IV. Pulverdiffraktometrie -...

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IV. Pulverdiffraktometrie - Phasenanalyse Beugungsexperimente erfordern immer eine experimentelle Realisierung der Ewaldschen Beugungsbedingung. Im allgemeinen wird es bei gegebener Primärwellenlänge λ und fester Orientierung des Kristalls nur selten zur Erfüllung der Beugungsbedingung λ ϑ = 2d hkl sin (4.1) kommen. Zur Lösung dieses Problems bieten sich an: Verwendung von weißer Primärstrahlung (und somit eines großen Wellenlängenbereiches) zusammen mit einem Einkristall ( Laue-Verfahren) Systematische Änderung der Orientierung eines Einkristalls relativ zu einem monochromatischen Primärstrahl ( Drehkristall-, Weißenberg-, Buerger-Präzessions- Verfahren) Verwendung polykristalliner Materialien (Pulver), d.h. eine große Anzahl von Kristallen unterschiedlichster Orientierung + Monochromatische Röntgenstrahlung Pulver-Verfahren Pulver: Sehr große Anzahl sehr kleiner Kristallite mit einer statistischen räumlichen Orientierung (leicht herzustellen) Geschichte: Unabhängige Entwicklung der Methode durch Debye und Scherrer (1916) sowie Hull (1917, 1919) Ausgehend von der Bragg-Beziehung λ ϑ = 2d hkl sin findet sich zu jeder ausgewählten Netzebenenschar (mit Abständen d hkl ) ein passender Kristallit der richtigen Orientierung, der also die Bragg-Bedingung erfüllt Genauer gesagt findet sich zu jeder Netzebenenschar sogar ein ganzes Ensemble an Kristalliten. Dieses Ensemble führt zu gebeugten Strahlen, die auf Kegeln mit den Öffnungswinkeln 4 ϑ symmetrisch zum einfallenden Strahl liegen (Laue- Kegel). Dabei entstehen Kegel um den Durchstrahlbereich (D) als auch im Rückstrahlbereich (R) Abb.1: Prinzip der Pulverdiffraktometrie: Werden monochromatische Röntgenstrahlen an Kristallpulvern gebeugt, so entstehen Beugungskegel (Laue-Kegel) mit dem halben Öffnungswinkel 2ϑ

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IV. Pulverdiffraktometrie - Phasenanalyse

Beugungsexperimente erfordern immer eine experimentelle Realisierung der Ewaldschen Beugungsbedingung. Im allgemeinen wird es bei gegebener Primärwellenlänge λ und fester Orientierung des Kristalls nur selten zur Erfüllung der Beugungsbedingung

λ ϑ= 2dhkl sin (4.1)

kommen. Zur Lösung dieses Problems bieten sich an: • Verwendung von weißer Primärstrahlung (und somit eines großen Wellenlängenbereiches)

zusammen mit einem Einkristall ( � Laue-Verfahren) • Systematische Änderung der Orientierung eines Einkristalls relativ zu einem

monochromatischen Primärstrahl ( � Drehkristall-, Weißenberg-, Buerger-Präzessions-Verfahren)

• Verwendung polykristalliner Materialien (Pulver), d.h. eine große Anzahl von Kristallen

unterschiedlichster Orientierung + Monochromatische Röntgenstrahlung

���� Pulver-Verfahren Pulver: Sehr große Anzahl sehr kleiner Kristallite mit einer statistischen räumlichen

Orientierung (leicht herzustellen) Geschichte: Unabhängige Entwicklung der Methode durch Debye und Scherrer (1916)

sowie Hull (1917, 1919) Ausgehend von der Bragg-Beziehung λ ϑ= 2dhkl sin findet sich zu jeder ausgewählten

Netzebenenschar (mit Abständen dhkl ) ein passender Kristallit der richtigen Orientierung, der also die Bragg-Bedingung erfüllt Genauer gesagt findet sich zu jeder Netzebenenschar sogar ein ganzes Ensemble an Kristalliten. Dieses Ensemble führt zu gebeugten Strahlen, die auf Kegeln mit den Öffnungswinkeln 4ϑ symmetrisch zum einfallenden Strahl liegen (Laue-Kegel). Dabei entstehen Kegel um den Durchstrahlbereich (D) als auch im Rückstrahlbereich (R)

