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Praxis der Naturwissenschaften Physik in der Schule Alles fließt 1/61 Heft Nr. 1/61. Jahrgang Januar 2012 G 21662 F AulisVerlag

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Praxis der Naturwissenschaften

Physik in der Schule

Alles fließt

1/61Heft Nr. 1 / 61. Jahrgang

Januar 2012

G 21662 F

AulisVerlag

Inhaltπαντα ρειAlles fließt!παντα ρει– Alles fließt!H. Schwarze 4Ströme von Stoffen und Ströme physikalischer GrößenF. Herrmann 5Die Richtung von Strömen und dessen, was strömtM. Pohlig 7Zur Geschichte des EntropiestromsM. Pohlig 9Energie und EnergieträgerströmeK. Schneider 11Konduktive und konvektive StrömeP. Schmälzle 13Gekoppelte StrömeH. M. Strauch 15Der elektrische und der magnetische VerschiebungsstromF. Herrmann 18Kraft und ImpulsstromF. Herrmann 19Impulsstromverteilungen in BeispielenF. Herrmann 23Drehimpuls und DrehimpulsströmeH. Hauptmann 26Energieströme im elektromagnetischen FeldP. Schmälzle 30Leistungs-, Kraft- und DrehmomentübertragungF. Herrmann 32SupraströmeF. Herrmann 33Energieströme im LichtH. M. Strauch 38Ströme in der AtomhülleM. Pohlig 41Elektrische Strom- und Ladungsdichte H. Hauptmann 43Energiestrom und ImpulsF. Herrmann u. M. Pohlig 45

SerieKontextorientierte Aufgabe (22): Sommer und WinterM. Hopf 46

MagazinAltlasten der Physik (134): Die elektrische ProbleadungF. Herrmann 48Polytechnikpreis 2011 M. Hopf, M. Hopf, Th. Wilhelm, H. Wiesner, V. Tobiasu. Ch. Waltner 49

Impressum 50

Praxis der Naturwissenschaften Physik in der Schule

erscheint im Aulis Verlag

Z211021

Herausgeber: M. Pohlig u. H. Schwarze

Schriftleiter:StD Dr. Heiner Schwarze

Herausgeber:Prof. Dr. Martin Hopf, Wien;

Prof. Dr. Rainer Müller, BraunschweigProf. Dr. Volkhard Nordmeier, Berlin;

StD Dr. Heiner Schwarze,Kiel-Kronshagen;

Prof. Dr. Dr. Hartmut Wiesner,München

Prof. Dr. Thomas Wilhelm, Augsburg

Titelgestaltung: Schmid, Wilhelm

Foto: Im Priel ist alles in fließender Bewegung,

(Foto: H. Schwarze)

HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 INHALT / PdN PHYSIK in der Schule

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Wir sind daran gewöhnt, in Physik und Technik mitStrömen zu operieren: elektrische Ströme, Energie-ströme, Massenströme, Stoffströme, Datenströme.Es ist für uns so normal, dass wir uns die Frage nach

der Berechtigung dieses Vorgehens gar nicht mehr stellen. Dabeisind Ströme physikalischer Größen keine Selbstverständlichkeit.Man hat sie nicht in der Natur vorgefunden, sondern sie sind Kon-struktionen der Naturwissenschaft. Und sie sind eine recht moder-ne Vorstellung. Zu Newtons Zeit gab es noch keine elektrische La-dung und keine Energie, und natürlich auch nicht die entsprechen-den Ströme.

Wenn wir vom Strom einer physikalischen Größe sprechen, sobenutzen wir ein Modell, das Stoffmodell. Es ist recht unauffälligin die Physik gekommen, sodass seine Berechtigung kaum disku-tiert wurde. Vielleicht auch deshalb, weil man sich zunächst garnicht bewusst war, dass es nur ein Modell ist. Man hielt ja die Elek-trizität, das Caloricum (die heutige Entropie) und die Energie fürreal vorhandene Fluida, also Stoffe.

In diesem Heft geht es darum zu zeigen, wo und wie das Stoff-modell in der Physik verwendet wird.

Im ersten Aufsatz Ströme von Stoffen und Ströme physikalischer Grö-ßen wird gezeigt, dass die meisten uns aus der Physik vertrautenStröme nur Modellströme sind, es strömt nur in unserem Kopf.

