutage: molekulare Phylogenetik, basierend auf der Analyse klar definierter Nukleotide (4) / Aminosäuren (20)

Molekulare Phylogenetik

• Weitere Vorteile von DNA/Proteinsequenzen

- vererbtes Material

- einfache und kostengünstig zu generieren

- hoch-spezifisch und hoher Informationsgehalt

Molekulare Phylogenetik

Zuckerkandl & Pauling 1962:Mutationsrate von Proteinen ist zeitlich konstant

-> ‚Molekulare Uhr‘ (mehr dazu in der Phylogenie II Vorlesung)

Time since divergence

Phylogenetische Bäumen werden im Newick format geschrieben

Schritt 1: Erstelle ein Kreisdiagramm

Schritt 2: Schreibe das Newick Format als Kreisdiagramm auf

A B C D E

Schritt 1: Erstelle ein Kreisdiagramm

Schritt 2: Zeichne den Baum

(((A,B),(C,D)),(E,F))

Das Newick Format

(((A,B),(C,D)),(E,F))

A B C D E F

A B C D E F

A B C D E F

Das Newick Format

(((A,B),(C,D)),(E,F))

(((A,B),(C,D)),(E,F))

• Distanzmethoden: phylogenetischer Baum basiert auf einer Matrix aus

Distanzen zwischen Sequenzpaaren

• Maximale Parsimonie: Der genaueste Baum ist derjenige, welcher der

geringsten Anzahl von Gesamtaustauschen (Mutationen, Ereignissen) entspricht

• Maximum likelihood: phylogenetischer Baum maximiert die Wahrscheinlichkeit

der genetischen Daten für den gegeben Baum

• Bayessche Analyse-Methoden

Algorithmen zur Baumfindung

a ATGACAATATGACAGACA

b ATCACAATATGACAGACA

c AAAAGAACAAAAGAATGA

d ATAAGTACATAAGTAAGT

e TTTAGTACATAAGTAAGT

f TCAAGTACATAAGTAAGT

Idee: Sequenzen nah verwandter Arten sind ähnlicher als Sequenzen von entfernt verwandten Arten

→ Verwende Sequenzunterschiede zum Erstellen eines phylogenetischen Baumes

Algorithmen zur Baumfindung: I) Distanzmethoden

Algorithmen zur Baumfindung: I) Distanzmethoden

Beispiele:

o Unweighted Pair-Group Method with Arithmetic Averaging (UPGMA)

… assumes equal rates of evolution -> branch tips are aligned

… okay to use for proteins

o Neighbor Joining (NJ)

… oft verwendet für 1. Baum, dann weitere Analysen

… allows for unequal rates of evolution -> branch lengths proportional to the amount of change

UPGMA NJ

UPGMA

1) Bestimme die Anzahl an Unterschieden zwischen allen Paaren von Sequenzen, also A-B, A-C, A-D, B-C, etc

A-B

A-C B-C

A-D B-D C-D

UPGMA

1) Bestimme die Anzahl an unterschiedlichen Basen zwischen allen

Paaren von Sequenzen

2) Trage alle Werte in eine Matrix ein; jeder Wert ist vorerst ein “elementarer

Cluster”

1 2 3 4A-B

4

UPGMA

1) Bestimme die Anzahl an unterschiedlichen Basen zwischen allen Paaren von

Sequenzen

2) Trage alle Werte in eine Matrix ein; jeder Wert ist vorerst ein “elementarer

Cluster”

1 2 3 4A-C 5 6 7 8

4

8

UPGMA

1) Bestimme die Anzahl an unterschiedlichen Basen zwischen allen Paaren von

Sequenzen

2) Trage alle Werte in eine Matrix ein; jeder Wert ist vorerst ein “elementarer

Cluster”

3) Identifiziere die 2 Sequenzen mit der geringsten Anzahl an unterschiedlichen

Basen

1

4) Fasse die 2 Sequenzen mit der geringsten Anzahl an unterschiedlichen

Basen (hier C-D) zu einem neuen Cluster zusammen

5) Berechne die Distanzen zwischen dem neugebildeten Cluster und allen

anderen Clustern als den Mittelwert aus den alten Werten; setze die Distanz

der zu einem Cluster vereinten Sequenzen zueinander = 0

Neuer Cluster

Setze = 0

Neuer Cluster

5) Berechne die Distanzen zwischen dem neugebildeten Cluster und allen

anderen Clustern als den Mittelwert aus den alten Werten; setze die Distanz

der zu einem Cluster vereinten Sequenzen zueinander = 0

Wiederhole: Niedrigste Anzahl an unterschiedlichen Basen?