Abb.1: Prinzip der Pulverdiffraktometrie: Werden monochromatische Röntgenstrahlen an Kristallpulvern gebeugt, so entstehen Beugungskegel (Laue-Kegel) mit dem halben Öffnungswinkel 2ϑ

4.1 Debye-Scherrer-Methode (gebräuchlichste Technik; bereits 1915 konstruiert)

Abb.2: Debye-Scherrer Kamera

Abb.3: Debye-Scherrer-Aufnahme • Nicht gesamte Laue-Kegel werden abgebildet, sondern nur ein kleiner Ausschnitt

(Kreisbögen) • Werden zu wenige Pulver-Teilchen vom Röntgenstrahl getroffen, so erscheinen die

Interferenzkegel in kleine Punkte aufgelöst • Um die Zufallsorientierung der Kristallite zu verstärken, wird das Präparat während der

Aufnahme um die eigene Achse gedreht

• 2 Standardgrößen (direkte Umrechung von mm → grad 180 mm Film (57.3 mm Durchmesser ): � Routine-Untersuchungen, kleine

Belichtungszeiten (einige Stunden) 360 mm Film (114.59 mm Durchmesser ): � Bestimmung von Gitterkonstanten

� Untersuchung von sehr linienreichen Substanzen oder Substanzgemischen

• Probenpräparation (Probendurchmesser muß klein gegenüber der Kammer sein) 1) Stäbchenförmige Präparate (z.B. Drähte) 2) Einfüllen in Kapillaren 3) Präparation an Glasfäden

• Monochromatisierung

1) Filter (siehe Abb.4): Für viele Anwendungen (Phasenanalyse) muss nicht einmal das Kα-Dublett aufgelöst werden. In diesem Fall können Filter verwendet werden, die die Kβ-Linie stark absorbieren

2) Kristallmonochromatoren werden zu genauen Gitterparametermessungen eingesetzt.

Abb. 4: Verwendung von Filter zur Monochromatisierung Vorteile des Debye-Scherrer-Verfahrens: • präzise Bewegung der Probe nicht erforderlich • keine aufwendige Justage (muss allerdings so justiert werden, dass bei der Drehung keine

azentrische Bewegung stattfindet) • schnelle Datenerfassung durch gleichzeitige Aufnahme aller Reflexe • quantitative Auswertung der Intensitäten durch (ortsauflösende) Detektoren

(Drahtdetektoren; gekrümmte Image-Plates)

Nachteile: • Indizierung der Netzebenen bereits für etwas größere, weniger symmetrische

Elementarzellen schwierig • Strukturen mittlerer organischer Moleküle bereits praktisch unmöglich • Nur kleine strichförmige (also nichtflächige) Proben können untersucht werden Identifizierung und Indizierung kubischer Kristalle

Liegt ein orthogonales Gitter vor, so gilt:

23

222

221

22blbkbh ++=h , (4.2)

was sich für ein kubisches Gitter (b1 = b2 = b3 = 2π/a) reduzieren läßt zu:

( )h2

2

2

2 2 24= + +

π

ah k l (4.3)

Einsetzen der Beziehung

h =4π ϑ

λ

sin (4.4)

liefert also

( )2222

22 lkh

a4sin ++

λ=ϑ (4.5)

Diese quadratische Gleichung ist Ausgangspunkt für die Indizierung des kubischen Kristallsystem. Für zwei Linien derselben Aufnahme gilt dann:

22

22

22

21

21

21

22

12

lkh

lkh

sin

sin

++

++=

ϑ

ϑ (4.6)

