PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert...

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PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein Beitrag zum moralischen Programm Plutarchs In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des Archestratos, Griechenland würde zwei Leute wie Alkibiades nicht ertragen können: λλς οκ ν νεγκε δο λκιβιδας. Die zu dieser Äußerung gemachte Bemerkung von J. de Romilly unter- streicht mit voller Bewunderung die Eigentümlichkeit des Alkibia- des: „Mais il ne saurait y avoir deux Alcibiade: en bien comme en mal, il est unique. Et sa vie l’est aussi“ 1 . Und trotzdem! Diese Be- wertung von de Romilly erhält zusätzliches Gewicht dadurch, daß Plutarch gerade seinen ‚einmaligen‘ Protagonisten auf gleiche Ebe- ne mit einer anderen Figur stellt: In der Lysander-Vita 19,5–6 fin- det sich bezeichnenderweise eine Wiederholung des Zitates über Alkibiades, nur daß es hier der Lakedaemonier Eteokles auf den Spartaner Lysander anwendet. An dieser Stelle gibt Plutarch expli- zit die Parallelität zwischen Lysander und Alkibiades zu erkennen: θεν εδοκμησεν τεοκλς Λακεδαιμνιος επν ς οκ ν λλς δο Λυσνδρους νεγκε. τ δ ατ τοτο κα περ λκιβιδου φησ Θεφραστος επεν ρχστρατον. λλ κε μν βρις ν κα τρυφ σν αθαδε τ μλιστα δυσχεραινμενον· τν δ Λυσνδρου δναμιν το τρπου χαλεπτης φοβερν ποει κα βαρεαν. Dem plutarchischen Konzept gemäß sind die Parallelbiographien Charakterstudien und tragen einen vorwiegend ethischen Charak- ter. Plutarch wollte durch seine Viten moralische Exempla geben und seine Leser erziehen. Als eigentliches Ziel seiner biographi- schen Leistung sieht er die πανόρθωσις θν (Aem. 1,3), eine mo- ralische Belehrung der Leser. Dem Biographen kam es sehr darauf an, in paralleler Betrachtung ähnliche Züge zwischen den Helden einer Syzygie aufzuzeigen und diese als einheitliche Komposition zu behandeln 2 . Auch die divergierenden charakterlichen Eigen- 1) J.de Romilly, Alcibiade ou les dangers de l’ambition, Paris 1995, 253. 2) Als locus classicus für diese Methode gilt Mul. virt. 243B–D: κα μν οκ στιν ρετς γυναικεας κα νδρεας μοιτητα κα διαφορν λλοθεν κατα- RhM 153 (2010) 323–352

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PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADESALS sbquoSYZYGIElsquo

Ein Beitrag zum moralischen Programm Plutarchs

In der Alkibiades-Vita 168 zitiert Plutarch die Aussage desArchestratos Griechenland wuumlrde zwei Leute wie Alkibiades nichtertragen koumlnnen λλς οκ ν νεγκε δο λκιβιδας Die zudieser Aumluszligerung gemachte Bemerkung von J de Romilly unter-streicht mit voller Bewunderung die Eigentuumlmlichkeit des Alkibia-des bdquoMais il ne saurait y avoir deux Alcibiade en bien comme enmal il est unique Et sa vie lrsquoest aussildquo1 Und trotzdem Diese Be-wertung von de Romilly erhaumllt zusaumltzliches Gewicht dadurch daszligPlutarch gerade seinen sbquoeinmaligenlsquo Protagonisten auf gleiche Ebe-ne mit einer anderen Figur stellt In der Lysander-Vita 195ndash6 fin-det sich bezeichnenderweise eine Wiederholung des Zitates uumlberAlkibiades nur daszlig es hier der Lakedaemonier Eteokles auf denSpartaner Lysander anwendet An dieser Stelle gibt Plutarch expli-zit die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades zu erkennen

θεν εδοκμησεν τεοκλς Λακεδαιμνιος επ$ν ς οκ ν λλςδο Λυσνδρους νεγκε τ( δ) ατ( τοτο κα+ περ+ λκιβιδου φησ+Θεφραστος επεν ρχ1στρατον 2λλ3 4κε μ)ν 5βρις 6ν κα+ τρυφ7 σ8ναθαδε9 τ( μλιστα δυσχεραινμενον τ7ν δ) Λυσνδρου δναμιν το τρπου χαλεπτης φοβερν 4ποει κα+ βαρεαν

Dem plutarchischen Konzept gemaumlszlig sind die ParallelbiographienCharakterstudien und tragen einen vorwiegend ethischen Charak-ter Plutarch wollte durch seine Viten moralische Exempla gebenund seine Leser erziehen Als eigentliches Ziel seiner biographi-schen Leistung sieht er die 4πανόρθωσις =θgtν (Aem 13) eine mo-ralische Belehrung der Leser Dem Biographen kam es sehr daraufan in paralleler Betrachtung aumlhnliche Zuumlge zwischen den Heldeneiner Syzygie aufzuzeigen und diese als einheitliche Kompositionzu behandeln2 Auch die divergierenden charakterlichen Eigen-

1) J de Romilly Alcibiade ou les dangers de lrsquoambition Paris 1995 2532) Als locus classicus fuumlr diese Methode gilt Mul virt 243BndashD κα+ μ7ν οκ

στιν 2ρετς γυναικεας κα+ 2νδρεας μοιτητα κα+ διαφορν λλοθεν κατα -

RhM 153 (2010) 323ndash352

schaften sind in ihrer Beziehung zueinander und zu den morali-schen Zielen Plutarchs zu sehen

Alkibiades und Lysander gehoumlren zwar verschiedenen Syzy-gien an Der roumlmische Partner des Alkibiades ist Coriolanus jenerdes Lysander Sulla Betrachtet man aber die oben zitierte Stelle soerkennt man daszlig Plutarch die zwei Zitate nutzt um Lysander undAlkibiades gegenuumlberzustellen und einen charakterlichen Ver-gleich zu ziehen der auf einen inneren Zusammenhang deutet Eingemeinsames Kennzeichen wird festgestellt ihre UnertraumlglichkeitDieses Merkmal wird auf differenzierte negative Ursachen zuruumlck-gefuumlhrt Uumlbermut und Uumlppigkeit (5βρις τρυφ7 σ8ν αθαδε9)charakterisieren Alkibiades eine furchtbare und druumlckende Macht(φοβερ κα+ βαρεα δύναμις) wegen seiner Haumlrte (χαλεπτης τοτρπου) Lysander Diese Diagnose weist Aumlhnlichkeiten mit denrhetorischen Formulierungen in der abschlieszligenden Synkrisis ei-ner Syzygie auf wo Plutarch die Aufmerksamkeit des Lesers aufdie feinen Verschiedenheiten zwischen den zwei Partnern zu len-ken pflegt Es sieht so aus als ob beide Persoumlnlichkeiten zu einereinheitlichen Komposition gehoumlrten d h zu einer Art sbquoSyzygielsquowobei Plutarch ein charakterliches Merkmal als Rechtfertigung derPaarung vorbringt

Fuumlr die zwei Zitate gibt es antike Parallelen Bei Aelian be-gegnet man beiden mit dem Zusatz eines Adjektivs Sowohl Ly-sander als auch Alkibiades waren unertraumlglich (2φόρητοι)3 Dasentspricht der Formulierung und dem Inhalt der Aumluszligerungen Plut-archs Allerdings wird bei Aelian der Gedanke nicht auf Griechen-land insgesamt sondern nur auf die jeweilige Heimatstadt der Prot -agonisten bezogen Laut Eteokles wuumlrde Sparta zwei Leute wieLysander laut Archestratos wuumlrde Athen zwei Leute wie Alkibia-des nicht ertragen koumlnnen Auch bei Athenaios4 und Eustathios5

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μαθεν μDλλον E βους βοις κα+ πρξεσι πρξεις Gσπερ ργα μεγλης τ1χνηςπαρατιθ1ντας Hμα κα+ σκοποντας ε τ(ν ατ(ν χει χαρακτρα κα+ τπον Σεμιρμεως μεγαλοπραγμοσνη τJ ΣεσKστριος λλως γρ 2νδρεος χιλλε8ςλλως ΑMας κα+ φρνησις Nδυσσ1ως οχ μοα τJ Ν1στορος οδ) δκαιοςσατως Κτων κα+ γησλαος

3) VH 117 λεγεν τεοκλς Λκων δο Λυσνδρους τ7ν Σπρτην μ7 νQπομεναι κα+ ρχ1στρατος θηναος λεγε δο λκιβιδας τ7ν τgtν θηναωνο5τως ρα ατgtν Rκτεροι 6σαν 2φρητοι

4) 12535d5) Comm I 32548ndash49

werden beide Persoumlnlichkeiten zusammen erwaumlhnt und jeweils istder Bezugspunkt Sparta bzw Athen Plutarch begnuumlgt sich hin -gegen nicht mit dem Verweis auf die Rolle eines jeden Strategen inseiner Heimat er will beide Protagonisten in den Rahmen der griechischen Politik der klassischen Zeit und in ein geschlossenesCorpus einordnen Demzufolge duumlrften hinter dem Bezug aufGriechenland persoumlnliche Ansichten Plutarchs zu vermuten seinLysander und Alkibiades waren seiner Meinung nach die zweiLeitfiguren ihrer Zeit und die Hauptrepraumlsentanten der griechi-schen Politik am Ende des Peloponnesischen Krieges6 Aus dieserPerspektive soll der Leser ihre charakterlichen Merkmale und dieEreignisse ihres Lebens verfolgen

In der Plutarch-Forschung hat die Frage welche Bedeutungder Synkrisis fuumlr das Verstaumlndnis der Methoden zukommt diePlutarch fuumlr die Komposition seiner parallelen Viten verwendethat besonderes Interesse geweckt7 Gegenstand der Untersuchun-gen ist zum einen die abschlieszligende Synkrisis die in den meistenFaumlllen den beiden Biographien folgt zum anderen die einheitlicheKomposition einer Syzygie deren beide Teile einander gegenseitigerhellen koumlnnen Daruumlber hinaus sind Nebenfiguren als Kontrast-folien in den Biographien wichtig aber auch die Betrachtung derProtagonisten selbst als Vergleichsfiguren ist ein sehr feines Mittelder biographischen Synkrisis Plutarchs Neben Themistokles tritt

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6) Zu der Moumlglichkeit neben den Syzygien als Diptychen auch einzelne Bio-graphien in Serien oder paarweise zu erforschen siehe E G Schmidt PlutarchsAthenerbiographien in B Kuumlhnert V Riedel R Gordesiani (Hrsg) Prinzipatund Kultur im 1 und 2 Jahrhundert Bonn 1995 251ndash266 bes 256 ff Auf die hi-s t orische Dimension der Biographien weist zuletzt J M Candau Moroacuten PlutarchrsquosLysander and Sulla Integrated Characters in Roman Historical PerspectiveAJPh 141 (2000) 453ndash478 bes 457 hin

7) Vgl e g H Erbse Die Bedeutung der Synkrisis in den Parallelbiographi-en Plutarchs Hermes 84 (1956) 398ndash424 (abgedr in ders Ausgewaumlhlte Schriftenzur Klassischen Philologie Berlin New York 1979 478ndash505) P A Stadter Plut -archrsquos Comparison of Pericles and Fabius Maximus GRBS 16 (1975) 77ndash85 (abgedrin B Scardigli [Hrsg] Essays on Plutarchrsquos Lives Oxford 1995 155ndash164)C B R Pelling Synkrisis in Plutarchrsquos Lives in F E Brenk I Gallo (Hrsg) Mis-cellanea Plutarchea Atti del I convegno di studi su Plutarco (Quaderni del Giorna-le Filologico Ferrarese 8) Ferrara 1986 83ndash96 (abgedr in ders Plutarch and His -tory Eighteen Studies London 2002 349ndash363) ders sbquoSynkrisislsquo revisited inA Peacuterez Jimeacutenez F Titchener (Hrsg) Historical and Biographical Values of Plut-archrsquos Works Studies devoted to Professor Philip A Stadter by the I P S Maacutelaga Utah 2005 325ndash340

Aristeides neben Demosthenes Phokion neben Perikles Kimonneben Nikias Alkibiades neben Lysander Agesilaos usw8 Im fol-genden werden wir Lysander und Alkibiades in paralleler Betrach-tung interpretieren sowohl als Protagonisten in ihren Viten wieauch als Folienfiguren zueinander Im Anschluszlig daran werden wirdie Frage stellen inwiefern diese Parallelitaumlt durch die Stellung derzwei Viten in der relativen Chronologie der Parallelbiographienbegruumlndet ist und welche Schluszligfolgerungen man daraus in bezugauf das moralische Programm Plutarchs ziehen kann

I

Plutarchs Protagonisten Lysander und Alkibiades verfuumlgenuumlber eigene Biographien im plutarchischen Werk sie sind Zeitge-nossen und weisen in vieler Hinsicht Parallelen auf Sie boten Plut-arch genuumlgend historisches Material um daraus ihren Charakterund ihre Sinnesart ans Licht zu bringen In der Art der Darstellungoffenbart sich Plutarchs Bestreben beide als Folienfiguren aufein-ander zu beziehen Diese Synkrisis ist in mehreren Bereichen auf-zuweisen Es lohnt sich einige Beispiele anzufuumlhren Gerade alsAlkibiades aus der Verbannung zuruumlckgerufen und an die Spitzeder athenischen Flotte gestellt einen gewaltigen Umschwung zu-gunsten der Athener hervorruft tritt Lysander als die korrespon-dierende Groumlszlige auf die als δειν(ς γεμών zur lakedaemonischenFlotte entsandt wird (Lys 31ndash2) Plutarch schildert mit voller Ab-sicht die uumlberragenden Erfolge des Alkibiades als Herausforderungfuumlr Lysander was in rhetorischer Terminologie eine σύγκρισις πρ(ςτο8ς 4νδόξους ist man zieht etwas anerkannt Gutes zum Vergleichheran um die Leistung des Protagonisten um so groumlszliger erscheinenzu lassen9 Andererseits konnte Lysander in der ansonsten unbe-

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8) Siehe H Beck Interne Synkrisis bei Plutarch Hermes 130 (2002) 469bdquoDer Effekt von Folienfiguren war um so groumlszliger wenn diese ihrerseits Lebensbe-schreibungen besaszligen Ansaumltze eines solchen internen Charaktervergleichsschimmern in Lysander und Agesilaos in Kimon und Perikles sowie in Themisto-kles und Aristeides durchldquo

9) Siehe Arist Rhet 1368a21ndash22 δε δ) πρ(ς 4νδόξoυς συγκρίνειν αξη τι κ(ν γρ κα+ καλόν ε σπoυδαίων βελτίων Menand Περ+ 4πιδεικτ 4218ndash10(Russ-Wils) δε γρ καλo καλλίoνα 2πoδεικνύναι E τVoν 4νδόξV 4φάμιλλoνoXoν E τY Zρακλέoυς βίV τ(ν βίoν ατo E τY Θησέως παραβάλλoντα Vgl Anax

deutenden Seeschlacht bei Notion die Athener nur dann besiegenals Alkibiades abwesend war und den Antiochos als Befehlshaberzuruumlckgelassen hatte An diesem Punkt bedient sich Plutarch derKontrastwirkung mit einer Nebenfigur in beiden Biographien undin doppelter Hinsicht (Lys 51ndash4 Alc 35)10 Er stellt Antiochoseinen Mann ohne Verstand und Maszlig einerseits der Geisteskraftvon Lysander und Alkibiades11 andererseits der verderblichenWirkung von Alkibiadesrsquo Ruf gegenuumlber es koumlnne ihm nichts miszliglingen (Alc 353 vgl Lys 48 2ήττητον) In der Lysander-Vitageht sogar die Wuumlrdigung des Spartaners vom Miszligerfolg des Alki-biades aus der fuumlr die Akzentuierung und Gewichtung der Passa-ge maszliggeblich ist Das Schicksal hat so Plutarch diese Schlachtobwohl sie in Wirklichkeit ohne groszlige Bedeutung war wegen Al-kibiades beruumlhmt gemacht (54) In noch gesteigerter Form erfolgtdie Parallelisierung zwischen Lysander und Alkibiades in der ent-scheidenden Schlacht bei Aigospotamoi (Lys 96ndash1113 Alc 366ndash375) Wie Plutarch die Geschichte verwertet ist aus dem Zusam-menhang klar ersichtlich Er versteht sich meisterhaft darauf diehistorische Begebenheit im Sinne seines Darstellungszieles nutzbarzu machen indem er die durch Zufall bedingte oumlrtliche Anwesen-heit des verbannten Alkibiades (vgl das τυγχάνειν in Lys 105) unddie somit ermoumlglichte geschichtliche sbquoZusammenkunftlsquo der zweiPersoumlnlichkeiten in einer dramatischen Klimax gipfeln laumlszligt Nach-dem die uumlbermuumltigen Athener die Gegner zu verachten begonnenhaben vermag neben Lysander allein Alkibiades die Entwicklungder Ereignisse vorauszusehen Das dient in besonderem Maszligedazu Lysander und Alkibiades als guumlltige Leitbilder des militauml -rischen Metiers hervortreten zu lassen Durch Einfuumlhrung der Autoritaumlt des Alkibiades wird die Unbedachtheit der athenischen

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Ars Rhet 37 Zum Thema sbquoPlutarch ndash Rhetoriklsquo siehe R Jeuckens Plutarch vonChaeronea und die Rhetorik Strassburg 1907 F Krauszlig Die rhetorischen SchriftenPlutarchs und ihre Stellung im plutarchischen Schriftenkorpus Nuumlrnberg 1912GW M Harrison Rhetoric Writing and Plutarch AncSoc 18 (1987) 271ndash279L Van der Stockt (Hrsg) Rhetorical Theory and Praxis in Plutarch Acta of the IVth

International Congress of the International Plutarch Society Louvain 200010) Vgl Anax Ars Rhet 39 σται δ) κα+ ]δε πντως α^ξειν ε κ1κριται

μ1γα 2γαθ(ν τοτο τοτV τι 4ναντον 4ν λ1γ_ς μ1γα κακ(ν φανεται σατως δ)ε νομζεται μ1γα κακν 4ν τοτV 4ναντον λ1γ_ς μ1γα 2γαθ(ν φανεται

11) Die Begriffe 4φυβρίζειν θρασύνεσθαι (Lys 51) oder 4φυβρίζεινκαταφρονεν (Alc 356) sind charakteristisch dafuumlr

Feldherren betont und die Bedeutung beider Protagonisten erhoumlhtPlutarch verwendet hier die rhetorischen Topoi μόνος und 4κκρίσεως12 Schlieszliglich duumlrfte es kein Zufall sein daszlig nach demEnde des Peloponnesischen Krieges der Tod des Alkibiades als dieunabdingbare Voraussetzung fuumlr die Bewahrung der bestehendenVerhaumlltnisse dargestellt wird Beim Befehl der Spartaner zur Touml-tung des Alkibiades wird als erster moumlglicher Grund die Furcht vorseiner aξύτης κα+ μεγαλοπραγμοσύνη genannt (Alc 386) Derjeni-ge der den Auftrag erhaumllt Alkibiades aus dem Weg zu raumlumen istkein anderer als Lysander

Im Nachvollziehen dieser historisch bedingten Parallelitaumltwenden wir uns nun den einzelnen Biographien und den Charak-termerkmalen der zwei Persoumlnlichkeiten zu Die Lysander-Vita istdie erste im Paar Lysander-Sulla jene des Alkibiades aller Wahr-scheinlichkeit nach die zweite im Paar Coriolanus-Alkibiades13Beide Syzygien entbehren eines formalen Prooumlmiums in demPlutarch eine Rechtfertigung der Paarungen geben koumlnnte Sie ver-fuumlgen allerdings uumlber eine abschlieszligende Synkrisis in der PlutarchAumlhnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Maumlnnerndarlegt

Ph Stadter hat zweifellos Recht Lysander ein bdquoparadoxes Exemplumldquo zu nennen Die Ambivalenz ist ein zentrales Kenn -zeichen dieses Mannes14 Das laumlszligt sich schon zu Beginn der Bio-graphie feststellen als Plutarch von einer Portraumltstatue in Delphiberichtet und in ihr die Darstellung des Lysander nicht des Brasi-das ndash trotz einer davon abweichenden verbreiteten Meinung ndash erkennen will Plutarch erwaumlhnt in seinem Werk Statuen und Portraumlts zu seinen biographischen Zwecken d h er versucht dieCharakterzeichnung durch das Aufzeigen entsprechender physio-

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12) Siehe Arist Rhet 1368a10ndash11 1398b21ndash26 Hierzu C Rapp AristotelesRhetorik Uumlbersetzt und erlaumlutert II Berlin 2002 428ndash429 764

13) Es gibt noch zwei Paare Aemilius Paulus-Timoleon Sertorius-Eumenesin denen die normale Reihenfolge sbquoGrieche ndash Roumlmerlsquo geaumlndert ist Vgl K ZieglerDie Uumlberlieferungsgeschichte der vergleichenden Lebensbeschreibungen PlutarchsLeipzig 1907 26 ff ders Plutarchos RE XXI (1951) 636ndash962 bes 897 f

14) P A Stadter Paradoxical Paradigms Lysander and Sulla in ders (Hrsg)Plutarch and the Historical Tradition London New York 1992 41ndash55 Von bdquomoral ambiguityldquo spricht T Duff Moral Ambiguity in Plutarchrsquos Lysander-Sullain J M Mossman (Hrsg) Plutarch and his Intellectual World Essays on PlutarchLondon 1997 169ndash187 ders Plutarchrsquos Lives Exploring Virtue and Vice Oxford1999 161ndash204 bes 200

gnomischer Merkmale zu stuumltzen15 Ohne die Gruumlnde praumlziser zubestimmen die ihn dazu veranlaszligt haben die Statue Lysander zuzuschreiben schildert er den Dargestellten als einen nach alterSitte langbehaarten und mit einem wuumlrdigen Vollbart ausgestatte-ten Mann Diese alte Sitte der Spartaner verbindet Plutarch mit einem Apophthegma Lykurgs (Lys 13) bdquoDas Haar macht dieSchoumlnen (καλοί) noch stattlicher (επρεπέστεροι) anzuschauenund die Haumlszliglichen (ασχροί) furchtbarer (φοβερώτεροι)ldquo In Philop 21 beruft sich Plutarch auf eine Portraumltstatue des Philo-poemen in Delphi um zu beweisen daszlig der achaische Feldherrnicht haumlszliglich war Im Falle Lysanders verschafft jedoch seine Statuedem Leser keine Klarheit War Lysander schoumln oder haumlszliglich Dienaumlchstliegende Schwierigkeit besteht darin daszlig die Adjektiveκαλός oder ασχρός sich sowohl auf das Aussehen eines Menschenals auch auf seinen Charakter beziehen koumlnnen Die Zweideutig-keit Lysanders bewegt sich somit auf verschiedenen Ebenen WarLysander schoumln oder haumlszliglich gut oder schlecht

Im Falle des Alkibiades bildet keine Statue den Ausgangs-punkt aber zu Beginn seiner Biographie fuumlhrt Plutarch einigeMerkmale des Aussehens seines Protagonisten auf er uumlbernimmtdie klassische Tradition vom vielgeruumlhmten κάλλος des Alkibiadesohne detaillierte Beschreibung als ob es fuumlr den Leser selbstver-staumlndlich waumlre16 Plutarch hebt die gute Naturanlage und dieSchoumlnheit des Koumlrpers des Alkibiades in jedem Alter (Alc 15 δι3εφυbαν κα+ 2ρετ7ν το σKματος) hervor Durch den Zusatz τοσKματος geht Plutarch allerdings von vornherein mit bestimmtenVorstellungen an Alkibiades heran Er laumlszligt naumlmlich die Frage nachseiner Tugendhaftigkeit offen17 und deutet damit einen Gegensatz

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15) Siehe Them 223 Aem 284ndash5 Flam 11 Philop 21 Mar 21 Sull 21Brut 11 Lys 58 Demetr 22 Ant 41 603 Arat 32 De ad et am 74E De fort99A De Alex fort 335BndashC Zur Lysanderstatue siehe A E Wardman Descriptionof Personal Appearance in Plutarch and Suetonius The Use of Statues as EvidenceCQ 17 (1967) 417ndash418 J-F Bommelaer Lysandre de Sparte Histoire et TraditionsParis 1981 13ndash14 J M Mossman Plutarchrsquos Use of Statues in M A Flower M Toher (Hrsg) Georgica Greek Studies in Honour of George Cawkwell Lon-don 1991 111 W J Tatum The Regal Image in Plutarchrsquos Lives JHS 116 (1996) 146

16) Zum κάλλος des Alkibiades vgl Plat Alc I 113b Prot 316a XenMem 1224

17) Vgl T Duff How Lives begin in A G Nikolaidis (Hrsg) The Unity ofPlutarchrsquos Work sbquoMoralialsquo Themes in the sbquoLiveslsquo Features of the sbquoLiveslsquo in the sbquoMo-ralialsquo Berlin New York 2008 198ndash199

zwischen der unumstrittenen koumlrperlichen Schoumlnheit und dem wi-derspruumlchlichen Charakter seines Protagonisten an an dem ihmgelegen ist In den nachfolgenden einleitenden Bemerkungen uumlberden Charakter des Alkibiades (21) macht Plutarch kurze allge-meine und nicht sehr deutliche Feststellungen Daszlig damit nichteine Ablehnung oder Abwertung des Alkibiades beabsichtigt wirdist klar Aber es faumlllt Plutarch schwer die charakterlichen Eigen-schaften des Alkibiades deutlich zu benennen Bei der Zeichnungseines Charakters tritt eine Aumlhnlichkeit mit Lysanders Ambivalenzstark hervor Plutarch beginnt mit der formalen Feststellung vonWiderspruumlchen in sich (2νομοιότηται πρ(ς αQτό) und Wandlungen(μεταβολαί) seines Ethos die von aumluszligeren Bedingungen abhaumlngiggewesen seien Alkibiades war Gegenstand der verschiedenstenEinfluumlsse groszlige Ereignisse und Wechselfaumllle des Schicksals (πράγ -ματα μεγάλα τύχαι πολύτροποι) Plutarch beschreibt hier keinenZustand sondern einen Prozeszlig der verdeutlicht warum Alkibia-des sich nicht gleich blieb Er wurde von aumluszligeren Ereignissen be-stimmt Danach stellt Plutarch fest daszlig seine φύσις von einer Viel-falt von πάθη bestimmt war18 Unter den Leidenschaften werdenτ( φιλόνικον und τ( φιλόπρωτον hervorgehoben Die erste dersbquoDurchsetzungswillelsquo wird naumlher bestimmt durch die zweite sbquodenDrang zum ersten Platzlsquo Dieses Begriffspaar eignet sich durchausals Schluumlssel zum spaumlteren Verhalten des Alkibiades Die genann-ten Eigenschaften beschreiben die Motivierung eines Ehrgeizigenin einer agonistischen Gesellschaft Es ist zu bemerken daszlig imweiteren Verlauf der Biographie Plutarch haumlufig von φιλοτιμίαspricht19 Offenbar kommt es Alkibiades sehr auf die Meinung an-

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18) Zur plutarchischen Charakterzeichnung und der Frage nach dem Zu-sammenhang zwischen φύσις und θη oder πάθη siehe vor allem D A Russell OnReading Plutarchrsquos Lives GampR 13 (1966) 139ndash154 (abgedr in Scardigli [wieAnm 7] 75ndash94) A Dihle Studien zur griechischen Biographie 2 Aufl Goumlttingen1970 76 ff bes 84 ff C Gill The Question of Character-Development Plutarchand Tacitus CQ 33 (1983) 469ndash487 C B R Pelling Aspects of Plutarchrsquos Charac-terisation ICS 132 (1988) 257ndash274 bes 258 ff (abgedr in ders Eighteen Studies[wie Anm 7] 283ndash300) S Swain Character Change in Plutarch Phoenix 43 (1989)62ndash68 R A Wright Plutarch on Moral Progress in J T Fitzgerald (Hrsg) Pas -sions and Moral Progress in Greco-Roman Thought London New York 2008136ndash150

19) Vgl Alc 64 75 112 164ndash5 276 343 Zu φιλοτιμία bei Plutarch sie-he A Wardman Plutarchrsquos Lives London 1974 115ndash124 F Frazier A propos de lasbquophilotimialsquo dans les sbquovieslsquo Quelques jalons dans lrsquohistoire drsquoune notion RPh 63

derer uumlber ihn an und er bemuumlht sich darum wie es eben fuumlrφιλοτιμία typisch ist20

Die charakterliche Zweideutigkeit des Lysander und des Al-kibiades fuumlhrt uns nun direkt zu der Debatte uumlber die μεγάλαιφύσεις Im Prooumlmium des Paares Demetrios-Antonius wird dieplatonische These herangezogen daszlig die groszligen Naturen sowohlgroszlige Laster als auch groszlige Tugenden hervorbraumlchten τι κα+κακας μεγλας Gσπερ 2ρετς αf μεγλαι φσεις 4κφ1ρουσι (17ndash8)21 Diese These ist auf die platonische Politeia 491e ff zuruumlckzu-fuumlhren Dort wird von den Seelen edelster Natur (εφυέσταται) ge-sprochen die durch schlechte Erziehung (κακ7 παιδαγωγία) auchschlecht werden Es sind Ehrenbezeugungen und Schmeicheleiendurch die die Leute einen Menschen mit guter Anlage im Hinblickauf seine kuumlnftige Macht zu gewinnen versuchen (494c) Platonkann hier durchaus an Alkibiades gedacht haben22 Ein solcherMann faumlhrt Platon fort wenn er reich und edel und dazu groszlig istwird sich mit unbegrenzten Hoffnungen anfuumlllen und sich imstan-de waumlhnen die Angelegenheiten der Griechen und der Barbaren zuleiten Er wird sich uumlbermaumlszligig erheben von leerer Einbildung auf-geblasen Jemand kann sich ihm bescheiden naumlhern und sagen daszliger noch der Einsicht und Vernunft bedarf Auch wenn er aufgrundseiner Naturanlage durch diese Reden sbquobekehrtlsquo und zur Philoso-phie hingezogen wird werden die anderen alles unternehmen da-mit sie ihn nicht verlieren (494e) Ein solcher Mann kann letztend-lich kein Philosoph werden (495a)

331Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

(1988) 109ndash127 G Roskam Τ( καλ(ν ατό [ ] χοντας τέλος (Praec gerreip 799A) Plutarch on the Foundation of the Politicianrsquos Career Ploutarchosn s 2 (2004ndash2005) 89ndash103 bes 93 ff E Alexiou Πλουτάρχου Παράλληλοι Βίοι Ηπροβληματική των sbquoθετικώνlsquo και sbquoαρνητικώνlsquo παραδειγμάτων Thessaloniki 2007112ndash113

20) Siehe Comp Cor-Alc 51 λκιβιδης μ)ν οlν οκ =ρνετο τιμKμενοςχαρειν κα+ δυσφορεν παρορKμενος θεν 4πειρDτο προσφιλ7ς εmναι τος παροσικα+ κεχαρισμ1νος

21) Vgl T Duff Plutarch Plato and sbquoGreat Natureslsquo in A Peacuterez Jimeacutenez J Garcia Loacutepez R M Aguilar (Hrsg) Plutarco Platoacuten y Aristoacuteteles Actas del Vcongreso internacional de la International Plutarch Society Madrid 1999 313ndash332Alexiou (wie Anm 19) 235ndash245

22) Vgl J Hatzfeld Alcibiade Eacutetude sur lrsquohistoire drsquoAthegravenes agrave la fin du Vesiegravecle 2 Aufl Paris 1951 53 Vgl D Gribble Alcibiades and Athens A Study inLiterary Presentation Oxford 1999 219 Anm 15 mit weiterer Literatur

In der Alkibiades-Vita decken sich Platons Erlaumluterungen mitden bei Plutarch ausgefuumlhrten Gedanken uumlber Alkibiades DerBiograph verwendet aumlhnliches Vokabular23 um die Unbestaumlndig-keit des Atheners und die Konkurrenz zwischen einer guten undeiner schaumldlichen Erziehung anschaulich zu machen Plutarchspricht hier unter Berufung auf den sokratischen Eros von der ed-len Naturanlage des Alkibiades (41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν vgl 61)die Sokrates erkannt und an sich gezogen hat Es sind allerdingsaumluszligere Guumlter und die Umwelt die Alkibiades von der guten Er-ziehung der Philosophie zu trennen drohten vor allem Schmeich-ler die ihn in hochfliegende politische Plaumlne und Ambitionen(φιλοτιμία μεγαλοπραγμοσύνη) trieben bevor es an der Zeit war(61ndash5 vgl 41ndash2) Es wird unter anderem gesagt daszlig Alkibiadesdie Macht und den Ruhm des Perikles uumlberbieten wuumlrde24 Sokra-tes versuchte ihn wieder zu beruhigen und demuumltig zu machen alser erkannte wie viel ihm noch an der Vollkommenheit in der Tu-gend fehlte Daszlig Alkibiades letztendlich seine Leidenschaften vorallem das φιλόνικον κα+ φιλόπρωτον nicht unter Kontrolle haltenkonnte ist nicht verwunderlich Zwei Bilder machen seine Naturanschaulich In Alc 41 wird er mit einem Baum verglichen derwaumlhrend der Bluumlte seine eigene Frucht abwerfen und verderbenkann Auch in Nic 91 findet diese Neigung des Alkibiades sowohlzum Guten als auch zum Boumlsen ihren bemerkenswerten Ausdruckin einem Vergleich mit dem Land der Aumlgypter das nach einemHomerzitat wegen der Fruchtbarkeit des Bodens gute und schaumld-liche Stoffe in Massen erzeugte25

332 Evange los Alex iou

23) Vgl die woumlrtlichen Uumlbereinstimmungen Platon Rep 491e εφυ -εστάτας ndash Plut Alc 41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν Rep 494c προκαταλαμβάνοντες κα+προκολακεύοντες ndash Alc 41 προκαταλαμβάνοντα κολακείαις Rep 494c πλοσιςτε κα+ γενναος κα+ τι εειδ7ς κα+ μ1γας ndash Alc 41 τY εMδει κα+ διαλμπουσαν4νορgtν φοβομενος δ) τ(ν πλοτον κα+ τ( 2ξωμα Rep 494d σχηματισμο κα+φρονήματος κενο νευ νο 4μπιμπλάμενον ndash Alc 43 κα+ πιεζοντος τ(ν κεν(ν κα+2νόητον τφον Rep 494dndashe δι τ( εl πεφυκέναι κα+ τ( ξυγγεν)ς τgtν λόγωνεσαισθάνηταί τέ π_ κα+ κάμπτηται ndash Alc 61 διrsquo εφυΐαν qπτομένων τgtν λόγωνατο

24) Dieser Gedanke kommt auch im platonischen Alkibiades I 105b vor VglD A Russell Plutarch Alcibiades 1ndash16 PCPhS 192 (1966) 40 (abgedr in Scardi gli[wie Anm 7] 191ndash207)

25) Siehe Hom δ 230 φρμακα πολλ μ)ν 4σθλ μεμιγμ1να πολλ δ)λυγρ Vgl De aud poet 15C Zu Homerzitaten bei Plutarch vgl H SchlaumlpferPlutarch und die Klassischen Dichter Ein Beitrag zum klassischen Bildungsgut

Lysander fuumlgt sich ebenfalls in diesen Rahmen der groszligen Na-turen ein Der Spartaner wird woumlrtlich als eine μεγάλη φύσις be-zeichnet zunaumlchst ex negativo wegen einer Krankheit In Lys 25beruft sich Plutarch auf Ps-Aristoteles (Probl 953a) daszlig diegroszligen Naturen an μελαγχολία leiden Plutarch ordnet das Zitat ineinen Kontext ein der eine illustrative Funktion hat Lysanderwird neben Sokrates Platon und Herakles genannt26 Das duumlrftesich daraus erklaumlren daszlig bereits seit der klassischen Zeit eine be-sondere Tradition um Lysander und seine uumlberragenden Erfolgebestand und seine Persoumlnlichkeit auszligerordentliche Reaktionenher vorgerufen hat Aristoteles (Anal Post 97b15ndash25) zoumlgert nichtLysander als Beispiel groszliger Gesinnung (μεγαλοψυχία) neben Alkibiades Achill Aias und Sokrates zu stellen27 In der Nikoma-chischen Ethik ist der μεγαλόψυχος eine autarke Persoumlnlichkeit undfast eine uumlbermenschliche Figur Da fuumlr ihn sowohl die Ehre alsauch jedes andere aumluszligere Gut klein ist steht er in dem Ruf uumlber-heblich zu sein (1124a20)28 Der plutarchische Lysander erscheintebenfalls als ein Mann mit fast uumlbermenschlichen Faumlhigkeiten29

333Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Plutarchs Zuumlrich 1950 11ndash19 B X de Wet Plutarchrsquos Use of the Poets Acta Clas-sica 31 (1988) 13ndash25 bes 15ndash20 G Bona Citazioni omeriche in Plutarco inG DrsquoIppolito I Gallo (Hrsg) Strutture formali dei Moralia di Plutarco Napoli1991 151ndash162 E Alexiou Die Funktion der Homerzitate in Plutarchs Biographi-en in A Haltenhoff F-H Mutschler (Hrsg) Hortus Litterarum AntiquarumFestschrift fuumlr Hans Armin Gaumlrtner Heidelberg 2000 51ndash65 bes 60

26) Siehe P Toohey Melancholy Love and Time Boundaries of the Self inAncient Literature Ann Arbor 2004 36ndash37

27) Siehe R A Gauthier Magnanimiteacute Lrsquoideal de la grandeur dans la philo-sophie paienne et dans la theacuteologie chreacutetienne Paris 1951 bes 37 ff C C W TaylorAristotle Nicomachean Ethics Books IIndashIV Oxford 2006 217ndash218

28) Siehe E A Schmidt Ehre und Tugend Zur Megalopsychia der Aristote-lischen Ethik AGPh 49 (1967) 149ndash168 bes 164 ff M Pakaluk Aristotlersquos Nico-machean Ethics An Introduction Cambridge New York 2005 176ndash179 bes 178mit Anm 20

29) Plutarch erwaumlhnt eine Reihe von Ehrungen die die Staumldte Lysander nachseinem Sieg bei Aigospotamoi ndash als erstem Griechen ndash wie einem Gott entrichteten(Lys 185) Man hat ihm Altaumlre aufgestellt Opfer dargebracht und Paiane gesungenAuf Samos sind sogar die Heraia in Lysandreia verwandelt worden Zu den goumlttli-chen Ehrungen des Lysander siehe C Habicht Gottmenschentum und griechischeStaumldte 2 Aufl Muumlnchen 1970 3ndash7 K Buraselis Heroisierung und ApotheoseThesCRA II (2004) 164ndash165 F Muccioli Gli onori divini per Lisandro a Samo Aproposito di Plutarchus Lysander 18 in L de Blois J A E Bons T Kessels D M Schenkeveld (Hrsg) The Statesman in Plutarchrsquos Works II The Statesmanin Plutarchrsquos Greek and Roman Lives Proceedings of the Sixth International Con-ference of the International Plutarch Society Leiden Boston 2005 199ndash213

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 2: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

schaften sind in ihrer Beziehung zueinander und zu den morali-schen Zielen Plutarchs zu sehen

Alkibiades und Lysander gehoumlren zwar verschiedenen Syzy-gien an Der roumlmische Partner des Alkibiades ist Coriolanus jenerdes Lysander Sulla Betrachtet man aber die oben zitierte Stelle soerkennt man daszlig Plutarch die zwei Zitate nutzt um Lysander undAlkibiades gegenuumlberzustellen und einen charakterlichen Ver-gleich zu ziehen der auf einen inneren Zusammenhang deutet Eingemeinsames Kennzeichen wird festgestellt ihre UnertraumlglichkeitDieses Merkmal wird auf differenzierte negative Ursachen zuruumlck-gefuumlhrt Uumlbermut und Uumlppigkeit (5βρις τρυφ7 σ8ν αθαδε9)charakterisieren Alkibiades eine furchtbare und druumlckende Macht(φοβερ κα+ βαρεα δύναμις) wegen seiner Haumlrte (χαλεπτης τοτρπου) Lysander Diese Diagnose weist Aumlhnlichkeiten mit denrhetorischen Formulierungen in der abschlieszligenden Synkrisis ei-ner Syzygie auf wo Plutarch die Aufmerksamkeit des Lesers aufdie feinen Verschiedenheiten zwischen den zwei Partnern zu len-ken pflegt Es sieht so aus als ob beide Persoumlnlichkeiten zu einereinheitlichen Komposition gehoumlrten d h zu einer Art sbquoSyzygielsquowobei Plutarch ein charakterliches Merkmal als Rechtfertigung derPaarung vorbringt

Fuumlr die zwei Zitate gibt es antike Parallelen Bei Aelian be-gegnet man beiden mit dem Zusatz eines Adjektivs Sowohl Ly-sander als auch Alkibiades waren unertraumlglich (2φόρητοι)3 Dasentspricht der Formulierung und dem Inhalt der Aumluszligerungen Plut-archs Allerdings wird bei Aelian der Gedanke nicht auf Griechen-land insgesamt sondern nur auf die jeweilige Heimatstadt der Prot -agonisten bezogen Laut Eteokles wuumlrde Sparta zwei Leute wieLysander laut Archestratos wuumlrde Athen zwei Leute wie Alkibia-des nicht ertragen koumlnnen Auch bei Athenaios4 und Eustathios5

324 Evange los Alex iou

μαθεν μDλλον E βους βοις κα+ πρξεσι πρξεις Gσπερ ργα μεγλης τ1χνηςπαρατιθ1ντας Hμα κα+ σκοποντας ε τ(ν ατ(ν χει χαρακτρα κα+ τπον Σεμιρμεως μεγαλοπραγμοσνη τJ ΣεσKστριος λλως γρ 2νδρεος χιλλε8ςλλως ΑMας κα+ φρνησις Nδυσσ1ως οχ μοα τJ Ν1στορος οδ) δκαιοςσατως Κτων κα+ γησλαος

3) VH 117 λεγεν τεοκλς Λκων δο Λυσνδρους τ7ν Σπρτην μ7 νQπομεναι κα+ ρχ1στρατος θηναος λεγε δο λκιβιδας τ7ν τgtν θηναωνο5τως ρα ατgtν Rκτεροι 6σαν 2φρητοι

4) 12535d5) Comm I 32548ndash49

werden beide Persoumlnlichkeiten zusammen erwaumlhnt und jeweils istder Bezugspunkt Sparta bzw Athen Plutarch begnuumlgt sich hin -gegen nicht mit dem Verweis auf die Rolle eines jeden Strategen inseiner Heimat er will beide Protagonisten in den Rahmen der griechischen Politik der klassischen Zeit und in ein geschlossenesCorpus einordnen Demzufolge duumlrften hinter dem Bezug aufGriechenland persoumlnliche Ansichten Plutarchs zu vermuten seinLysander und Alkibiades waren seiner Meinung nach die zweiLeitfiguren ihrer Zeit und die Hauptrepraumlsentanten der griechi-schen Politik am Ende des Peloponnesischen Krieges6 Aus dieserPerspektive soll der Leser ihre charakterlichen Merkmale und dieEreignisse ihres Lebens verfolgen

In der Plutarch-Forschung hat die Frage welche Bedeutungder Synkrisis fuumlr das Verstaumlndnis der Methoden zukommt diePlutarch fuumlr die Komposition seiner parallelen Viten verwendethat besonderes Interesse geweckt7 Gegenstand der Untersuchun-gen ist zum einen die abschlieszligende Synkrisis die in den meistenFaumlllen den beiden Biographien folgt zum anderen die einheitlicheKomposition einer Syzygie deren beide Teile einander gegenseitigerhellen koumlnnen Daruumlber hinaus sind Nebenfiguren als Kontrast-folien in den Biographien wichtig aber auch die Betrachtung derProtagonisten selbst als Vergleichsfiguren ist ein sehr feines Mittelder biographischen Synkrisis Plutarchs Neben Themistokles tritt

325Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

6) Zu der Moumlglichkeit neben den Syzygien als Diptychen auch einzelne Bio-graphien in Serien oder paarweise zu erforschen siehe E G Schmidt PlutarchsAthenerbiographien in B Kuumlhnert V Riedel R Gordesiani (Hrsg) Prinzipatund Kultur im 1 und 2 Jahrhundert Bonn 1995 251ndash266 bes 256 ff Auf die hi-s t orische Dimension der Biographien weist zuletzt J M Candau Moroacuten PlutarchrsquosLysander and Sulla Integrated Characters in Roman Historical PerspectiveAJPh 141 (2000) 453ndash478 bes 457 hin

7) Vgl e g H Erbse Die Bedeutung der Synkrisis in den Parallelbiographi-en Plutarchs Hermes 84 (1956) 398ndash424 (abgedr in ders Ausgewaumlhlte Schriftenzur Klassischen Philologie Berlin New York 1979 478ndash505) P A Stadter Plut -archrsquos Comparison of Pericles and Fabius Maximus GRBS 16 (1975) 77ndash85 (abgedrin B Scardigli [Hrsg] Essays on Plutarchrsquos Lives Oxford 1995 155ndash164)C B R Pelling Synkrisis in Plutarchrsquos Lives in F E Brenk I Gallo (Hrsg) Mis-cellanea Plutarchea Atti del I convegno di studi su Plutarco (Quaderni del Giorna-le Filologico Ferrarese 8) Ferrara 1986 83ndash96 (abgedr in ders Plutarch and His -tory Eighteen Studies London 2002 349ndash363) ders sbquoSynkrisislsquo revisited inA Peacuterez Jimeacutenez F Titchener (Hrsg) Historical and Biographical Values of Plut-archrsquos Works Studies devoted to Professor Philip A Stadter by the I P S Maacutelaga Utah 2005 325ndash340

Aristeides neben Demosthenes Phokion neben Perikles Kimonneben Nikias Alkibiades neben Lysander Agesilaos usw8 Im fol-genden werden wir Lysander und Alkibiades in paralleler Betrach-tung interpretieren sowohl als Protagonisten in ihren Viten wieauch als Folienfiguren zueinander Im Anschluszlig daran werden wirdie Frage stellen inwiefern diese Parallelitaumlt durch die Stellung derzwei Viten in der relativen Chronologie der Parallelbiographienbegruumlndet ist und welche Schluszligfolgerungen man daraus in bezugauf das moralische Programm Plutarchs ziehen kann

I

Plutarchs Protagonisten Lysander und Alkibiades verfuumlgenuumlber eigene Biographien im plutarchischen Werk sie sind Zeitge-nossen und weisen in vieler Hinsicht Parallelen auf Sie boten Plut-arch genuumlgend historisches Material um daraus ihren Charakterund ihre Sinnesart ans Licht zu bringen In der Art der Darstellungoffenbart sich Plutarchs Bestreben beide als Folienfiguren aufein-ander zu beziehen Diese Synkrisis ist in mehreren Bereichen auf-zuweisen Es lohnt sich einige Beispiele anzufuumlhren Gerade alsAlkibiades aus der Verbannung zuruumlckgerufen und an die Spitzeder athenischen Flotte gestellt einen gewaltigen Umschwung zu-gunsten der Athener hervorruft tritt Lysander als die korrespon-dierende Groumlszlige auf die als δειν(ς γεμών zur lakedaemonischenFlotte entsandt wird (Lys 31ndash2) Plutarch schildert mit voller Ab-sicht die uumlberragenden Erfolge des Alkibiades als Herausforderungfuumlr Lysander was in rhetorischer Terminologie eine σύγκρισις πρ(ςτο8ς 4νδόξους ist man zieht etwas anerkannt Gutes zum Vergleichheran um die Leistung des Protagonisten um so groumlszliger erscheinenzu lassen9 Andererseits konnte Lysander in der ansonsten unbe-

326 Evange los Alex iou

8) Siehe H Beck Interne Synkrisis bei Plutarch Hermes 130 (2002) 469bdquoDer Effekt von Folienfiguren war um so groumlszliger wenn diese ihrerseits Lebensbe-schreibungen besaszligen Ansaumltze eines solchen internen Charaktervergleichsschimmern in Lysander und Agesilaos in Kimon und Perikles sowie in Themisto-kles und Aristeides durchldquo

9) Siehe Arist Rhet 1368a21ndash22 δε δ) πρ(ς 4νδόξoυς συγκρίνειν αξη τι κ(ν γρ κα+ καλόν ε σπoυδαίων βελτίων Menand Περ+ 4πιδεικτ 4218ndash10(Russ-Wils) δε γρ καλo καλλίoνα 2πoδεικνύναι E τVoν 4νδόξV 4φάμιλλoνoXoν E τY Zρακλέoυς βίV τ(ν βίoν ατo E τY Θησέως παραβάλλoντα Vgl Anax

deutenden Seeschlacht bei Notion die Athener nur dann besiegenals Alkibiades abwesend war und den Antiochos als Befehlshaberzuruumlckgelassen hatte An diesem Punkt bedient sich Plutarch derKontrastwirkung mit einer Nebenfigur in beiden Biographien undin doppelter Hinsicht (Lys 51ndash4 Alc 35)10 Er stellt Antiochoseinen Mann ohne Verstand und Maszlig einerseits der Geisteskraftvon Lysander und Alkibiades11 andererseits der verderblichenWirkung von Alkibiadesrsquo Ruf gegenuumlber es koumlnne ihm nichts miszliglingen (Alc 353 vgl Lys 48 2ήττητον) In der Lysander-Vitageht sogar die Wuumlrdigung des Spartaners vom Miszligerfolg des Alki-biades aus der fuumlr die Akzentuierung und Gewichtung der Passa-ge maszliggeblich ist Das Schicksal hat so Plutarch diese Schlachtobwohl sie in Wirklichkeit ohne groszlige Bedeutung war wegen Al-kibiades beruumlhmt gemacht (54) In noch gesteigerter Form erfolgtdie Parallelisierung zwischen Lysander und Alkibiades in der ent-scheidenden Schlacht bei Aigospotamoi (Lys 96ndash1113 Alc 366ndash375) Wie Plutarch die Geschichte verwertet ist aus dem Zusam-menhang klar ersichtlich Er versteht sich meisterhaft darauf diehistorische Begebenheit im Sinne seines Darstellungszieles nutzbarzu machen indem er die durch Zufall bedingte oumlrtliche Anwesen-heit des verbannten Alkibiades (vgl das τυγχάνειν in Lys 105) unddie somit ermoumlglichte geschichtliche sbquoZusammenkunftlsquo der zweiPersoumlnlichkeiten in einer dramatischen Klimax gipfeln laumlszligt Nach-dem die uumlbermuumltigen Athener die Gegner zu verachten begonnenhaben vermag neben Lysander allein Alkibiades die Entwicklungder Ereignisse vorauszusehen Das dient in besonderem Maszligedazu Lysander und Alkibiades als guumlltige Leitbilder des militauml -rischen Metiers hervortreten zu lassen Durch Einfuumlhrung der Autoritaumlt des Alkibiades wird die Unbedachtheit der athenischen

327Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Ars Rhet 37 Zum Thema sbquoPlutarch ndash Rhetoriklsquo siehe R Jeuckens Plutarch vonChaeronea und die Rhetorik Strassburg 1907 F Krauszlig Die rhetorischen SchriftenPlutarchs und ihre Stellung im plutarchischen Schriftenkorpus Nuumlrnberg 1912GW M Harrison Rhetoric Writing and Plutarch AncSoc 18 (1987) 271ndash279L Van der Stockt (Hrsg) Rhetorical Theory and Praxis in Plutarch Acta of the IVth

International Congress of the International Plutarch Society Louvain 200010) Vgl Anax Ars Rhet 39 σται δ) κα+ ]δε πντως α^ξειν ε κ1κριται

μ1γα 2γαθ(ν τοτο τοτV τι 4ναντον 4ν λ1γ_ς μ1γα κακ(ν φανεται σατως δ)ε νομζεται μ1γα κακν 4ν τοτV 4ναντον λ1γ_ς μ1γα 2γαθ(ν φανεται

11) Die Begriffe 4φυβρίζειν θρασύνεσθαι (Lys 51) oder 4φυβρίζεινκαταφρονεν (Alc 356) sind charakteristisch dafuumlr

Feldherren betont und die Bedeutung beider Protagonisten erhoumlhtPlutarch verwendet hier die rhetorischen Topoi μόνος und 4κκρίσεως12 Schlieszliglich duumlrfte es kein Zufall sein daszlig nach demEnde des Peloponnesischen Krieges der Tod des Alkibiades als dieunabdingbare Voraussetzung fuumlr die Bewahrung der bestehendenVerhaumlltnisse dargestellt wird Beim Befehl der Spartaner zur Touml-tung des Alkibiades wird als erster moumlglicher Grund die Furcht vorseiner aξύτης κα+ μεγαλοπραγμοσύνη genannt (Alc 386) Derjeni-ge der den Auftrag erhaumllt Alkibiades aus dem Weg zu raumlumen istkein anderer als Lysander

Im Nachvollziehen dieser historisch bedingten Parallelitaumltwenden wir uns nun den einzelnen Biographien und den Charak-termerkmalen der zwei Persoumlnlichkeiten zu Die Lysander-Vita istdie erste im Paar Lysander-Sulla jene des Alkibiades aller Wahr-scheinlichkeit nach die zweite im Paar Coriolanus-Alkibiades13Beide Syzygien entbehren eines formalen Prooumlmiums in demPlutarch eine Rechtfertigung der Paarungen geben koumlnnte Sie ver-fuumlgen allerdings uumlber eine abschlieszligende Synkrisis in der PlutarchAumlhnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Maumlnnerndarlegt

Ph Stadter hat zweifellos Recht Lysander ein bdquoparadoxes Exemplumldquo zu nennen Die Ambivalenz ist ein zentrales Kenn -zeichen dieses Mannes14 Das laumlszligt sich schon zu Beginn der Bio-graphie feststellen als Plutarch von einer Portraumltstatue in Delphiberichtet und in ihr die Darstellung des Lysander nicht des Brasi-das ndash trotz einer davon abweichenden verbreiteten Meinung ndash erkennen will Plutarch erwaumlhnt in seinem Werk Statuen und Portraumlts zu seinen biographischen Zwecken d h er versucht dieCharakterzeichnung durch das Aufzeigen entsprechender physio-

328 Evange los Alex iou

12) Siehe Arist Rhet 1368a10ndash11 1398b21ndash26 Hierzu C Rapp AristotelesRhetorik Uumlbersetzt und erlaumlutert II Berlin 2002 428ndash429 764

13) Es gibt noch zwei Paare Aemilius Paulus-Timoleon Sertorius-Eumenesin denen die normale Reihenfolge sbquoGrieche ndash Roumlmerlsquo geaumlndert ist Vgl K ZieglerDie Uumlberlieferungsgeschichte der vergleichenden Lebensbeschreibungen PlutarchsLeipzig 1907 26 ff ders Plutarchos RE XXI (1951) 636ndash962 bes 897 f

14) P A Stadter Paradoxical Paradigms Lysander and Sulla in ders (Hrsg)Plutarch and the Historical Tradition London New York 1992 41ndash55 Von bdquomoral ambiguityldquo spricht T Duff Moral Ambiguity in Plutarchrsquos Lysander-Sullain J M Mossman (Hrsg) Plutarch and his Intellectual World Essays on PlutarchLondon 1997 169ndash187 ders Plutarchrsquos Lives Exploring Virtue and Vice Oxford1999 161ndash204 bes 200

gnomischer Merkmale zu stuumltzen15 Ohne die Gruumlnde praumlziser zubestimmen die ihn dazu veranlaszligt haben die Statue Lysander zuzuschreiben schildert er den Dargestellten als einen nach alterSitte langbehaarten und mit einem wuumlrdigen Vollbart ausgestatte-ten Mann Diese alte Sitte der Spartaner verbindet Plutarch mit einem Apophthegma Lykurgs (Lys 13) bdquoDas Haar macht dieSchoumlnen (καλοί) noch stattlicher (επρεπέστεροι) anzuschauenund die Haumlszliglichen (ασχροί) furchtbarer (φοβερώτεροι)ldquo In Philop 21 beruft sich Plutarch auf eine Portraumltstatue des Philo-poemen in Delphi um zu beweisen daszlig der achaische Feldherrnicht haumlszliglich war Im Falle Lysanders verschafft jedoch seine Statuedem Leser keine Klarheit War Lysander schoumln oder haumlszliglich Dienaumlchstliegende Schwierigkeit besteht darin daszlig die Adjektiveκαλός oder ασχρός sich sowohl auf das Aussehen eines Menschenals auch auf seinen Charakter beziehen koumlnnen Die Zweideutig-keit Lysanders bewegt sich somit auf verschiedenen Ebenen WarLysander schoumln oder haumlszliglich gut oder schlecht

Im Falle des Alkibiades bildet keine Statue den Ausgangs-punkt aber zu Beginn seiner Biographie fuumlhrt Plutarch einigeMerkmale des Aussehens seines Protagonisten auf er uumlbernimmtdie klassische Tradition vom vielgeruumlhmten κάλλος des Alkibiadesohne detaillierte Beschreibung als ob es fuumlr den Leser selbstver-staumlndlich waumlre16 Plutarch hebt die gute Naturanlage und dieSchoumlnheit des Koumlrpers des Alkibiades in jedem Alter (Alc 15 δι3εφυbαν κα+ 2ρετ7ν το σKματος) hervor Durch den Zusatz τοσKματος geht Plutarch allerdings von vornherein mit bestimmtenVorstellungen an Alkibiades heran Er laumlszligt naumlmlich die Frage nachseiner Tugendhaftigkeit offen17 und deutet damit einen Gegensatz

329Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

15) Siehe Them 223 Aem 284ndash5 Flam 11 Philop 21 Mar 21 Sull 21Brut 11 Lys 58 Demetr 22 Ant 41 603 Arat 32 De ad et am 74E De fort99A De Alex fort 335BndashC Zur Lysanderstatue siehe A E Wardman Descriptionof Personal Appearance in Plutarch and Suetonius The Use of Statues as EvidenceCQ 17 (1967) 417ndash418 J-F Bommelaer Lysandre de Sparte Histoire et TraditionsParis 1981 13ndash14 J M Mossman Plutarchrsquos Use of Statues in M A Flower M Toher (Hrsg) Georgica Greek Studies in Honour of George Cawkwell Lon-don 1991 111 W J Tatum The Regal Image in Plutarchrsquos Lives JHS 116 (1996) 146

16) Zum κάλλος des Alkibiades vgl Plat Alc I 113b Prot 316a XenMem 1224

17) Vgl T Duff How Lives begin in A G Nikolaidis (Hrsg) The Unity ofPlutarchrsquos Work sbquoMoralialsquo Themes in the sbquoLiveslsquo Features of the sbquoLiveslsquo in the sbquoMo-ralialsquo Berlin New York 2008 198ndash199

zwischen der unumstrittenen koumlrperlichen Schoumlnheit und dem wi-derspruumlchlichen Charakter seines Protagonisten an an dem ihmgelegen ist In den nachfolgenden einleitenden Bemerkungen uumlberden Charakter des Alkibiades (21) macht Plutarch kurze allge-meine und nicht sehr deutliche Feststellungen Daszlig damit nichteine Ablehnung oder Abwertung des Alkibiades beabsichtigt wirdist klar Aber es faumlllt Plutarch schwer die charakterlichen Eigen-schaften des Alkibiades deutlich zu benennen Bei der Zeichnungseines Charakters tritt eine Aumlhnlichkeit mit Lysanders Ambivalenzstark hervor Plutarch beginnt mit der formalen Feststellung vonWiderspruumlchen in sich (2νομοιότηται πρ(ς αQτό) und Wandlungen(μεταβολαί) seines Ethos die von aumluszligeren Bedingungen abhaumlngiggewesen seien Alkibiades war Gegenstand der verschiedenstenEinfluumlsse groszlige Ereignisse und Wechselfaumllle des Schicksals (πράγ -ματα μεγάλα τύχαι πολύτροποι) Plutarch beschreibt hier keinenZustand sondern einen Prozeszlig der verdeutlicht warum Alkibia-des sich nicht gleich blieb Er wurde von aumluszligeren Ereignissen be-stimmt Danach stellt Plutarch fest daszlig seine φύσις von einer Viel-falt von πάθη bestimmt war18 Unter den Leidenschaften werdenτ( φιλόνικον und τ( φιλόπρωτον hervorgehoben Die erste dersbquoDurchsetzungswillelsquo wird naumlher bestimmt durch die zweite sbquodenDrang zum ersten Platzlsquo Dieses Begriffspaar eignet sich durchausals Schluumlssel zum spaumlteren Verhalten des Alkibiades Die genann-ten Eigenschaften beschreiben die Motivierung eines Ehrgeizigenin einer agonistischen Gesellschaft Es ist zu bemerken daszlig imweiteren Verlauf der Biographie Plutarch haumlufig von φιλοτιμίαspricht19 Offenbar kommt es Alkibiades sehr auf die Meinung an-

330 Evange los Alex iou

18) Zur plutarchischen Charakterzeichnung und der Frage nach dem Zu-sammenhang zwischen φύσις und θη oder πάθη siehe vor allem D A Russell OnReading Plutarchrsquos Lives GampR 13 (1966) 139ndash154 (abgedr in Scardigli [wieAnm 7] 75ndash94) A Dihle Studien zur griechischen Biographie 2 Aufl Goumlttingen1970 76 ff bes 84 ff C Gill The Question of Character-Development Plutarchand Tacitus CQ 33 (1983) 469ndash487 C B R Pelling Aspects of Plutarchrsquos Charac-terisation ICS 132 (1988) 257ndash274 bes 258 ff (abgedr in ders Eighteen Studies[wie Anm 7] 283ndash300) S Swain Character Change in Plutarch Phoenix 43 (1989)62ndash68 R A Wright Plutarch on Moral Progress in J T Fitzgerald (Hrsg) Pas -sions and Moral Progress in Greco-Roman Thought London New York 2008136ndash150

19) Vgl Alc 64 75 112 164ndash5 276 343 Zu φιλοτιμία bei Plutarch sie-he A Wardman Plutarchrsquos Lives London 1974 115ndash124 F Frazier A propos de lasbquophilotimialsquo dans les sbquovieslsquo Quelques jalons dans lrsquohistoire drsquoune notion RPh 63

derer uumlber ihn an und er bemuumlht sich darum wie es eben fuumlrφιλοτιμία typisch ist20

Die charakterliche Zweideutigkeit des Lysander und des Al-kibiades fuumlhrt uns nun direkt zu der Debatte uumlber die μεγάλαιφύσεις Im Prooumlmium des Paares Demetrios-Antonius wird dieplatonische These herangezogen daszlig die groszligen Naturen sowohlgroszlige Laster als auch groszlige Tugenden hervorbraumlchten τι κα+κακας μεγλας Gσπερ 2ρετς αf μεγλαι φσεις 4κφ1ρουσι (17ndash8)21 Diese These ist auf die platonische Politeia 491e ff zuruumlckzu-fuumlhren Dort wird von den Seelen edelster Natur (εφυέσταται) ge-sprochen die durch schlechte Erziehung (κακ7 παιδαγωγία) auchschlecht werden Es sind Ehrenbezeugungen und Schmeicheleiendurch die die Leute einen Menschen mit guter Anlage im Hinblickauf seine kuumlnftige Macht zu gewinnen versuchen (494c) Platonkann hier durchaus an Alkibiades gedacht haben22 Ein solcherMann faumlhrt Platon fort wenn er reich und edel und dazu groszlig istwird sich mit unbegrenzten Hoffnungen anfuumlllen und sich imstan-de waumlhnen die Angelegenheiten der Griechen und der Barbaren zuleiten Er wird sich uumlbermaumlszligig erheben von leerer Einbildung auf-geblasen Jemand kann sich ihm bescheiden naumlhern und sagen daszliger noch der Einsicht und Vernunft bedarf Auch wenn er aufgrundseiner Naturanlage durch diese Reden sbquobekehrtlsquo und zur Philoso-phie hingezogen wird werden die anderen alles unternehmen da-mit sie ihn nicht verlieren (494e) Ein solcher Mann kann letztend-lich kein Philosoph werden (495a)

331Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

(1988) 109ndash127 G Roskam Τ( καλ(ν ατό [ ] χοντας τέλος (Praec gerreip 799A) Plutarch on the Foundation of the Politicianrsquos Career Ploutarchosn s 2 (2004ndash2005) 89ndash103 bes 93 ff E Alexiou Πλουτάρχου Παράλληλοι Βίοι Ηπροβληματική των sbquoθετικώνlsquo και sbquoαρνητικώνlsquo παραδειγμάτων Thessaloniki 2007112ndash113

20) Siehe Comp Cor-Alc 51 λκιβιδης μ)ν οlν οκ =ρνετο τιμKμενοςχαρειν κα+ δυσφορεν παρορKμενος θεν 4πειρDτο προσφιλ7ς εmναι τος παροσικα+ κεχαρισμ1νος

21) Vgl T Duff Plutarch Plato and sbquoGreat Natureslsquo in A Peacuterez Jimeacutenez J Garcia Loacutepez R M Aguilar (Hrsg) Plutarco Platoacuten y Aristoacuteteles Actas del Vcongreso internacional de la International Plutarch Society Madrid 1999 313ndash332Alexiou (wie Anm 19) 235ndash245

22) Vgl J Hatzfeld Alcibiade Eacutetude sur lrsquohistoire drsquoAthegravenes agrave la fin du Vesiegravecle 2 Aufl Paris 1951 53 Vgl D Gribble Alcibiades and Athens A Study inLiterary Presentation Oxford 1999 219 Anm 15 mit weiterer Literatur

In der Alkibiades-Vita decken sich Platons Erlaumluterungen mitden bei Plutarch ausgefuumlhrten Gedanken uumlber Alkibiades DerBiograph verwendet aumlhnliches Vokabular23 um die Unbestaumlndig-keit des Atheners und die Konkurrenz zwischen einer guten undeiner schaumldlichen Erziehung anschaulich zu machen Plutarchspricht hier unter Berufung auf den sokratischen Eros von der ed-len Naturanlage des Alkibiades (41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν vgl 61)die Sokrates erkannt und an sich gezogen hat Es sind allerdingsaumluszligere Guumlter und die Umwelt die Alkibiades von der guten Er-ziehung der Philosophie zu trennen drohten vor allem Schmeich-ler die ihn in hochfliegende politische Plaumlne und Ambitionen(φιλοτιμία μεγαλοπραγμοσύνη) trieben bevor es an der Zeit war(61ndash5 vgl 41ndash2) Es wird unter anderem gesagt daszlig Alkibiadesdie Macht und den Ruhm des Perikles uumlberbieten wuumlrde24 Sokra-tes versuchte ihn wieder zu beruhigen und demuumltig zu machen alser erkannte wie viel ihm noch an der Vollkommenheit in der Tu-gend fehlte Daszlig Alkibiades letztendlich seine Leidenschaften vorallem das φιλόνικον κα+ φιλόπρωτον nicht unter Kontrolle haltenkonnte ist nicht verwunderlich Zwei Bilder machen seine Naturanschaulich In Alc 41 wird er mit einem Baum verglichen derwaumlhrend der Bluumlte seine eigene Frucht abwerfen und verderbenkann Auch in Nic 91 findet diese Neigung des Alkibiades sowohlzum Guten als auch zum Boumlsen ihren bemerkenswerten Ausdruckin einem Vergleich mit dem Land der Aumlgypter das nach einemHomerzitat wegen der Fruchtbarkeit des Bodens gute und schaumld-liche Stoffe in Massen erzeugte25

332 Evange los Alex iou

23) Vgl die woumlrtlichen Uumlbereinstimmungen Platon Rep 491e εφυ -εστάτας ndash Plut Alc 41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν Rep 494c προκαταλαμβάνοντες κα+προκολακεύοντες ndash Alc 41 προκαταλαμβάνοντα κολακείαις Rep 494c πλοσιςτε κα+ γενναος κα+ τι εειδ7ς κα+ μ1γας ndash Alc 41 τY εMδει κα+ διαλμπουσαν4νορgtν φοβομενος δ) τ(ν πλοτον κα+ τ( 2ξωμα Rep 494d σχηματισμο κα+φρονήματος κενο νευ νο 4μπιμπλάμενον ndash Alc 43 κα+ πιεζοντος τ(ν κεν(ν κα+2νόητον τφον Rep 494dndashe δι τ( εl πεφυκέναι κα+ τ( ξυγγεν)ς τgtν λόγωνεσαισθάνηταί τέ π_ κα+ κάμπτηται ndash Alc 61 διrsquo εφυΐαν qπτομένων τgtν λόγωνατο

24) Dieser Gedanke kommt auch im platonischen Alkibiades I 105b vor VglD A Russell Plutarch Alcibiades 1ndash16 PCPhS 192 (1966) 40 (abgedr in Scardi gli[wie Anm 7] 191ndash207)

25) Siehe Hom δ 230 φρμακα πολλ μ)ν 4σθλ μεμιγμ1να πολλ δ)λυγρ Vgl De aud poet 15C Zu Homerzitaten bei Plutarch vgl H SchlaumlpferPlutarch und die Klassischen Dichter Ein Beitrag zum klassischen Bildungsgut

Lysander fuumlgt sich ebenfalls in diesen Rahmen der groszligen Na-turen ein Der Spartaner wird woumlrtlich als eine μεγάλη φύσις be-zeichnet zunaumlchst ex negativo wegen einer Krankheit In Lys 25beruft sich Plutarch auf Ps-Aristoteles (Probl 953a) daszlig diegroszligen Naturen an μελαγχολία leiden Plutarch ordnet das Zitat ineinen Kontext ein der eine illustrative Funktion hat Lysanderwird neben Sokrates Platon und Herakles genannt26 Das duumlrftesich daraus erklaumlren daszlig bereits seit der klassischen Zeit eine be-sondere Tradition um Lysander und seine uumlberragenden Erfolgebestand und seine Persoumlnlichkeit auszligerordentliche Reaktionenher vorgerufen hat Aristoteles (Anal Post 97b15ndash25) zoumlgert nichtLysander als Beispiel groszliger Gesinnung (μεγαλοψυχία) neben Alkibiades Achill Aias und Sokrates zu stellen27 In der Nikoma-chischen Ethik ist der μεγαλόψυχος eine autarke Persoumlnlichkeit undfast eine uumlbermenschliche Figur Da fuumlr ihn sowohl die Ehre alsauch jedes andere aumluszligere Gut klein ist steht er in dem Ruf uumlber-heblich zu sein (1124a20)28 Der plutarchische Lysander erscheintebenfalls als ein Mann mit fast uumlbermenschlichen Faumlhigkeiten29

333Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Plutarchs Zuumlrich 1950 11ndash19 B X de Wet Plutarchrsquos Use of the Poets Acta Clas-sica 31 (1988) 13ndash25 bes 15ndash20 G Bona Citazioni omeriche in Plutarco inG DrsquoIppolito I Gallo (Hrsg) Strutture formali dei Moralia di Plutarco Napoli1991 151ndash162 E Alexiou Die Funktion der Homerzitate in Plutarchs Biographi-en in A Haltenhoff F-H Mutschler (Hrsg) Hortus Litterarum AntiquarumFestschrift fuumlr Hans Armin Gaumlrtner Heidelberg 2000 51ndash65 bes 60

26) Siehe P Toohey Melancholy Love and Time Boundaries of the Self inAncient Literature Ann Arbor 2004 36ndash37

27) Siehe R A Gauthier Magnanimiteacute Lrsquoideal de la grandeur dans la philo-sophie paienne et dans la theacuteologie chreacutetienne Paris 1951 bes 37 ff C C W TaylorAristotle Nicomachean Ethics Books IIndashIV Oxford 2006 217ndash218

28) Siehe E A Schmidt Ehre und Tugend Zur Megalopsychia der Aristote-lischen Ethik AGPh 49 (1967) 149ndash168 bes 164 ff M Pakaluk Aristotlersquos Nico-machean Ethics An Introduction Cambridge New York 2005 176ndash179 bes 178mit Anm 20

29) Plutarch erwaumlhnt eine Reihe von Ehrungen die die Staumldte Lysander nachseinem Sieg bei Aigospotamoi ndash als erstem Griechen ndash wie einem Gott entrichteten(Lys 185) Man hat ihm Altaumlre aufgestellt Opfer dargebracht und Paiane gesungenAuf Samos sind sogar die Heraia in Lysandreia verwandelt worden Zu den goumlttli-chen Ehrungen des Lysander siehe C Habicht Gottmenschentum und griechischeStaumldte 2 Aufl Muumlnchen 1970 3ndash7 K Buraselis Heroisierung und ApotheoseThesCRA II (2004) 164ndash165 F Muccioli Gli onori divini per Lisandro a Samo Aproposito di Plutarchus Lysander 18 in L de Blois J A E Bons T Kessels D M Schenkeveld (Hrsg) The Statesman in Plutarchrsquos Works II The Statesmanin Plutarchrsquos Greek and Roman Lives Proceedings of the Sixth International Con-ference of the International Plutarch Society Leiden Boston 2005 199ndash213