Im zweiten Aufsatz Die Richtung von Strömen und die Richtung des-sen, was strömt geht es um ein Problem, das manch einer gar nichtals Problem wahrnimmt: In welche Richtung fließt ein Strom?

Entropieströme sind eine allgegenwärtige Erscheinung, undtrotzdem werden sie selbst in Hochschulbüchern kaum angespro-chen. Im Aufsatz Zur Geschichte des Entropiestroms wird gezeigt, wiemühsam ihre Genese war.

Im nächsten Aufsatz Energie und Energieträgerströme geht es umEnergieströme und ihre Besonderheiten: Wenn Energie strömt, soströmt auch immer noch irgendeine andere physikalische Größe.

Jeder weiß, dass man Ströme einer physikalischen Größe aufverschiedene Arten realisieren kann: konvektiv, konduktiv, dissi-pativ, reibungsfrei. Der Aufsatz Konduktive und konvektive Strömeversucht, etwas Ordnung in die verschiedenen Stromtypen zubringen.

Nicht nur die Energie fließt immer zusammen mit einer ande-ren mengenartigen Größe. Alle Ströme sind mehr oder wenigerstark aneinander gekoppelt. Im Aufsatz Gekoppelte Ströme werdeneinige technisch wichtige Effekt angesprochen, die auf einer sol-chen Kopplung beruhen.

Der von Maxwell eingeführte elektrische Verschiebungsstrombleibt für viele Lernende etwas suspekt. Im Artikel Der elektrische

und der magnetische Verschiebungsstrom wird versucht zu zeigen, wieman sich mit ihm anfreunden kann, und wenn das einmal gelun-gen ist, dass man sogar einen magnetischen Verschiebungsstromins Haus lässt.

Im nächsten Artikel Kraft und Impulsstrom geht es um das tragi-sche Schicksal des Impulsstroms. Die Kraft, eigentlich nur eineVerlegenheitskonstruktion von Newton, hat sich so etabliert, jabreit gemacht, dass es das natürlichere und tragfähigere KonzeptImpulsstrom nie in die Anfänger-Mechanikbücher geschafft hat.Der Wechsel vom Kraft- zum Impulsstrommodell wirkt sich aufdie ganze Mechanik, insbesondere auch die für Fortgeschrittene,aus. Im Aufsatz Impulsstromverteilungen in Beispielen werden einigeKonsequenzen dieses Wechsels vorgestellt.

Wenn man die Translationsmechanik mit Impulsströmenmacht, so ist es nur konsequent, in der Rotationsmechanik mitDrehimpulsströmen zu operieren. Im Aufsatz Drehimpuls und Dreh -impulsströme wird gezeigt, dass der Konzeptwechsel bei den Dreh-bewegungen besonders vorteilhaft ist.

In dem kurzen Artikel Leistungs-, Kraft- und Drehmomentübertra-gung geht es um ein Sprachrelikt. Manche mechanischen Prozes-se werden noch heute verbal so beschrieben, als glaubten wir anFernwirkungen.

Ein Thema, das einfach, aber unserer Meinung nach stark ver-nachlässigt ist, sind die Energieströme im elektromagnetischen Feld.

Natürlich dürfen in einem Heft über Ströme die Supraströmenicht fehlen (Supraströme). Man braucht für ein vernünftiges Ver-ständnis keine Elektron-Phonon-Kopplung und BCS-Theorie.

Dann wieder ein Themenwechsel, nämlich zur Optik. In Ener-gieströme im Licht wird gezeigt, dass man eine interessante An-schauung von Lichtverteilungen bekommt, wenn man die Ener-giestromverteilung graphisch darstellt.

Im Artikel Ströme in der Atomhülle geht es schließlich um das,was man oft mit dem etwas sperrigen Namen Wahrscheinlich-keitsstrom bezeichnet, was aber im Elektroniummodell als ganznormaler elektrischer Strom auftritt, und mehrere Eigenschaftenvon Atomen in ihren verschiedenen Zuständen, sowie bei Über-gängen zwischen diesen Zuständen beschreibt.