Das Hauptproblem besteht nun darin, die richtige Indizierung der Debye-Scherrer-Ringe vorzunehmen. Häufig gelingt es durch Indizierung des innersten Ringes (z.B. als 100 oder 111-Reflex) alle höheren Linien zu indizieren (Siehe Tab. unten) Nr ϑ sin2ϑ sin2ϑn /sin2ϑ h2 + k2 + l2 h k l a /pm 1 21.7 0.1367 - 3 111 361.1 2 25.3 0.1826 1.336 4 200 360.8 3 37.2 0.3655 2.673 8 220 360.7 4 45.1 0.5017 3.670 11 311 361.0 5 47.6 0.5453 3.989 12 222 361.6 6 58.6 0.7285 5.329 16 400 361.3 7 68.3 0.8633 6.315 19 331 361.7 8 72.5 0.9096 6.653 20 420 361.5

Tabelle: Auswertung der Pulverlinien von Kupfer: a = 361.2(4) pm

Moderne Aufnahme- und Auswerteverfahren

Anstelle der Verwendung Filmmaterial werden heute moderne Detektoren eingesetzt. Dabei kommen neben Einkanaldetektoren auch positionsempfindliche Detektoren zum Einsatz. Der Vorteil liegt vor allem in der quantitativen Auswertung von Reflexintensiäten. Bei der Auswertung werden gemessene Debye-Scherrer-Aufnahmen mit vorgeschlagenen Vergleichslinien in Datenbanken (PDF-Kartei-Karten) verglichen.

Identifizierung unbekannter Substanzen

Da das Beugungsdiagramm für jeden Werkstoff bzw. für jede Substanz charakteristisch ist, kann die Identifizierung unbekannter Substanzen durch Vergleich mit vorhandener Röntgendatenbeständen erfolgen. Das ICDD (International Centre for Diffraction Data, bis 1978 JCPDS (Joint Committee on PowderDiffraction Standards) ) sammelt die Röntgendaten aller untersuchten Substanzen. Die Daten – the Powder Diffraction File (PDF)- (früher unter dem Namen ASTM-Kartei bekannt) sind in verschiedenen Formen (Karteikarten, Mikrofilm, Buchform und in elektronischer Form auf CDROM bzw. DVD) verfügbar. Die Datenbank PDF-2 enthält Daten von 131.000 Substanzen (85.000 gemessene Werte sowie 46.000 berechnete Röntgendaten- Stand 2000). Der Gesamtdatenbestand ist in einen anorganischen und in einen organischen bzw. organometallischen Teil gegliedert. Als weitere Untergruppierungen sind u.a. Daten häufig auftretender Phasen, Daten von Mineralien sowie Daten von Metallen und Legierungen vorhanden. Die Datensammlung wird jährlich um eine weitere Sektion erweitert (2000: 50). Für jede Substanz enthält die PDF-Kartei die dhkl-Werte und die dazugehörigen Intensitäten sowie eine Reihe weiterer Größen. In Abb. 5 ist eine gemessene Kurve sowie die zugehörige PDF-Dateikarte gezeigt.

Zr O2

111

200

220

311

400

331

420222

PDF 03-065-0461 (Zr 0)2

Abb. 5: Pulverdiagramm von Zr2O und zugehörige PDF-Datei-Karte

Mit Hilfe der Datenbanken lassen sich leicht I. unbekannte Substanzen erkennen II. Pulvergemische identifizieren III. eine quantitative Mengenanalyse vornehmen IV. Probenverunreinigungen nachweisen

Rietveld-Methode

Für weniger symmetrische Kristallsysteme sind zum Teil sehr aufwendige und raffinierte Verfahren entwickelt worden, mit denen dann auch kompliziertere Pulverdiagramme indiziert werden können. Eines dieser Verfahren ist das sogenannte Rietveld-Verfahren (benannt nach dem niederländischen Physiker Hugo Rietveld (*1932)). Es wurde 1968 ursprünglich zur Kristallstrukturanalyse polykristalliner Proben mittels Neutronenstrahlung entwickelt und wird seit 1977 auch für Untersuchungen mit Röntgenstrahlung verwendet. Die dahinter steckende Idee ist, dass das Röntgenbeugungs-Diagramm (Peaklage und Intensität) durch die räumliche Anordnung der Atome, also der Kristallstruktur, gegeben ist. Ausgehend von einem Anfangsmodell der Atomanordnung werden diese strukturellen und zusätzlich noch instrumentelle Parameter immer weiter verfeinert. Als Verfahren findet hierbei meist die mathematische Methode der kleinsten Quadrate Anwendung. Diese Verfeinerungsschritte wiederholt man so lange bis im Idealfall zwischen dem berechneten und dem gemessenen Pulverdiagramm keine Unterschiede mehr bestehen. In der Praxis lässt sich dieser Fall aber kaum erreichen. (Quelle: www.wikipedia.de)

Teilchengrößenbestimmung

• Bei Teilchengrößen im Bereich typischer zwischen 1 µm .. 10 µm erhält man scharfe homogene Linien.