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 3: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

werden beide Persoumlnlichkeiten zusammen erwaumlhnt und jeweils istder Bezugspunkt Sparta bzw Athen Plutarch begnuumlgt sich hin -gegen nicht mit dem Verweis auf die Rolle eines jeden Strategen inseiner Heimat er will beide Protagonisten in den Rahmen der griechischen Politik der klassischen Zeit und in ein geschlossenesCorpus einordnen Demzufolge duumlrften hinter dem Bezug aufGriechenland persoumlnliche Ansichten Plutarchs zu vermuten seinLysander und Alkibiades waren seiner Meinung nach die zweiLeitfiguren ihrer Zeit und die Hauptrepraumlsentanten der griechi-schen Politik am Ende des Peloponnesischen Krieges6 Aus dieserPerspektive soll der Leser ihre charakterlichen Merkmale und dieEreignisse ihres Lebens verfolgen

In der Plutarch-Forschung hat die Frage welche Bedeutungder Synkrisis fuumlr das Verstaumlndnis der Methoden zukommt diePlutarch fuumlr die Komposition seiner parallelen Viten verwendethat besonderes Interesse geweckt7 Gegenstand der Untersuchun-gen ist zum einen die abschlieszligende Synkrisis die in den meistenFaumlllen den beiden Biographien folgt zum anderen die einheitlicheKomposition einer Syzygie deren beide Teile einander gegenseitigerhellen koumlnnen Daruumlber hinaus sind Nebenfiguren als Kontrast-folien in den Biographien wichtig aber auch die Betrachtung derProtagonisten selbst als Vergleichsfiguren ist ein sehr feines Mittelder biographischen Synkrisis Plutarchs Neben Themistokles tritt

325Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

6) Zu der Moumlglichkeit neben den Syzygien als Diptychen auch einzelne Bio-graphien in Serien oder paarweise zu erforschen siehe E G Schmidt PlutarchsAthenerbiographien in B Kuumlhnert V Riedel R Gordesiani (Hrsg) Prinzipatund Kultur im 1 und 2 Jahrhundert Bonn 1995 251ndash266 bes 256 ff Auf die hi-s t orische Dimension der Biographien weist zuletzt J M Candau Moroacuten PlutarchrsquosLysander and Sulla Integrated Characters in Roman Historical PerspectiveAJPh 141 (2000) 453ndash478 bes 457 hin

7) Vgl e g H Erbse Die Bedeutung der Synkrisis in den Parallelbiographi-en Plutarchs Hermes 84 (1956) 398ndash424 (abgedr in ders Ausgewaumlhlte Schriftenzur Klassischen Philologie Berlin New York 1979 478ndash505) P A Stadter Plut -archrsquos Comparison of Pericles and Fabius Maximus GRBS 16 (1975) 77ndash85 (abgedrin B Scardigli [Hrsg] Essays on Plutarchrsquos Lives Oxford 1995 155ndash164)C B R Pelling Synkrisis in Plutarchrsquos Lives in F E Brenk I Gallo (Hrsg) Mis-cellanea Plutarchea Atti del I convegno di studi su Plutarco (Quaderni del Giorna-le Filologico Ferrarese 8) Ferrara 1986 83ndash96 (abgedr in ders Plutarch and His -tory Eighteen Studies London 2002 349ndash363) ders sbquoSynkrisislsquo revisited inA Peacuterez Jimeacutenez F Titchener (Hrsg) Historical and Biographical Values of Plut-archrsquos Works Studies devoted to Professor Philip A Stadter by the I P S Maacutelaga Utah 2005 325ndash340

Aristeides neben Demosthenes Phokion neben Perikles Kimonneben Nikias Alkibiades neben Lysander Agesilaos usw8 Im fol-genden werden wir Lysander und Alkibiades in paralleler Betrach-tung interpretieren sowohl als Protagonisten in ihren Viten wieauch als Folienfiguren zueinander Im Anschluszlig daran werden wirdie Frage stellen inwiefern diese Parallelitaumlt durch die Stellung derzwei Viten in der relativen Chronologie der Parallelbiographienbegruumlndet ist und welche Schluszligfolgerungen man daraus in bezugauf das moralische Programm Plutarchs ziehen kann

I

Plutarchs Protagonisten Lysander und Alkibiades verfuumlgenuumlber eigene Biographien im plutarchischen Werk sie sind Zeitge-nossen und weisen in vieler Hinsicht Parallelen auf Sie boten Plut-arch genuumlgend historisches Material um daraus ihren Charakterund ihre Sinnesart ans Licht zu bringen In der Art der Darstellungoffenbart sich Plutarchs Bestreben beide als Folienfiguren aufein-ander zu beziehen Diese Synkrisis ist in mehreren Bereichen auf-zuweisen Es lohnt sich einige Beispiele anzufuumlhren Gerade alsAlkibiades aus der Verbannung zuruumlckgerufen und an die Spitzeder athenischen Flotte gestellt einen gewaltigen Umschwung zu-gunsten der Athener hervorruft tritt Lysander als die korrespon-dierende Groumlszlige auf die als δειν(ς γεμών zur lakedaemonischenFlotte entsandt wird (Lys 31ndash2) Plutarch schildert mit voller Ab-sicht die uumlberragenden Erfolge des Alkibiades als Herausforderungfuumlr Lysander was in rhetorischer Terminologie eine σύγκρισις πρ(ςτο8ς 4νδόξους ist man zieht etwas anerkannt Gutes zum Vergleichheran um die Leistung des Protagonisten um so groumlszliger erscheinenzu lassen9 Andererseits konnte Lysander in der ansonsten unbe-

326 Evange los Alex iou

8) Siehe H Beck Interne Synkrisis bei Plutarch Hermes 130 (2002) 469bdquoDer Effekt von Folienfiguren war um so groumlszliger wenn diese ihrerseits Lebensbe-schreibungen besaszligen Ansaumltze eines solchen internen Charaktervergleichsschimmern in Lysander und Agesilaos in Kimon und Perikles sowie in Themisto-kles und Aristeides durchldquo

9) Siehe Arist Rhet 1368a21ndash22 δε δ) πρ(ς 4νδόξoυς συγκρίνειν αξη τι κ(ν γρ κα+ καλόν ε σπoυδαίων βελτίων Menand Περ+ 4πιδεικτ 4218ndash10(Russ-Wils) δε γρ καλo καλλίoνα 2πoδεικνύναι E τVoν 4νδόξV 4φάμιλλoνoXoν E τY Zρακλέoυς βίV τ(ν βίoν ατo E τY Θησέως παραβάλλoντα Vgl Anax

deutenden Seeschlacht bei Notion die Athener nur dann besiegenals Alkibiades abwesend war und den Antiochos als Befehlshaberzuruumlckgelassen hatte An diesem Punkt bedient sich Plutarch derKontrastwirkung mit einer Nebenfigur in beiden Biographien undin doppelter Hinsicht (Lys 51ndash4 Alc 35)10 Er stellt Antiochoseinen Mann ohne Verstand und Maszlig einerseits der Geisteskraftvon Lysander und Alkibiades11 andererseits der verderblichenWirkung von Alkibiadesrsquo Ruf gegenuumlber es koumlnne ihm nichts miszliglingen (Alc 353 vgl Lys 48 2ήττητον) In der Lysander-Vitageht sogar die Wuumlrdigung des Spartaners vom Miszligerfolg des Alki-biades aus der fuumlr die Akzentuierung und Gewichtung der Passa-ge maszliggeblich ist Das Schicksal hat so Plutarch diese Schlachtobwohl sie in Wirklichkeit ohne groszlige Bedeutung war wegen Al-kibiades beruumlhmt gemacht (54) In noch gesteigerter Form erfolgtdie Parallelisierung zwischen Lysander und Alkibiades in der ent-scheidenden Schlacht bei Aigospotamoi (Lys 96ndash1113 Alc 366ndash375) Wie Plutarch die Geschichte verwertet ist aus dem Zusam-menhang klar ersichtlich Er versteht sich meisterhaft darauf diehistorische Begebenheit im Sinne seines Darstellungszieles nutzbarzu machen indem er die durch Zufall bedingte oumlrtliche Anwesen-heit des verbannten Alkibiades (vgl das τυγχάνειν in Lys 105) unddie somit ermoumlglichte geschichtliche sbquoZusammenkunftlsquo der zweiPersoumlnlichkeiten in einer dramatischen Klimax gipfeln laumlszligt Nach-dem die uumlbermuumltigen Athener die Gegner zu verachten begonnenhaben vermag neben Lysander allein Alkibiades die Entwicklungder Ereignisse vorauszusehen Das dient in besonderem Maszligedazu Lysander und Alkibiades als guumlltige Leitbilder des militauml -rischen Metiers hervortreten zu lassen Durch Einfuumlhrung der Autoritaumlt des Alkibiades wird die Unbedachtheit der athenischen

327Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Ars Rhet 37 Zum Thema sbquoPlutarch ndash Rhetoriklsquo siehe R Jeuckens Plutarch vonChaeronea und die Rhetorik Strassburg 1907 F Krauszlig Die rhetorischen SchriftenPlutarchs und ihre Stellung im plutarchischen Schriftenkorpus Nuumlrnberg 1912GW M Harrison Rhetoric Writing and Plutarch AncSoc 18 (1987) 271ndash279L Van der Stockt (Hrsg) Rhetorical Theory and Praxis in Plutarch Acta of the IVth

International Congress of the International Plutarch Society Louvain 200010) Vgl Anax Ars Rhet 39 σται δ) κα+ ]δε πντως α^ξειν ε κ1κριται

μ1γα 2γαθ(ν τοτο τοτV τι 4ναντον 4ν λ1γ_ς μ1γα κακ(ν φανεται σατως δ)ε νομζεται μ1γα κακν 4ν τοτV 4ναντον λ1γ_ς μ1γα 2γαθ(ν φανεται

11) Die Begriffe 4φυβρίζειν θρασύνεσθαι (Lys 51) oder 4φυβρίζεινκαταφρονεν (Alc 356) sind charakteristisch dafuumlr

Feldherren betont und die Bedeutung beider Protagonisten erhoumlhtPlutarch verwendet hier die rhetorischen Topoi μόνος und 4κκρίσεως12 Schlieszliglich duumlrfte es kein Zufall sein daszlig nach demEnde des Peloponnesischen Krieges der Tod des Alkibiades als dieunabdingbare Voraussetzung fuumlr die Bewahrung der bestehendenVerhaumlltnisse dargestellt wird Beim Befehl der Spartaner zur Touml-tung des Alkibiades wird als erster moumlglicher Grund die Furcht vorseiner aξύτης κα+ μεγαλοπραγμοσύνη genannt (Alc 386) Derjeni-ge der den Auftrag erhaumllt Alkibiades aus dem Weg zu raumlumen istkein anderer als Lysander

Im Nachvollziehen dieser historisch bedingten Parallelitaumltwenden wir uns nun den einzelnen Biographien und den Charak-termerkmalen der zwei Persoumlnlichkeiten zu Die Lysander-Vita istdie erste im Paar Lysander-Sulla jene des Alkibiades aller Wahr-scheinlichkeit nach die zweite im Paar Coriolanus-Alkibiades13Beide Syzygien entbehren eines formalen Prooumlmiums in demPlutarch eine Rechtfertigung der Paarungen geben koumlnnte Sie ver-fuumlgen allerdings uumlber eine abschlieszligende Synkrisis in der PlutarchAumlhnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Maumlnnerndarlegt

Ph Stadter hat zweifellos Recht Lysander ein bdquoparadoxes Exemplumldquo zu nennen Die Ambivalenz ist ein zentrales Kenn -zeichen dieses Mannes14 Das laumlszligt sich schon zu Beginn der Bio-graphie feststellen als Plutarch von einer Portraumltstatue in Delphiberichtet und in ihr die Darstellung des Lysander nicht des Brasi-das ndash trotz einer davon abweichenden verbreiteten Meinung ndash erkennen will Plutarch erwaumlhnt in seinem Werk Statuen und Portraumlts zu seinen biographischen Zwecken d h er versucht dieCharakterzeichnung durch das Aufzeigen entsprechender physio-

328 Evange los Alex iou

12) Siehe Arist Rhet 1368a10ndash11 1398b21ndash26 Hierzu C Rapp AristotelesRhetorik Uumlbersetzt und erlaumlutert II Berlin 2002 428ndash429 764

13) Es gibt noch zwei Paare Aemilius Paulus-Timoleon Sertorius-Eumenesin denen die normale Reihenfolge sbquoGrieche ndash Roumlmerlsquo geaumlndert ist Vgl K ZieglerDie Uumlberlieferungsgeschichte der vergleichenden Lebensbeschreibungen PlutarchsLeipzig 1907 26 ff ders Plutarchos RE XXI (1951) 636ndash962 bes 897 f

14) P A Stadter Paradoxical Paradigms Lysander and Sulla in ders (Hrsg)Plutarch and the Historical Tradition London New York 1992 41ndash55 Von bdquomoral ambiguityldquo spricht T Duff Moral Ambiguity in Plutarchrsquos Lysander-Sullain J M Mossman (Hrsg) Plutarch and his Intellectual World Essays on PlutarchLondon 1997 169ndash187 ders Plutarchrsquos Lives Exploring Virtue and Vice Oxford1999 161ndash204 bes 200

gnomischer Merkmale zu stuumltzen15 Ohne die Gruumlnde praumlziser zubestimmen die ihn dazu veranlaszligt haben die Statue Lysander zuzuschreiben schildert er den Dargestellten als einen nach alterSitte langbehaarten und mit einem wuumlrdigen Vollbart ausgestatte-ten Mann Diese alte Sitte der Spartaner verbindet Plutarch mit einem Apophthegma Lykurgs (Lys 13) bdquoDas Haar macht dieSchoumlnen (καλοί) noch stattlicher (επρεπέστεροι) anzuschauenund die Haumlszliglichen (ασχροί) furchtbarer (φοβερώτεροι)ldquo In Philop 21 beruft sich Plutarch auf eine Portraumltstatue des Philo-poemen in Delphi um zu beweisen daszlig der achaische Feldherrnicht haumlszliglich war Im Falle Lysanders verschafft jedoch seine Statuedem Leser keine Klarheit War Lysander schoumln oder haumlszliglich Dienaumlchstliegende Schwierigkeit besteht darin daszlig die Adjektiveκαλός oder ασχρός sich sowohl auf das Aussehen eines Menschenals auch auf seinen Charakter beziehen koumlnnen Die Zweideutig-keit Lysanders bewegt sich somit auf verschiedenen Ebenen WarLysander schoumln oder haumlszliglich gut oder schlecht

Im Falle des Alkibiades bildet keine Statue den Ausgangs-punkt aber zu Beginn seiner Biographie fuumlhrt Plutarch einigeMerkmale des Aussehens seines Protagonisten auf er uumlbernimmtdie klassische Tradition vom vielgeruumlhmten κάλλος des Alkibiadesohne detaillierte Beschreibung als ob es fuumlr den Leser selbstver-staumlndlich waumlre16 Plutarch hebt die gute Naturanlage und dieSchoumlnheit des Koumlrpers des Alkibiades in jedem Alter (Alc 15 δι3εφυbαν κα+ 2ρετ7ν το σKματος) hervor Durch den Zusatz τοσKματος geht Plutarch allerdings von vornherein mit bestimmtenVorstellungen an Alkibiades heran Er laumlszligt naumlmlich die Frage nachseiner Tugendhaftigkeit offen17 und deutet damit einen Gegensatz

329Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

15) Siehe Them 223 Aem 284ndash5 Flam 11 Philop 21 Mar 21 Sull 21Brut 11 Lys 58 Demetr 22 Ant 41 603 Arat 32 De ad et am 74E De fort99A De Alex fort 335BndashC Zur Lysanderstatue siehe A E Wardman Descriptionof Personal Appearance in Plutarch and Suetonius The Use of Statues as EvidenceCQ 17 (1967) 417ndash418 J-F Bommelaer Lysandre de Sparte Histoire et TraditionsParis 1981 13ndash14 J M Mossman Plutarchrsquos Use of Statues in M A Flower M Toher (Hrsg) Georgica Greek Studies in Honour of George Cawkwell Lon-don 1991 111 W J Tatum The Regal Image in Plutarchrsquos Lives JHS 116 (1996) 146

16) Zum κάλλος des Alkibiades vgl Plat Alc I 113b Prot 316a XenMem 1224

17) Vgl T Duff How Lives begin in A G Nikolaidis (Hrsg) The Unity ofPlutarchrsquos Work sbquoMoralialsquo Themes in the sbquoLiveslsquo Features of the sbquoLiveslsquo in the sbquoMo-ralialsquo Berlin New York 2008 198ndash199

zwischen der unumstrittenen koumlrperlichen Schoumlnheit und dem wi-derspruumlchlichen Charakter seines Protagonisten an an dem ihmgelegen ist In den nachfolgenden einleitenden Bemerkungen uumlberden Charakter des Alkibiades (21) macht Plutarch kurze allge-meine und nicht sehr deutliche Feststellungen Daszlig damit nichteine Ablehnung oder Abwertung des Alkibiades beabsichtigt wirdist klar Aber es faumlllt Plutarch schwer die charakterlichen Eigen-schaften des Alkibiades deutlich zu benennen Bei der Zeichnungseines Charakters tritt eine Aumlhnlichkeit mit Lysanders Ambivalenzstark hervor Plutarch beginnt mit der formalen Feststellung vonWiderspruumlchen in sich (2νομοιότηται πρ(ς αQτό) und Wandlungen(μεταβολαί) seines Ethos die von aumluszligeren Bedingungen abhaumlngiggewesen seien Alkibiades war Gegenstand der verschiedenstenEinfluumlsse groszlige Ereignisse und Wechselfaumllle des Schicksals (πράγ -ματα μεγάλα τύχαι πολύτροποι) Plutarch beschreibt hier keinenZustand sondern einen Prozeszlig der verdeutlicht warum Alkibia-des sich nicht gleich blieb Er wurde von aumluszligeren Ereignissen be-stimmt Danach stellt Plutarch fest daszlig seine φύσις von einer Viel-falt von πάθη bestimmt war18 Unter den Leidenschaften werdenτ( φιλόνικον und τ( φιλόπρωτον hervorgehoben Die erste dersbquoDurchsetzungswillelsquo wird naumlher bestimmt durch die zweite sbquodenDrang zum ersten Platzlsquo Dieses Begriffspaar eignet sich durchausals Schluumlssel zum spaumlteren Verhalten des Alkibiades Die genann-ten Eigenschaften beschreiben die Motivierung eines Ehrgeizigenin einer agonistischen Gesellschaft Es ist zu bemerken daszlig imweiteren Verlauf der Biographie Plutarch haumlufig von φιλοτιμίαspricht19 Offenbar kommt es Alkibiades sehr auf die Meinung an-

330 Evange los Alex iou

18) Zur plutarchischen Charakterzeichnung und der Frage nach dem Zu-sammenhang zwischen φύσις und θη oder πάθη siehe vor allem D A Russell OnReading Plutarchrsquos Lives GampR 13 (1966) 139ndash154 (abgedr in Scardigli [wieAnm 7] 75ndash94) A Dihle Studien zur griechischen Biographie 2 Aufl Goumlttingen1970 76 ff bes 84 ff C Gill The Question of Character-Development Plutarchand Tacitus CQ 33 (1983) 469ndash487 C B R Pelling Aspects of Plutarchrsquos Charac-terisation ICS 132 (1988) 257ndash274 bes 258 ff (abgedr in ders Eighteen Studies[wie Anm 7] 283ndash300) S Swain Character Change in Plutarch Phoenix 43 (1989)62ndash68 R A Wright Plutarch on Moral Progress in J T Fitzgerald (Hrsg) Pas -sions and Moral Progress in Greco-Roman Thought London New York 2008136ndash150

19) Vgl Alc 64 75 112 164ndash5 276 343 Zu φιλοτιμία bei Plutarch sie-he A Wardman Plutarchrsquos Lives London 1974 115ndash124 F Frazier A propos de lasbquophilotimialsquo dans les sbquovieslsquo Quelques jalons dans lrsquohistoire drsquoune notion RPh 63

derer uumlber ihn an und er bemuumlht sich darum wie es eben fuumlrφιλοτιμία typisch ist20

Die charakterliche Zweideutigkeit des Lysander und des Al-kibiades fuumlhrt uns nun direkt zu der Debatte uumlber die μεγάλαιφύσεις Im Prooumlmium des Paares Demetrios-Antonius wird dieplatonische These herangezogen daszlig die groszligen Naturen sowohlgroszlige Laster als auch groszlige Tugenden hervorbraumlchten τι κα+κακας μεγλας Gσπερ 2ρετς αf μεγλαι φσεις 4κφ1ρουσι (17ndash8)21 Diese These ist auf die platonische Politeia 491e ff zuruumlckzu-fuumlhren Dort wird von den Seelen edelster Natur (εφυέσταται) ge-sprochen die durch schlechte Erziehung (κακ7 παιδαγωγία) auchschlecht werden Es sind Ehrenbezeugungen und Schmeicheleiendurch die die Leute einen Menschen mit guter Anlage im Hinblickauf seine kuumlnftige Macht zu gewinnen versuchen (494c) Platonkann hier durchaus an Alkibiades gedacht haben22 Ein solcherMann faumlhrt Platon fort wenn er reich und edel und dazu groszlig istwird sich mit unbegrenzten Hoffnungen anfuumlllen und sich imstan-de waumlhnen die Angelegenheiten der Griechen und der Barbaren zuleiten Er wird sich uumlbermaumlszligig erheben von leerer Einbildung auf-geblasen Jemand kann sich ihm bescheiden naumlhern und sagen daszliger noch der Einsicht und Vernunft bedarf Auch wenn er aufgrundseiner Naturanlage durch diese Reden sbquobekehrtlsquo und zur Philoso-phie hingezogen wird werden die anderen alles unternehmen da-mit sie ihn nicht verlieren (494e) Ein solcher Mann kann letztend-lich kein Philosoph werden (495a)

331Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

(1988) 109ndash127 G Roskam Τ( καλ(ν ατό [ ] χοντας τέλος (Praec gerreip 799A) Plutarch on the Foundation of the Politicianrsquos Career Ploutarchosn s 2 (2004ndash2005) 89ndash103 bes 93 ff E Alexiou Πλουτάρχου Παράλληλοι Βίοι Ηπροβληματική των sbquoθετικώνlsquo και sbquoαρνητικώνlsquo παραδειγμάτων Thessaloniki 2007112ndash113

20) Siehe Comp Cor-Alc 51 λκιβιδης μ)ν οlν οκ =ρνετο τιμKμενοςχαρειν κα+ δυσφορεν παρορKμενος θεν 4πειρDτο προσφιλ7ς εmναι τος παροσικα+ κεχαρισμ1νος

21) Vgl T Duff Plutarch Plato and sbquoGreat Natureslsquo in A Peacuterez Jimeacutenez J Garcia Loacutepez R M Aguilar (Hrsg) Plutarco Platoacuten y Aristoacuteteles Actas del Vcongreso internacional de la International Plutarch Society Madrid 1999 313ndash332Alexiou (wie Anm 19) 235ndash245

22) Vgl J Hatzfeld Alcibiade Eacutetude sur lrsquohistoire drsquoAthegravenes agrave la fin du Vesiegravecle 2 Aufl Paris 1951 53 Vgl D Gribble Alcibiades and Athens A Study inLiterary Presentation Oxford 1999 219 Anm 15 mit weiterer Literatur

In der Alkibiades-Vita decken sich Platons Erlaumluterungen mitden bei Plutarch ausgefuumlhrten Gedanken uumlber Alkibiades DerBiograph verwendet aumlhnliches Vokabular23 um die Unbestaumlndig-keit des Atheners und die Konkurrenz zwischen einer guten undeiner schaumldlichen Erziehung anschaulich zu machen Plutarchspricht hier unter Berufung auf den sokratischen Eros von der ed-len Naturanlage des Alkibiades (41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν vgl 61)die Sokrates erkannt und an sich gezogen hat Es sind allerdingsaumluszligere Guumlter und die Umwelt die Alkibiades von der guten Er-ziehung der Philosophie zu trennen drohten vor allem Schmeich-ler die ihn in hochfliegende politische Plaumlne und Ambitionen(φιλοτιμία μεγαλοπραγμοσύνη) trieben bevor es an der Zeit war(61ndash5 vgl 41ndash2) Es wird unter anderem gesagt daszlig Alkibiadesdie Macht und den Ruhm des Perikles uumlberbieten wuumlrde24 Sokra-tes versuchte ihn wieder zu beruhigen und demuumltig zu machen alser erkannte wie viel ihm noch an der Vollkommenheit in der Tu-gend fehlte Daszlig Alkibiades letztendlich seine Leidenschaften vorallem das φιλόνικον κα+ φιλόπρωτον nicht unter Kontrolle haltenkonnte ist nicht verwunderlich Zwei Bilder machen seine Naturanschaulich In Alc 41 wird er mit einem Baum verglichen derwaumlhrend der Bluumlte seine eigene Frucht abwerfen und verderbenkann Auch in Nic 91 findet diese Neigung des Alkibiades sowohlzum Guten als auch zum Boumlsen ihren bemerkenswerten Ausdruckin einem Vergleich mit dem Land der Aumlgypter das nach einemHomerzitat wegen der Fruchtbarkeit des Bodens gute und schaumld-liche Stoffe in Massen erzeugte25

332 Evange los Alex iou

23) Vgl die woumlrtlichen Uumlbereinstimmungen Platon Rep 491e εφυ -εστάτας ndash Plut Alc 41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν Rep 494c προκαταλαμβάνοντες κα+προκολακεύοντες ndash Alc 41 προκαταλαμβάνοντα κολακείαις Rep 494c πλοσιςτε κα+ γενναος κα+ τι εειδ7ς κα+ μ1γας ndash Alc 41 τY εMδει κα+ διαλμπουσαν4νορgtν φοβομενος δ) τ(ν πλοτον κα+ τ( 2ξωμα Rep 494d σχηματισμο κα+φρονήματος κενο νευ νο 4μπιμπλάμενον ndash Alc 43 κα+ πιεζοντος τ(ν κεν(ν κα+2νόητον τφον Rep 494dndashe δι τ( εl πεφυκέναι κα+ τ( ξυγγεν)ς τgtν λόγωνεσαισθάνηταί τέ π_ κα+ κάμπτηται ndash Alc 61 διrsquo εφυΐαν qπτομένων τgtν λόγωνατο

24) Dieser Gedanke kommt auch im platonischen Alkibiades I 105b vor VglD A Russell Plutarch Alcibiades 1ndash16 PCPhS 192 (1966) 40 (abgedr in Scardi gli[wie Anm 7] 191ndash207)

25) Siehe Hom δ 230 φρμακα πολλ μ)ν 4σθλ μεμιγμ1να πολλ δ)λυγρ Vgl De aud poet 15C Zu Homerzitaten bei Plutarch vgl H SchlaumlpferPlutarch und die Klassischen Dichter Ein Beitrag zum klassischen Bildungsgut

Lysander fuumlgt sich ebenfalls in diesen Rahmen der groszligen Na-turen ein Der Spartaner wird woumlrtlich als eine μεγάλη φύσις be-zeichnet zunaumlchst ex negativo wegen einer Krankheit In Lys 25beruft sich Plutarch auf Ps-Aristoteles (Probl 953a) daszlig diegroszligen Naturen an μελαγχολία leiden Plutarch ordnet das Zitat ineinen Kontext ein der eine illustrative Funktion hat Lysanderwird neben Sokrates Platon und Herakles genannt26 Das duumlrftesich daraus erklaumlren daszlig bereits seit der klassischen Zeit eine be-sondere Tradition um Lysander und seine uumlberragenden Erfolgebestand und seine Persoumlnlichkeit auszligerordentliche Reaktionenher vorgerufen hat Aristoteles (Anal Post 97b15ndash25) zoumlgert nichtLysander als Beispiel groszliger Gesinnung (μεγαλοψυχία) neben Alkibiades Achill Aias und Sokrates zu stellen27 In der Nikoma-chischen Ethik ist der μεγαλόψυχος eine autarke Persoumlnlichkeit undfast eine uumlbermenschliche Figur Da fuumlr ihn sowohl die Ehre alsauch jedes andere aumluszligere Gut klein ist steht er in dem Ruf uumlber-heblich zu sein (1124a20)28 Der plutarchische Lysander erscheintebenfalls als ein Mann mit fast uumlbermenschlichen Faumlhigkeiten29

333Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Plutarchs Zuumlrich 1950 11ndash19 B X de Wet Plutarchrsquos Use of the Poets Acta Clas-sica 31 (1988) 13ndash25 bes 15ndash20 G Bona Citazioni omeriche in Plutarco inG DrsquoIppolito I Gallo (Hrsg) Strutture formali dei Moralia di Plutarco Napoli1991 151ndash162 E Alexiou Die Funktion der Homerzitate in Plutarchs Biographi-en in A Haltenhoff F-H Mutschler (Hrsg) Hortus Litterarum AntiquarumFestschrift fuumlr Hans Armin Gaumlrtner Heidelberg 2000 51ndash65 bes 60

26) Siehe P Toohey Melancholy Love and Time Boundaries of the Self inAncient Literature Ann Arbor 2004 36ndash37

27) Siehe R A Gauthier Magnanimiteacute Lrsquoideal de la grandeur dans la philo-sophie paienne et dans la theacuteologie chreacutetienne Paris 1951 bes 37 ff C C W TaylorAristotle Nicomachean Ethics Books IIndashIV Oxford 2006 217ndash218

28) Siehe E A Schmidt Ehre und Tugend Zur Megalopsychia der Aristote-lischen Ethik AGPh 49 (1967) 149ndash168 bes 164 ff M Pakaluk Aristotlersquos Nico-machean Ethics An Introduction Cambridge New York 2005 176ndash179 bes 178mit Anm 20

29) Plutarch erwaumlhnt eine Reihe von Ehrungen die die Staumldte Lysander nachseinem Sieg bei Aigospotamoi ndash als erstem Griechen ndash wie einem Gott entrichteten(Lys 185) Man hat ihm Altaumlre aufgestellt Opfer dargebracht und Paiane gesungenAuf Samos sind sogar die Heraia in Lysandreia verwandelt worden Zu den goumlttli-chen Ehrungen des Lysander siehe C Habicht Gottmenschentum und griechischeStaumldte 2 Aufl Muumlnchen 1970 3ndash7 K Buraselis Heroisierung und ApotheoseThesCRA II (2004) 164ndash165 F Muccioli Gli onori divini per Lisandro a Samo Aproposito di Plutarchus Lysander 18 in L de Blois J A E Bons T Kessels D M Schenkeveld (Hrsg) The Statesman in Plutarchrsquos Works II The Statesmanin Plutarchrsquos Greek and Roman Lives Proceedings of the Sixth International Con-ference of the International Plutarch Society Leiden Boston 2005 199ndash213

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 4: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

Aristeides neben Demosthenes Phokion neben Perikles Kimonneben Nikias Alkibiades neben Lysander Agesilaos usw8 Im fol-genden werden wir Lysander und Alkibiades in paralleler Betrach-tung interpretieren sowohl als Protagonisten in ihren Viten wieauch als Folienfiguren zueinander Im Anschluszlig daran werden wirdie Frage stellen inwiefern diese Parallelitaumlt durch die Stellung derzwei Viten in der relativen Chronologie der Parallelbiographienbegruumlndet ist und welche Schluszligfolgerungen man daraus in bezugauf das moralische Programm Plutarchs ziehen kann

I

Plutarchs Protagonisten Lysander und Alkibiades verfuumlgenuumlber eigene Biographien im plutarchischen Werk sie sind Zeitge-nossen und weisen in vieler Hinsicht Parallelen auf Sie boten Plut-arch genuumlgend historisches Material um daraus ihren Charakterund ihre Sinnesart ans Licht zu bringen In der Art der Darstellungoffenbart sich Plutarchs Bestreben beide als Folienfiguren aufein-ander zu beziehen Diese Synkrisis ist in mehreren Bereichen auf-zuweisen Es lohnt sich einige Beispiele anzufuumlhren Gerade alsAlkibiades aus der Verbannung zuruumlckgerufen und an die Spitzeder athenischen Flotte gestellt einen gewaltigen Umschwung zu-gunsten der Athener hervorruft tritt Lysander als die korrespon-dierende Groumlszlige auf die als δειν(ς γεμών zur lakedaemonischenFlotte entsandt wird (Lys 31ndash2) Plutarch schildert mit voller Ab-sicht die uumlberragenden Erfolge des Alkibiades als Herausforderungfuumlr Lysander was in rhetorischer Terminologie eine σύγκρισις πρ(ςτο8ς 4νδόξους ist man zieht etwas anerkannt Gutes zum Vergleichheran um die Leistung des Protagonisten um so groumlszliger erscheinenzu lassen9 Andererseits konnte Lysander in der ansonsten unbe-

326 Evange los Alex iou

8) Siehe H Beck Interne Synkrisis bei Plutarch Hermes 130 (2002) 469bdquoDer Effekt von Folienfiguren war um so groumlszliger wenn diese ihrerseits Lebensbe-schreibungen besaszligen Ansaumltze eines solchen internen Charaktervergleichsschimmern in Lysander und Agesilaos in Kimon und Perikles sowie in Themisto-kles und Aristeides durchldquo

9) Siehe Arist Rhet 1368a21ndash22 δε δ) πρ(ς 4νδόξoυς συγκρίνειν αξη τι κ(ν γρ κα+ καλόν ε σπoυδαίων βελτίων Menand Περ+ 4πιδεικτ 4218ndash10(Russ-Wils) δε γρ καλo καλλίoνα 2πoδεικνύναι E τVoν 4νδόξV 4φάμιλλoνoXoν E τY Zρακλέoυς βίV τ(ν βίoν ατo E τY Θησέως παραβάλλoντα Vgl Anax

deutenden Seeschlacht bei Notion die Athener nur dann besiegenals Alkibiades abwesend war und den Antiochos als Befehlshaberzuruumlckgelassen hatte An diesem Punkt bedient sich Plutarch derKontrastwirkung mit einer Nebenfigur in beiden Biographien undin doppelter Hinsicht (Lys 51ndash4 Alc 35)10 Er stellt Antiochoseinen Mann ohne Verstand und Maszlig einerseits der Geisteskraftvon Lysander und Alkibiades11 andererseits der verderblichenWirkung von Alkibiadesrsquo Ruf gegenuumlber es koumlnne ihm nichts miszliglingen (Alc 353 vgl Lys 48 2ήττητον) In der Lysander-Vitageht sogar die Wuumlrdigung des Spartaners vom Miszligerfolg des Alki-biades aus der fuumlr die Akzentuierung und Gewichtung der Passa-ge maszliggeblich ist Das Schicksal hat so Plutarch diese Schlachtobwohl sie in Wirklichkeit ohne groszlige Bedeutung war wegen Al-kibiades beruumlhmt gemacht (54) In noch gesteigerter Form erfolgtdie Parallelisierung zwischen Lysander und Alkibiades in der ent-scheidenden Schlacht bei Aigospotamoi (Lys 96ndash1113 Alc 366ndash375) Wie Plutarch die Geschichte verwertet ist aus dem Zusam-menhang klar ersichtlich Er versteht sich meisterhaft darauf diehistorische Begebenheit im Sinne seines Darstellungszieles nutzbarzu machen indem er die durch Zufall bedingte oumlrtliche Anwesen-heit des verbannten Alkibiades (vgl das τυγχάνειν in Lys 105) unddie somit ermoumlglichte geschichtliche sbquoZusammenkunftlsquo der zweiPersoumlnlichkeiten in einer dramatischen Klimax gipfeln laumlszligt Nach-dem die uumlbermuumltigen Athener die Gegner zu verachten begonnenhaben vermag neben Lysander allein Alkibiades die Entwicklungder Ereignisse vorauszusehen Das dient in besonderem Maszligedazu Lysander und Alkibiades als guumlltige Leitbilder des militauml -rischen Metiers hervortreten zu lassen Durch Einfuumlhrung der Autoritaumlt des Alkibiades wird die Unbedachtheit der athenischen

327Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Ars Rhet 37 Zum Thema sbquoPlutarch ndash Rhetoriklsquo siehe R Jeuckens Plutarch vonChaeronea und die Rhetorik Strassburg 1907 F Krauszlig Die rhetorischen SchriftenPlutarchs und ihre Stellung im plutarchischen Schriftenkorpus Nuumlrnberg 1912GW M Harrison Rhetoric Writing and Plutarch AncSoc 18 (1987) 271ndash279L Van der Stockt (Hrsg) Rhetorical Theory and Praxis in Plutarch Acta of the IVth

International Congress of the International Plutarch Society Louvain 200010) Vgl Anax Ars Rhet 39 σται δ) κα+ ]δε πντως α^ξειν ε κ1κριται