Schließlich noch zwei Artikel, die mit Auswirkungen der Rela-tivitätstheorie auf den Strombegriff zu tun haben. Im Aufsatz Elek-trische Stromdichte und Ladungsdichte beim Wechsel des Bezugssystemswird gezeigt, dass sich bei einem Bezugssystemwechsel elektri-sche Ladung und elektrischer Strom ineinander transformieren.Danach, in Der universelle Zusammenhang zwischen Energiestrom undImpuls wird gezeigt, dass es neben der bekannten Energie-Masse-Äquivalenz noch eine Energiestrom-Impuls-Äquivalenz gibt. n■

παντα ρει – Alles fließt!

H. Schwarze

PdN PHYSIK in der Schule / VORWORT HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012

4

,

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HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

Ströme von Stoffen und Ströme physikalischer GrößenF. Herrmann

man sie auch nicht in einen Stromkreiseinbauen, sie kann nicht durch ein Filterhindurchgehen und sie kann nicht zylin-derförmig sein.

In jedem dieser Fälle wird der Name ei-nes konkreten Gegenstandes oder Systems– Körper, Kondensator, Licht, Behälter – er-setzt durch den Namen einer physikali-schen Größe – Masse, Kapazität, Wellen-länge, Volumen. Handelt es sich dabei umeine Verwechslung, einen Fehler, eine fal-sche Aussage? Wir wollen nicht voreiligschließen.

In der Umgangssprache ist es gang undgäbe, den Namen eines Begriffs durch deneines anderen zu ersetzen. In der Wortbe-deutungslehre nennt man das eine Meto-nymie. Hier einige Beispiele für Metony-mien: „Thomas Mann lesen“, statt „einBuch von Thomas Mann lesen“, „ein Glastrinken“, statt „den Wein in dem Glas trin-ken“, „Brüssel entscheidet“, statt „die Eu-ropäische Kommission in Brüssel ent-scheidet“, „der Saal applaudiert“, statt „dieLeute im Saal applaudieren“. Offenbarfunktioniert die Sprache, auch wenn mansolche Ersetzungen macht, und von der

1 Physikalische Größe und physikali-sches System – VertauschungenWir betrachten einen Satz, der die Situa-tion in Abb. 1a beschreibt: „An der Federhängt eine Masse.” Der Satz ist genau ge-nommen falsch. Die Masse ist eine physi-kalische Größe, d.h. im Sinn der Mathema-tik eine Variable und damit ein abstraktesmathematisches Konzept. Als solcheskann sie weder hängen noch nicht hängen.Auch in Abbildung 1b hängt nicht eineMasse an der Feder, sondern ein ausge-schnittener Buchstabe. Ein Satz, der dasGemeinte richtig ausdrückt, würde lauten:„An der Feder hängt ein Körper.”

Viele andere gebräuchliche Formulie-rungen enthalten dieselbe Unstimmigkeit:„In den Stromkreis wird eine Kapazität ein-gebaut“, statt „In den Stromkreis wird einKondensator eingebaut“, „Das Filter lässtnur die kurzen Wellenlängen durch“, statt„Das Filter lässt nur Licht kurzer Wellenlän-gen durch“ oder „Das Gas befindet sich ineinem zylinderförmigen Volumen“, statt„Das Gas befindet sich in einem zylinder-förmigen Behälter“. Wie eine mathemati-sche Variable nicht hängen kann, so kann

Umgangssprache kann man sogar sagen,sie funktioniert so gut, gerade weil mandiese Möglichkeit hat.

Wenn man in einem bestimmten Zu-sammenhang „Thomas Mann“ sagt, someint man ein Buch von ihm. Genauso istes bei den physikalischen Beispielen. Inunseren Beispielen meint man mit derMasse den Körper und mit der Wellenlän-ge das Licht. Indem man den Namen einerphysikalischen Größe statt den Namen deseigentlich gemeinten Gegenstandes be-nutzt, bringt man zum Ausdruck, dass eseinem im betrachteten Zusammenhangnur auf eine bestimmte Eigenschaft desGegenstandes ankommt.