• Bei größeren Teilchen sieht man nicht mehr homogene Scherrer-Linien, sondern man löst die Linien in einzelne Punkte auf, die auf die einzelnen größeren Teilchen (Kristallite) zurückzuführen sind.

• Bei Pulvern, deren Teilchengröße kleiner als 1 µm ist, kommt der Size-Effekt der einzelnen Kristallite ins Spiel. Dieser Size-Effekt führt zu einer Linienverbreiterung gemäß:

Θ

λ=Θ∆

cosD

K)2( (4.7)

K: Formfaktor der Kristallite (K ≈ 1); λ: Wellenlänge; D: mittlere Kristallitgröße senkrecht zur reflektierten Netzebene. Man nennt diese Beziehung Scherrer-Formel (1918) Bemerkung: Neben der Pulverdiffraktometrie läßt sich die Größe sehr kleiner Teilchen in kristallinen Pulvern oder amorphen Substanzen auch mit der Röntgenkleinwinkelstreuung bestimmen.

Abb. 6: Verschiedene Pt-Ru-Katalysatoren vor und nach Betrieb in der Brennstoffzelle

Legierungsbildung – Vegard’sche Regel

Abb.7: Der Ruthenium-Gehalt in Pt-Ru Katalysatoren kann mittels der Vegard’schen Regel

bestimmt werden.

Unterscheidung zwischen kristallinen und amorphen Zuständen

Abb.8: Debye-Scherrer Aufnahmen für unterschiedliche Zustände

Zusammenfassung: Pulverdiffraktometrie ist geeignet für: • industrielle Anwendung (hohe Probendurchflüsse) • chemische Analyse kristalliner Substanzen • quantitative und qualitative Analyse von Mixturen • Identifikation kristalliner Phasen; Unterscheidung zwischen kristallinen und amorphen

Zuständen; Aussagen über den Kristallisationszustand, Devitrifikation (Entglasung) • aufeinanderfolgende Festkörperreaktionen • Identifizierung von festen Lösungen • Isomorphismen, Polymorphismen, Bestimmung von Phasendiagrammen • Messung von Gitterparametern und thermischer Ausdehnung • Bevorzugte Orientierung von Kristalliten • Mikrostruktur (Korngrößen, Strain, Stapelfehler) aus Linienverbreiterungen • In-Situ Hoch/Tieftemperatur und Hochdruck-Untersuchungen

4.2 Bragg-Brentano Fokussierung

Abb.9: Bragg-Brentano-Quasifokussierung; Quelle (Eintrittsspalt), Probe und Detektor

(Austrittsspalt) befinden sich auf einem Kreis. Um mehrere Probenreflexe zu untersuchen werden Quelle, Probe und Detektor unter Beibehaltung der Fokussierungsbedingung geeignet geschwenkt.

Einer der bereits erwähnten Nachteile der Debye-Scherrer-Kamera ist, dass nur sehr kleine, fadenförmige Proben untersucht werden können. Mit der unten dargestellten sogenannten Bragg-Brentano-Geometrie können auch flächige Proben mit hoher Präzision untersucht werden. Dies ist möglich, indem ein altbekanntes Fokussierungsprinzip ausgenützt wird: Befinden sich Eintrittsspalt, Probe und Detektor auf einem gemeinsamen Kreis, so wird der gebeugte Strahl (einer einzelnen Linie) auf den Film (bzw. Detektor) fokussiert. Dies ist möglich, weil alle Strahlen in Abb.9 unter dem gleichen Streuwinkel 2Θ gebeugt werden. Eine exakte Fokussierung ist natürlich nur dann gegeben, wenn

• man den Eintrittsspalt auf einen Punkt reduziert. Also ist die Auflösung des Verfahrens maßgeblich durch die Größe des Eintrittsspaltes bestimmt.