μ1γα 2γαθ(ν τοτο τοτV τι 4ναντον 4ν λ1γ_ς μ1γα κακ(ν φανεται σατως δ)ε νομζεται μ1γα κακν 4ν τοτV 4ναντον λ1γ_ς μ1γα 2γαθ(ν φανεται

11) Die Begriffe 4φυβρίζειν θρασύνεσθαι (Lys 51) oder 4φυβρίζεινκαταφρονεν (Alc 356) sind charakteristisch dafuumlr

Feldherren betont und die Bedeutung beider Protagonisten erhoumlhtPlutarch verwendet hier die rhetorischen Topoi μόνος und 4κκρίσεως12 Schlieszliglich duumlrfte es kein Zufall sein daszlig nach demEnde des Peloponnesischen Krieges der Tod des Alkibiades als dieunabdingbare Voraussetzung fuumlr die Bewahrung der bestehendenVerhaumlltnisse dargestellt wird Beim Befehl der Spartaner zur Touml-tung des Alkibiades wird als erster moumlglicher Grund die Furcht vorseiner aξύτης κα+ μεγαλοπραγμοσύνη genannt (Alc 386) Derjeni-ge der den Auftrag erhaumllt Alkibiades aus dem Weg zu raumlumen istkein anderer als Lysander

Im Nachvollziehen dieser historisch bedingten Parallelitaumltwenden wir uns nun den einzelnen Biographien und den Charak-termerkmalen der zwei Persoumlnlichkeiten zu Die Lysander-Vita istdie erste im Paar Lysander-Sulla jene des Alkibiades aller Wahr-scheinlichkeit nach die zweite im Paar Coriolanus-Alkibiades13Beide Syzygien entbehren eines formalen Prooumlmiums in demPlutarch eine Rechtfertigung der Paarungen geben koumlnnte Sie ver-fuumlgen allerdings uumlber eine abschlieszligende Synkrisis in der PlutarchAumlhnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Maumlnnerndarlegt

Ph Stadter hat zweifellos Recht Lysander ein bdquoparadoxes Exemplumldquo zu nennen Die Ambivalenz ist ein zentrales Kenn -zeichen dieses Mannes14 Das laumlszligt sich schon zu Beginn der Bio-graphie feststellen als Plutarch von einer Portraumltstatue in Delphiberichtet und in ihr die Darstellung des Lysander nicht des Brasi-das ndash trotz einer davon abweichenden verbreiteten Meinung ndash erkennen will Plutarch erwaumlhnt in seinem Werk Statuen und Portraumlts zu seinen biographischen Zwecken d h er versucht dieCharakterzeichnung durch das Aufzeigen entsprechender physio-

328 Evange los Alex iou

12) Siehe Arist Rhet 1368a10ndash11 1398b21ndash26 Hierzu C Rapp AristotelesRhetorik Uumlbersetzt und erlaumlutert II Berlin 2002 428ndash429 764

13) Es gibt noch zwei Paare Aemilius Paulus-Timoleon Sertorius-Eumenesin denen die normale Reihenfolge sbquoGrieche ndash Roumlmerlsquo geaumlndert ist Vgl K ZieglerDie Uumlberlieferungsgeschichte der vergleichenden Lebensbeschreibungen PlutarchsLeipzig 1907 26 ff ders Plutarchos RE XXI (1951) 636ndash962 bes 897 f

14) P A Stadter Paradoxical Paradigms Lysander and Sulla in ders (Hrsg)Plutarch and the Historical Tradition London New York 1992 41ndash55 Von bdquomoral ambiguityldquo spricht T Duff Moral Ambiguity in Plutarchrsquos Lysander-Sullain J M Mossman (Hrsg) Plutarch and his Intellectual World Essays on PlutarchLondon 1997 169ndash187 ders Plutarchrsquos Lives Exploring Virtue and Vice Oxford1999 161ndash204 bes 200

gnomischer Merkmale zu stuumltzen15 Ohne die Gruumlnde praumlziser zubestimmen die ihn dazu veranlaszligt haben die Statue Lysander zuzuschreiben schildert er den Dargestellten als einen nach alterSitte langbehaarten und mit einem wuumlrdigen Vollbart ausgestatte-ten Mann Diese alte Sitte der Spartaner verbindet Plutarch mit einem Apophthegma Lykurgs (Lys 13) bdquoDas Haar macht dieSchoumlnen (καλοί) noch stattlicher (επρεπέστεροι) anzuschauenund die Haumlszliglichen (ασχροί) furchtbarer (φοβερώτεροι)ldquo In Philop 21 beruft sich Plutarch auf eine Portraumltstatue des Philo-poemen in Delphi um zu beweisen daszlig der achaische Feldherrnicht haumlszliglich war Im Falle Lysanders verschafft jedoch seine Statuedem Leser keine Klarheit War Lysander schoumln oder haumlszliglich Dienaumlchstliegende Schwierigkeit besteht darin daszlig die Adjektiveκαλός oder ασχρός sich sowohl auf das Aussehen eines Menschenals auch auf seinen Charakter beziehen koumlnnen Die Zweideutig-keit Lysanders bewegt sich somit auf verschiedenen Ebenen WarLysander schoumln oder haumlszliglich gut oder schlecht

Im Falle des Alkibiades bildet keine Statue den Ausgangs-punkt aber zu Beginn seiner Biographie fuumlhrt Plutarch einigeMerkmale des Aussehens seines Protagonisten auf er uumlbernimmtdie klassische Tradition vom vielgeruumlhmten κάλλος des Alkibiadesohne detaillierte Beschreibung als ob es fuumlr den Leser selbstver-staumlndlich waumlre16 Plutarch hebt die gute Naturanlage und dieSchoumlnheit des Koumlrpers des Alkibiades in jedem Alter (Alc 15 δι3εφυbαν κα+ 2ρετ7ν το σKματος) hervor Durch den Zusatz τοσKματος geht Plutarch allerdings von vornherein mit bestimmtenVorstellungen an Alkibiades heran Er laumlszligt naumlmlich die Frage nachseiner Tugendhaftigkeit offen17 und deutet damit einen Gegensatz

329Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

15) Siehe Them 223 Aem 284ndash5 Flam 11 Philop 21 Mar 21 Sull 21Brut 11 Lys 58 Demetr 22 Ant 41 603 Arat 32 De ad et am 74E De fort99A De Alex fort 335BndashC Zur Lysanderstatue siehe A E Wardman Descriptionof Personal Appearance in Plutarch and Suetonius The Use of Statues as EvidenceCQ 17 (1967) 417ndash418 J-F Bommelaer Lysandre de Sparte Histoire et TraditionsParis 1981 13ndash14 J M Mossman Plutarchrsquos Use of Statues in M A Flower M Toher (Hrsg) Georgica Greek Studies in Honour of George Cawkwell Lon-don 1991 111 W J Tatum The Regal Image in Plutarchrsquos Lives JHS 116 (1996) 146

16) Zum κάλλος des Alkibiades vgl Plat Alc I 113b Prot 316a XenMem 1224

17) Vgl T Duff How Lives begin in A G Nikolaidis (Hrsg) The Unity ofPlutarchrsquos Work sbquoMoralialsquo Themes in the sbquoLiveslsquo Features of the sbquoLiveslsquo in the sbquoMo-ralialsquo Berlin New York 2008 198ndash199

zwischen der unumstrittenen koumlrperlichen Schoumlnheit und dem wi-derspruumlchlichen Charakter seines Protagonisten an an dem ihmgelegen ist In den nachfolgenden einleitenden Bemerkungen uumlberden Charakter des Alkibiades (21) macht Plutarch kurze allge-meine und nicht sehr deutliche Feststellungen Daszlig damit nichteine Ablehnung oder Abwertung des Alkibiades beabsichtigt wirdist klar Aber es faumlllt Plutarch schwer die charakterlichen Eigen-schaften des Alkibiades deutlich zu benennen Bei der Zeichnungseines Charakters tritt eine Aumlhnlichkeit mit Lysanders Ambivalenzstark hervor Plutarch beginnt mit der formalen Feststellung vonWiderspruumlchen in sich (2νομοιότηται πρ(ς αQτό) und Wandlungen(μεταβολαί) seines Ethos die von aumluszligeren Bedingungen abhaumlngiggewesen seien Alkibiades war Gegenstand der verschiedenstenEinfluumlsse groszlige Ereignisse und Wechselfaumllle des Schicksals (πράγ -ματα μεγάλα τύχαι πολύτροποι) Plutarch beschreibt hier keinenZustand sondern einen Prozeszlig der verdeutlicht warum Alkibia-des sich nicht gleich blieb Er wurde von aumluszligeren Ereignissen be-stimmt Danach stellt Plutarch fest daszlig seine φύσις von einer Viel-falt von πάθη bestimmt war18 Unter den Leidenschaften werdenτ( φιλόνικον und τ( φιλόπρωτον hervorgehoben Die erste dersbquoDurchsetzungswillelsquo wird naumlher bestimmt durch die zweite sbquodenDrang zum ersten Platzlsquo Dieses Begriffspaar eignet sich durchausals Schluumlssel zum spaumlteren Verhalten des Alkibiades Die genann-ten Eigenschaften beschreiben die Motivierung eines Ehrgeizigenin einer agonistischen Gesellschaft Es ist zu bemerken daszlig imweiteren Verlauf der Biographie Plutarch haumlufig von φιλοτιμίαspricht19 Offenbar kommt es Alkibiades sehr auf die Meinung an-

330 Evange los Alex iou

18) Zur plutarchischen Charakterzeichnung und der Frage nach dem Zu-sammenhang zwischen φύσις und θη oder πάθη siehe vor allem D A Russell OnReading Plutarchrsquos Lives GampR 13 (1966) 139ndash154 (abgedr in Scardigli [wieAnm 7] 75ndash94) A Dihle Studien zur griechischen Biographie 2 Aufl Goumlttingen1970 76 ff bes 84 ff C Gill The Question of Character-Development Plutarchand Tacitus CQ 33 (1983) 469ndash487 C B R Pelling Aspects of Plutarchrsquos Charac-terisation ICS 132 (1988) 257ndash274 bes 258 ff (abgedr in ders Eighteen Studies[wie Anm 7] 283ndash300) S Swain Character Change in Plutarch Phoenix 43 (1989)62ndash68 R A Wright Plutarch on Moral Progress in J T Fitzgerald (Hrsg) Pas -sions and Moral Progress in Greco-Roman Thought London New York 2008136ndash150

19) Vgl Alc 64 75 112 164ndash5 276 343 Zu φιλοτιμία bei Plutarch sie-he A Wardman Plutarchrsquos Lives London 1974 115ndash124 F Frazier A propos de lasbquophilotimialsquo dans les sbquovieslsquo Quelques jalons dans lrsquohistoire drsquoune notion RPh 63

derer uumlber ihn an und er bemuumlht sich darum wie es eben fuumlrφιλοτιμία typisch ist20

Die charakterliche Zweideutigkeit des Lysander und des Al-kibiades fuumlhrt uns nun direkt zu der Debatte uumlber die μεγάλαιφύσεις Im Prooumlmium des Paares Demetrios-Antonius wird dieplatonische These herangezogen daszlig die groszligen Naturen sowohlgroszlige Laster als auch groszlige Tugenden hervorbraumlchten τι κα+κακας μεγλας Gσπερ 2ρετς αf μεγλαι φσεις 4κφ1ρουσι (17ndash8)21 Diese These ist auf die platonische Politeia 491e ff zuruumlckzu-fuumlhren Dort wird von den Seelen edelster Natur (εφυέσταται) ge-sprochen die durch schlechte Erziehung (κακ7 παιδαγωγία) auchschlecht werden Es sind Ehrenbezeugungen und Schmeicheleiendurch die die Leute einen Menschen mit guter Anlage im Hinblickauf seine kuumlnftige Macht zu gewinnen versuchen (494c) Platonkann hier durchaus an Alkibiades gedacht haben22 Ein solcherMann faumlhrt Platon fort wenn er reich und edel und dazu groszlig istwird sich mit unbegrenzten Hoffnungen anfuumlllen und sich imstan-de waumlhnen die Angelegenheiten der Griechen und der Barbaren zuleiten Er wird sich uumlbermaumlszligig erheben von leerer Einbildung auf-geblasen Jemand kann sich ihm bescheiden naumlhern und sagen daszliger noch der Einsicht und Vernunft bedarf Auch wenn er aufgrundseiner Naturanlage durch diese Reden sbquobekehrtlsquo und zur Philoso-phie hingezogen wird werden die anderen alles unternehmen da-mit sie ihn nicht verlieren (494e) Ein solcher Mann kann letztend-lich kein Philosoph werden (495a)

331Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

(1988) 109ndash127 G Roskam Τ( καλ(ν ατό [ ] χοντας τέλος (Praec gerreip 799A) Plutarch on the Foundation of the Politicianrsquos Career Ploutarchosn s 2 (2004ndash2005) 89ndash103 bes 93 ff E Alexiou Πλουτάρχου Παράλληλοι Βίοι Ηπροβληματική των sbquoθετικώνlsquo και sbquoαρνητικώνlsquo παραδειγμάτων Thessaloniki 2007112ndash113

20) Siehe Comp Cor-Alc 51 λκιβιδης μ)ν οlν οκ =ρνετο τιμKμενοςχαρειν κα+ δυσφορεν παρορKμενος θεν 4πειρDτο προσφιλ7ς εmναι τος παροσικα+ κεχαρισμ1νος

21) Vgl T Duff Plutarch Plato and sbquoGreat Natureslsquo in A Peacuterez Jimeacutenez J Garcia Loacutepez R M Aguilar (Hrsg) Plutarco Platoacuten y Aristoacuteteles Actas del Vcongreso internacional de la International Plutarch Society Madrid 1999 313ndash332Alexiou (wie Anm 19) 235ndash245

22) Vgl J Hatzfeld Alcibiade Eacutetude sur lrsquohistoire drsquoAthegravenes agrave la fin du Vesiegravecle 2 Aufl Paris 1951 53 Vgl D Gribble Alcibiades and Athens A Study inLiterary Presentation Oxford 1999 219 Anm 15 mit weiterer Literatur

In der Alkibiades-Vita decken sich Platons Erlaumluterungen mitden bei Plutarch ausgefuumlhrten Gedanken uumlber Alkibiades DerBiograph verwendet aumlhnliches Vokabular23 um die Unbestaumlndig-keit des Atheners und die Konkurrenz zwischen einer guten undeiner schaumldlichen Erziehung anschaulich zu machen Plutarchspricht hier unter Berufung auf den sokratischen Eros von der ed-len Naturanlage des Alkibiades (41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν vgl 61)die Sokrates erkannt und an sich gezogen hat Es sind allerdingsaumluszligere Guumlter und die Umwelt die Alkibiades von der guten Er-ziehung der Philosophie zu trennen drohten vor allem Schmeich-ler die ihn in hochfliegende politische Plaumlne und Ambitionen(φιλοτιμία μεγαλοπραγμοσύνη) trieben bevor es an der Zeit war(61ndash5 vgl 41ndash2) Es wird unter anderem gesagt daszlig Alkibiadesdie Macht und den Ruhm des Perikles uumlberbieten wuumlrde24 Sokra-tes versuchte ihn wieder zu beruhigen und demuumltig zu machen alser erkannte wie viel ihm noch an der Vollkommenheit in der Tu-gend fehlte Daszlig Alkibiades letztendlich seine Leidenschaften vorallem das φιλόνικον κα+ φιλόπρωτον nicht unter Kontrolle haltenkonnte ist nicht verwunderlich Zwei Bilder machen seine Naturanschaulich In Alc 41 wird er mit einem Baum verglichen derwaumlhrend der Bluumlte seine eigene Frucht abwerfen und verderbenkann Auch in Nic 91 findet diese Neigung des Alkibiades sowohlzum Guten als auch zum Boumlsen ihren bemerkenswerten Ausdruckin einem Vergleich mit dem Land der Aumlgypter das nach einemHomerzitat wegen der Fruchtbarkeit des Bodens gute und schaumld-liche Stoffe in Massen erzeugte25

332 Evange los Alex iou

23) Vgl die woumlrtlichen Uumlbereinstimmungen Platon Rep 491e εφυ -εστάτας ndash Plut Alc 41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν Rep 494c προκαταλαμβάνοντες κα+προκολακεύοντες ndash Alc 41 προκαταλαμβάνοντα κολακείαις Rep 494c πλοσιςτε κα+ γενναος κα+ τι εειδ7ς κα+ μ1γας ndash Alc 41 τY εMδει κα+ διαλμπουσαν4νορgtν φοβομενος δ) τ(ν πλοτον κα+ τ( 2ξωμα Rep 494d σχηματισμο κα+φρονήματος κενο νευ νο 4μπιμπλάμενον ndash Alc 43 κα+ πιεζοντος τ(ν κεν(ν κα+2νόητον τφον Rep 494dndashe δι τ( εl πεφυκέναι κα+ τ( ξυγγεν)ς τgtν λόγωνεσαισθάνηταί τέ π_ κα+ κάμπτηται ndash Alc 61 διrsquo εφυΐαν qπτομένων τgtν λόγωνατο

24) Dieser Gedanke kommt auch im platonischen Alkibiades I 105b vor VglD A Russell Plutarch Alcibiades 1ndash16 PCPhS 192 (1966) 40 (abgedr in Scardi gli[wie Anm 7] 191ndash207)

25) Siehe Hom δ 230 φρμακα πολλ μ)ν 4σθλ μεμιγμ1να πολλ δ)λυγρ Vgl De aud poet 15C Zu Homerzitaten bei Plutarch vgl H SchlaumlpferPlutarch und die Klassischen Dichter Ein Beitrag zum klassischen Bildungsgut

Lysander fuumlgt sich ebenfalls in diesen Rahmen der groszligen Na-turen ein Der Spartaner wird woumlrtlich als eine μεγάλη φύσις be-zeichnet zunaumlchst ex negativo wegen einer Krankheit In Lys 25beruft sich Plutarch auf Ps-Aristoteles (Probl 953a) daszlig diegroszligen Naturen an μελαγχολία leiden Plutarch ordnet das Zitat ineinen Kontext ein der eine illustrative Funktion hat Lysanderwird neben Sokrates Platon und Herakles genannt26 Das duumlrftesich daraus erklaumlren daszlig bereits seit der klassischen Zeit eine be-sondere Tradition um Lysander und seine uumlberragenden Erfolgebestand und seine Persoumlnlichkeit auszligerordentliche Reaktionenher vorgerufen hat Aristoteles (Anal Post 97b15ndash25) zoumlgert nichtLysander als Beispiel groszliger Gesinnung (μεγαλοψυχία) neben Alkibiades Achill Aias und Sokrates zu stellen27 In der Nikoma-chischen Ethik ist der μεγαλόψυχος eine autarke Persoumlnlichkeit undfast eine uumlbermenschliche Figur Da fuumlr ihn sowohl die Ehre alsauch jedes andere aumluszligere Gut klein ist steht er in dem Ruf uumlber-heblich zu sein (1124a20)28 Der plutarchische Lysander erscheintebenfalls als ein Mann mit fast uumlbermenschlichen Faumlhigkeiten29

333Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Plutarchs Zuumlrich 1950 11ndash19 B X de Wet Plutarchrsquos Use of the Poets Acta Clas-sica 31 (1988) 13ndash25 bes 15ndash20 G Bona Citazioni omeriche in Plutarco inG DrsquoIppolito I Gallo (Hrsg) Strutture formali dei Moralia di Plutarco Napoli1991 151ndash162 E Alexiou Die Funktion der Homerzitate in Plutarchs Biographi-en in A Haltenhoff F-H Mutschler (Hrsg) Hortus Litterarum AntiquarumFestschrift fuumlr Hans Armin Gaumlrtner Heidelberg 2000 51ndash65 bes 60

26) Siehe P Toohey Melancholy Love and Time Boundaries of the Self inAncient Literature Ann Arbor 2004 36ndash37

27) Siehe R A Gauthier Magnanimiteacute Lrsquoideal de la grandeur dans la philo-sophie paienne et dans la theacuteologie chreacutetienne Paris 1951 bes 37 ff C C W TaylorAristotle Nicomachean Ethics Books IIndashIV Oxford 2006 217ndash218

28) Siehe E A Schmidt Ehre und Tugend Zur Megalopsychia der Aristote-lischen Ethik AGPh 49 (1967) 149ndash168 bes 164 ff M Pakaluk Aristotlersquos Nico-machean Ethics An Introduction Cambridge New York 2005 176ndash179 bes 178mit Anm 20

29) Plutarch erwaumlhnt eine Reihe von Ehrungen die die Staumldte Lysander nachseinem Sieg bei Aigospotamoi ndash als erstem Griechen ndash wie einem Gott entrichteten(Lys 185) Man hat ihm Altaumlre aufgestellt Opfer dargebracht und Paiane gesungenAuf Samos sind sogar die Heraia in Lysandreia verwandelt worden Zu den goumlttli-chen Ehrungen des Lysander siehe C Habicht Gottmenschentum und griechischeStaumldte 2 Aufl Muumlnchen 1970 3ndash7 K Buraselis Heroisierung und ApotheoseThesCRA II (2004) 164ndash165 F Muccioli Gli onori divini per Lisandro a Samo Aproposito di Plutarchus Lysander 18 in L de Blois J A E Bons T Kessels D M Schenkeveld (Hrsg) The Statesman in Plutarchrsquos Works II The Statesmanin Plutarchrsquos Greek and Roman Lives Proceedings of the Sixth International Con-ference of the International Plutarch Society Leiden Boston 2005 199ndash213

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 5: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

deutenden Seeschlacht bei Notion die Athener nur dann besiegenals Alkibiades abwesend war und den Antiochos als Befehlshaberzuruumlckgelassen hatte An diesem Punkt bedient sich Plutarch derKontrastwirkung mit einer Nebenfigur in beiden Biographien undin doppelter Hinsicht (Lys 51ndash4 Alc 35)10 Er stellt Antiochoseinen Mann ohne Verstand und Maszlig einerseits der Geisteskraftvon Lysander und Alkibiades11 andererseits der verderblichenWirkung von Alkibiadesrsquo Ruf gegenuumlber es koumlnne ihm nichts miszliglingen (Alc 353 vgl Lys 48 2ήττητον) In der Lysander-Vitageht sogar die Wuumlrdigung des Spartaners vom Miszligerfolg des Alki-biades aus der fuumlr die Akzentuierung und Gewichtung der Passa-ge maszliggeblich ist Das Schicksal hat so Plutarch diese Schlachtobwohl sie in Wirklichkeit ohne groszlige Bedeutung war wegen Al-kibiades beruumlhmt gemacht (54) In noch gesteigerter Form erfolgtdie Parallelisierung zwischen Lysander und Alkibiades in der ent-scheidenden Schlacht bei Aigospotamoi (Lys 96ndash1113 Alc 366ndash375) Wie Plutarch die Geschichte verwertet ist aus dem Zusam-menhang klar ersichtlich Er versteht sich meisterhaft darauf diehistorische Begebenheit im Sinne seines Darstellungszieles nutzbarzu machen indem er die durch Zufall bedingte oumlrtliche Anwesen-heit des verbannten Alkibiades (vgl das τυγχάνειν in Lys 105) unddie somit ermoumlglichte geschichtliche sbquoZusammenkunftlsquo der zweiPersoumlnlichkeiten in einer dramatischen Klimax gipfeln laumlszligt Nach-dem die uumlbermuumltigen Athener die Gegner zu verachten begonnenhaben vermag neben Lysander allein Alkibiades die Entwicklungder Ereignisse vorauszusehen Das dient in besonderem Maszligedazu Lysander und Alkibiades als guumlltige Leitbilder des militauml -rischen Metiers hervortreten zu lassen Durch Einfuumlhrung der Autoritaumlt des Alkibiades wird die Unbedachtheit der athenischen

327Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Ars Rhet 37 Zum Thema sbquoPlutarch ndash Rhetoriklsquo siehe R Jeuckens Plutarch vonChaeronea und die Rhetorik Strassburg 1907 F Krauszlig Die rhetorischen SchriftenPlutarchs und ihre Stellung im plutarchischen Schriftenkorpus Nuumlrnberg 1912GW M Harrison Rhetoric Writing and Plutarch AncSoc 18 (1987) 271ndash279L Van der Stockt (Hrsg) Rhetorical Theory and Praxis in Plutarch Acta of the IVth

International Congress of the International Plutarch Society Louvain 200010) Vgl Anax Ars Rhet 39 σται δ) κα+ ]δε πντως α^ξειν ε κ1κριται

μ1γα 2γαθ(ν τοτο τοτV τι 4ναντον 4ν λ1γ_ς μ1γα κακ(ν φανεται σατως δ)ε νομζεται μ1γα κακν 4ν τοτV 4ναντον λ1γ_ς μ1γα 2γαθ(ν φανεται

11) Die Begriffe 4φυβρίζειν θρασύνεσθαι (Lys 51) oder 4φυβρίζεινκαταφρονεν (Alc 356) sind charakteristisch dafuumlr

Feldherren betont und die Bedeutung beider Protagonisten erhoumlhtPlutarch verwendet hier die rhetorischen Topoi μόνος und 4κκρίσεως12 Schlieszliglich duumlrfte es kein Zufall sein daszlig nach demEnde des Peloponnesischen Krieges der Tod des Alkibiades als dieunabdingbare Voraussetzung fuumlr die Bewahrung der bestehendenVerhaumlltnisse dargestellt wird Beim Befehl der Spartaner zur Touml-tung des Alkibiades wird als erster moumlglicher Grund die Furcht vorseiner aξύτης κα+ μεγαλοπραγμοσύνη genannt (Alc 386) Derjeni-ge der den Auftrag erhaumllt Alkibiades aus dem Weg zu raumlumen istkein anderer als Lysander

Im Nachvollziehen dieser historisch bedingten Parallelitaumltwenden wir uns nun den einzelnen Biographien und den Charak-termerkmalen der zwei Persoumlnlichkeiten zu Die Lysander-Vita istdie erste im Paar Lysander-Sulla jene des Alkibiades aller Wahr-scheinlichkeit nach die zweite im Paar Coriolanus-Alkibiades13Beide Syzygien entbehren eines formalen Prooumlmiums in demPlutarch eine Rechtfertigung der Paarungen geben koumlnnte Sie ver-fuumlgen allerdings uumlber eine abschlieszligende Synkrisis in der PlutarchAumlhnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Maumlnnerndarlegt

Ph Stadter hat zweifellos Recht Lysander ein bdquoparadoxes Exemplumldquo zu nennen Die Ambivalenz ist ein zentrales Kenn -zeichen dieses Mannes14 Das laumlszligt sich schon zu Beginn der Bio-graphie feststellen als Plutarch von einer Portraumltstatue in Delphiberichtet und in ihr die Darstellung des Lysander nicht des Brasi-das ndash trotz einer davon abweichenden verbreiteten Meinung ndash erkennen will Plutarch erwaumlhnt in seinem Werk Statuen und Portraumlts zu seinen biographischen Zwecken d h er versucht dieCharakterzeichnung durch das Aufzeigen entsprechender physio-

328 Evange los Alex iou

12) Siehe Arist Rhet 1368a10ndash11 1398b21ndash26 Hierzu C Rapp AristotelesRhetorik Uumlbersetzt und erlaumlutert II Berlin 2002 428ndash429 764

13) Es gibt noch zwei Paare Aemilius Paulus-Timoleon Sertorius-Eumenesin denen die normale Reihenfolge sbquoGrieche ndash Roumlmerlsquo geaumlndert ist Vgl K ZieglerDie Uumlberlieferungsgeschichte der vergleichenden Lebensbeschreibungen PlutarchsLeipzig 1907 26 ff ders Plutarchos RE XXI (1951) 636ndash962 bes 897 f

14) P A Stadter Paradoxical Paradigms Lysander and Sulla in ders (Hrsg)Plutarch and the Historical Tradition London New York 1992 41ndash55 Von bdquomoral ambiguityldquo spricht T Duff Moral Ambiguity in Plutarchrsquos Lysander-Sullain J M Mossman (Hrsg) Plutarch and his Intellectual World Essays on PlutarchLondon 1997 169ndash187 ders Plutarchrsquos Lives Exploring Virtue and Vice Oxford1999 161ndash204 bes 200

gnomischer Merkmale zu stuumltzen15 Ohne die Gruumlnde praumlziser zubestimmen die ihn dazu veranlaszligt haben die Statue Lysander zuzuschreiben schildert er den Dargestellten als einen nach alterSitte langbehaarten und mit einem wuumlrdigen Vollbart ausgestatte-ten Mann Diese alte Sitte der Spartaner verbindet Plutarch mit einem Apophthegma Lykurgs (Lys 13) bdquoDas Haar macht dieSchoumlnen (καλοί) noch stattlicher (επρεπέστεροι) anzuschauenund die Haumlszliglichen (ασχροί) furchtbarer (φοβερώτεροι)ldquo In Philop 21 beruft sich Plutarch auf eine Portraumltstatue des Philo-poemen in Delphi um zu beweisen daszlig der achaische Feldherrnicht haumlszliglich war Im Falle Lysanders verschafft jedoch seine Statuedem Leser keine Klarheit War Lysander schoumln oder haumlszliglich Dienaumlchstliegende Schwierigkeit besteht darin daszlig die Adjektiveκαλός oder ασχρός sich sowohl auf das Aussehen eines Menschenals auch auf seinen Charakter beziehen koumlnnen Die Zweideutig-keit Lysanders bewegt sich somit auf verschiedenen Ebenen WarLysander schoumln oder haumlszliglich gut oder schlecht

Im Falle des Alkibiades bildet keine Statue den Ausgangs-punkt aber zu Beginn seiner Biographie fuumlhrt Plutarch einigeMerkmale des Aussehens seines Protagonisten auf er uumlbernimmtdie klassische Tradition vom vielgeruumlhmten κάλλος des Alkibiadesohne detaillierte Beschreibung als ob es fuumlr den Leser selbstver-staumlndlich waumlre16 Plutarch hebt die gute Naturanlage und dieSchoumlnheit des Koumlrpers des Alkibiades in jedem Alter (Alc 15 δι3εφυbαν κα+ 2ρετ7ν το σKματος) hervor Durch den Zusatz τοσKματος geht Plutarch allerdings von vornherein mit bestimmtenVorstellungen an Alkibiades heran Er laumlszligt naumlmlich die Frage nachseiner Tugendhaftigkeit offen17 und deutet damit einen Gegensatz

329Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

15) Siehe Them 223 Aem 284ndash5 Flam 11 Philop 21 Mar 21 Sull 21Brut 11 Lys 58 Demetr 22 Ant 41 603 Arat 32 De ad et am 74E De fort99A De Alex fort 335BndashC Zur Lysanderstatue siehe A E Wardman Descriptionof Personal Appearance in Plutarch and Suetonius The Use of Statues as EvidenceCQ 17 (1967) 417ndash418 J-F Bommelaer Lysandre de Sparte Histoire et TraditionsParis 1981 13ndash14 J M Mossman Plutarchrsquos Use of Statues in M A Flower M Toher (Hrsg) Georgica Greek Studies in Honour of George Cawkwell Lon-don 1991 111 W J Tatum The Regal Image in Plutarchrsquos Lives JHS 116 (1996) 146

16) Zum κάλλος des Alkibiades vgl Plat Alc I 113b Prot 316a XenMem 1224

17) Vgl T Duff How Lives begin in A G Nikolaidis (Hrsg) The Unity ofPlutarchrsquos Work sbquoMoralialsquo Themes in the sbquoLiveslsquo Features of the sbquoLiveslsquo in the sbquoMo-ralialsquo Berlin New York 2008 198ndash199

zwischen der unumstrittenen koumlrperlichen Schoumlnheit und dem wi-derspruumlchlichen Charakter seines Protagonisten an an dem ihmgelegen ist In den nachfolgenden einleitenden Bemerkungen uumlberden Charakter des Alkibiades (21) macht Plutarch kurze allge-meine und nicht sehr deutliche Feststellungen Daszlig damit nichteine Ablehnung oder Abwertung des Alkibiades beabsichtigt wirdist klar Aber es faumlllt Plutarch schwer die charakterlichen Eigen-schaften des Alkibiades deutlich zu benennen Bei der Zeichnungseines Charakters tritt eine Aumlhnlichkeit mit Lysanders Ambivalenzstark hervor Plutarch beginnt mit der formalen Feststellung vonWiderspruumlchen in sich (2νομοιότηται πρ(ς αQτό) und Wandlungen(μεταβολαί) seines Ethos die von aumluszligeren Bedingungen abhaumlngiggewesen seien Alkibiades war Gegenstand der verschiedenstenEinfluumlsse groszlige Ereignisse und Wechselfaumllle des Schicksals (πράγ -ματα μεγάλα τύχαι πολύτροποι) Plutarch beschreibt hier keinenZustand sondern einen Prozeszlig der verdeutlicht warum Alkibia-des sich nicht gleich blieb Er wurde von aumluszligeren Ereignissen be-stimmt Danach stellt Plutarch fest daszlig seine φύσις von einer Viel-falt von πάθη bestimmt war18 Unter den Leidenschaften werdenτ( φιλόνικον und τ( φιλόπρωτον hervorgehoben Die erste dersbquoDurchsetzungswillelsquo wird naumlher bestimmt durch die zweite sbquodenDrang zum ersten Platzlsquo Dieses Begriffspaar eignet sich durchausals Schluumlssel zum spaumlteren Verhalten des Alkibiades Die genann-ten Eigenschaften beschreiben die Motivierung eines Ehrgeizigenin einer agonistischen Gesellschaft Es ist zu bemerken daszlig imweiteren Verlauf der Biographie Plutarch haumlufig von φιλοτιμίαspricht19 Offenbar kommt es Alkibiades sehr auf die Meinung an-

330 Evange los Alex iou

18) Zur plutarchischen Charakterzeichnung und der Frage nach dem Zu-sammenhang zwischen φύσις und θη oder πάθη siehe vor allem D A Russell OnReading Plutarchrsquos Lives GampR 13 (1966) 139ndash154 (abgedr in Scardigli [wieAnm 7] 75ndash94) A Dihle Studien zur griechischen Biographie 2 Aufl Goumlttingen1970 76 ff bes 84 ff C Gill The Question of Character-Development Plutarchand Tacitus CQ 33 (1983) 469ndash487 C B R Pelling Aspects of Plutarchrsquos Charac-terisation ICS 132 (1988) 257ndash274 bes 258 ff (abgedr in ders Eighteen Studies[wie Anm 7] 283ndash300) S Swain Character Change in Plutarch Phoenix 43 (1989)62ndash68 R A Wright Plutarch on Moral Progress in J T Fitzgerald (Hrsg) Pas -sions and Moral Progress in Greco-Roman Thought London New York 2008136ndash150

19) Vgl Alc 64 75 112 164ndash5 276 343 Zu φιλοτιμία bei Plutarch sie-he A Wardman Plutarchrsquos Lives London 1974 115ndash124 F Frazier A propos de lasbquophilotimialsquo dans les sbquovieslsquo Quelques jalons dans lrsquohistoire drsquoune notion RPh 63

derer uumlber ihn an und er bemuumlht sich darum wie es eben fuumlrφιλοτιμία typisch ist20

Die charakterliche Zweideutigkeit des Lysander und des Al-kibiades fuumlhrt uns nun direkt zu der Debatte uumlber die μεγάλαιφύσεις Im Prooumlmium des Paares Demetrios-Antonius wird dieplatonische These herangezogen daszlig die groszligen Naturen sowohlgroszlige Laster als auch groszlige Tugenden hervorbraumlchten τι κα+κακας μεγλας Gσπερ 2ρετς αf μεγλαι φσεις 4κφ1ρουσι (17ndash8)21 Diese These ist auf die platonische Politeia 491e ff zuruumlckzu-fuumlhren Dort wird von den Seelen edelster Natur (εφυέσταται) ge-sprochen die durch schlechte Erziehung (κακ7 παιδαγωγία) auchschlecht werden Es sind Ehrenbezeugungen und Schmeicheleiendurch die die Leute einen Menschen mit guter Anlage im Hinblickauf seine kuumlnftige Macht zu gewinnen versuchen (494c) Platonkann hier durchaus an Alkibiades gedacht haben22 Ein solcherMann faumlhrt Platon fort wenn er reich und edel und dazu groszlig istwird sich mit unbegrenzten Hoffnungen anfuumlllen und sich imstan-de waumlhnen die Angelegenheiten der Griechen und der Barbaren zuleiten Er wird sich uumlbermaumlszligig erheben von leerer Einbildung auf-geblasen Jemand kann sich ihm bescheiden naumlhern und sagen daszliger noch der Einsicht und Vernunft bedarf Auch wenn er aufgrundseiner Naturanlage durch diese Reden sbquobekehrtlsquo und zur Philoso-phie hingezogen wird werden die anderen alles unternehmen da-mit sie ihn nicht verlieren (494e) Ein solcher Mann kann letztend-lich kein Philosoph werden (495a)

331Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

(1988) 109ndash127 G Roskam Τ( καλ(ν ατό [ ] χοντας τέλος (Praec gerreip 799A) Plutarch on the Foundation of the Politicianrsquos Career Ploutarchosn s 2 (2004ndash2005) 89ndash103 bes 93 ff E Alexiou Πλουτάρχου Παράλληλοι Βίοι Ηπροβληματική των sbquoθετικώνlsquo και sbquoαρνητικώνlsquo παραδειγμάτων Thessaloniki 2007112ndash113

20) Siehe Comp Cor-Alc 51 λκιβιδης μ)ν οlν οκ =ρνετο τιμKμενοςχαρειν κα+ δυσφορεν παρορKμενος θεν 4πειρDτο προσφιλ7ς εmναι τος παροσικα+ κεχαρισμ1νος

21) Vgl T Duff Plutarch Plato and sbquoGreat Natureslsquo in A Peacuterez Jimeacutenez J Garcia Loacutepez R M Aguilar (Hrsg) Plutarco Platoacuten y Aristoacuteteles Actas del Vcongreso internacional de la International Plutarch Society Madrid 1999 313ndash332Alexiou (wie Anm 19) 235ndash245

22) Vgl J Hatzfeld Alcibiade Eacutetude sur lrsquohistoire drsquoAthegravenes agrave la fin du Vesiegravecle 2 Aufl Paris 1951 53 Vgl D Gribble Alcibiades and Athens A Study inLiterary Presentation Oxford 1999 219 Anm 15 mit weiterer Literatur

In der Alkibiades-Vita decken sich Platons Erlaumluterungen mitden bei Plutarch ausgefuumlhrten Gedanken uumlber Alkibiades DerBiograph verwendet aumlhnliches Vokabular23 um die Unbestaumlndig-keit des Atheners und die Konkurrenz zwischen einer guten undeiner schaumldlichen Erziehung anschaulich zu machen Plutarchspricht hier unter Berufung auf den sokratischen Eros von der ed-len Naturanlage des Alkibiades (41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν vgl 61)die Sokrates erkannt und an sich gezogen hat Es sind allerdingsaumluszligere Guumlter und die Umwelt die Alkibiades von der guten Er-ziehung der Philosophie zu trennen drohten vor allem Schmeich-ler die ihn in hochfliegende politische Plaumlne und Ambitionen(φιλοτιμία μεγαλοπραγμοσύνη) trieben bevor es an der Zeit war(61ndash5 vgl 41ndash2) Es wird unter anderem gesagt daszlig Alkibiadesdie Macht und den Ruhm des Perikles uumlberbieten wuumlrde24 Sokra-tes versuchte ihn wieder zu beruhigen und demuumltig zu machen alser erkannte wie viel ihm noch an der Vollkommenheit in der Tu-gend fehlte Daszlig Alkibiades letztendlich seine Leidenschaften vorallem das φιλόνικον κα+ φιλόπρωτον nicht unter Kontrolle haltenkonnte ist nicht verwunderlich Zwei Bilder machen seine Naturanschaulich In Alc 41 wird er mit einem Baum verglichen derwaumlhrend der Bluumlte seine eigene Frucht abwerfen und verderbenkann Auch in Nic 91 findet diese Neigung des Alkibiades sowohlzum Guten als auch zum Boumlsen ihren bemerkenswerten Ausdruckin einem Vergleich mit dem Land der Aumlgypter das nach einemHomerzitat wegen der Fruchtbarkeit des Bodens gute und schaumld-liche Stoffe in Massen erzeugte25

332 Evange los Alex iou

23) Vgl die woumlrtlichen Uumlbereinstimmungen Platon Rep 491e εφυ -εστάτας ndash Plut Alc 41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν Rep 494c προκαταλαμβάνοντες κα+προκολακεύοντες ndash Alc 41 προκαταλαμβάνοντα κολακείαις Rep 494c πλοσιςτε κα+ γενναος κα+ τι εειδ7ς κα+ μ1γας ndash Alc 41 τY εMδει κα+ διαλμπουσαν4νορgtν φοβομενος δ) τ(ν πλοτον κα+ τ( 2ξωμα Rep 494d σχηματισμο κα+φρονήματος κενο νευ νο 4μπιμπλάμενον ndash Alc 43 κα+ πιεζοντος τ(ν κεν(ν κα+2νόητον τφον Rep 494dndashe δι τ( εl πεφυκέναι κα+ τ( ξυγγεν)ς τgtν λόγωνεσαισθάνηταί τέ π_ κα+ κάμπτηται ndash Alc 61 διrsquo εφυΐαν qπτομένων τgtν λόγωνατο

24) Dieser Gedanke kommt auch im platonischen Alkibiades I 105b vor VglD A Russell Plutarch Alcibiades 1ndash16 PCPhS 192 (1966) 40 (abgedr in Scardi gli[wie Anm 7] 191ndash207)

25) Siehe Hom δ 230 φρμακα πολλ μ)ν 4σθλ μεμιγμ1να πολλ δ)λυγρ Vgl De aud poet 15C Zu Homerzitaten bei Plutarch vgl H SchlaumlpferPlutarch und die Klassischen Dichter Ein Beitrag zum klassischen Bildungsgut

Lysander fuumlgt sich ebenfalls in diesen Rahmen der groszligen Na-turen ein Der Spartaner wird woumlrtlich als eine μεγάλη φύσις be-zeichnet zunaumlchst ex negativo wegen einer Krankheit In Lys 25beruft sich Plutarch auf Ps-Aristoteles (Probl 953a) daszlig diegroszligen Naturen an μελαγχολία leiden Plutarch ordnet das Zitat ineinen Kontext ein der eine illustrative Funktion hat Lysanderwird neben Sokrates Platon und Herakles genannt26 Das duumlrftesich daraus erklaumlren daszlig bereits seit der klassischen Zeit eine be-sondere Tradition um Lysander und seine uumlberragenden Erfolgebestand und seine Persoumlnlichkeit auszligerordentliche Reaktionenher vorgerufen hat Aristoteles (Anal Post 97b15ndash25) zoumlgert nichtLysander als Beispiel groszliger Gesinnung (μεγαλοψυχία) neben Alkibiades Achill Aias und Sokrates zu stellen27 In der Nikoma-chischen Ethik ist der μεγαλόψυχος eine autarke Persoumlnlichkeit undfast eine uumlbermenschliche Figur Da fuumlr ihn sowohl die Ehre alsauch jedes andere aumluszligere Gut klein ist steht er in dem Ruf uumlber-heblich zu sein (1124a20)28 Der plutarchische Lysander erscheintebenfalls als ein Mann mit fast uumlbermenschlichen Faumlhigkeiten29

333Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Plutarchs Zuumlrich 1950 11ndash19 B X de Wet Plutarchrsquos Use of the Poets Acta Clas-sica 31 (1988) 13ndash25 bes 15ndash20 G Bona Citazioni omeriche in Plutarco inG DrsquoIppolito I Gallo (Hrsg) Strutture formali dei Moralia di Plutarco Napoli1991 151ndash162 E Alexiou Die Funktion der Homerzitate in Plutarchs Biographi-en in A Haltenhoff F-H Mutschler (Hrsg) Hortus Litterarum AntiquarumFestschrift fuumlr Hans Armin Gaumlrtner Heidelberg 2000 51ndash65 bes 60

26) Siehe P Toohey Melancholy Love and Time Boundaries of the Self inAncient Literature Ann Arbor 2004 36ndash37

27) Siehe R A Gauthier Magnanimiteacute Lrsquoideal de la grandeur dans la philo-sophie paienne et dans la theacuteologie chreacutetienne Paris 1951 bes 37 ff C C W TaylorAristotle Nicomachean Ethics Books IIndashIV Oxford 2006 217ndash218

28) Siehe E A Schmidt Ehre und Tugend Zur Megalopsychia der Aristote-lischen Ethik AGPh 49 (1967) 149ndash168 bes 164 ff M Pakaluk Aristotlersquos Nico-machean Ethics An Introduction Cambridge New York 2005 176ndash179 bes 178mit Anm 20

29) Plutarch erwaumlhnt eine Reihe von Ehrungen die die Staumldte Lysander nachseinem Sieg bei Aigospotamoi ndash als erstem Griechen ndash wie einem Gott entrichteten(Lys 185) Man hat ihm Altaumlre aufgestellt Opfer dargebracht und Paiane gesungenAuf Samos sind sogar die Heraia in Lysandreia verwandelt worden Zu den goumlttli-chen Ehrungen des Lysander siehe C Habicht Gottmenschentum und griechischeStaumldte 2 Aufl Muumlnchen 1970 3ndash7 K Buraselis Heroisierung und ApotheoseThesCRA II (2004) 164ndash165 F Muccioli Gli onori divini per Lisandro a Samo Aproposito di Plutarchus Lysander 18 in L de Blois J A E Bons T Kessels D M Schenkeveld (Hrsg) The Statesman in Plutarchrsquos Works II The Statesmanin Plutarchrsquos Greek and Roman Lives Proceedings of the Sixth International Con-ference of the International Plutarch Society Leiden Boston 2005 199ndash213

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 6: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

Feldherren betont und die Bedeutung beider Protagonisten erhoumlhtPlutarch verwendet hier die rhetorischen Topoi μόνος und 4κκρίσεως12 Schlieszliglich duumlrfte es kein Zufall sein daszlig nach demEnde des Peloponnesischen Krieges der Tod des Alkibiades als dieunabdingbare Voraussetzung fuumlr die Bewahrung der bestehendenVerhaumlltnisse dargestellt wird Beim Befehl der Spartaner zur Touml-tung des Alkibiades wird als erster moumlglicher Grund die Furcht vorseiner aξύτης κα+ μεγαλοπραγμοσύνη genannt (Alc 386) Derjeni-ge der den Auftrag erhaumllt Alkibiades aus dem Weg zu raumlumen istkein anderer als Lysander

Im Nachvollziehen dieser historisch bedingten Parallelitaumltwenden wir uns nun den einzelnen Biographien und den Charak-termerkmalen der zwei Persoumlnlichkeiten zu Die Lysander-Vita istdie erste im Paar Lysander-Sulla jene des Alkibiades aller Wahr-scheinlichkeit nach die zweite im Paar Coriolanus-Alkibiades13Beide Syzygien entbehren eines formalen Prooumlmiums in demPlutarch eine Rechtfertigung der Paarungen geben koumlnnte Sie ver-fuumlgen allerdings uumlber eine abschlieszligende Synkrisis in der PlutarchAumlhnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Maumlnnerndarlegt

Ph Stadter hat zweifellos Recht Lysander ein bdquoparadoxes Exemplumldquo zu nennen Die Ambivalenz ist ein zentrales Kenn -zeichen dieses Mannes14 Das laumlszligt sich schon zu Beginn der Bio-graphie feststellen als Plutarch von einer Portraumltstatue in Delphiberichtet und in ihr die Darstellung des Lysander nicht des Brasi-das ndash trotz einer davon abweichenden verbreiteten Meinung ndash erkennen will Plutarch erwaumlhnt in seinem Werk Statuen und Portraumlts zu seinen biographischen Zwecken d h er versucht dieCharakterzeichnung durch das Aufzeigen entsprechender physio-

328 Evange los Alex iou

12) Siehe Arist Rhet 1368a10ndash11 1398b21ndash26 Hierzu C Rapp AristotelesRhetorik Uumlbersetzt und erlaumlutert II Berlin 2002 428ndash429 764

13) Es gibt noch zwei Paare Aemilius Paulus-Timoleon Sertorius-Eumenesin denen die normale Reihenfolge sbquoGrieche ndash Roumlmerlsquo geaumlndert ist Vgl K ZieglerDie Uumlberlieferungsgeschichte der vergleichenden Lebensbeschreibungen PlutarchsLeipzig 1907 26 ff ders Plutarchos RE XXI (1951) 636ndash962 bes 897 f

14) P A Stadter Paradoxical Paradigms Lysander and Sulla in ders (Hrsg)Plutarch and the Historical Tradition London New York 1992 41ndash55 Von bdquomoral ambiguityldquo spricht T Duff Moral Ambiguity in Plutarchrsquos Lysander-Sullain J M Mossman (Hrsg) Plutarch and his Intellectual World Essays on PlutarchLondon 1997 169ndash187 ders Plutarchrsquos Lives Exploring Virtue and Vice Oxford1999 161ndash204 bes 200

gnomischer Merkmale zu stuumltzen15 Ohne die Gruumlnde praumlziser zubestimmen die ihn dazu veranlaszligt haben die Statue Lysander zuzuschreiben schildert er den Dargestellten als einen nach alterSitte langbehaarten und mit einem wuumlrdigen Vollbart ausgestatte-ten Mann Diese alte Sitte der Spartaner verbindet Plutarch mit einem Apophthegma Lykurgs (Lys 13) bdquoDas Haar macht dieSchoumlnen (καλοί) noch stattlicher (επρεπέστεροι) anzuschauenund die Haumlszliglichen (ασχροί) furchtbarer (φοβερώτεροι)ldquo In Philop 21 beruft sich Plutarch auf eine Portraumltstatue des Philo-poemen in Delphi um zu beweisen daszlig der achaische Feldherrnicht haumlszliglich war Im Falle Lysanders verschafft jedoch seine Statuedem Leser keine Klarheit War Lysander schoumln oder haumlszliglich Dienaumlchstliegende Schwierigkeit besteht darin daszlig die Adjektiveκαλός oder ασχρός sich sowohl auf das Aussehen eines Menschenals auch auf seinen Charakter beziehen koumlnnen Die Zweideutig-keit Lysanders bewegt sich somit auf verschiedenen Ebenen WarLysander schoumln oder haumlszliglich gut oder schlecht

Im Falle des Alkibiades bildet keine Statue den Ausgangs-punkt aber zu Beginn seiner Biographie fuumlhrt Plutarch einigeMerkmale des Aussehens seines Protagonisten auf er uumlbernimmtdie klassische Tradition vom vielgeruumlhmten κάλλος des Alkibiadesohne detaillierte Beschreibung als ob es fuumlr den Leser selbstver-staumlndlich waumlre16 Plutarch hebt die gute Naturanlage und dieSchoumlnheit des Koumlrpers des Alkibiades in jedem Alter (Alc 15 δι3εφυbαν κα+ 2ρετ7ν το σKματος) hervor Durch den Zusatz τοσKματος geht Plutarch allerdings von vornherein mit bestimmtenVorstellungen an Alkibiades heran Er laumlszligt naumlmlich die Frage nachseiner Tugendhaftigkeit offen17 und deutet damit einen Gegensatz

329Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

15) Siehe Them 223 Aem 284ndash5 Flam 11 Philop 21 Mar 21 Sull 21Brut 11 Lys 58 Demetr 22 Ant 41 603 Arat 32 De ad et am 74E De fort99A De Alex fort 335BndashC Zur Lysanderstatue siehe A E Wardman Descriptionof Personal Appearance in Plutarch and Suetonius The Use of Statues as EvidenceCQ 17 (1967) 417ndash418 J-F Bommelaer Lysandre de Sparte Histoire et TraditionsParis 1981 13ndash14 J M Mossman Plutarchrsquos Use of Statues in M A Flower M Toher (Hrsg) Georgica Greek Studies in Honour of George Cawkwell Lon-don 1991 111 W J Tatum The Regal Image in Plutarchrsquos Lives JHS 116 (1996) 146

16) Zum κάλλος des Alkibiades vgl Plat Alc I 113b Prot 316a XenMem 1224

17) Vgl T Duff How Lives begin in A G Nikolaidis (Hrsg) The Unity ofPlutarchrsquos Work sbquoMoralialsquo Themes in the sbquoLiveslsquo Features of the sbquoLiveslsquo in the sbquoMo-ralialsquo Berlin New York 2008 198ndash199

zwischen der unumstrittenen koumlrperlichen Schoumlnheit und dem wi-derspruumlchlichen Charakter seines Protagonisten an an dem ihmgelegen ist In den nachfolgenden einleitenden Bemerkungen uumlberden Charakter des Alkibiades (21) macht Plutarch kurze allge-meine und nicht sehr deutliche Feststellungen Daszlig damit nichteine Ablehnung oder Abwertung des Alkibiades beabsichtigt wirdist klar Aber es faumlllt Plutarch schwer die charakterlichen Eigen-schaften des Alkibiades deutlich zu benennen Bei der Zeichnungseines Charakters tritt eine Aumlhnlichkeit mit Lysanders Ambivalenzstark hervor Plutarch beginnt mit der formalen Feststellung vonWiderspruumlchen in sich (2νομοιότηται πρ(ς αQτό) und Wandlungen(μεταβολαί) seines Ethos die von aumluszligeren Bedingungen abhaumlngiggewesen seien Alkibiades war Gegenstand der verschiedenstenEinfluumlsse groszlige Ereignisse und Wechselfaumllle des Schicksals (πράγ -ματα μεγάλα τύχαι πολύτροποι) Plutarch beschreibt hier keinenZustand sondern einen Prozeszlig der verdeutlicht warum Alkibia-des sich nicht gleich blieb Er wurde von aumluszligeren Ereignissen be-stimmt Danach stellt Plutarch fest daszlig seine φύσις von einer Viel-falt von πάθη bestimmt war18 Unter den Leidenschaften werdenτ( φιλόνικον und τ( φιλόπρωτον hervorgehoben Die erste dersbquoDurchsetzungswillelsquo wird naumlher bestimmt durch die zweite sbquodenDrang zum ersten Platzlsquo Dieses Begriffspaar eignet sich durchausals Schluumlssel zum spaumlteren Verhalten des Alkibiades Die genann-ten Eigenschaften beschreiben die Motivierung eines Ehrgeizigenin einer agonistischen Gesellschaft Es ist zu bemerken daszlig imweiteren Verlauf der Biographie Plutarch haumlufig von φιλοτιμίαspricht19 Offenbar kommt es Alkibiades sehr auf die Meinung an-

330 Evange los Alex iou

18) Zur plutarchischen Charakterzeichnung und der Frage nach dem Zu-sammenhang zwischen φύσις und θη oder πάθη siehe vor allem D A Russell OnReading Plutarchrsquos Lives GampR 13 (1966) 139ndash154 (abgedr in Scardigli [wieAnm 7] 75ndash94) A Dihle Studien zur griechischen Biographie 2 Aufl Goumlttingen1970 76 ff bes 84 ff C Gill The Question of Character-Development Plutarchand Tacitus CQ 33 (1983) 469ndash487 C B R Pelling Aspects of Plutarchrsquos Charac-terisation ICS 132 (1988) 257ndash274 bes 258 ff (abgedr in ders Eighteen Studies[wie Anm 7] 283ndash300) S Swain Character Change in Plutarch Phoenix 43 (1989)62ndash68 R A Wright Plutarch on Moral Progress in J T Fitzgerald (Hrsg) Pas -sions and Moral Progress in Greco-Roman Thought London New York 2008136ndash150

19) Vgl Alc 64 75 112 164ndash5 276 343 Zu φιλοτιμία bei Plutarch sie-he A Wardman Plutarchrsquos Lives London 1974 115ndash124 F Frazier A propos de lasbquophilotimialsquo dans les sbquovieslsquo Quelques jalons dans lrsquohistoire drsquoune notion RPh 63

derer uumlber ihn an und er bemuumlht sich darum wie es eben fuumlrφιλοτιμία typisch ist20

Die charakterliche Zweideutigkeit des Lysander und des Al-kibiades fuumlhrt uns nun direkt zu der Debatte uumlber die μεγάλαιφύσεις Im Prooumlmium des Paares Demetrios-Antonius wird dieplatonische These herangezogen daszlig die groszligen Naturen sowohlgroszlige Laster als auch groszlige Tugenden hervorbraumlchten τι κα+κακας μεγλας Gσπερ 2ρετς αf μεγλαι φσεις 4κφ1ρουσι (17ndash8)21 Diese These ist auf die platonische Politeia 491e ff zuruumlckzu-fuumlhren Dort wird von den Seelen edelster Natur (εφυέσταται) ge-sprochen die durch schlechte Erziehung (κακ7 παιδαγωγία) auchschlecht werden Es sind Ehrenbezeugungen und Schmeicheleiendurch die die Leute einen Menschen mit guter Anlage im Hinblickauf seine kuumlnftige Macht zu gewinnen versuchen (494c) Platonkann hier durchaus an Alkibiades gedacht haben22 Ein solcherMann faumlhrt Platon fort wenn er reich und edel und dazu groszlig istwird sich mit unbegrenzten Hoffnungen anfuumlllen und sich imstan-de waumlhnen die Angelegenheiten der Griechen und der Barbaren zuleiten Er wird sich uumlbermaumlszligig erheben von leerer Einbildung auf-geblasen Jemand kann sich ihm bescheiden naumlhern und sagen daszliger noch der Einsicht und Vernunft bedarf Auch wenn er aufgrundseiner Naturanlage durch diese Reden sbquobekehrtlsquo und zur Philoso-phie hingezogen wird werden die anderen alles unternehmen da-mit sie ihn nicht verlieren (494e) Ein solcher Mann kann letztend-lich kein Philosoph werden (495a)

331Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

(1988) 109ndash127 G Roskam Τ( καλ(ν ατό [ ] χοντας τέλος (Praec gerreip 799A) Plutarch on the Foundation of the Politicianrsquos Career Ploutarchosn s 2 (2004ndash2005) 89ndash103 bes 93 ff E Alexiou Πλουτάρχου Παράλληλοι Βίοι Ηπροβληματική των sbquoθετικώνlsquo και sbquoαρνητικώνlsquo παραδειγμάτων Thessaloniki 2007112ndash113

20) Siehe Comp Cor-Alc 51 λκιβιδης μ)ν οlν οκ =ρνετο τιμKμενοςχαρειν κα+ δυσφορεν παρορKμενος θεν 4πειρDτο προσφιλ7ς εmναι τος παροσικα+ κεχαρισμ1νος

21) Vgl T Duff Plutarch Plato and sbquoGreat Natureslsquo in A Peacuterez Jimeacutenez J Garcia Loacutepez R M Aguilar (Hrsg) Plutarco Platoacuten y Aristoacuteteles Actas del Vcongreso internacional de la International Plutarch Society Madrid 1999 313ndash332Alexiou (wie Anm 19) 235ndash245

22) Vgl J Hatzfeld Alcibiade Eacutetude sur lrsquohistoire drsquoAthegravenes agrave la fin du Vesiegravecle 2 Aufl Paris 1951 53 Vgl D Gribble Alcibiades and Athens A Study inLiterary Presentation Oxford 1999 219 Anm 15 mit weiterer Literatur

In der Alkibiades-Vita decken sich Platons Erlaumluterungen mitden bei Plutarch ausgefuumlhrten Gedanken uumlber Alkibiades DerBiograph verwendet aumlhnliches Vokabular23 um die Unbestaumlndig-keit des Atheners und die Konkurrenz zwischen einer guten undeiner schaumldlichen Erziehung anschaulich zu machen Plutarchspricht hier unter Berufung auf den sokratischen Eros von der ed-len Naturanlage des Alkibiades (41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν vgl 61)die Sokrates erkannt und an sich gezogen hat Es sind allerdingsaumluszligere Guumlter und die Umwelt die Alkibiades von der guten Er-ziehung der Philosophie zu trennen drohten vor allem Schmeich-ler die ihn in hochfliegende politische Plaumlne und Ambitionen(φιλοτιμία μεγαλοπραγμοσύνη) trieben bevor es an der Zeit war(61ndash5 vgl 41ndash2) Es wird unter anderem gesagt daszlig Alkibiadesdie Macht und den Ruhm des Perikles uumlberbieten wuumlrde24 Sokra-tes versuchte ihn wieder zu beruhigen und demuumltig zu machen alser erkannte wie viel ihm noch an der Vollkommenheit in der Tu-gend fehlte Daszlig Alkibiades letztendlich seine Leidenschaften vorallem das φιλόνικον κα+ φιλόπρωτον nicht unter Kontrolle haltenkonnte ist nicht verwunderlich Zwei Bilder machen seine Naturanschaulich In Alc 41 wird er mit einem Baum verglichen derwaumlhrend der Bluumlte seine eigene Frucht abwerfen und verderbenkann Auch in Nic 91 findet diese Neigung des Alkibiades sowohlzum Guten als auch zum Boumlsen ihren bemerkenswerten Ausdruckin einem Vergleich mit dem Land der Aumlgypter das nach einemHomerzitat wegen der Fruchtbarkeit des Bodens gute und schaumld-liche Stoffe in Massen erzeugte25

332 Evange los Alex iou

23) Vgl die woumlrtlichen Uumlbereinstimmungen Platon Rep 491e εφυ -εστάτας ndash Plut Alc 41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν Rep 494c προκαταλαμβάνοντες κα+προκολακεύοντες ndash Alc 41 προκαταλαμβάνοντα κολακείαις Rep 494c πλοσιςτε κα+ γενναος κα+ τι εειδ7ς κα+ μ1γας ndash Alc 41 τY εMδει κα+ διαλμπουσαν4νορgtν φοβομενος δ) τ(ν πλοτον κα+ τ( 2ξωμα Rep 494d σχηματισμο κα+φρονήματος κενο νευ νο 4μπιμπλάμενον ndash Alc 43 κα+ πιεζοντος τ(ν κεν(ν κα+2νόητον τφον Rep 494dndashe δι τ( εl πεφυκέναι κα+ τ( ξυγγεν)ς τgtν λόγωνεσαισθάνηταί τέ π_ κα+ κάμπτηται ndash Alc 61 διrsquo εφυΐαν qπτομένων τgtν λόγωνατο

24) Dieser Gedanke kommt auch im platonischen Alkibiades I 105b vor VglD A Russell Plutarch Alcibiades 1ndash16 PCPhS 192 (1966) 40 (abgedr in Scardi gli[wie Anm 7] 191ndash207)

25) Siehe Hom δ 230 φρμακα πολλ μ)ν 4σθλ μεμιγμ1να πολλ δ)λυγρ Vgl De aud poet 15C Zu Homerzitaten bei Plutarch vgl H SchlaumlpferPlutarch und die Klassischen Dichter Ein Beitrag zum klassischen Bildungsgut

Lysander fuumlgt sich ebenfalls in diesen Rahmen der groszligen Na-turen ein Der Spartaner wird woumlrtlich als eine μεγάλη φύσις be-zeichnet zunaumlchst ex negativo wegen einer Krankheit In Lys 25beruft sich Plutarch auf Ps-Aristoteles (Probl 953a) daszlig diegroszligen Naturen an μελαγχολία leiden Plutarch ordnet das Zitat ineinen Kontext ein der eine illustrative Funktion hat Lysanderwird neben Sokrates Platon und Herakles genannt26 Das duumlrftesich daraus erklaumlren daszlig bereits seit der klassischen Zeit eine be-sondere Tradition um Lysander und seine uumlberragenden Erfolgebestand und seine Persoumlnlichkeit auszligerordentliche Reaktionenher vorgerufen hat Aristoteles (Anal Post 97b15ndash25) zoumlgert nichtLysander als Beispiel groszliger Gesinnung (μεγαλοψυχία) neben Alkibiades Achill Aias und Sokrates zu stellen27 In der Nikoma-chischen Ethik ist der μεγαλόψυχος eine autarke Persoumlnlichkeit undfast eine uumlbermenschliche Figur Da fuumlr ihn sowohl die Ehre alsauch jedes andere aumluszligere Gut klein ist steht er in dem Ruf uumlber-heblich zu sein (1124a20)28 Der plutarchische Lysander erscheintebenfalls als ein Mann mit fast uumlbermenschlichen Faumlhigkeiten29

333Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Plutarchs Zuumlrich 1950 11ndash19 B X de Wet Plutarchrsquos Use of the Poets Acta Clas-sica 31 (1988) 13ndash25 bes 15ndash20 G Bona Citazioni omeriche in Plutarco inG DrsquoIppolito I Gallo (Hrsg) Strutture formali dei Moralia di Plutarco Napoli1991 151ndash162 E Alexiou Die Funktion der Homerzitate in Plutarchs Biographi-en in A Haltenhoff F-H Mutschler (Hrsg) Hortus Litterarum AntiquarumFestschrift fuumlr Hans Armin Gaumlrtner Heidelberg 2000 51ndash65 bes 60

26) Siehe P Toohey Melancholy Love and Time Boundaries of the Self inAncient Literature Ann Arbor 2004 36ndash37

27) Siehe R A Gauthier Magnanimiteacute Lrsquoideal de la grandeur dans la philo-sophie paienne et dans la theacuteologie chreacutetienne Paris 1951 bes 37 ff C C W TaylorAristotle Nicomachean Ethics Books IIndashIV Oxford 2006 217ndash218

28) Siehe E A Schmidt Ehre und Tugend Zur Megalopsychia der Aristote-lischen Ethik AGPh 49 (1967) 149ndash168 bes 164 ff M Pakaluk Aristotlersquos Nico-machean Ethics An Introduction Cambridge New York 2005 176ndash179 bes 178mit Anm 20

29) Plutarch erwaumlhnt eine Reihe von Ehrungen die die Staumldte Lysander nachseinem Sieg bei Aigospotamoi ndash als erstem Griechen ndash wie einem Gott entrichteten(Lys 185) Man hat ihm Altaumlre aufgestellt Opfer dargebracht und Paiane gesungenAuf Samos sind sogar die Heraia in Lysandreia verwandelt worden Zu den goumlttli-chen Ehrungen des Lysander siehe C Habicht Gottmenschentum und griechischeStaumldte 2 Aufl Muumlnchen 1970 3ndash7 K Buraselis Heroisierung und ApotheoseThesCRA II (2004) 164ndash165 F Muccioli Gli onori divini per Lisandro a Samo Aproposito di Plutarchus Lysander 18 in L de Blois J A E Bons T Kessels D M Schenkeveld (Hrsg) The Statesman in Plutarchrsquos Works II The Statesmanin Plutarchrsquos Greek and Roman Lives Proceedings of the Sixth International Con-ference of the International Plutarch Society Leiden Boston 2005 199ndash213

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 7: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

gnomischer Merkmale zu stuumltzen15 Ohne die Gruumlnde praumlziser zubestimmen die ihn dazu veranlaszligt haben die Statue Lysander zuzuschreiben schildert er den Dargestellten als einen nach alterSitte langbehaarten und mit einem wuumlrdigen Vollbart ausgestatte-ten Mann Diese alte Sitte der Spartaner verbindet Plutarch mit einem Apophthegma Lykurgs (Lys 13) bdquoDas Haar macht dieSchoumlnen (καλοί) noch stattlicher (επρεπέστεροι) anzuschauenund die Haumlszliglichen (ασχροί) furchtbarer (φοβερώτεροι)ldquo In Philop 21 beruft sich Plutarch auf eine Portraumltstatue des Philo-poemen in Delphi um zu beweisen daszlig der achaische Feldherrnicht haumlszliglich war Im Falle Lysanders verschafft jedoch seine Statuedem Leser keine Klarheit War Lysander schoumln oder haumlszliglich Dienaumlchstliegende Schwierigkeit besteht darin daszlig die Adjektiveκαλός oder ασχρός sich sowohl auf das Aussehen eines Menschenals auch auf seinen Charakter beziehen koumlnnen Die Zweideutig-keit Lysanders bewegt sich somit auf verschiedenen Ebenen WarLysander schoumln oder haumlszliglich gut oder schlecht

Im Falle des Alkibiades bildet keine Statue den Ausgangs-punkt aber zu Beginn seiner Biographie fuumlhrt Plutarch einigeMerkmale des Aussehens seines Protagonisten auf er uumlbernimmtdie klassische Tradition vom vielgeruumlhmten κάλλος des Alkibiadesohne detaillierte Beschreibung als ob es fuumlr den Leser selbstver-staumlndlich waumlre16 Plutarch hebt die gute Naturanlage und dieSchoumlnheit des Koumlrpers des Alkibiades in jedem Alter (Alc 15 δι3εφυbαν κα+ 2ρετ7ν το σKματος) hervor Durch den Zusatz τοσKματος geht Plutarch allerdings von vornherein mit bestimmtenVorstellungen an Alkibiades heran Er laumlszligt naumlmlich die Frage nachseiner Tugendhaftigkeit offen17 und deutet damit einen Gegensatz

329Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

15) Siehe Them 223 Aem 284ndash5 Flam 11 Philop 21 Mar 21 Sull 21Brut 11 Lys 58 Demetr 22 Ant 41 603 Arat 32 De ad et am 74E De fort99A De Alex fort 335BndashC Zur Lysanderstatue siehe A E Wardman Descriptionof Personal Appearance in Plutarch and Suetonius The Use of Statues as EvidenceCQ 17 (1967) 417ndash418 J-F Bommelaer Lysandre de Sparte Histoire et TraditionsParis 1981 13ndash14 J M Mossman Plutarchrsquos Use of Statues in M A Flower M Toher (Hrsg) Georgica Greek Studies in Honour of George Cawkwell Lon-don 1991 111 W J Tatum The Regal Image in Plutarchrsquos Lives JHS 116 (1996) 146

16) Zum κάλλος des Alkibiades vgl Plat Alc I 113b Prot 316a XenMem 1224

17) Vgl T Duff How Lives begin in A G Nikolaidis (Hrsg) The Unity ofPlutarchrsquos Work sbquoMoralialsquo Themes in the sbquoLiveslsquo Features of the sbquoLiveslsquo in the sbquoMo-ralialsquo Berlin New York 2008 198ndash199

zwischen der unumstrittenen koumlrperlichen Schoumlnheit und dem wi-derspruumlchlichen Charakter seines Protagonisten an an dem ihmgelegen ist In den nachfolgenden einleitenden Bemerkungen uumlberden Charakter des Alkibiades (21) macht Plutarch kurze allge-meine und nicht sehr deutliche Feststellungen Daszlig damit nichteine Ablehnung oder Abwertung des Alkibiades beabsichtigt wirdist klar Aber es faumlllt Plutarch schwer die charakterlichen Eigen-schaften des Alkibiades deutlich zu benennen Bei der Zeichnungseines Charakters tritt eine Aumlhnlichkeit mit Lysanders Ambivalenzstark hervor Plutarch beginnt mit der formalen Feststellung vonWiderspruumlchen in sich (2νομοιότηται πρ(ς αQτό) und Wandlungen(μεταβολαί) seines Ethos die von aumluszligeren Bedingungen abhaumlngiggewesen seien Alkibiades war Gegenstand der verschiedenstenEinfluumlsse groszlige Ereignisse und Wechselfaumllle des Schicksals (πράγ -ματα μεγάλα τύχαι πολύτροποι) Plutarch beschreibt hier keinenZustand sondern einen Prozeszlig der verdeutlicht warum Alkibia-des sich nicht gleich blieb Er wurde von aumluszligeren Ereignissen be-stimmt Danach stellt Plutarch fest daszlig seine φύσις von einer Viel-falt von πάθη bestimmt war18 Unter den Leidenschaften werdenτ( φιλόνικον und τ( φιλόπρωτον hervorgehoben Die erste dersbquoDurchsetzungswillelsquo wird naumlher bestimmt durch die zweite sbquodenDrang zum ersten Platzlsquo Dieses Begriffspaar eignet sich durchausals Schluumlssel zum spaumlteren Verhalten des Alkibiades Die genann-ten Eigenschaften beschreiben die Motivierung eines Ehrgeizigenin einer agonistischen Gesellschaft Es ist zu bemerken daszlig imweiteren Verlauf der Biographie Plutarch haumlufig von φιλοτιμίαspricht19 Offenbar kommt es Alkibiades sehr auf die Meinung an-

330 Evange los Alex iou

18) Zur plutarchischen Charakterzeichnung und der Frage nach dem Zu-sammenhang zwischen φύσις und θη oder πάθη siehe vor allem D A Russell OnReading Plutarchrsquos Lives GampR 13 (1966) 139ndash154 (abgedr in Scardigli [wieAnm 7] 75ndash94) A Dihle Studien zur griechischen Biographie 2 Aufl Goumlttingen1970 76 ff bes 84 ff C Gill The Question of Character-Development Plutarchand Tacitus CQ 33 (1983) 469ndash487 C B R Pelling Aspects of Plutarchrsquos Charac-terisation ICS 132 (1988) 257ndash274 bes 258 ff (abgedr in ders Eighteen Studies[wie Anm 7] 283ndash300) S Swain Character Change in Plutarch Phoenix 43 (1989)62ndash68 R A Wright Plutarch on Moral Progress in J T Fitzgerald (Hrsg) Pas -sions and Moral Progress in Greco-Roman Thought London New York 2008136ndash150