5) Berechne die Distanzen zwischen dem neugebildeten Cluster und allen

anderen Clustern als den Mittelwert aus den Werten

Wiederhole: Niedrigste Anzahl an unterschiedlichen Basen? 3.5

Wiederhole: -bilde neuen Cluster; -berechne Distanzen zum neuen Cluster

Neuer Cluster Wiederhole: setze = 0

Neuer Cluster

• Distanzberechnung ähnlich wie UPGMA , aber

• Keine Annahme der “molekularen Uhr”

• Oft verwendet für 1. Baum, dann weitere Analysen (Maximum

Likelihood oder Bayesche Methoden)

Beispiel Distanzmethode: NJ(Neighbour Joining)

1) Erstelle Distanzmatrix

2) Beginne mit “star tree”

3) Füge einen Knoten zwischen die Blätter

mit den kürzesten Distanzen (hier A-B)

4) Berechne alle Abstände neu

5) Wiederhole bis keine unaufgelösten Knoten mehr

6) Finde die Wurzel mit Hilfe einer “Außengruppe”

Distanzmethoden – Pro und Contra

Zusammenfassung:Distanzmethoden basieren auf der Anzahl von Sequenzunterschieden (= gesamte Divergenz)

Vorteile+ leicht zu implementieren+ schnell+ nur ein Baum

Nachteile- Betrachtet nur Ähnlichkeit, nicht die evolutionäre Geschichte- UPGMA: Annahme der molekularen Uhr, d.h. kann falsche Bäume erstellen, wenn die Änderungsraten nicht in allen Linien die gleichen sind

Occam’s Rasiermesser (Occam’s razor): “When multiple explanations are

available for a phenomenon, the simplest version is preferred.” (Wikipedia)

-> Der genaueste Baum ist derjenige, welcher der geringsten Anzahl von

Gesamtaustauschen (Mutationen, Ereignissen) entspricht

MP ergibt ungewurzelte Bäume

Algorithmen zur Baumfindung:

II) Maximale Parsimonie (MP)

1.) Wie viele mögliche ungewurzelte Bäume gibt es für 4 Sequenzen?

(Formel)

2.) Für welchen Baum benötigen wir die niedrigste Anzahl evolutionärer

Ereignisse?

1.) Wie viele mögliche ungewurzelte Bäume gibt es für 4 Sequenzen?

(Formel)

NU

= (2n – 5)! / [2n-3(n – 3)!]

NU

= (2*4 – 5)! / [24-3*(4 – 3)!]

NU

= 3! / [2 * (1)!] = (1*2*3) / (1*2) = 6 / 2 = 3

1.) Wie viele mögliche ungewurzelte Bäume gibt es für 4 Sequenzen?

(Formel)

2.) Für welchen Baum benötigen wir die niedrigste Anzahl evolutionärer

Ereignisse?

Schritt 1: Berechne die Anzahl der Mutationen an Position 1 die man braucht, um die drei

verschiedenen Topologien zu realisieren

Schritt 1: Berechne die Anzahl der Mutationen an Position 1 die man braucht, um die drei

verschiedenen Topologien zu realisieren

Schritt 2: Berechne die Anzahl der Mutationen an Position 2 die man braucht, um die drei

verschiedenen Topologien zu realisieren

Position 3..

Position 9..

• summiere die Anzahl der Mutationen für jede Topologie auf – diejenige mit der

geringsten Anzahl an Gesamtmutationen ist die “most parsimonious” Topologie

Die wahrscheinlichste Vorgängersequenz (“ancestral sequence”) ergibt sich aus

den wahrscheinlichsten Basen an jeder Position

MP – Pro und Contra

Zusammenfassung:Parsimonie basiert auf Charakterzuständen→ sie betrachtet die gesamte Sequenz

Vorteile+ einfach+ evolutionäres Modell

Nachteile- ALLE möglichen Bäume müssen untersucht werden (d.h. sehr zeitaufwändig oder sogar unmöglich)

- berücksichtigt 'multiple hits' nicht→ systematische Unterschätzung der Divergenz zwischen Arten

- verschiedene Bäume können die gleiche Anzahl von Änderungen haben

Teil IV

• Anwendungsgebiete der Phylogenetik

Wofür brauchen wir Phylogenetik?