• die Probe sich an eine Kreisbahn anschmiegt

• die Eindringtiefe klein ist

Bei Pulverproben kann daher eine exakte Fokussierung erzielt werden, weil die Form anpassbar ist. Bei der Verwendung von ebenen Polykristallen (wie z.B. in Abb.9 dargestellt) kommt es zu Abweichungen.

Beispiele:

Seemann-Bohlin-Verfahren Entwickelt durch Seemann (1919) und Bohlin (1920).

Vorteile: (i) flächige Proben (ii) sehr genaue Gitterkonstantenbestimmung, Linienbreite nur noch Funktion der Größe der

Eintrittsblende (iii) viele Debye-Scherrer Kameras lassen sich durch Vertauschen der Eintrittsblende durch

einen Präparathalter leicht in eine Seemann-Bohlin-Kamera umbauen Nachteile: (i) nur Rückstrahlgeometrie (ii) genaue Justage der Probe erforderlich (Probentangente muß in Ebene liegen)

Probe

Eintritts-

spalt

Abb.10: Beim Seemann-Bohlin-Verfahren befinden sich Eintrittsblende, Präparat und Film am Umfang eines Kreises

Planfilm- und Kegelverfahren Für Spezialuntersuchungen - soll z.B. nur eine oder wenige Linien mit hoher Genauigkeit untersucht werden - werden diese Verfahren angewendet.

Probe

Eintritts-

spalt

Film

Abb.11: Flachkamera in Rückstrahlgeometrie. Es kann jeweils nur ein Beugungskegel mit optimaler Schärfe abgebildet werden.

Nur ein Reflex kann bei diesem Verfahren mit optimaler Schärfe beobachtet werden. Löst man das Kα1-Kα2-Dublett auf (Van-Arkel-Aufspaltung), lassen sich Aussagen über den Kristallisationszustand der untersuchten Substanz machen.

4.3 Kristall-Monochromatisierung Für verschiedene Untersuchungen ist es notwendig, monochromatisierte Röntgenstrahlung zur Verfügung zu haben. Hierzu wird oft ein gekrümmter Kristallmonochromator (am besten 111-Reflex) verwendet (z.B. gebogene Quarzlamellen). Optimale Fokussierung wird dann erreicht, wenn • Quelle, Monochromator und Austrittsspalt auf einem Kreis (mit Radius R) liegen • die Netzebenen des Monochromatos den Krümmungsradius 2R besitzen • die Oberfläche des Monochromators sich auf einem Kreis mit dem Radius R befindet -

halb so groß wie der Krümmungsradius Man nennt diese die Johann-Geometrie. Sie ist in Abb. 12 illustriert. Die Quellgröße d bestimmt dabei die Wellenlängenauflösung gemäß:

d

D= =∆

∆ϑ

λ

λϑtan (4.8)

Also: ∆λ

λϑ=

d

Dcot (4.9)

D: Abstand Quelle – Monochromator

Abb.12: Johann-Geometrie zur Fokussierung und Monochromatisierung

4.4 Guinier-Kamera Bei der Guinier-Kamera werden Monochromatisierung (4.3) und Fokussierung (4.2) miteinander verknüpft. Damit erzielt man höchste Auflösung bei höchster Intensität. In Abb.13 ist eine typische Geometrie skizziert

Abb.13: Mögliche Geometrie des Guinierverfahrens Vorteile: • keine spektralen Verunreinigungen, Bremsspektrum fehlt völlig • auch schwache Linien durch lange Belichtungszeiten noch sichtbar • hohe Linienschärfe � Gute Auflösung (Gitterparameterbestimmung)

� Komplizierte Substanzgemische können untersucht werden, da keine Überlagerung von Kα1 und Kα2-Linien auftritt

• Aufnahme von zwei, drei oder vier Präparaten gleichzeitig • flächige Proben (werden tangential bewegt) � Eichproben können gleichzeitig auf

denselben Film registriert werden.