19) Vgl Alc 64 75 112 164ndash5 276 343 Zu φιλοτιμία bei Plutarch sie-he A Wardman Plutarchrsquos Lives London 1974 115ndash124 F Frazier A propos de lasbquophilotimialsquo dans les sbquovieslsquo Quelques jalons dans lrsquohistoire drsquoune notion RPh 63

derer uumlber ihn an und er bemuumlht sich darum wie es eben fuumlrφιλοτιμία typisch ist20

Die charakterliche Zweideutigkeit des Lysander und des Al-kibiades fuumlhrt uns nun direkt zu der Debatte uumlber die μεγάλαιφύσεις Im Prooumlmium des Paares Demetrios-Antonius wird dieplatonische These herangezogen daszlig die groszligen Naturen sowohlgroszlige Laster als auch groszlige Tugenden hervorbraumlchten τι κα+κακας μεγλας Gσπερ 2ρετς αf μεγλαι φσεις 4κφ1ρουσι (17ndash8)21 Diese These ist auf die platonische Politeia 491e ff zuruumlckzu-fuumlhren Dort wird von den Seelen edelster Natur (εφυέσταται) ge-sprochen die durch schlechte Erziehung (κακ7 παιδαγωγία) auchschlecht werden Es sind Ehrenbezeugungen und Schmeicheleiendurch die die Leute einen Menschen mit guter Anlage im Hinblickauf seine kuumlnftige Macht zu gewinnen versuchen (494c) Platonkann hier durchaus an Alkibiades gedacht haben22 Ein solcherMann faumlhrt Platon fort wenn er reich und edel und dazu groszlig istwird sich mit unbegrenzten Hoffnungen anfuumlllen und sich imstan-de waumlhnen die Angelegenheiten der Griechen und der Barbaren zuleiten Er wird sich uumlbermaumlszligig erheben von leerer Einbildung auf-geblasen Jemand kann sich ihm bescheiden naumlhern und sagen daszliger noch der Einsicht und Vernunft bedarf Auch wenn er aufgrundseiner Naturanlage durch diese Reden sbquobekehrtlsquo und zur Philoso-phie hingezogen wird werden die anderen alles unternehmen da-mit sie ihn nicht verlieren (494e) Ein solcher Mann kann letztend-lich kein Philosoph werden (495a)

331Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

(1988) 109ndash127 G Roskam Τ( καλ(ν ατό [ ] χοντας τέλος (Praec gerreip 799A) Plutarch on the Foundation of the Politicianrsquos Career Ploutarchosn s 2 (2004ndash2005) 89ndash103 bes 93 ff E Alexiou Πλουτάρχου Παράλληλοι Βίοι Ηπροβληματική των sbquoθετικώνlsquo και sbquoαρνητικώνlsquo παραδειγμάτων Thessaloniki 2007112ndash113

20) Siehe Comp Cor-Alc 51 λκιβιδης μ)ν οlν οκ =ρνετο τιμKμενοςχαρειν κα+ δυσφορεν παρορKμενος θεν 4πειρDτο προσφιλ7ς εmναι τος παροσικα+ κεχαρισμ1νος

21) Vgl T Duff Plutarch Plato and sbquoGreat Natureslsquo in A Peacuterez Jimeacutenez J Garcia Loacutepez R M Aguilar (Hrsg) Plutarco Platoacuten y Aristoacuteteles Actas del Vcongreso internacional de la International Plutarch Society Madrid 1999 313ndash332Alexiou (wie Anm 19) 235ndash245

22) Vgl J Hatzfeld Alcibiade Eacutetude sur lrsquohistoire drsquoAthegravenes agrave la fin du Vesiegravecle 2 Aufl Paris 1951 53 Vgl D Gribble Alcibiades and Athens A Study inLiterary Presentation Oxford 1999 219 Anm 15 mit weiterer Literatur

In der Alkibiades-Vita decken sich Platons Erlaumluterungen mitden bei Plutarch ausgefuumlhrten Gedanken uumlber Alkibiades DerBiograph verwendet aumlhnliches Vokabular23 um die Unbestaumlndig-keit des Atheners und die Konkurrenz zwischen einer guten undeiner schaumldlichen Erziehung anschaulich zu machen Plutarchspricht hier unter Berufung auf den sokratischen Eros von der ed-len Naturanlage des Alkibiades (41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν vgl 61)die Sokrates erkannt und an sich gezogen hat Es sind allerdingsaumluszligere Guumlter und die Umwelt die Alkibiades von der guten Er-ziehung der Philosophie zu trennen drohten vor allem Schmeich-ler die ihn in hochfliegende politische Plaumlne und Ambitionen(φιλοτιμία μεγαλοπραγμοσύνη) trieben bevor es an der Zeit war(61ndash5 vgl 41ndash2) Es wird unter anderem gesagt daszlig Alkibiadesdie Macht und den Ruhm des Perikles uumlberbieten wuumlrde24 Sokra-tes versuchte ihn wieder zu beruhigen und demuumltig zu machen alser erkannte wie viel ihm noch an der Vollkommenheit in der Tu-gend fehlte Daszlig Alkibiades letztendlich seine Leidenschaften vorallem das φιλόνικον κα+ φιλόπρωτον nicht unter Kontrolle haltenkonnte ist nicht verwunderlich Zwei Bilder machen seine Naturanschaulich In Alc 41 wird er mit einem Baum verglichen derwaumlhrend der Bluumlte seine eigene Frucht abwerfen und verderbenkann Auch in Nic 91 findet diese Neigung des Alkibiades sowohlzum Guten als auch zum Boumlsen ihren bemerkenswerten Ausdruckin einem Vergleich mit dem Land der Aumlgypter das nach einemHomerzitat wegen der Fruchtbarkeit des Bodens gute und schaumld-liche Stoffe in Massen erzeugte25

332 Evange los Alex iou

23) Vgl die woumlrtlichen Uumlbereinstimmungen Platon Rep 491e εφυ -εστάτας ndash Plut Alc 41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν Rep 494c προκαταλαμβάνοντες κα+προκολακεύοντες ndash Alc 41 προκαταλαμβάνοντα κολακείαις Rep 494c πλοσιςτε κα+ γενναος κα+ τι εειδ7ς κα+ μ1γας ndash Alc 41 τY εMδει κα+ διαλμπουσαν4νορgtν φοβομενος δ) τ(ν πλοτον κα+ τ( 2ξωμα Rep 494d σχηματισμο κα+φρονήματος κενο νευ νο 4μπιμπλάμενον ndash Alc 43 κα+ πιεζοντος τ(ν κεν(ν κα+2νόητον τφον Rep 494dndashe δι τ( εl πεφυκέναι κα+ τ( ξυγγεν)ς τgtν λόγωνεσαισθάνηταί τέ π_ κα+ κάμπτηται ndash Alc 61 διrsquo εφυΐαν qπτομένων τgtν λόγωνατο

24) Dieser Gedanke kommt auch im platonischen Alkibiades I 105b vor VglD A Russell Plutarch Alcibiades 1ndash16 PCPhS 192 (1966) 40 (abgedr in Scardi gli[wie Anm 7] 191ndash207)

25) Siehe Hom δ 230 φρμακα πολλ μ)ν 4σθλ μεμιγμ1να πολλ δ)λυγρ Vgl De aud poet 15C Zu Homerzitaten bei Plutarch vgl H SchlaumlpferPlutarch und die Klassischen Dichter Ein Beitrag zum klassischen Bildungsgut

Lysander fuumlgt sich ebenfalls in diesen Rahmen der groszligen Na-turen ein Der Spartaner wird woumlrtlich als eine μεγάλη φύσις be-zeichnet zunaumlchst ex negativo wegen einer Krankheit In Lys 25beruft sich Plutarch auf Ps-Aristoteles (Probl 953a) daszlig diegroszligen Naturen an μελαγχολία leiden Plutarch ordnet das Zitat ineinen Kontext ein der eine illustrative Funktion hat Lysanderwird neben Sokrates Platon und Herakles genannt26 Das duumlrftesich daraus erklaumlren daszlig bereits seit der klassischen Zeit eine be-sondere Tradition um Lysander und seine uumlberragenden Erfolgebestand und seine Persoumlnlichkeit auszligerordentliche Reaktionenher vorgerufen hat Aristoteles (Anal Post 97b15ndash25) zoumlgert nichtLysander als Beispiel groszliger Gesinnung (μεγαλοψυχία) neben Alkibiades Achill Aias und Sokrates zu stellen27 In der Nikoma-chischen Ethik ist der μεγαλόψυχος eine autarke Persoumlnlichkeit undfast eine uumlbermenschliche Figur Da fuumlr ihn sowohl die Ehre alsauch jedes andere aumluszligere Gut klein ist steht er in dem Ruf uumlber-heblich zu sein (1124a20)28 Der plutarchische Lysander erscheintebenfalls als ein Mann mit fast uumlbermenschlichen Faumlhigkeiten29

333Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Plutarchs Zuumlrich 1950 11ndash19 B X de Wet Plutarchrsquos Use of the Poets Acta Clas-sica 31 (1988) 13ndash25 bes 15ndash20 G Bona Citazioni omeriche in Plutarco inG DrsquoIppolito I Gallo (Hrsg) Strutture formali dei Moralia di Plutarco Napoli1991 151ndash162 E Alexiou Die Funktion der Homerzitate in Plutarchs Biographi-en in A Haltenhoff F-H Mutschler (Hrsg) Hortus Litterarum AntiquarumFestschrift fuumlr Hans Armin Gaumlrtner Heidelberg 2000 51ndash65 bes 60

26) Siehe P Toohey Melancholy Love and Time Boundaries of the Self inAncient Literature Ann Arbor 2004 36ndash37

27) Siehe R A Gauthier Magnanimiteacute Lrsquoideal de la grandeur dans la philo-sophie paienne et dans la theacuteologie chreacutetienne Paris 1951 bes 37 ff C C W TaylorAristotle Nicomachean Ethics Books IIndashIV Oxford 2006 217ndash218

28) Siehe E A Schmidt Ehre und Tugend Zur Megalopsychia der Aristote-lischen Ethik AGPh 49 (1967) 149ndash168 bes 164 ff M Pakaluk Aristotlersquos Nico-machean Ethics An Introduction Cambridge New York 2005 176ndash179 bes 178mit Anm 20

29) Plutarch erwaumlhnt eine Reihe von Ehrungen die die Staumldte Lysander nachseinem Sieg bei Aigospotamoi ndash als erstem Griechen ndash wie einem Gott entrichteten(Lys 185) Man hat ihm Altaumlre aufgestellt Opfer dargebracht und Paiane gesungenAuf Samos sind sogar die Heraia in Lysandreia verwandelt worden Zu den goumlttli-chen Ehrungen des Lysander siehe C Habicht Gottmenschentum und griechischeStaumldte 2 Aufl Muumlnchen 1970 3ndash7 K Buraselis Heroisierung und ApotheoseThesCRA II (2004) 164ndash165 F Muccioli Gli onori divini per Lisandro a Samo Aproposito di Plutarchus Lysander 18 in L de Blois J A E Bons T Kessels D M Schenkeveld (Hrsg) The Statesman in Plutarchrsquos Works II The Statesmanin Plutarchrsquos Greek and Roman Lives Proceedings of the Sixth International Con-ference of the International Plutarch Society Leiden Boston 2005 199ndash213

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 8: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

zwischen der unumstrittenen koumlrperlichen Schoumlnheit und dem wi-derspruumlchlichen Charakter seines Protagonisten an an dem ihmgelegen ist In den nachfolgenden einleitenden Bemerkungen uumlberden Charakter des Alkibiades (21) macht Plutarch kurze allge-meine und nicht sehr deutliche Feststellungen Daszlig damit nichteine Ablehnung oder Abwertung des Alkibiades beabsichtigt wirdist klar Aber es faumlllt Plutarch schwer die charakterlichen Eigen-schaften des Alkibiades deutlich zu benennen Bei der Zeichnungseines Charakters tritt eine Aumlhnlichkeit mit Lysanders Ambivalenzstark hervor Plutarch beginnt mit der formalen Feststellung vonWiderspruumlchen in sich (2νομοιότηται πρ(ς αQτό) und Wandlungen(μεταβολαί) seines Ethos die von aumluszligeren Bedingungen abhaumlngiggewesen seien Alkibiades war Gegenstand der verschiedenstenEinfluumlsse groszlige Ereignisse und Wechselfaumllle des Schicksals (πράγ -ματα μεγάλα τύχαι πολύτροποι) Plutarch beschreibt hier keinenZustand sondern einen Prozeszlig der verdeutlicht warum Alkibia-des sich nicht gleich blieb Er wurde von aumluszligeren Ereignissen be-stimmt Danach stellt Plutarch fest daszlig seine φύσις von einer Viel-falt von πάθη bestimmt war18 Unter den Leidenschaften werdenτ( φιλόνικον und τ( φιλόπρωτον hervorgehoben Die erste dersbquoDurchsetzungswillelsquo wird naumlher bestimmt durch die zweite sbquodenDrang zum ersten Platzlsquo Dieses Begriffspaar eignet sich durchausals Schluumlssel zum spaumlteren Verhalten des Alkibiades Die genann-ten Eigenschaften beschreiben die Motivierung eines Ehrgeizigenin einer agonistischen Gesellschaft Es ist zu bemerken daszlig imweiteren Verlauf der Biographie Plutarch haumlufig von φιλοτιμίαspricht19 Offenbar kommt es Alkibiades sehr auf die Meinung an-

330 Evange los Alex iou

18) Zur plutarchischen Charakterzeichnung und der Frage nach dem Zu-sammenhang zwischen φύσις und θη oder πάθη siehe vor allem D A Russell OnReading Plutarchrsquos Lives GampR 13 (1966) 139ndash154 (abgedr in Scardigli [wieAnm 7] 75ndash94) A Dihle Studien zur griechischen Biographie 2 Aufl Goumlttingen1970 76 ff bes 84 ff C Gill The Question of Character-Development Plutarchand Tacitus CQ 33 (1983) 469ndash487 C B R Pelling Aspects of Plutarchrsquos Charac-terisation ICS 132 (1988) 257ndash274 bes 258 ff (abgedr in ders Eighteen Studies[wie Anm 7] 283ndash300) S Swain Character Change in Plutarch Phoenix 43 (1989)62ndash68 R A Wright Plutarch on Moral Progress in J T Fitzgerald (Hrsg) Pas -sions and Moral Progress in Greco-Roman Thought London New York 2008136ndash150

19) Vgl Alc 64 75 112 164ndash5 276 343 Zu φιλοτιμία bei Plutarch sie-he A Wardman Plutarchrsquos Lives London 1974 115ndash124 F Frazier A propos de lasbquophilotimialsquo dans les sbquovieslsquo Quelques jalons dans lrsquohistoire drsquoune notion RPh 63

derer uumlber ihn an und er bemuumlht sich darum wie es eben fuumlrφιλοτιμία typisch ist20

Die charakterliche Zweideutigkeit des Lysander und des Al-kibiades fuumlhrt uns nun direkt zu der Debatte uumlber die μεγάλαιφύσεις Im Prooumlmium des Paares Demetrios-Antonius wird dieplatonische These herangezogen daszlig die groszligen Naturen sowohlgroszlige Laster als auch groszlige Tugenden hervorbraumlchten τι κα+κακας μεγλας Gσπερ 2ρετς αf μεγλαι φσεις 4κφ1ρουσι (17ndash8)21 Diese These ist auf die platonische Politeia 491e ff zuruumlckzu-fuumlhren Dort wird von den Seelen edelster Natur (εφυέσταται) ge-sprochen die durch schlechte Erziehung (κακ7 παιδαγωγία) auchschlecht werden Es sind Ehrenbezeugungen und Schmeicheleiendurch die die Leute einen Menschen mit guter Anlage im Hinblickauf seine kuumlnftige Macht zu gewinnen versuchen (494c) Platonkann hier durchaus an Alkibiades gedacht haben22 Ein solcherMann faumlhrt Platon fort wenn er reich und edel und dazu groszlig istwird sich mit unbegrenzten Hoffnungen anfuumlllen und sich imstan-de waumlhnen die Angelegenheiten der Griechen und der Barbaren zuleiten Er wird sich uumlbermaumlszligig erheben von leerer Einbildung auf-geblasen Jemand kann sich ihm bescheiden naumlhern und sagen daszliger noch der Einsicht und Vernunft bedarf Auch wenn er aufgrundseiner Naturanlage durch diese Reden sbquobekehrtlsquo und zur Philoso-phie hingezogen wird werden die anderen alles unternehmen da-mit sie ihn nicht verlieren (494e) Ein solcher Mann kann letztend-lich kein Philosoph werden (495a)

331Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

(1988) 109ndash127 G Roskam Τ( καλ(ν ατό [ ] χοντας τέλος (Praec gerreip 799A) Plutarch on the Foundation of the Politicianrsquos Career Ploutarchosn s 2 (2004ndash2005) 89ndash103 bes 93 ff E Alexiou Πλουτάρχου Παράλληλοι Βίοι Ηπροβληματική των sbquoθετικώνlsquo και sbquoαρνητικώνlsquo παραδειγμάτων Thessaloniki 2007112ndash113

20) Siehe Comp Cor-Alc 51 λκιβιδης μ)ν οlν οκ =ρνετο τιμKμενοςχαρειν κα+ δυσφορεν παρορKμενος θεν 4πειρDτο προσφιλ7ς εmναι τος παροσικα+ κεχαρισμ1νος

21) Vgl T Duff Plutarch Plato and sbquoGreat Natureslsquo in A Peacuterez Jimeacutenez J Garcia Loacutepez R M Aguilar (Hrsg) Plutarco Platoacuten y Aristoacuteteles Actas del Vcongreso internacional de la International Plutarch Society Madrid 1999 313ndash332Alexiou (wie Anm 19) 235ndash245

22) Vgl J Hatzfeld Alcibiade Eacutetude sur lrsquohistoire drsquoAthegravenes agrave la fin du Vesiegravecle 2 Aufl Paris 1951 53 Vgl D Gribble Alcibiades and Athens A Study inLiterary Presentation Oxford 1999 219 Anm 15 mit weiterer Literatur

In der Alkibiades-Vita decken sich Platons Erlaumluterungen mitden bei Plutarch ausgefuumlhrten Gedanken uumlber Alkibiades DerBiograph verwendet aumlhnliches Vokabular23 um die Unbestaumlndig-keit des Atheners und die Konkurrenz zwischen einer guten undeiner schaumldlichen Erziehung anschaulich zu machen Plutarchspricht hier unter Berufung auf den sokratischen Eros von der ed-len Naturanlage des Alkibiades (41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν vgl 61)die Sokrates erkannt und an sich gezogen hat Es sind allerdingsaumluszligere Guumlter und die Umwelt die Alkibiades von der guten Er-ziehung der Philosophie zu trennen drohten vor allem Schmeich-ler die ihn in hochfliegende politische Plaumlne und Ambitionen(φιλοτιμία μεγαλοπραγμοσύνη) trieben bevor es an der Zeit war(61ndash5 vgl 41ndash2) Es wird unter anderem gesagt daszlig Alkibiadesdie Macht und den Ruhm des Perikles uumlberbieten wuumlrde24 Sokra-tes versuchte ihn wieder zu beruhigen und demuumltig zu machen alser erkannte wie viel ihm noch an der Vollkommenheit in der Tu-gend fehlte Daszlig Alkibiades letztendlich seine Leidenschaften vorallem das φιλόνικον κα+ φιλόπρωτον nicht unter Kontrolle haltenkonnte ist nicht verwunderlich Zwei Bilder machen seine Naturanschaulich In Alc 41 wird er mit einem Baum verglichen derwaumlhrend der Bluumlte seine eigene Frucht abwerfen und verderbenkann Auch in Nic 91 findet diese Neigung des Alkibiades sowohlzum Guten als auch zum Boumlsen ihren bemerkenswerten Ausdruckin einem Vergleich mit dem Land der Aumlgypter das nach einemHomerzitat wegen der Fruchtbarkeit des Bodens gute und schaumld-liche Stoffe in Massen erzeugte25

332 Evange los Alex iou

23) Vgl die woumlrtlichen Uumlbereinstimmungen Platon Rep 491e εφυ -εστάτας ndash Plut Alc 41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν Rep 494c προκαταλαμβάνοντες κα+προκολακεύοντες ndash Alc 41 προκαταλαμβάνοντα κολακείαις Rep 494c πλοσιςτε κα+ γενναος κα+ τι εειδ7ς κα+ μ1γας ndash Alc 41 τY εMδει κα+ διαλμπουσαν4νορgtν φοβομενος δ) τ(ν πλοτον κα+ τ( 2ξωμα Rep 494d σχηματισμο κα+φρονήματος κενο νευ νο 4μπιμπλάμενον ndash Alc 43 κα+ πιεζοντος τ(ν κεν(ν κα+2νόητον τφον Rep 494dndashe δι τ( εl πεφυκέναι κα+ τ( ξυγγεν)ς τgtν λόγωνεσαισθάνηταί τέ π_ κα+ κάμπτηται ndash Alc 61 διrsquo εφυΐαν qπτομένων τgtν λόγωνατο

24) Dieser Gedanke kommt auch im platonischen Alkibiades I 105b vor VglD A Russell Plutarch Alcibiades 1ndash16 PCPhS 192 (1966) 40 (abgedr in Scardi gli[wie Anm 7] 191ndash207)

25) Siehe Hom δ 230 φρμακα πολλ μ)ν 4σθλ μεμιγμ1να πολλ δ)λυγρ Vgl De aud poet 15C Zu Homerzitaten bei Plutarch vgl H SchlaumlpferPlutarch und die Klassischen Dichter Ein Beitrag zum klassischen Bildungsgut

Lysander fuumlgt sich ebenfalls in diesen Rahmen der groszligen Na-turen ein Der Spartaner wird woumlrtlich als eine μεγάλη φύσις be-zeichnet zunaumlchst ex negativo wegen einer Krankheit In Lys 25beruft sich Plutarch auf Ps-Aristoteles (Probl 953a) daszlig diegroszligen Naturen an μελαγχολία leiden Plutarch ordnet das Zitat ineinen Kontext ein der eine illustrative Funktion hat Lysanderwird neben Sokrates Platon und Herakles genannt26 Das duumlrftesich daraus erklaumlren daszlig bereits seit der klassischen Zeit eine be-sondere Tradition um Lysander und seine uumlberragenden Erfolgebestand und seine Persoumlnlichkeit auszligerordentliche Reaktionenher vorgerufen hat Aristoteles (Anal Post 97b15ndash25) zoumlgert nichtLysander als Beispiel groszliger Gesinnung (μεγαλοψυχία) neben Alkibiades Achill Aias und Sokrates zu stellen27 In der Nikoma-chischen Ethik ist der μεγαλόψυχος eine autarke Persoumlnlichkeit undfast eine uumlbermenschliche Figur Da fuumlr ihn sowohl die Ehre alsauch jedes andere aumluszligere Gut klein ist steht er in dem Ruf uumlber-heblich zu sein (1124a20)28 Der plutarchische Lysander erscheintebenfalls als ein Mann mit fast uumlbermenschlichen Faumlhigkeiten29

333Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Plutarchs Zuumlrich 1950 11ndash19 B X de Wet Plutarchrsquos Use of the Poets Acta Clas-sica 31 (1988) 13ndash25 bes 15ndash20 G Bona Citazioni omeriche in Plutarco inG DrsquoIppolito I Gallo (Hrsg) Strutture formali dei Moralia di Plutarco Napoli1991 151ndash162 E Alexiou Die Funktion der Homerzitate in Plutarchs Biographi-en in A Haltenhoff F-H Mutschler (Hrsg) Hortus Litterarum AntiquarumFestschrift fuumlr Hans Armin Gaumlrtner Heidelberg 2000 51ndash65 bes 60

26) Siehe P Toohey Melancholy Love and Time Boundaries of the Self inAncient Literature Ann Arbor 2004 36ndash37

27) Siehe R A Gauthier Magnanimiteacute Lrsquoideal de la grandeur dans la philo-sophie paienne et dans la theacuteologie chreacutetienne Paris 1951 bes 37 ff C C W TaylorAristotle Nicomachean Ethics Books IIndashIV Oxford 2006 217ndash218

28) Siehe E A Schmidt Ehre und Tugend Zur Megalopsychia der Aristote-lischen Ethik AGPh 49 (1967) 149ndash168 bes 164 ff M Pakaluk Aristotlersquos Nico-machean Ethics An Introduction Cambridge New York 2005 176ndash179 bes 178mit Anm 20

29) Plutarch erwaumlhnt eine Reihe von Ehrungen die die Staumldte Lysander nachseinem Sieg bei Aigospotamoi ndash als erstem Griechen ndash wie einem Gott entrichteten(Lys 185) Man hat ihm Altaumlre aufgestellt Opfer dargebracht und Paiane gesungenAuf Samos sind sogar die Heraia in Lysandreia verwandelt worden Zu den goumlttli-chen Ehrungen des Lysander siehe C Habicht Gottmenschentum und griechischeStaumldte 2 Aufl Muumlnchen 1970 3ndash7 K Buraselis Heroisierung und ApotheoseThesCRA II (2004) 164ndash165 F Muccioli Gli onori divini per Lisandro a Samo Aproposito di Plutarchus Lysander 18 in L de Blois J A E Bons T Kessels D M Schenkeveld (Hrsg) The Statesman in Plutarchrsquos Works II The Statesmanin Plutarchrsquos Greek and Roman Lives Proceedings of the Sixth International Con-ference of the International Plutarch Society Leiden Boston 2005 199ndash213

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 9: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

derer uumlber ihn an und er bemuumlht sich darum wie es eben fuumlrφιλοτιμία typisch ist20

Die charakterliche Zweideutigkeit des Lysander und des Al-kibiades fuumlhrt uns nun direkt zu der Debatte uumlber die μεγάλαιφύσεις Im Prooumlmium des Paares Demetrios-Antonius wird dieplatonische These herangezogen daszlig die groszligen Naturen sowohlgroszlige Laster als auch groszlige Tugenden hervorbraumlchten τι κα+κακας μεγλας Gσπερ 2ρετς αf μεγλαι φσεις 4κφ1ρουσι (17ndash8)21 Diese These ist auf die platonische Politeia 491e ff zuruumlckzu-fuumlhren Dort wird von den Seelen edelster Natur (εφυέσταται) ge-sprochen die durch schlechte Erziehung (κακ7 παιδαγωγία) auchschlecht werden Es sind Ehrenbezeugungen und Schmeicheleiendurch die die Leute einen Menschen mit guter Anlage im Hinblickauf seine kuumlnftige Macht zu gewinnen versuchen (494c) Platonkann hier durchaus an Alkibiades gedacht haben22 Ein solcherMann faumlhrt Platon fort wenn er reich und edel und dazu groszlig istwird sich mit unbegrenzten Hoffnungen anfuumlllen und sich imstan-de waumlhnen die Angelegenheiten der Griechen und der Barbaren zuleiten Er wird sich uumlbermaumlszligig erheben von leerer Einbildung auf-geblasen Jemand kann sich ihm bescheiden naumlhern und sagen daszliger noch der Einsicht und Vernunft bedarf Auch wenn er aufgrundseiner Naturanlage durch diese Reden sbquobekehrtlsquo und zur Philoso-phie hingezogen wird werden die anderen alles unternehmen da-mit sie ihn nicht verlieren (494e) Ein solcher Mann kann letztend-lich kein Philosoph werden (495a)

331Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

(1988) 109ndash127 G Roskam Τ( καλ(ν ατό [ ] χοντας τέλος (Praec gerreip 799A) Plutarch on the Foundation of the Politicianrsquos Career Ploutarchosn s 2 (2004ndash2005) 89ndash103 bes 93 ff E Alexiou Πλουτάρχου Παράλληλοι Βίοι Ηπροβληματική των sbquoθετικώνlsquo και sbquoαρνητικώνlsquo παραδειγμάτων Thessaloniki 2007112ndash113

20) Siehe Comp Cor-Alc 51 λκιβιδης μ)ν οlν οκ =ρνετο τιμKμενοςχαρειν κα+ δυσφορεν παρορKμενος θεν 4πειρDτο προσφιλ7ς εmναι τος παροσικα+ κεχαρισμ1νος

21) Vgl T Duff Plutarch Plato and sbquoGreat Natureslsquo in A Peacuterez Jimeacutenez J Garcia Loacutepez R M Aguilar (Hrsg) Plutarco Platoacuten y Aristoacuteteles Actas del Vcongreso internacional de la International Plutarch Society Madrid 1999 313ndash332Alexiou (wie Anm 19) 235ndash245

22) Vgl J Hatzfeld Alcibiade Eacutetude sur lrsquohistoire drsquoAthegravenes agrave la fin du Vesiegravecle 2 Aufl Paris 1951 53 Vgl D Gribble Alcibiades and Athens A Study inLiterary Presentation Oxford 1999 219 Anm 15 mit weiterer Literatur

In der Alkibiades-Vita decken sich Platons Erlaumluterungen mitden bei Plutarch ausgefuumlhrten Gedanken uumlber Alkibiades DerBiograph verwendet aumlhnliches Vokabular23 um die Unbestaumlndig-keit des Atheners und die Konkurrenz zwischen einer guten undeiner schaumldlichen Erziehung anschaulich zu machen Plutarchspricht hier unter Berufung auf den sokratischen Eros von der ed-len Naturanlage des Alkibiades (41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν vgl 61)die Sokrates erkannt und an sich gezogen hat Es sind allerdingsaumluszligere Guumlter und die Umwelt die Alkibiades von der guten Er-ziehung der Philosophie zu trennen drohten vor allem Schmeich-ler die ihn in hochfliegende politische Plaumlne und Ambitionen(φιλοτιμία μεγαλοπραγμοσύνη) trieben bevor es an der Zeit war(61ndash5 vgl 41ndash2) Es wird unter anderem gesagt daszlig Alkibiadesdie Macht und den Ruhm des Perikles uumlberbieten wuumlrde24 Sokra-tes versuchte ihn wieder zu beruhigen und demuumltig zu machen alser erkannte wie viel ihm noch an der Vollkommenheit in der Tu-gend fehlte Daszlig Alkibiades letztendlich seine Leidenschaften vorallem das φιλόνικον κα+ φιλόπρωτον nicht unter Kontrolle haltenkonnte ist nicht verwunderlich Zwei Bilder machen seine Naturanschaulich In Alc 41 wird er mit einem Baum verglichen derwaumlhrend der Bluumlte seine eigene Frucht abwerfen und verderbenkann Auch in Nic 91 findet diese Neigung des Alkibiades sowohlzum Guten als auch zum Boumlsen ihren bemerkenswerten Ausdruckin einem Vergleich mit dem Land der Aumlgypter das nach einemHomerzitat wegen der Fruchtbarkeit des Bodens gute und schaumld-liche Stoffe in Massen erzeugte25

332 Evange los Alex iou

23) Vgl die woumlrtlichen Uumlbereinstimmungen Platon Rep 491e εφυ -εστάτας ndash Plut Alc 41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν Rep 494c προκαταλαμβάνοντες κα+προκολακεύοντες ndash Alc 41 προκαταλαμβάνοντα κολακείαις Rep 494c πλοσιςτε κα+ γενναος κα+ τι εειδ7ς κα+ μ1γας ndash Alc 41 τY εMδει κα+ διαλμπουσαν4νορgtν φοβομενος δ) τ(ν πλοτον κα+ τ( 2ξωμα Rep 494d σχηματισμο κα+φρονήματος κενο νευ νο 4μπιμπλάμενον ndash Alc 43 κα+ πιεζοντος τ(ν κεν(ν κα+2νόητον τφον Rep 494dndashe δι τ( εl πεφυκέναι κα+ τ( ξυγγεν)ς τgtν λόγωνεσαισθάνηταί τέ π_ κα+ κάμπτηται ndash Alc 61 διrsquo εφυΐαν qπτομένων τgtν λόγωνατο

24) Dieser Gedanke kommt auch im platonischen Alkibiades I 105b vor VglD A Russell Plutarch Alcibiades 1ndash16 PCPhS 192 (1966) 40 (abgedr in Scardi gli[wie Anm 7] 191ndash207)

25) Siehe Hom δ 230 φρμακα πολλ μ)ν 4σθλ μεμιγμ1να πολλ δ)λυγρ Vgl De aud poet 15C Zu Homerzitaten bei Plutarch vgl H SchlaumlpferPlutarch und die Klassischen Dichter Ein Beitrag zum klassischen Bildungsgut

Lysander fuumlgt sich ebenfalls in diesen Rahmen der groszligen Na-turen ein Der Spartaner wird woumlrtlich als eine μεγάλη φύσις be-zeichnet zunaumlchst ex negativo wegen einer Krankheit In Lys 25beruft sich Plutarch auf Ps-Aristoteles (Probl 953a) daszlig diegroszligen Naturen an μελαγχολία leiden Plutarch ordnet das Zitat ineinen Kontext ein der eine illustrative Funktion hat Lysanderwird neben Sokrates Platon und Herakles genannt26 Das duumlrftesich daraus erklaumlren daszlig bereits seit der klassischen Zeit eine be-sondere Tradition um Lysander und seine uumlberragenden Erfolgebestand und seine Persoumlnlichkeit auszligerordentliche Reaktionenher vorgerufen hat Aristoteles (Anal Post 97b15ndash25) zoumlgert nichtLysander als Beispiel groszliger Gesinnung (μεγαλοψυχία) neben Alkibiades Achill Aias und Sokrates zu stellen27 In der Nikoma-chischen Ethik ist der μεγαλόψυχος eine autarke Persoumlnlichkeit undfast eine uumlbermenschliche Figur Da fuumlr ihn sowohl die Ehre alsauch jedes andere aumluszligere Gut klein ist steht er in dem Ruf uumlber-heblich zu sein (1124a20)28 Der plutarchische Lysander erscheintebenfalls als ein Mann mit fast uumlbermenschlichen Faumlhigkeiten29

333Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Plutarchs Zuumlrich 1950 11ndash19 B X de Wet Plutarchrsquos Use of the Poets Acta Clas-sica 31 (1988) 13ndash25 bes 15ndash20 G Bona Citazioni omeriche in Plutarco inG DrsquoIppolito I Gallo (Hrsg) Strutture formali dei Moralia di Plutarco Napoli1991 151ndash162 E Alexiou Die Funktion der Homerzitate in Plutarchs Biographi-en in A Haltenhoff F-H Mutschler (Hrsg) Hortus Litterarum AntiquarumFestschrift fuumlr Hans Armin Gaumlrtner Heidelberg 2000 51ndash65 bes 60

26) Siehe P Toohey Melancholy Love and Time Boundaries of the Self inAncient Literature Ann Arbor 2004 36ndash37

27) Siehe R A Gauthier Magnanimiteacute Lrsquoideal de la grandeur dans la philo-sophie paienne et dans la theacuteologie chreacutetienne Paris 1951 bes 37 ff C C W TaylorAristotle Nicomachean Ethics Books IIndashIV Oxford 2006 217ndash218

28) Siehe E A Schmidt Ehre und Tugend Zur Megalopsychia der Aristote-lischen Ethik AGPh 49 (1967) 149ndash168 bes 164 ff M Pakaluk Aristotlersquos Nico-machean Ethics An Introduction Cambridge New York 2005 176ndash179 bes 178mit Anm 20

29) Plutarch erwaumlhnt eine Reihe von Ehrungen die die Staumldte Lysander nachseinem Sieg bei Aigospotamoi ndash als erstem Griechen ndash wie einem Gott entrichteten(Lys 185) Man hat ihm Altaumlre aufgestellt Opfer dargebracht und Paiane gesungenAuf Samos sind sogar die Heraia in Lysandreia verwandelt worden Zu den goumlttli-chen Ehrungen des Lysander siehe C Habicht Gottmenschentum und griechischeStaumldte 2 Aufl Muumlnchen 1970 3ndash7 K Buraselis Heroisierung und ApotheoseThesCRA II (2004) 164ndash165 F Muccioli Gli onori divini per Lisandro a Samo Aproposito di Plutarchus Lysander 18 in L de Blois J A E Bons T Kessels D M Schenkeveld (Hrsg) The Statesman in Plutarchrsquos Works II The Statesmanin Plutarchrsquos Greek and Roman Lives Proceedings of the Sixth International Con-ference of the International Plutarch Society Leiden Boston 2005 199ndash213

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 10: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