Sortierung/Klassifizierung

- ermöglicht das Erkennen von Mustern/Beziehungen

- zeigt uns die biologischen Prozesse die der Artenvielfatzugrunde liegen

- Rückverfolgung genetischer Geschichte zahlreicher Arten Beweis für Prozess der Artenbildung nach Darwin

Warum ist Phylogenetik wichtig

1) Evolutionäre Geschichte

Beispiel: höhere Säugetiere

Teeling and Hedges, 2013, MBE

Warum ist Phylogenetik wichtig

2) Adaptive Radiation

Beispiel: Nektar Sporen in Akeleien (Aquilegia; Ranunculaceae)

Whittall and Hodges (2007, Nature)

Co-evolutionary race?

Pollinator shift ?

2) Adaptive Radiation

Beispiel: Nektar Sporen in Akeleien (Aquilegia; Ranunculaceae)

Nur zwei sign. Transitionen in ‚pollination syndrome‘

-> Pollinator shift

Warum ist Phylogenetik wichtig

3) Entstehung von Biodiversität

Beispiel 1: Primaten

Sp

ecia

tion

Rate

Springer et al. 2012, PLoS one

Sp

ecia

tion

Rate

Warum ist Phylogenetik wichtig

4) Biogeographie

Beispiel 1: geographische Herkunftder Primaten

Es gibt:80 Arten in Afrika97 Arten in Asien93 Arten in Madagaskar95 Arten in Südamerika2 Arten in Afrika & Asien

Von der Phylogenie wissen wir, dass Primaten nicht aus Südamerika oder Madagaskar stammen können

5) Forensik

Beispiel: HIV infizierte Kinder in einem Lybischen Krankenhaus

Datieren des Beginns der Infektionen mithilfe der molekulare Uhr

De Oliverira et al. 2006, Nature

Warum ist Phylogenetik wichtig

5) Ökologie/Artenschutz

Warum ist Phylogenetik wichtig

Mögliche Fragestellungen (Auswahl):

- Do current protected areas adequately protect evolutionary history (richness)

- Are more diverse communities more productive (richness)

- Do more diverse communities provide greater ecosystem services (richness)

- Are distinct species more invasive relative to community composition(divergence)

- Are communities with evenly distributed history better able to adapt to future habitats

(regularity)

Warum ist Phylogenetik wichtig

5) Systematik

?

Warum ist Phylogenetik wichtig

5) Systematik

Apomorphie: abgeleitetes Merkmal (generell)

(Aut-)Apomorphie

Autapomorphie: abgeleitetes Merkmal, das in nur einem Taxon zu finden ist

Warum ist Phylogenetik wichtig

5) Systematik

?

Warum ist Phylogenetik wichtig

5) Systematik

Plesiomorphie: ursprüngliches Merkmal

Plesiomorphie

Warum ist Phylogenetik wichtig

5) Systematik

Plesiomorphie: ursprüngliches Merkmal

(Sym)Plesiomorphie

Symplesiomorphie: ursprüngliches Merkmal, das Geschwister Taxa gemeinsam ist, aber auch bereits in evolutionär älteren gemeinsamen Vorfahren existiert

! Plesiomorphe Merkmale sind völlig ungeeignet für die Rekonstruktion

verwandschaftlicher Beziehungen im Baum!

! Plesiomorphe Merkmale sind völlig ungeeignet für die Rekonstruktion

verwandschaftlicher Beziehungen im Baum!

gills present

Warum ist Phylogenetik wichtig

5) Systematik

?

Warum ist Phylogenetik wichtig

5) Systematik

Synapomorphie: gemeinsames abgeleitetes Merkmal in mehreren Taxa, das von einem gemeinsamen Vorfahren vererbt wurde

Synapomorphie

Warum ist Phylogenetik wichtig

5) Systematik

Homoplasie: Abgeleitetes Merkmal, das bei mehreren Taxa jeweils voneinander unabhängig entstanden ist (Konvergenz)

Homoplasie, fälschlich identfiziert als Homologie, führt zu falscher Inferenz von evolutionären Beziehungen!

• Homologie: Ähnlichkeit aufgrund Vererbung des Merkmals von einem gemeinsamen Vorfahren

• Homoplasie/Konvergenz: Ähnlichkeit aufgrund mehrmaligen, unabhängigen Entstehens

Homology

Birds Pterosaurs Dinosaurs

Homoplasie

Birds Dinosaurs Pterosaurs

Warum ist Phylogenetik wichtig

5) Systematik

Homoplasie: Abgeleitetes Merkmal, das bei mehreren Taxa jeweils voneinander unabhängig entstanden ist (Konvergenz)