Nachteile: • Justieren von Monochromator und Kamera ist aufwendig • Intensitätsverlust durch Monochromator ( wird allerdings durch Fokussierung in Grenzen

gehalten) Im Gegensatz zu Abb.13 sind werden heutige moderne Untersuchungen nicht mehr mit einem Film vorgenommen, sondern es kommen moderne Detektoren zum Einsatz. Dabei unter-scheidet man zwischen • Einkanaldetektoren (Zählrohre oder Festkörperdetektoren)

die geeignet auf dem Rowlandkreis geschwenkt werden. Will man mehrere Reflexe mit hoher Genauigkeit untersuchen, so müssen Quelle, Probe und Detektor unter Beibehaltung der Fokussierung geeignet geschwenkt werden. Dabei kann z.B.

(i) die Probe festgehalten werden und Quelle und Detektor 1:1 geschwenkt werden (Theta-Theta-Diffraktometer), oder

(ii) die Quelle festgehalten werden und Probe und Detektor im Verhältnis 2:1 geschwenkt werden (Theta-2Theta-Diffraktometer)

Abb. 14: 1:1 Scan (links) und 2:1 Scan (rechts) • ortsauflösende Detektoren Hier wird der Detektor festgehalten und lediglich die Quelle oder die Probe gedreht.

4.5 Texturbestimmung in polykristallinen Materialien Unter Textur versteht man die statische Gesamtheit der Kristallorientierungen in einem “Vielkristall“. Die Beugungsdiagramme derartiger Kristalle weisen in der Regel weder eine gleichmäßige Intensitätsbelegung der Ringe auf, wie man sie von feinkörnigen Pulverproben in der Debye-Scherrer-Beugung erwarten würde, noch erhält man scharfe Beugungspunkte, die auf einen Einkristall hinweisen würden. Im engeren Sinne versteht man unter Textur die Abweichung von der statistischen Regellosigkeit, d.h., das Auftreten von Vorzugsorientierungen.

Abb. 15: oben: Definition von Textur unten: Mikrostruktur von natürlich (a,b) und experimentell verformtem (c,d)

Hämatiterz, a) Brucutu, Minas Gerais, Brasilien, b) Andrade, Minas Gerais Brasilien, c) 1000°C, γ=3.8, Peripherie der Probe, d) 1000°C, γ=0.0, Zentrum der Probe

Diese Vorzugsorientierungen sind im allgemeinen mit dem Herstellungsverfahren verknüpft:

• Erstarrung (z.B. Drahtziehen) • Keimbildung • Kornwachstum • Rekristallisation • Phasenumwandlungen • Sintern • Plastische Verformung • Formanisotropie

Die Bestimmung der Textur erfolgt durch Messung von sogenannten Polfiguren. Die (h k l )-Polfigur gibt die Verteilung der Netzebenen-Normalen {h k l} aller Körner des untersuchten Probenvolumens in winkeltreuer stereographischer (winkeltreuer) Projektion wieder (Abb. 16). Die Lage einer kristallographischen Richtung im Raum kann durch zwei Polarwinkel beschrieben werden, ganz ähnlich wie man den geographischen Ort auf der Erdoberfläche durch die geographische Länge und Breite angibt.

(a) (b)

Abb. 16: Definition der stereographischen Projektion und dazugehörige Polfiguren; (b) Standard-(001)-Projektion des kubischen Gitters

Mit einem Flächendetektor lässt sich eine besonders einfache Anlage für Polfigurmessungen realisieren (Abb.17). Da der Detektor einen großen Ausschnitt der Ewaldkugel abdeckt, braucht die Probe nicht in einer Eulerwiege montiert zu werden. Es genügt, sie mit der Oberflächennormale schräg zur Beugungsebene (unter etwa 45°) zu stellen, schrittweise um die Oberflächennormale zu drehen und dabei die einzelnen Beugungsdiagramme zu registrieren. Die abgebeugten Intensitäten der hkl-Reflexe, die in den Beugungsdiagrammen simultan registriert werden, werden dann mittels Software in experimentelle Polfiguren umgerechnet.

Abb. 17: Messung von Polfiguren mit ortsaufgelösten Detektor