In der Alkibiades-Vita decken sich Platons Erlaumluterungen mitden bei Plutarch ausgefuumlhrten Gedanken uumlber Alkibiades DerBiograph verwendet aumlhnliches Vokabular23 um die Unbestaumlndig-keit des Atheners und die Konkurrenz zwischen einer guten undeiner schaumldlichen Erziehung anschaulich zu machen Plutarchspricht hier unter Berufung auf den sokratischen Eros von der ed-len Naturanlage des Alkibiades (41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν vgl 61)die Sokrates erkannt und an sich gezogen hat Es sind allerdingsaumluszligere Guumlter und die Umwelt die Alkibiades von der guten Er-ziehung der Philosophie zu trennen drohten vor allem Schmeich-ler die ihn in hochfliegende politische Plaumlne und Ambitionen(φιλοτιμία μεγαλοπραγμοσύνη) trieben bevor es an der Zeit war(61ndash5 vgl 41ndash2) Es wird unter anderem gesagt daszlig Alkibiadesdie Macht und den Ruhm des Perikles uumlberbieten wuumlrde24 Sokra-tes versuchte ihn wieder zu beruhigen und demuumltig zu machen alser erkannte wie viel ihm noch an der Vollkommenheit in der Tu-gend fehlte Daszlig Alkibiades letztendlich seine Leidenschaften vorallem das φιλόνικον κα+ φιλόπρωτον nicht unter Kontrolle haltenkonnte ist nicht verwunderlich Zwei Bilder machen seine Naturanschaulich In Alc 41 wird er mit einem Baum verglichen derwaumlhrend der Bluumlte seine eigene Frucht abwerfen und verderbenkann Auch in Nic 91 findet diese Neigung des Alkibiades sowohlzum Guten als auch zum Boumlsen ihren bemerkenswerten Ausdruckin einem Vergleich mit dem Land der Aumlgypter das nach einemHomerzitat wegen der Fruchtbarkeit des Bodens gute und schaumld-liche Stoffe in Massen erzeugte25

332 Evange los Alex iou

23) Vgl die woumlrtlichen Uumlbereinstimmungen Platon Rep 491e εφυ -εστάτας ndash Plut Alc 41 εφυΐα πρ(ς 2ρετήν Rep 494c προκαταλαμβάνοντες κα+προκολακεύοντες ndash Alc 41 προκαταλαμβάνοντα κολακείαις Rep 494c πλοσιςτε κα+ γενναος κα+ τι εειδ7ς κα+ μ1γας ndash Alc 41 τY εMδει κα+ διαλμπουσαν4νορgtν φοβομενος δ) τ(ν πλοτον κα+ τ( 2ξωμα Rep 494d σχηματισμο κα+φρονήματος κενο νευ νο 4μπιμπλάμενον ndash Alc 43 κα+ πιεζοντος τ(ν κεν(ν κα+2νόητον τφον Rep 494dndashe δι τ( εl πεφυκέναι κα+ τ( ξυγγεν)ς τgtν λόγωνεσαισθάνηταί τέ π_ κα+ κάμπτηται ndash Alc 61 διrsquo εφυΐαν qπτομένων τgtν λόγωνατο

24) Dieser Gedanke kommt auch im platonischen Alkibiades I 105b vor VglD A Russell Plutarch Alcibiades 1ndash16 PCPhS 192 (1966) 40 (abgedr in Scardi gli[wie Anm 7] 191ndash207)

25) Siehe Hom δ 230 φρμακα πολλ μ)ν 4σθλ μεμιγμ1να πολλ δ)λυγρ Vgl De aud poet 15C Zu Homerzitaten bei Plutarch vgl H SchlaumlpferPlutarch und die Klassischen Dichter Ein Beitrag zum klassischen Bildungsgut

Lysander fuumlgt sich ebenfalls in diesen Rahmen der groszligen Na-turen ein Der Spartaner wird woumlrtlich als eine μεγάλη φύσις be-zeichnet zunaumlchst ex negativo wegen einer Krankheit In Lys 25beruft sich Plutarch auf Ps-Aristoteles (Probl 953a) daszlig diegroszligen Naturen an μελαγχολία leiden Plutarch ordnet das Zitat ineinen Kontext ein der eine illustrative Funktion hat Lysanderwird neben Sokrates Platon und Herakles genannt26 Das duumlrftesich daraus erklaumlren daszlig bereits seit der klassischen Zeit eine be-sondere Tradition um Lysander und seine uumlberragenden Erfolgebestand und seine Persoumlnlichkeit auszligerordentliche Reaktionenher vorgerufen hat Aristoteles (Anal Post 97b15ndash25) zoumlgert nichtLysander als Beispiel groszliger Gesinnung (μεγαλοψυχία) neben Alkibiades Achill Aias und Sokrates zu stellen27 In der Nikoma-chischen Ethik ist der μεγαλόψυχος eine autarke Persoumlnlichkeit undfast eine uumlbermenschliche Figur Da fuumlr ihn sowohl die Ehre alsauch jedes andere aumluszligere Gut klein ist steht er in dem Ruf uumlber-heblich zu sein (1124a20)28 Der plutarchische Lysander erscheintebenfalls als ein Mann mit fast uumlbermenschlichen Faumlhigkeiten29

333Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Plutarchs Zuumlrich 1950 11ndash19 B X de Wet Plutarchrsquos Use of the Poets Acta Clas-sica 31 (1988) 13ndash25 bes 15ndash20 G Bona Citazioni omeriche in Plutarco inG DrsquoIppolito I Gallo (Hrsg) Strutture formali dei Moralia di Plutarco Napoli1991 151ndash162 E Alexiou Die Funktion der Homerzitate in Plutarchs Biographi-en in A Haltenhoff F-H Mutschler (Hrsg) Hortus Litterarum AntiquarumFestschrift fuumlr Hans Armin Gaumlrtner Heidelberg 2000 51ndash65 bes 60

26) Siehe P Toohey Melancholy Love and Time Boundaries of the Self inAncient Literature Ann Arbor 2004 36ndash37

27) Siehe R A Gauthier Magnanimiteacute Lrsquoideal de la grandeur dans la philo-sophie paienne et dans la theacuteologie chreacutetienne Paris 1951 bes 37 ff C C W TaylorAristotle Nicomachean Ethics Books IIndashIV Oxford 2006 217ndash218

28) Siehe E A Schmidt Ehre und Tugend Zur Megalopsychia der Aristote-lischen Ethik AGPh 49 (1967) 149ndash168 bes 164 ff M Pakaluk Aristotlersquos Nico-machean Ethics An Introduction Cambridge New York 2005 176ndash179 bes 178mit Anm 20

29) Plutarch erwaumlhnt eine Reihe von Ehrungen die die Staumldte Lysander nachseinem Sieg bei Aigospotamoi ndash als erstem Griechen ndash wie einem Gott entrichteten(Lys 185) Man hat ihm Altaumlre aufgestellt Opfer dargebracht und Paiane gesungenAuf Samos sind sogar die Heraia in Lysandreia verwandelt worden Zu den goumlttli-chen Ehrungen des Lysander siehe C Habicht Gottmenschentum und griechischeStaumldte 2 Aufl Muumlnchen 1970 3ndash7 K Buraselis Heroisierung und ApotheoseThesCRA II (2004) 164ndash165 F Muccioli Gli onori divini per Lisandro a Samo Aproposito di Plutarchus Lysander 18 in L de Blois J A E Bons T Kessels D M Schenkeveld (Hrsg) The Statesman in Plutarchrsquos Works II The Statesmanin Plutarchrsquos Greek and Roman Lives Proceedings of the Sixth International Con-ference of the International Plutarch Society Leiden Boston 2005 199ndash213

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 11: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

Lysander fuumlgt sich ebenfalls in diesen Rahmen der groszligen Na-turen ein Der Spartaner wird woumlrtlich als eine μεγάλη φύσις be-zeichnet zunaumlchst ex negativo wegen einer Krankheit In Lys 25beruft sich Plutarch auf Ps-Aristoteles (Probl 953a) daszlig diegroszligen Naturen an μελαγχολία leiden Plutarch ordnet das Zitat ineinen Kontext ein der eine illustrative Funktion hat Lysanderwird neben Sokrates Platon und Herakles genannt26 Das duumlrftesich daraus erklaumlren daszlig bereits seit der klassischen Zeit eine be-sondere Tradition um Lysander und seine uumlberragenden Erfolgebestand und seine Persoumlnlichkeit auszligerordentliche Reaktionenher vorgerufen hat Aristoteles (Anal Post 97b15ndash25) zoumlgert nichtLysander als Beispiel groszliger Gesinnung (μεγαλοψυχία) neben Alkibiades Achill Aias und Sokrates zu stellen27 In der Nikoma-chischen Ethik ist der μεγαλόψυχος eine autarke Persoumlnlichkeit undfast eine uumlbermenschliche Figur Da fuumlr ihn sowohl die Ehre alsauch jedes andere aumluszligere Gut klein ist steht er in dem Ruf uumlber-heblich zu sein (1124a20)28 Der plutarchische Lysander erscheintebenfalls als ein Mann mit fast uumlbermenschlichen Faumlhigkeiten29

333Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Plutarchs Zuumlrich 1950 11ndash19 B X de Wet Plutarchrsquos Use of the Poets Acta Clas-sica 31 (1988) 13ndash25 bes 15ndash20 G Bona Citazioni omeriche in Plutarco inG DrsquoIppolito I Gallo (Hrsg) Strutture formali dei Moralia di Plutarco Napoli1991 151ndash162 E Alexiou Die Funktion der Homerzitate in Plutarchs Biographi-en in A Haltenhoff F-H Mutschler (Hrsg) Hortus Litterarum AntiquarumFestschrift fuumlr Hans Armin Gaumlrtner Heidelberg 2000 51ndash65 bes 60

26) Siehe P Toohey Melancholy Love and Time Boundaries of the Self inAncient Literature Ann Arbor 2004 36ndash37

27) Siehe R A Gauthier Magnanimiteacute Lrsquoideal de la grandeur dans la philo-sophie paienne et dans la theacuteologie chreacutetienne Paris 1951 bes 37 ff C C W TaylorAristotle Nicomachean Ethics Books IIndashIV Oxford 2006 217ndash218

28) Siehe E A Schmidt Ehre und Tugend Zur Megalopsychia der Aristote-lischen Ethik AGPh 49 (1967) 149ndash168 bes 164 ff M Pakaluk Aristotlersquos Nico-machean Ethics An Introduction Cambridge New York 2005 176ndash179 bes 178mit Anm 20

29) Plutarch erwaumlhnt eine Reihe von Ehrungen die die Staumldte Lysander nachseinem Sieg bei Aigospotamoi ndash als erstem Griechen ndash wie einem Gott entrichteten(Lys 185) Man hat ihm Altaumlre aufgestellt Opfer dargebracht und Paiane gesungenAuf Samos sind sogar die Heraia in Lysandreia verwandelt worden Zu den goumlttli-chen Ehrungen des Lysander siehe C Habicht Gottmenschentum und griechischeStaumldte 2 Aufl Muumlnchen 1970 3ndash7 K Buraselis Heroisierung und ApotheoseThesCRA II (2004) 164ndash165 F Muccioli Gli onori divini per Lisandro a Samo Aproposito di Plutarchus Lysander 18 in L de Blois J A E Bons T Kessels D M Schenkeveld (Hrsg) The Statesman in Plutarchrsquos Works II The Statesmanin Plutarchrsquos Greek and Roman Lives Proceedings of the Sixth International Con-ference of the International Plutarch Society Leiden Boston 2005 199ndash213

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 12: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

und Plutarch baut seine Lebensgeschichte gleich wie die des Alki-biades nach Maszliggabe seiner widerspruumlchlichen charakterlichenEigenarten auf In der Vielfalt von Leidenschaften werden bei Alkibiades das φιλόνικον φιλόπρωτον und die φιλοτιμία hervor-gehoben Mit Lysander sind wir wiederum bei aumlhnlichen Trieb-kraumlften angelangt τ( φιλότιμον und τ( φιλόνικον (Lys 24)

Es lohnt sich die unterschiedlichen Parameter des obenge-nannten Ehrgeizes auch innerhalb einer Biographie zu betrachtenSie koumlnnen die Protagonisten wesentlich voneinander differenzie-ren Plutarch wird im spaumlteren Verlauf der Lysander-Vita vor al-lem in der Auseinandersetzung des Protagonisten mit Agesilaosvon den Schwaumlchen der ehrgeizigen Naturen sprechen Die Miszlig-gunst Gleichgestellten gegenuumlber ist ein wesentliches Hindernisgroszlige Taten zu vollbringen (233)30 Die Individualitaumlt des Lysan-der wird jedoch besser durch die im Prooumlmium formulierte Er-klaumlrung erfaszligt (21ndash4) Hier fuumlhrt Plutarch den Ehrgeiz Lysandersnicht auf seine Naturanlage sondern auf seine enge Verbindung zuSparta zuruumlck Da ein Mann ohne Ehrgeiz in Sparta miszligachtetwurde hat die spartanische Erziehung die entscheidende Rolle fuumlrsein φιλότιμον und φιλόνικον gespielt (4κ τς Λακωνικς παρ -έμεινε παιδείας) Die Verbindung sbquoEhrgeiz ndash Spartalsquo klingt fast wieein Hendiadyoin31 Alkibiades konnte seine Leidenschaften nichtunter Kontrolle halten trotz des Umgangs mit Sokrates Die guteErziehung des Philosophen war nicht in der Lage die schlechtesbquoErziehunglsquo der Schmeichler zu uumlberwinden Lysander harmoniertzunaumlchst mit der spartanischen Erziehung im Ehrgeiz scheint erein echter Spartaner ein dorischer Charakter zu sein

Um so groumlszliger ist aber der Gegensatz zu seinen sonstigen Ei-genschaften Lysander verstand es den Maumlchtigen zu schmeicheln(θεραπευτικ(ς τgtν δυνατgtν) mehr als es sonst Spartanerart warund er konnte falls notwendig die Last einer ihm uumlbergeordnetenMacht leicht ertragen Dafuumlr war nicht die spartanische Erziehung

334 Evange los Alex iou

30) Vgl entsprechend Ages 85 ο5τως αf φιλτιμοι φσεις 4ν τας πολι -τεαις τ( γαν μ7 φυλαξμεναι το 2γαθο μεζον τ( κακ(ν χουσι Ages 332Hierzu D R Shipley Plutarchrsquos Life of Agesilaos Response to Sources in the Pre-sentation of Character Oxford 1997 12ndash13 75 140 350

31) Zur Verbindung des Ehrgeizes mit Sparta vgl Plat Rep 545a τ(νφιλνικν τε κα+ φιλτιμον κατ τ7ν Λακωνικ7ν Rστgtτα πολιτεαν Arist Polit1271a14ndash16 Plut Lyc 1457 184 255 Ages 55 De virt mor 452D Frazier (wieAnm 19) 117

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 13: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

sondern seine Naturanlage verantwortlich Plutarch fuumlgt hinzudaszlig einige diese Faumlhigkeiten Lysanders fuumlr einen wesentlichen Teilder πολιτικ7 δεινότης hielten (24) Der Bezug auf die νιοι ist sozu verstehen daszlig es Plutarch mit Absicht offen laumlszligt wie viele die-ser Behauptung zustimmen wuumlrden32 Ob man Plutarch persoumlnlichzu diesen einigen zaumlhlen kann laumlszligt sich anhand dieser Stelle eben-falls nicht ausmachen Der Biograph beschreibt eine nackte Rea-litaumlt Lysander war erfolgreich in der Realpolitik und wies prag-matische Qualitaumlten auf die in einem problematischen Verhaumlltniszu seiner spartanischen Herkunft standen

Durch die Hervorhebung dieser Differenzen macht Plutarchdie individuelle Art des Spartaners deutlich Klar tritt der Gedan-ke hervor Lysander war ein ehrgeiziger Spartaner aber ansonstenkaum Spartaner Er hat sich nie durch Geld besiegen oder beste-chen lassen aber er hat seine Stadt mit der Begierde nach Reichtumerfuumlllt (26 vgl 171ndash11 Comp Lys-Sull 37ndash8) Seine Faumlhigkeiteine ihm uumlbergeordnete Macht leicht zu ertragen betrifft kaumSparta Er konnte die Macht der Ephoren nicht ertragen voll Zorngegen Agesilaos haszligte er die spartanische Staatsform (Lys 208242) aber er vermochte durch sein einschmeichelndes Benehmenden jungen Sohn des Perserkoumlnigs Kyros fuumlr sich zu gewinnen33

und seinen Seeleuten Geld zuzuteilen (46) Er wie auch Alkibia-des ist eine groszlige Persoumlnlichkeit mit Widerspruumlchen und Plutarchaumluszligert keine klaren positiven oder negativen Bewertungen

Diese Problematik manifestiert sich deutlich im Falle desspartanischen Nauarchen Kallikratidas (Lys 57ndash76) der in derLysander-Vita als eine Kontrastfolie fungiert Die Synkrisis zwi-schen ihm und Lysander geht von divergierenden Fuumlhrungsstilenund Verhaltensweisen aus und entwickelt die Differenzen zwi-schen einer komplizierten Persoumlnlichkeit und einer geradlinigen la-

335Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

32) Vgl Lys 1113 θεόν τινες γήσαντο 121 τινες λέγοντες Rom 55νιοι λέγουσι 172 Sol 14 νιοί φασιν Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 186Anm 106 Die modifizierende Interpretation von B L Cook Plutarchrsquos Use ofλέγεται Narrative Design and Source in Alexander GRBS 42 (2001) 329ndash360 nachder die λέγεται-Passagen bei Plutarch nur als neutrale Einfuumlhrung traditionellenMaterials zu verstehen seien kann fuumlr die oben genannten Stellen nicht gelten

33) Lys 43 κα+ τY θεραπευτικY μλιστα τς μιλας Rλ$ν τ( μειρκιονDas Wort μειρκιον ist kennzeichnend fuumlr einen unreifen jungen Mann der fuumlr jeg-liche Einfluumlsse anfaumlllig ist Vgl den jungen Monarchen Dionysios bei Dion 64 72136 Lysander verhaumllt sich zu Kyros wie die Schmeichler zu Alkibiades (Alc 41ndash2 615)

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 14: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

konischen Natur An Kallikratidas der als Lysanders Nachfolgerdas Flottenkommando uumlbernahm werden die charakterlichenMerkmale Lysanders gemessen Plutarch fuumlhrt eine Reihe von Vor-zuumlgen des Kallikratidas auf Er war ριστος κα+ δικαιτατος seinFuumlhrungsstil druumlckte die dorische Schlichtheit und Aufrichtigkeitaus (57 τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+ 2ληθι -νν) Plutarch laumlszligt ihn als einen von Natur aus Hochgesinnten her-vortreten der jede von Griechen erlittene Niederlage fuumlr wenigerschimpflich ansah als Barbaren zu schmeicheln (64) Kallikratidashat sich durch Gerechtigkeit Edelmut und Tapferkeit in die Reiheder groumlszligten Griechen gestellt (71) Daran knuumlpft Plutarch einendirekten Bezug auf das Ethos Lysanders an das der Biograph zumKern des Ganzen macht (75ndash6) Jenen welche an einem FuumlhrerAufrichtigkeit schaumltzen erschien Lysander anders als Kallikrati-das πανοργος κα+ σοφιστvς da er sich auf Kriegslisten verstandund die Gerechtigkeit nur dann pries wenn sie ihm Vorteil brach-te Bei der Wahl zwischen zwei Optionen d h zwischen Gerech-tigkeit und Nutzen oder Wahrheit und Luumlge entschied sich Lys -ander fuumlr den Vorteil Und entgegen der Forderung daszlig die Nach-kommen des Herakles den Krieg nicht mit List fuumlhren duumlrftenkonnte er die Rolle des Fuchses uumlbernehmen wenn jene desLoumlwen keinen Erfolg brachte34

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in der Weise wieLysander weiterhin seine Fuumlhrung ausuumlbte die Plutarch fuumlr sichsprechen laumlszligt Dies zeigt sich besonders deutlich in Milet Alle De-mokraten die in der Stadt blieben und sich auf sein Wort verlassenhatten wurden abgeschlachtet (83) Seine Aufforderung bdquoMaumlnnermit Eiden zu betruumlgenldquo wird von Plutarch als houmlchst unlakonischund als Verachtung des Gottes bewertet (85) Letztlich greift Plut-arch im weiteren Verlauf seiner Vita als Lysander von dem PerserPharnabazos uumlberlistet wurde das Sprichwort πρ(ς Κρτα κρη -τίζειν35 auf weil es fuumlr beide guumlltig war (202) Lysander undPharna bazos konnten naumlmlich die anderen durch Luumlgen betruumlgen

336 Evange los Alex iou

34) So Lys 76 τgtν δ3 2ξιοντων μ7 πολεμεν μετ δλου το8ς 2φ3 Zρα -κλ1ους γεγοντας καταγελDν 4κ1λευεν lsquoπου γρ λεοντ μ7 4φικνεται προσ -ραπτ1ον 4κε τ7ν 2λωπεκνrsquo

35) So CPG II 20535 Πρ(ς Κρτα κρητίζειςmiddot 4π+ τgtν πρ(ς το8ς μοίουςψευδομένων Vgl Hesych s v κρητζειν 4π+ το ψεδεσθαι κα+ 2πατDν ταττονδ) τ7ν λ1ξιν 2π( το το8ς Κρτας ψεστας εmναι Eust Comm I 4886 πρ(ς Κρτακρητζεις γουν πρ(ς οκ 2πνουργον νδρα το8ς δλους zπτεις Plut

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 15: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

Im reinen Wortsinn ist der Vergleich zwischen Lysander undKallikratidas als παινος Καλλικρατίδου und ψόγος Λυσάνδρου zuverstehen36 Man sollte sich huumlten die auf Lysander angewandtenBegriffe πανοργος und σοφιστvς als zweideutig zu interpretierenwie T Duff es tut37 An unserer Stelle wird der zweite Begriff vomersten bestimmt und ihre Zusammenstellung laumlszligt keinen Zweifeldaszlig sie negativ aufzufassen sind Das bedeutet allerdings keines-wegs daszlig Plutarch durch die Gegenuumlberstellung von Lysander undKallikratidas die Absicht hatte den Ersten zu schmaumllern und denZweiten zu verherrlichen vielmehr wollte er den Leser mit der sbquoPa-thologielsquo des paradoxen Erfolges Lysanders konfrontieren DieFrage warum Plutarch auch wenn er es gewuumlnscht haumltte keineKallikratidasbiographie verfaszligt hat laumlszligt sich aus seiner begrenztenRolle in der Geschichte ndash er fand den Tod in der Seeschlacht bei denArginusen (Lys 71) ndash und aus seinen Schwaumlchen im Bereich derRealpolitik erklaumlren Plutarch stellt pragmatisch fest daszlig politi-scher oder militaumlrischer Erfolg und das Wohlwollen der Mitmen-schen zusammenhaumlngen Aristokraten und Militaumlrfuumlhrer oder phi-losophisch gebildete Persoumlnlichkeiten die nicht kompromiszligbereitsind koumlnnen sehr tragische Figuren sein38 In den Praecepta geren-dae reipublicae erkennt Plutarch ihre Schwierigkeiten die Men-schen zu uumlberzeugen und ihr Wohlwollen zu gewinnen Pelopidas

337Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

Aem 2310 263 Das Sprichwort tritt zunaumlchst bei Polyb 8195 auf vgl AnthGr XI 371 Siehe auch C Wunderer Polybios-Forschungen Beitraumlge zur Sprach-und Kulturgeschichte I Sprichwoumlrter und sprichwoumlrtliche Redensarten bei Poly-bios Leipzig 1898 111 F W Walbank A Historical Commentary on Polybius IIOxford 1967 95 A G Nikolaidis Η Κρήτη σε συγγραφείς της όψιμης ελληνικήςαρχαιότητας και ειδικότερα στον Πλούταρχο in Πεπραγμένα του Εacute ΔιεθνούςΚρητολογικού Συνεδρίου I Heraklion 1986 264ndash272 bes 268 ff G W M Har -rison The Romans and Crete Amsterdam 1993 23ndash24 V Vertoudakis Epigram-mata cretica Λογοτεχνικοί τόποι και μύθοι της Κρήτης στο αρχαίο ελληνικό επί -γραμμα Heraklion 2000 106ndash112 bes 111 f

36) Vgl R Flaceliegravere Eacute Chambry Plutarque Vies VI Pyrrhos-Marius Lys andre-Sulla Paris 1971 168ndash169 U Bernini ΛΥΣΑΝΔΡΟΥ ΚΑΙ ΚΑΛΛΙΚΡΑΤΙΔΑΣΥΓΚΡΙΣΙΣ Cultura etica e politica spartana fra quinto equarto secolo a C Peru-gia 1988 bes 120 ff Alexiou (wie Anm 19) 145ndash149

37) Duff Plutarchrsquos Lives (wie Anm 14) 17438) Wie z B Coriolan Lucullus Kallikratidas oder Dion Siehe hierzu

E Alexiou Eunoia bei Plutarch von den Praecepta Gerendae Reipublicae zu denViten in Nikolaidis (wie Anm 17) 365ndash386 M Troumlster Struggling with thePlecircthos Politics and Military Leadership in Plutarchrsquos Life of Lucullus in Niko-laidis (wie Anm 17) 387ndash401

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 16: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

ein Militaumlrtyp bedurfte des Epameinondas der rhetorisch begabtwar (819C) Kallikratidas der anschlieszligend erwaumlhnt wird konnteaufgrund seines Charakters die Gunst der Menge nicht erlangenwas er brauchte war τ( ε^χαρι κα+ θεραπευτικόν Durch seineqπλότης war Kallikratidas eine geradlinige dorische Natur wie an-dere Protagonisten in den Parallelbiographien etwa Pelopidas oderKimon39 Es besteht kein Zweifel daszlig Plutarch seine offensicht -liche Tugend bewundert hat erfolgreich aber war Lysander Undder Biograph hat die Lysander-Vita so konzipiert daszlig sich die Leser unabhaumlngig davon ob Lysanders Erfolg sich mit der Schmei-chelei oder der Tugend verband mit diesem Mann auseinanderset-zen muumlssen Plutarchs Kommentar in Lys 57ndash8 erhaumllt somit einetiefere Bedeutung Kallikratidas war der ethisch herausragendeStratege man bewunderte zwar seine Tugend aber nur wie dieSchoumlnheit einer Heroenstatue und eine Statue ist unbeweglich undleblos40 Auf der anderen Seite vermiszligten die Leute als Lysanderabfuhr seinen Eifer fuumlr seine Freunde und vergossen Traumlnen41

Das Bild das Plutarch vom Wesen des Lysander zeichnet istschwer zu beurteilen Lysander ist der Realpolitiker der sich gut

338 Evange los Alex iou

39) Kallikratidas (Lys 57) τς γεμονας qπλον τι κα+ ΔKριον 4χοσης κα+2ληθινν 75 qπλον κα+ γενναον vgl Diod 13762 οτος δ) (sc Καλλι -κρατίδας) ν1ος μ)ν 6ν παντελgtς κακος δ) κα+ τ7ν ψυχ7ν qπλος ο^πω τgtνξενικgtν =θgtν πεπειραμ1νος δικαιτατος δ) Σπαρτιατgtν Kimon (Cim 45) κα+ τYτρπV πολ8 τ( γενναον κα+ 2ληθ)ς 4νυπρχειν κα+ μDλλον εmναι Πελοποννvσιοντ( σχμα τς ψυχς το 2νδρς Pelopidas (Pel 305) κα+ το8ς λγους κατενησε qπλουστ1ρους ντας Aumlhnlich uumlber Coriolan (Cor 155 Comp Cor-Alc 21)Siehe auch U Bernini πλος e πλότης In margine a Plut Pelopidas 30ndash31 SIFC84 (1991) 74ndash111 bes 85 ff

40) Vgl Mossman (wie Anm 15) 114 bdquobeautiful but remote immovable andcold artifactldquo Zum Motiv der sbquounbeweglichen oder leblosen Statuenlsquo vgl PindNem 51ndash3 Isocr Euag 73 Cl Al Protr 451 Plut Per 2 De tranqu an 477CMax c princ phil 776C 779D ff Vgl I L Pfeijffer Three Aeginetan Odes of Pin-dar A Commentary on Nemean V Nemean III amp Pythian VIII Leiden 1999 6299 ff E Alexiou Enkomion Biographie und die sbquounbeweglichen Statuenlsquo zu Iso-krates Euagoras 73ndash76 und Plutarch Perikles 1ndash2 CampM 51 (2000) 103ndash117 dersΙσοκράτης Εαγόρας Ερμηνευτική έκδοση Thessaloniki 2005 212ndash218 D T Stei -ner Images in Mind Statues in Archaic and Classical Greek Literature andThought Princeton 2001 136ndash145

41) Vgl auch das ποθεν das Plutarch in Bezug auf Lysander wiederholt er-waumlhnt (Lys 568 74) Das kommt ebenfalls in den Beziehungen des Alkibiadeszum athenischen Demos vor (Alc 162) Im Falle des Antonius ist der Begriff kenn-zeichnend fuumlr das gute Verhaumlltnis zwischen einem Strategen und seinen Soldaten(Ant 44 684)

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 17: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

auf die besonderen Anforderungen der politischen Fuumlhrung ver-steht Er konnte trotz oder gerade wegen seiner ethischen Schwauml -chen die Menschen beruumlhren und durch ein entschiedenes Handelndie Angelegenheiten dieser Welt regeln Er genoszlig das Wohlwollender Menschen das Kallikratidas entbehrte Zugleich aber kannte erkeine Grenzen und diese Eigentuumlmlichkeit durchzieht die ganzeSchrift Plutarch beschreibt ihn aus der Distanz er vermeidet ana-lytische Eroumlrterungen42 Sein Sieg bei Aigospotamoi war auszligeror-dentlich und bewundernswert Der Biograph erwaumlhnt lobend dieεβουλία und δεινότης dieses Mannes worauf sich sein Erfolg ge-stuumltzt hat Er setzt sogar hinzu daszlig einige dieses Ereignis fuumlr einegoumlttliche Fuumlgung hielten (Lys 1113) Durch das allgemeine τινεςsagt er jedoch nicht ob er zustimmt Er laumlszligt den Wahrheitsgehaltdes Geruumlchts unbestimmt und gibt erneut seine Distanz zu erken-nen wie im Prooumlmium43 Nach diesem glaumlnzenden Erfolg Lysan-ders treten seine besonderen Charaktereigenschaften zutage Mitseiner politischen Intervention in den Staumldten gewinnt er fuumlr sichselbst die fuumlhrende Stellung in Griechenland44 Er besitzt die groumlszlig-te Macht aber sein Stolz ist noch groumlszliger als seine Macht (184)Plutarch schildert einen Menschen der allmaumlhlich eine ganze Rei-he von unkontrollierten Leidenschaften entwickelt Schmeichler inseiner Umwelt spielen eine gravierende Rolle aumlhnlich wie bei Al-kibiades (Alc 42 614) Lysander leidet unter der Schmeichelei(δι το8ς θεραπεοντας) die er selbst haumlufig angewandt hat (Lys191ndash6) Neben dem Ehrgeiz werden ihm groszlige Uumlberheblichkeitund Gewalttaumltigkeit zugeschrieben und es gab bei ihm weder imBelohnen noch im Bestrafen ein vernuumlnftiges Maszlig Fuumlr seinen

339Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

42) Das Postulat z B der populaumlren Ethik sbquoFreunden zu helfen und Feindenzu schadenlsquo (hierzu A Dihle Die Goldene Regel Eine Einfuumlhrung in die Ge-schichte der antiken und fruumlhchristlichen Vulgaumlrethik Goumlttingen 1962 30ndash40K J Dover Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle Oxford1974 180ndash184 MW Blundell Helping Friends and Harming Enemies A Study inSophocles and Greek Ethics Cambridge 1989 D Konstan Friendship in the Clas-sical World Cambridge 1998 56ndash67) wandte Lysander bis zur Beihilfe zu Unge-rechtigkeiten durch seine Freunde an (Lys 56 137 194) Bei Sulla wird diesesPrinzip bis zum houmlchsten Grad verwirklicht (Sull 385 Comp Lys-Sull 25) Inden Praec ger reip 808AndashB setzt Plutarch jedoch Grenzen der Freundschaft fallses um Gesetz und Gerechtigkeit geht

43) Siehe Lys 24 und oben Anm 3244) So Lys 136 κατασκευαζμενος RαυτY τ7ν τς λλδος γεμοναν 161

κυρV τς λλδος 212

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 18: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

Zorn gab es nur eine Befriedigung die Vernichtung des VerhaszligtenAnders formuliert Es wurden Demokraten in nicht zu zaumlhlenderMenge hingemordet (194 φόνος οκ 2ριθμητός) Die Einhaltungdes Maszliges steht in Verbindung mit dem δημοτικν und einem ty-pisch plutarchischen Grundsatz gemaumlszlig ist es die Aufgabe einerfuumlhrenden politischen Persoumlnlichkeit die eigenen Affekte zu be-herrschen Plutarch betrachtet den Zorn als einen Wesenszug vonTyrannen45 πραότης hingegen als urbane Tugend kultivierter Men-schen Die Schilderung des tyrannischen Verhaltens des Lysandermuumlndet in das Zitat des Lakedaemoniers Eteokles Griechenlandwuumlrde zwei Leute wie Lysander nicht ertragen koumlnnen

Wenn bei Lysander als Nebenfigur und Kontrastfolie der ge-radlinige Kallikratidas auftritt so spielt bei Alkibiades Coriolanussein roumlmischer Syzygiepartner eine aumlhnliche Rolle Zunaumlchst seidarauf hingewiesen daszlig Coriolanus wie Alkibiades zu dengroszligen Naturen gehoumlrt die Gutes und Schlechtes hervorbringenkoumlnnen (Cor 13)46 Aber sein Fall ist klarer durchsichtiger Co-riolanus bietet die Moumlglichkeit einer besseren Unterscheidung voncharakterlichen Defiziten und Plutarch versucht bei ihm ein mo-ralisches Schema anzufertigen Coriolanus war von schlichter ge-radliniger Natur aber hochmuumltig und wenig umgaumlnglich Er hatteeine starke Willenskraft die sich edle Ziele setzte und wirkungsvollverfolgte aber gleichzeitig war sie mit unkontrollierter Leiden-schaft und starrem Durchsetzungswillen verbunden so fiel es ihm

340 Evange los Alex iou

45) Vgl Lys 281 Auch das Beispiel des Pyrrhos sei hier herangezogen Ergeriet nicht in Zorn wegen der μεγαλοφροσύνη des Fabricius (Pyrrh 2010 ο πρ(ςaργ7ν οδ) τυραννικgtς) vielmehr wuszligte er den Wert des Gegners zu schaumltzen Spauml-ter zeigte sich jedoch in seinem veraumlnderten Verhalten gegenuumlber den Staumldten wieer sich vom Volksfreund zum Tyrannen wandelte δεσποτικgtς κα+ πρ(ς aργ7νβιαζμενος κα+ κολζων (233) Als positive Beispiele in der Beherrschung desZorns gelten z B Perikles (Per 391) Epameinondas (Philop 31) oder Brutus(Brut 293) Zum Zorn in den Viten siehe H G Ingenkamp Plutarchs Schriftenuumlber die Heilung der Seele Goumlttingen 1971 80ndash81 E Alexiou Zur Darstellung deraργή in Plutarchs Bioi Philologus 143 (1999) 101ndash113 L Van der Stockt Self-esteemand Image-building On Anger in De cohibenda ira and in some Lives in Niko -laidis (wie Anm 17) 285ndash295 Zum Zorn allgemein siehe W V Harris Restrain ingRage The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity Cambridge Mass2001 S Braund G W Most (Hrsg) Ancient Anger Perspectives from Homer toGalen Cambridge 2003 D Konstan The Emotions of the Ancient Greeks Studiesin Aristotle and Classical Literature Toronto 2006 41ndash76

46) Siehe eingehend E Alexiou Parallelitaumlt und die moralischen Ziele Plut-archs Coriolanus und Alkibiades Hermes 127 (1999) 61ndash74

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 19: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

schwer mit Menschen umzugehen (14) Plutarch verwendet einsich auf Erziehung stuumltzendes Schema wie es oft bei den roumlmi-schen Helden der Fall ist Es handelt sich um ein typisches Defizitder altroumlmischen Erziehung und Mentalitaumlt (15ndash6)47 Λόγος undπαιδεία d h die griechische Erziehung fuumlhren hingegen zur Ur-banisierung des Menschen zum Maszlighalten und Vermeiden desUumlbermaszliges48 Unter anderen Umstaumlnden haumltte Coriolanus seineDefizite beseitigen koumlnnen Aber militaumlrische Tuumlchtigkeit war fuumlrRom zu seiner Zeit die ausschlieszligliche Tugend Coriolanus war einbdquonoble savageldquo49 Er wollte aufgrund seiner geradlinigen Natur im-mer erfolgreich sein (155 qπλος τις ν 2ε+ κα+ 2τενvς) In der Tathat er siegreich fuumlr Rom gekaumlmpft aber fuumlr das politische Lebenreichte die kriegerische Tugend nicht aus Seine seelische Energiebehauptete sich als Selbstwertgefuumlhl in Zornesaufwallung Einerbuumlrgerlichen Gesellschaft entspricht aber ein anderer Charakter -typus als einer militaumlrischen50

Ist also Coriolanus durch den Mangel an griechischer Erzie-hung ausgewiesen macht die Ambivalenz des Alkibiades seineEinordnung in ein klares Konzept nicht moumlglich Bei ihm wirddeutlich daszlig Plutarch keinen moralischen Leitfaden verfolgt Alki -biades ist ndash in starkem Kontrast zu seinem Syzygiepartner ndash wederaufrichtig noch geradlinig er weist auffallende Aumlhnlichkeiten

341Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

47) Siehe M McDonnell Roman Men and Greek Virtue in R M Rosen ISluiter (Hrsg) Andreia Studies in Manliness and Courage in Classical AntiquityLeiden Boston 2003 235ndash261

48) Vgl Cor 154 τ( δ3 4μβριθ)ς κα+ τ( πρDον ο τ( πλεστον 2ρετJπολιτικJ μ1τεστιν 4γκεκραμ1νον οκ χων Qπ( λγου κα+ παιδεας

49) So S Swain Hellenic Culture and the Roman Heroes of PlutarchJHS 110 (1990) 126ndash145 bes 136 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 229ndash264) VglC B R Pelling Plutarch Roman Heroes and Greek Culture in M Griffin J Barnes (Hrsg) Philosophia Togata Essays on Philosophy and Roman SocietyOxford 1989 199ndash232 bes 206 f S Swain Hellenism and Empire Language Clas-sicism and Power in the Greek World AD 50ndash250 Oxford 1996 137ndash145 Vgl aberauch die Fragestellungen von S-T Teodorsson The Education of Rulers in Theory(Mor) and Practice (Vitae) in Nikolaidis (wie Anm 17) 339ndash350 bes 346

50) Philopoemen ist ein aumlhnlicher Soldatentypus Siehe Philop 31 2λλκαίπερ παμεινώνδου βουλόμενος εmναι μάλιστα ζηλωτής τ( ⟨μ)ν⟩ δραστήριον κα+συνετ(ν ατο κα+ Qπ( χρημάτων 2παθ)ς σχυρgtς 4μιμετο τY δ) πράV κα+ βαθεκα+ φιλανθρώπV παρ τς πολιτικς διαφορς 4μμένειν ο δυνάμενος διrsquo aργ7νκα+ φιλονικίαν μDλλον 4δόκει στρατιωτικς E πολιτικς 2ρετς οκεος εmναι VglC B R Pelling Rhetoric Paideia and Psychology in Plutarchrsquos Lives in Van derStockt (wie Anm 9) 331ndash339

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

343Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 20: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

mit der πανουργία Lysanders auf (Comp Cor-Alc 21) qπλοςτις Mάρκιος κα+ αθέκαστος δ3 λκιβιάδης πανοργος κα+ 2ναλήθης Diese Erkenntnis wird durch den rhetorischen Topos 4κ κρίσεως51 in der Alkibiades-Vita bestaumltigt Der persischeSatrap Tissaphernes bewundert die Vielseitigkeit und die auszliger -ordentliche Begabung des Alkibiades (τ( πολτροπον κα+ περιττ(ντς δειντητος) weil er selber nicht qπλος sondern κακοvθης κα+φιλοπνηρος war (Alc 245ndash6) Demzufolge wett eifern sie mitein-ander in der Schmeichelei (κολακευόμενος 2ντικολακεύων) DerGedanke fuumlgt sich in das Bild eines ambivalenten Alkibiades einder keine konstanten Charaktereigenschaften zeigte sondern jenesbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo (234 ff) die als eine individuelle Faumlhig-keit dargestellt wird Er wandelte sich rascher als ein ChamaumlleonIn Sparta uumlbte er sich in der Askese eines Athleten in Ionien warer uumlppig in Thrakien trunksuumlchtig und ein Reiter bei den Persernverschwenderisch und praumlchtig Das erinnert an die Darstellungdes Schmeichlers in De adulatore et amico 51C ff52 Der Schmeich-ler ist nicht qπλος sondern παντοδαπός und ποικίλος eine Ei-genschaft des πανοργος53 In 52DndashE wird Alkibiades aufgrunddieser sbquoChamaumlleon-Mentalitaumltlsquo als einer τgtν μεγάλων κολάκων κα+δημαγωγgtν charakterisiert

In diesem Punkt verdient eine Auffaumllligkeit Beachtung Be-trachtet man die Gegenuumlberstellung zwischen Coriolanus und Alkibiades in der abschlieszligenden Synkrisis so kann nicht uumlber sehenwerden daszlig die Ausfuumlhrungen der problematischen Natur des Rouml-mers gewidmet werden kaum der Erklaumlrung der Defizite des Alki-biades den Plutarch als einen besonderen Fall betrachtet (33 ff)Coriolanus fehlte die Faumlhigkeit des Uumlberzeugens das machte seineTaten und Leistungen verhaszligt weil die Menschen seinen γκος undseine αθάδεια nicht ertragen konnten Die ungewoumlhnliche Faumlhig-keit des Alkibiades hingegen mit allen Menschen mit denen er zu tun hatte geschickt umzugehen beguumlnstigte seine Erfolge inhoumlchstem Grade sogar manche seiner Miszligerfolge besaszligen Reiz und

342 Evange los Alex iou

51) Vgl oben Anm 1252) Vgl Russell (wie Anm 18) 147 Anm 1 Vgl auch Gribble (wie Anm 22)

271 bdquothe transformation of Alcibiades polutropos into Alcibiades kolaxldquo53) Vgl Lys 75 2πταις τ πολλ διαποικλλων το πολ1μου 83 Qπ -

εκρνετο δ) τατα κα+ διεποκιλλε und Mar 123 ο5τω τις 6ν ποικλος 2ν7ρ τχαιςμιλσαι κα+ πανουργ9 πολλJ μεμειγμ1νον χων τ( θυμοειδ1ς Uumlber die Schmei-chelei Lysanders siehe Lys 23 43 64

Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

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54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

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55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

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56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

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59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

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62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

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66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

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Anmut (34) Alkibiades hat oft seiner Stadt geschadet aber er wur-de zum Fuumlhrer und Strategen gewaumlhlt weil er die Gunst der Mengegewonnen hatte (35) Coriolanus vollbrachte viele Heldentatenaber er hatte keinen Erfolg Seine objektive Leistung reichte nichtfuumlr die entsprechende Anerkennung Alkibiades konnte ohne Lei -stung aufgrund des Wohlwollens geliebt werden ja sogar οδ)πάσχοντες κακgtς 4δύναντο μισεν οf πολται

Alkibiades ist ein Fall fuumlr sich Er genieszligt aumlhnlich wie Lysan-der die Popularitaumlt die Kallikratidas und Coriolanus vermissenlieszligen aber er kennt ebenfalls keine Grenzen und das Verhaumlltniszu seinen Mitbuumlrgern ist eigenartig Als junger Mann hat er in derPolitik alle anderen Demagogen in den Hintergrund gedraumlngt(Alc 131) In der Rivalitaumlt mit Nikias ist es sowohl dessen hohesAnsehen in Athen als auch die ihm von den Feinden entgegenge-brachte Achtung die ihn kraumlnkte voll Neid wollte er die Frie-densschwuumlre brechen (141ndash2) Seine Liturgien fuumlr die Stadt warennicht mehr zu uumlberbieten (164) Die μεγαλοπραγμοσύνη tritt in derSizilischen Expedition besonders zutage Alkibiades machte demVolk groszlige Hoffnungen und er strebte dabei nach noch Houmlherem(172) Die Verbannung durch das Volk fuumlhrte zum Zorn undKampf gegen seine Vaterstadt Das Ganze erinnert an AristotelesAnal Post 97b17ndash19 τ( μ7 2νέχεσθαι Qβριζόμενοι ist eine Artμεγαλοψυχία Unter den Beispielen die Aristoteles angibt wirdneben Achill und Aias Alkibiades genannt

Groszlige politische Worte und Taten auf der einen Seite ver-schwenderisches um den Anstand unbekuumlmmertes Verhalten undMiszligachtung von Sitte und Gesetz auf der anderen (Alc 161ndash9)Die Vornehmen und die Aumllteren empfanden Abscheu und Ent -ruumlstung sogar Furcht vor einer Tyrannis fuumlr das Volk galt die Aus-sage des Aristophanes ποθε μ1ν 4χθαρει δ1 βολεται δrsquo χειν(Ran 1425) Die Reaktionen des Volkes aumlnderten sich leicht Eswaumlhlte Alkibiades zum Strategen bei der Sizilischen Expeditionverbannte ihn danach rief ihn zuruumlck um ihn schlieszliglich erneut zuverbannen Chr Pelling hat in seiner Beurteilung Recht bdquochange-able people and changeable Alcibiades that will produce such a catastrophic mixldquo54 Es ist das Fehlen der Konstanz in der Wesens-

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54) C B R Pelling Plutarch and Thucydides in P A Stadter (Hrsg) Plut-arch and the Historical Tradition London New York 1992 10ndash40 hier 24 (ab gedrin ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 117ndash141)

art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

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55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

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56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

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59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

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66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

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Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

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80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

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art des Alkibiades die zu den gegensaumltzlichen Urteilen fuumlhrt Mankann die Reaktionen der Menschen kaum treffender kommentie-ren als dies Plutarch abschlieszligend in Alc 169 tut ο5τως κριτος 6ν δξα περ+ ατο δι τ7ν τς φσεως 2νωμαλαν Die Formulie-rung folgt unmittelbar auf das Zitat des Archestratos uumlber die Unertraumlglichkeit des Alkibiades und auf die Worte Timons des Misanthropen Alkibiades erwuumlchse zu einem groszligen Ungluumlck fuumlrdie Athener Das Urteil der Umwelt uumlber Alkibiades war soschwankend aufgrund der Widerspruumlchlichkeit seiner Natur Unddie Meinung Plutarchs uumlber ihn dessen Schicksal ihn aufs Tiefstebewegt hat schwankte aumlhnlich wie die des athenischen Volkes

II

Aus der vorangegangenen Analyse ergibt sich daszlig die plutar-chische Darstellung des Lysander und Alkibiades eine Reihe vonGemeinsamkeiten aufweist die die zwei Protagonisten auf eineEbene stellen und uumlber den Inhalt der am Anfang dieser Studie be-sprochenen Zitate weit hinausgehen Das spricht dafuumlr daszlig nichtnur bezuumlglich zweier Protagonisten einer Syzygie sondern auchim Rahmen von verschiedenen Syzygien geschichtlich bedingteParallelitaumlten auftreten die vom Biographen kunstvoll herausge -arbeitet werden Bei der Beschreibung individueller Charakterewerden auf dem Gebiet von menschlichen Motivationen und Lei-denschaften aumlhnliche Schemata angewandt die sich auf eigene psy-chologische und anthropologische Aspekte von Plutarchs Denkenstuumltzen Haumltte Plutarch parallele Viten zwischen Persoumlnlichkeitengleicher Herkunft verfaszligt waumlren Lysander und Alkibiades ein ge-eignetes Paar dafuumlr gewesen

Im Prooumlmium der Syzygie Demetrios-Antonius die nach derrelativen Chronologie der parallelen Viten den mutmaszliglich zuletztentstandenen Biographienpaaren angehoumlrt55 erklaumlrt der Biograph

344 Evange los Alex iou

55) Nach C P Jones Towards a Chronology of Plutarchrsquos Works JRS 56(1966) 61ndash74 bes 68 (abgedr in Scardigli [wie Anm 7] 95ndash123) befinden sich De-metrios-Antonius zwischen der 16ten und 23ten Stelle Nach J Mewaldt Selbstcita-te in den Biographien Plutarchs Hermes 42 (1907) 575 sind sie das 19te Paar nachM Van der Valk Notes on the Composition and Arrangement of the Biographiesof Plutarch in M Naldini (Hrsg) Studi in onore di Aristide Colonna Perugia1982 316ndash317 das 22te

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

345Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 23: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

zum ersten und letzten Mal seine Absicht negative Biographien zuverfassen (Demetr 15ndash8) Er will so sagt er ein oder zwei Paare indie Reihe der Exempla einfuumlgen die nach seiner Auffassung zurNachahmung nicht geeignet sind deren Kenntnis aber dazu bei-tragen kann den vorbildlichen Lebenslaumlufen staumlrker nachzueifernDemetrios Poliorketes und Marcus Antonius sind zwei solche Ex-empla Sie haben Zeugnis fuumlr die platonische These abgelegt daszligdie groszligen Naturen ebenso groszlige Laster wie groszlige Tugenden insich tragen

Lysander und Alkibiades gehoumlren wie gesehen ebenfalls zudiesem Konzept Plutarch beschreibt eher Houmlhen und Tiefen derzwei Leitfiguren deren psychische Merkmale schwer zu erfassensind Ihr widerspruumlchlicher Charakter entwickelt sich nie zu einerkonstanten Wesensart Es ist hauptsaumlchlich diese Art der morali-schen Betrachtung der menschlichen Seele die Chr Pelling als bdquode-scriptive moralismldquo bezeichnet hat56 Nach der relativen Chrono-logie der Biographien sind Coriolanus-Alkibiades in der spaumlterenPhase der schriftstellerischen Taumltigkeit Plutarchs entstanden kurzvor oder nach Demetrios-Antonius Theoretisch koumlnnte man sieebenfalls als negative Exempla auffassen allerdings bietet Plutarchkein klares Indiz dafuumlr57 Aber die Syzygie Lysander-Sulla mit vie-len negativen Elementen oft mehr als in den Viten von Demetriosund Antonius oder von Coriolanus und Alkibiades durchsetztwird fruumlh d h an der siebten bis neunten oder der elften Stelle ein-gereiht58 Und wenn Lysander sich als eine ambivalente Persoumln-lichkeit darstellt ist sein roumlmischer Syzygiepartner Sulla im Hin-

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56) Vgl Pelling (wie Anm 18) 274 ders Plutarch Life of Antony Cam-bridge 1988 15ndash16 ders The Moralism of Plutarchrsquos Lives in D Innes H Hine C Pelling (Hrsg) Ethics and Rhetoric Classical Essays for Donald Russell Ox-ford 1995 205ndash220 (abgedr in ders Eighteen Studies [wie Anm 7] 237ndash251) Pel-ling meint (207 f) bdquoa further distinction that between sbquoprotrepticlsquo and sbquodescriptivelsquomoralism with sbquoprotrepticlsquo seeking to guide conduct sbquodescriptivelsquo being more con-cerned to point truths about human behaviour and shared human experienceldquo

57) Als negative Beispiele betrachtet sie ausdruumlcklich Ziegler Plutarchos(wie Anm 13) 902 Vgl jedoch die Einwaumlnde von Van der Valk (wie Anm 55) 318bdquoHowever neither in the lives nor in the Comparatio Plutarch offers any hint in thisdirectionldquo

58) So Jones (wie Anm 55) 68 Mewaldt (wie Anm 55) 575 Noch fruumlher(Position 4) nach G Delvaux Plutarque Chronologie relative des vies parallegravelesLAC 63 (1995) 105 Die Ausnahme (Position 21) vertritt jetzt Nikolaidis (siehe un-ten Anm 78)

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 24: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

blick auf die moralische Komponente eine noch erschreckendereFigur als Lysander Alkibiades oder Coriolanus Die Kluft zwi-schen dem Sulla felix und dem Sulla ferox ist vielleicht die groumlszligtein Plutarchs Biographien59 Es ergibt sich demzufolge die Frage in-wieweit die Abgrenzung zwischen positiven und negativen Bei-spielen in der Praxis gerechtfertigt ist bzw inwiefern Lysanderund Alkibiades als legitime Beispiele nicht nachahmenswerter Prot agonisten gelten koumlnnen

Das Interessante dabei ist daszlig die nach Angaben Plutarchs(Per 25) als zehnte abgefaszligte Syzygie Perikles-Fabius Maximusmit vielen positiven Elementen versehen in zeitlicher Nachbar-schaft zu Lysander-Sulla steht sich im Inhalt jedoch wesentlichvon ihr unterscheidet Im Prooumlmium (Per 2) wird das Mimesis-konzept am deutlichsten beschrieben60 Plutarch redet von der Tu-gend die in der Lage ist den Eifer zur Nachahmung (μιμητικ(ςζλος προθυμία κα+ ρμ7 4π+ τ7ν 4ξομοίωσιν) zu bewirken Beider Betrachtung der Taten edler Maumlnner wird man vom Eifer er-fuumlllt ihnen nachzustreben ihnen aumlhnlich zu werden Die Kraft desGuten kann Handeln und Entschluszlig zur Reife (προαίρεσις) brin-gen Die Perikles-Vita ist kein Enkomium Plutarch entwirft keinidealisierendes Portraumlt In Bezug auf den athenischen Politikerherrschten ohnehin zwei widerspruumlchliche Traditionen eine aufThukydides zuruumlckzufuumlhrende beinahe idealisierende und eine mitder Alten Komoumldie und Platon verbundene die vorwiegend nega-tiv war61 Plutarch hat es jedoch geschafft beide Traditionen in sei-ne Biographie einzubetten und eine einheitliche Dimension seines

346 Evange los Alex iou

59) Stadter (wie Anm 14) 47 meint mit Recht bdquoThe features which only dis -turb in the portrait of Lysander horrify in the Life of Sullaldquo

60) Vgl Alexiou Enkomion (wie Anm 40) 103ndash117 ders (wie Anm 19)171ndash176 T Duff The Prologue to the Lives of Perikles and Fabius (Per 1ndash2) inA Peacuterez Jimeacutenez F Casadesuacutes Bordoy (Hrsg) Estudios sobre Plutarco Misticis-mo y religiones misteacutericas en la obra de Plutarco Actas del VII simposio espantildeolsobre Plutarco Malaga 2001 351ndash364 R Hirsch-Luipold Plutarchs Denken in Bildern Studien zur literarischen philosophischen und religioumlsen Funktion desBildhaften Tuumlbingen 2002 103ndash111

61) Siehe hierzu E Meinhardt Perikles bei Plutarch Frankfurt a M 1957J Schwarze Die Beurteilung des Perikles durch die attische Komoumldie und ihre hi-storische und historiographische Bedeutung Muumlnchen 1971 W Ameling Komouml-die und Politik zwischen Kratinos und Aristophanes das Beispiel Perikles CQ 3(1981) 383ndash424 C Schubert Perikles Darmstadt 1994 5ndash18 A J Podlecki Peri-kles and his Circle London New York 1998 169ndash176

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 25: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

Helden zu formen der ein nachahmenswertes Beispiel ist Im Ver-lauf der Biographie bleibt die positive Charakterisierung desThukydides die Basis der echten Natur des Perikles jegliche nega-tiven Eigenschaften werden nur auf eine voruumlbergehende demago-gische Phase zuruumlckgefuumlhrt die mit dem innenpolitischen Zwistzusammenhing und gegen die Natur des Perikles war (73 παρτ7ν αQτο φύσιν κιστα δημοτικ7ν οlσαν) Nach dem Ende derinnerstaatlichen Probleme ab Kap 15 lobt Plutarch die echte ari-stokratische Natur des Perikles und wuumlrdigt seine rhetorischenund politischen Faumlhigkeiten nicht nur mit thukydideischen Remi-niszenzen sondern sogar mit platonischen Zitaten und Bildern62Daraus ergibt sich daszlig Plutarch ein klares moralisches Schema vorsich hatte und unter diesem Gesichtspunkt sein Quellenmaterialgeschickt arrangiert hat

Auf der anderen Seite entwickeln andere Persoumlnlichkeitenwie Themistokles dessen Biographie kurz vor Lysander-Sulla wieauch vor Perikles-Fabius Maximus datiert wird63 aumlhnliche Cha-rakterzuumlge wie Lysander und Alkibiades J Marr behauptet zuRecht Themistoklesrsquo Portraumlt in seiner Vita sei reich und komplexsein Charakter sei viel interessanter als jener des Aristeides oderdes Kimon64 Schon als Kind (Them 21 ff) wird Themistokles voneinem leidenschaftlichen Feuer bestimmt und von einer innerenNeigung Groszliges zu wirken (μεγαλοπράγμων) Seine Eigenwillig-keit wurde treffend von seinem Lehrer erkannt bdquoAus dir wird et-was ganz Groszliges im Guten oder im Boumlsenldquo In der Jugend war er2νKμαλος κα+ 2στθμητος weit entfernt von einer gleichmaumlszligigenLebensfuumlhrung (27)65 Auch wenn er im weiteren Verlauf seinesLebens dank seiner Erziehung seine Leidenschaften im Zaum hielt

347Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

62) So z B der Politikerarzt Per 151 vgl Plat Rep 564bndashc Gorg 521endash522a Die Rhetorik als ψυχαγωγία Per 152 vgl Phaedr 271c Das Bild des Politi-kers als Wagenlenker Per 151ndash2 vgl Gorg 516andashe Phaedr 246andashb Vgl auchPer 151ndash3 und Thuc 2658ndash9 P A Stadter A Commentary on Plutarchrsquos PericlesChapel Hill London 1989 190ndash191 S Said Plutarch and the People in the Paral-lel Lives in de Blois u a (wie Anm 29) 18ndash24 Alexiou (wie Anm 19) 183ndash187

63) Nach Jones (wie Anm 55) 67ndash68 werden Themistokles-Camillus zwi-schen der siebten und neunten Stelle eingereiht

64) J L Marr Plutarch Life of Themistocles Introduction Text Transla tionand Commentary Warminster 1998 5

65) Vgl entsprechend Alkibiades (Alc 169 δι τ7ν της φύσεως 2νωμαλαν)oder Sulla (Sull 67 τ(ν δ) λλον τρπον 2νKμαλς τις οικε γεγον1ναι κα+διφορος πρ(ς Rαυτν 68)

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

348 Evange los Alex iou

66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

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Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 26: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

und den Griechen groszlige Leistungen geboten hat konnte er seinenuumlbermaumlszligigen Ehrgeiz ndash Lysander und Alkibiades entsprechend ndashnie zuumlgeln und seine sophistische Erziehung vermochte ihm aufdiesem Gebiet nicht zu helfen66 Themistokles war Anhaumlnger desMnesiphilos der sich mit der politischen Tuumlchtigkeit und der prak-tischen Verstaumlndigkeit befaszligte und den Plutarch den Sophisten zuordnet (26)

Der plutarchische Themistokles ist als Kind der Sophistikkonzipiert Bei dem Dilemma zwischen Gerechtigkeit und Vorteilentscheidet er sich fuumlr das zweite Seinen Vorschlag das Schiffs -lager der Griechen in Brand zu stecken kommentiert Aristeideswie folgt Es gebe nichts Vorteilhafteres aber auch nichts Unge-rechteres (Them 202) In der Aristeides-Vita in der sich das Por-traumlt des Themistokles zu seinen Ungunsten verschiebt67 findet sichsogar ein Lob Plutarchs weil der athenische Demos sich alsφιλοδίκαιος der Gerechtigkeit und nicht dem Vorteil angeschlos-sen hatte (Arist 222) Auch der Zwischenfall mit den Einwohnernvon Andros und den Forderungen des Themistokles nach Geld istin diesem Zusammenhang aufschluszligreich (Them 211ndash2) Themi-stokles soll gesagt haben daszlig er zwei maumlchtige Gottheiten mit sichbringe Uumlberredung und Gewalt (Πειθ$ κα+ Βίαν) Plutarch folgthier Herodot (81112) allerdings mit den Unterschieden daszlig beiHerodot die Athener insgesamt nicht allein Themistokles diezwei Goumlttinnen mitgebracht haben sollen und anstelle von Βία vonναγκαίη die Rede war R Flaceliegravere erklaumlrt die plutarchischenAbweichungen damit daszlig Plutarch sich an das Zitat nicht mit Genauigkeit erinnerte68 Aber die Fokussierung der Erzaumlhlung auf

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66) So Them 31 σφόδρα πρ(ς δόξαν ρμ7 κρατσαι το πρωτεύειν4φιέμενος 34 παράφορος πρ(ς δόξαν πράξεων μεγάλων Qπ( φιλοτιμίας4ραστής 53 τJ δ) φιλοτιμ9 πντας Qπερ1βαλεν 181 6ν τJ φσει φιλοτιμτατοςVgl H Martin The Character of Plutarchrsquos Themistocles TAPhA 92 (1961) 326ndash339 bes 331 ff Alexiou (wie Anm 19) 106 ff

67) Vgl den Charaktervergleich zwischen Themistokles und Aristeides inArist 22 κα+ τς φσεις εθ8ς 2π( τς φιλονικας 4κενης 2νακαλπτεσθαι [κα+]τ7ν μ)ν εχερ κα+ παρβολον κα+ πανοργον οlσαν κα+ μετrsquo aξτητος 4π+ πνταz9δως φερομ1νην τ7ν δ3 fδρυμ1νην 4ν θει βεβαV κα+ πρ(ς τ( δκαιον 2τενψεδος δ) κα+ βωμολοχαν κα+ 2πτην οδ3 4ν παιδιDς τινι τρπV προσιεμ1νην Vgl25ndash6 34ndash5 43ndash4 Nach Marr (wie Anm 64) 75 handelt es sich um bdquoblack and white moral contrastldquo

68) R Flaceliegravere Eacute Chambry M Juneaux Plutarque Vies II Solon-Publi-cola Theacutemistocle-Camille Paris 1961 126 Anm 1

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 27: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

das fuumlr die Biographie Wesentliche naumlmlich auf die psychischenMerkmale des Themistokles und der Ersatz der ναγκαίη (etwasbquoZwanglsquo) durch die energische Βία (sbquoGewaltlsquo)69 duumlrfte PlutarchsAbsicht sein um die Stringenz in der Argumentation des Themi-stokles zu verstaumlrken Diese themistokleische Πειθώ ist nicht einedurch Kultur erzogene Rede70 sie erinnert an die sophistische ge-walttaumltige Macht des Logos die hier mit dem Recht des Staumlrkerenverbunden wird71 Die Herodotpassage weist Aumlhnlichkeit mit demthukydideischen Melierdialog auf was Plutarch sicher erkannt hat-te72

Die δειντης kennzeichnet in mehreren Hinsichten sowohlThemistokles als auch Lysander und Alkibiades73 Themistokles istμεγαλοπράγμων πανοργος und redegewandt er wird mit demFuchs oder der Schlange verglichen74 Lysander ist πανοργος κα+σοφιστής der Vergleich mit dem Fuchs findet sich auch bei ihm75

349Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

69) Zu den beiden Begriffen siehe J H H Schmidt Synonymik der griechi-schen Sprache III Leipzig 1879 682ndash683

70) Wie z B bei Isokrates Paneg 49 Antid 249 253ndash257 Nicocl 5ndash9 Sie-he C Eucken Isokrates Seine Positionen in der Auseinandersetzung mit den zeit-genoumlssischen Philosophen Berlin New York 1983 168 252ndash254 E V HaskinsLogos and Power in Isocrates and Aristotle Columbia SC 2004 87ndash95 Vgl auchArist Ethic Eud 1224a13ndash15 δοκε δ7 τ( βαιον κα+ τ( 2ναγκαον 2ντικεσθαικα+ βα κα+ 2νγκη τY RκουσV κα+ τJ πειθο 4π+ τgtν πραττομ1νων PlatRep 548b R G A Buxton Persuasion in Greek Tragedy A Study of Peitho Cam-bridge 1982 bes 58ndash63

71) Siehe Gorgias 82 B 118 D-K λόγος δυνάστης μέγας 4στίν Zum Zu-sammenhang zwischen πειθώ und βία vgl Aesch Agam 385 Plat Gorg 517b Leg711c 863b Plut Tim 193 Suda π 1436 s v Πειθανάγκη Kleon wird bei Thukydi-des (3366) als βιαιότατος τgtν πολιτgtν κα+ πιθανώτατος charakterisiert Siehe auchK S Rothwell Politics and Persuasion in Aristophanesrsquo Ecclesiazusae Leiden 199030 f mit Anm 30 E Stafford Worshipping Virtues Personification and the Divinein Ancient Greece London 2000 132 W Bloumlsel Themistokles bei Herodot Spie-gel Athens im fuumlnften Jahrhundert Studien zur Geschichte und historiographi-schen Konstruktion des griechischen Freiheitskampfes 480 v Chr Stuttgart 2004286

72) Vgl Herod 81111ndash3 und Thuc 584ndash114 R V Munson Ananke inHerodotus JHS 121 (2001) 30ndash50 bes 37 ff Bloumlsel (wie Anm 71) 289ndash290

73) Siehe Them 159 Lys 24 32 1112 Alc 104 1410 161 234 24574) Siehe Them 13 21 34 42 101ndash3 2127 235 292 Arist 22 Zur

Schlange und zum Fuchs vgl Arist Hist anim 488b16 τ δ3 2νελεθερα κα+4πβουλα οXον οf φεις 488b20ndash21 τ μ)ν πανοργα κα+ κακοργα οXον 2λKπηξTrag adesp 146a1 (Kann-Snell) πDσιν 2ρχ7 κα+ π1ρας κακgtν φις

75) So Lys 75ndash6 305 Vgl den Bezug auf Odysseus in Lys 205 In DeHerod malign 869F bekommt auch Themistokles den Beinamen Odysseus Vgl

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 28: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

Der μεγαλοπράγμων Alkibiades schlieszliglich mit seiner chamaumlleon-haften Wesensart ist πανοργος redegewandt und verfuumlgt uumlberVielseitigkeit und auszligerordentliche Begabung76 Flaceliegravere meintzu Recht Themistokles sei eine Praumlfiguration des Alkibiades77aber eher ist er eine Praumlfiguration des Lysander und des Alkibiades

Die Parallelitaumlt zwischen Lysander und Alkibiades oder The-mistokles deutet darauf hin daszlig eine Klassifizierung der parallelenViten in positive und negative Beispiele die wiederholt in der Plut-archforschung unternommen wird78 a posteriori und irrefuumlhrendist Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Plutarch zu Beginn desCorpus gar nicht an negative Viten gedacht sein Konzept Grie-chen und Roumlmer paarweise einander zuzuordnen entwickelte sichseparat oder gruppenweise nach allgemeinen politischen und cha-rakterologischen Gesichtspunkten uumlber Leitfiguren der Vergan-genheit und nicht nach einem einzigen Modell79 Aus diesemGrunde hat jede Biographie ihre Eigentuumlmlichkeiten und kannnicht einem festgesetzten Schema zugeordnet werden Das Pro -

350 Evange los Alex iou

Suda o 63 s v Nδύσσεια Cic De off 1108ndash109 Auch das πολύτροπον des Alki-biades (Alc 245) weist auf Odysseus hin Hierzu Gribble (wie Anm 22) 269ndash270

76) Siehe Alc 104 234 ff 245 Comp Cor-Alc 2177) Flaceliegravere u a (wie Anm 68) 9278) In der Plutarchforschung sbquovermehren sichlsquo allmaumlhlich die negativen Sy-

zygien ohne daszlig Einigkeit herrscht Einen guten Uumlberblick uumlber diese Problema-tik bietet A G Nikolaidis Plutarchrsquos Methods His Cross-references and the Sequence of the Parallel Lives in Jimeacutenez Titchener (wie Anm 7) 283ndash324 mitweiterer Literatur Auszliger der von Plutarch selbst als negativ bestimmten SyzygieDemetrios-Antonius hat man auf die eine oder andere Weise Coriolanus-Alkibia-des Pyrrhos-Marius Nikias-Crassus ebenfalls als negative Beispiele betrachtetL Piccirilli Introduzione in C Carena M Manfredini L Piccirilli Plutarco Levite di Cimone e di Lucullo Milano 1990 xxx denkt an eine Mittelkategorie vonSyzygien die viele negative Elemente haben aber von Plutarch nicht als negativ be-zeichnet wurden Nikolaidis 312 ff nimmt eine sbquonegativelsquo Parenthese im Corpus derParallelbiographien an der er Demetrios-Antonius Coriolanus-Alkibiades Nikias-Crassus zuordnet und eine zusaumltzliche sbquogemischtelsquo Kategorie von Syzygien bei de-nen der erste Protagonist eher positiv und der zweite eher negativ zu betrachten istDieser zweiten Kategorie ordnet er Agis Kleomenes-Gracchi Lysander-Sulla Ser-torius-Eumenes Pyrrhos-Marius zu

79) Wenn man auf die Uneinheitlichkeit Plutarchs Ruumlcksicht nimmt ist auchdie Annahme von U von Wilamowitz-Moellendorff (Plutarch als Biograph in Reden und Vortraumlge II 4 Aufl Berlin 1926 260 vgl Ziegler Plutarchos [wie Anm 13] 897) der Biograph habe in der ersten nicht erhaltenen Syzygie Ep -ameinondas-Scipio die programmatischen Ansaumltze des Gesamtcorpus dargestellteher unwahrscheinlich

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 29: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

oumlmium jeder Syzygie falls ein solches vorhanden ist bezieht sichvor allem auf die folgenden zwei Biographien und hat keine allge-meine Guumlltigkeit Als Plutarch im spaumlteren Verlauf des Projektesdie Idee kam negative Biographien zu verfassen und er als solcheDemetrios-Antonius bestimmte war das eine ad hoc-Entschei-dung die nicht in die Anfaumlnge von Plutarchs biographischerSchriftstellerei zuruumlckprojiziert werden darf Das erklaumlrt warumBiographien wie Lysander-Sulla die fruumlher verfaszligt worden warenund nach den Kriterien des Prooumlmiums der Demetrios-Antonius-Vita durchaus die Bezeichnung sbquonegativlsquo verdient haumltten nicht alssolche von Plutarch bezeichnet wurden80

Letztendlich hat Plutarch keine negativen Biographien ver-faszligt Auch wenn sich Demetrios und Antonius von einem solchenInteresse leiten lassen laumlszligt sich nicht bestreiten daszlig sie keine ψόγοιsind Die zwei Persoumlnlichkeiten verfuumlgen neben den Lastern auchuumlber Tugenden und werden von Plutarch nicht ohne Sympathiedargestellt81 Wenn man das Prooumlmium dieser Syzygie beiseitelieszlige wuumlrde man vielleicht die Widerspruumlchlichkeit der zwei Cha-raktere feststellen aber waumlre nicht einmal bei dieser Syzygie auf dieIdee gekommen sie als negativ zu lesen Anders formuliert Ent-fernte man das Prooumlmium aus der Syzygie Demetrios-Antoniusund setzte es vor Lysander-Sulla dann wuumlrde man die letzte Syzy-gie als negativ bezeichnen Demetrios-Antonius aber nur als para-doxe Syzygie lesen Wenn also die Biographien von Demetrios undAntonius doch eine Leitfunktion im Sinne nicht nachahmenswer-ter Vorbilder uumlbernehmen wird der Leser darauf durch Plutarchsklare Aumluszligerungen im Prooumlmium vorbereitet und nicht durch dieBiographien selbst zu dieser Ansicht gefuumlhrt Da Plutarch uumlber an-dere Biographien nichts Aumlhnliches bemerkt hat kann man auf die

351Plutarchs Lysander und Alkibiades als sbquoSyzygielsquo

80) Die kuumlrzlich von Nikolaidis (wie Anm 78) 307 315 und 318 vorgeschla-gene Loumlsung auch Lysander-Sulla in die spaumltere Phase der relativen Chronologieder Parallelbiographien zu setzen ist schwer zu beweisen und kann das gesamteProblem nicht loumlsen Nikolaidis selber gibt zu (307) daszlig seine Interpretation Plut-arch zitiere in Per 224 nur ein Hypomnema des Lysander waumlhrend die endguumlltigeFassung der Syzygie viel spaumlter veroumlffentlicht wurde spekulativ ist

81) Siehe Demetr 18 στρατιωτικο+ μεγαλόδωροι Vgl Demetr 31 41 5664 82 Ant 46ndash7 81 174 363 371 435ndash6 633 678ndash9 Zu beachten auch dieqπλότης des Antonius (Ant 249 435) Vgl Appian Bell civ 5136566 οXς ντKνιος 4πστευσεν ν κα+ τ λλα αε+ τ( φρνημα qπλος κα+ μ1γας κα+κακος

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou

Page 30: PLUTARCHS LYSANDER UND ALKIBIADES ALS ‚SYZYGIE‘ Ein ... · In der Alkibiades-Vita 16,8 zitiert Plutarch die Aussage des ... Alcibiade ou les dangers de l’ambition, ... Atti

Frage nach sonstigen negativen Biographien und ganz unabhaumlngigdavon ob mehr oder weniger Protagonisten unter dem charakte-rologischen Gesichtspunkt fuumlr eine solche Klassifizierung geeignetwaumlren nur eine definitive Antwort geben non liquet

Thessaloniki Evange los Alex iou

352 Evange los Alex iou