Die hier angesprochenen Ersetzungensind also nicht unzulässig und sie könnenauch vorteilhaft sein. Allerdings ist der Ge-winn nicht groß, denn die Sätze „An derFeder hängt ein Körper“ und „An der Federhängt eine Masse“ nehmen sich nicht viel.Dass solche Ersetzungen nicht unentbehr-lich sind, sieht man auch an einer Situa-tion, die der zuvor beschriebenen ähnlichist, in der man die Ersetzung aber nichtmacht. Sollte man nicht, so wie man eineMasse an einer Feder hängen lässt, auch ei-nen Körper an der Federkonstante hängenlassen können, Abb. 1c? Warum sagt mandenn das nicht? Weil der Name der Größeeiner Identifizierung mit dem Gegenstand(der Feder) im Weg steht. Es gibt Namenvon physikalischen Größen, die wir als Ob-jektnamen nicht akzeptieren, weil sie zudeutlich zum Ausdruck bringen, dass essich um ein Maß, und nicht um einenGegenstand handelt. Solche Namen sindstets Zusammensetzungen, in denen dasGrundwort ein mathematischer Begriff ist.Sie enden auf “-konstante”, (wie Federkon-stante), “-menge” (wie Stoffmenge) oder “-stärke” (wie Feldstärke). Wir können alsofeststellen: Das Vertauschen geschiehtnicht nach vernünftigen Regeln.

Nun zum eigentlichen Thema. Wir be-trachten den Satz: „In einem Stromkreisfließt elektrische Ladung.“ Die Aussagescheint von derselben Art zu sein, wie diezuvor diskutierten: Die elektrische Ladungist eine physikalische Größe, und als sol-che kann sie prinzipiell nicht fließen. Wird

Abb. 1: (a) An der Feder hängt ein Körper. (b) Misslungener Versuch, eine Masse an die Feder zu hän-gen. (c) Misslungener Versuch, einen Körper an die Federkonstante zu hängen

a) b) c)

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die Ladung hier also wieder als Stellvertre-ter verwendet für etwas, das fließen kannund auch wirklich fließt, also im Sinne ei-ner Metonymie? Man mag an die beweg-lichen Elektronen denken. Die könnenaber nicht gemeint sein, denn viele Sätze,die man mit der elektrischen Ladung for-muliert, bleiben nicht richtig, wenn mandas Wort Ladung durch das Wort Elektro-nen ersetzt; vor allem dann, wenn die La-dungsträger keine Elektronen sind, son-dern andere geladene Teilchen, etwa De-fektelektronen, Cooperpaare oder Ionender verschiedensten Art.

Was für einen Sinn macht es dann, vonströmender Ladung zu sprechen? Tatsäch-lich handelt es sich hier um mehr als eineMetonymie; wir haben es mit einem Mo-dell zu tun.

2 Modelle in der PhysikWas versteht man unter einem Modell? Bsei ein Modell von A. A besteht aus Ele-menten, zwischen denen gewisse Bezie-hungen existieren. Da B ein Modell von Aist, muss auch B aus Elementen bestehen,die durch Beziehungen miteinander ver-knüpft sind, und die Elemente und Bezie-hungen in A lassen sich auf die in B abbil-den. Das heißt A und B haben eine gemein-same Struktur. Man kann auch sagen: Esexistiert eine Übersetzungstabelle, eine Artzweisprachiges Wörterbuch. Man kannnun in B irgendwelche Schlüsse ziehenund diese mithilfe des Wörterbuchs in Aus-sagen über A übersetzen. Sind solche Aus-sagen über A oft korrekt, so ist das Modellein gutes Modell, sind sie oft falsch, so istdas Modell schlecht. Es gibt keine falschenund richtigen Modelle, nur besser passen-de und weniger gut passende.

Diese Definition des Modellbegriffs istnoch recht allgemein. Ihr zufolge gibt es zujedem physikalischen Gegenstand eineganze Reihe von Modellen. So ist in diesemSinn etwa die mathematische Beschrei-bung eines Systems ein Modell, oder auchein Computerprogramm, mit dem man A„simuliert“.

Wir wollen das Wort „Modell“ hier in ei-nem engeren Sinn benutzen. Unter demModell B wollen wir ein anderes physikali-sches System verstehen, das mit A eineStrukturverwandtschaft hat, und das diefolgende Besonderheit hat: Es soll uns ver-traut sein. Wir haben bei B nicht das Be-dürfnis, dass man uns erklärt wie es funk-tioniert.

Wir wissen jetzt auch, was man meint,wenn man sagt, man habe A verstanden.Es bedeutet einfach, dass man eingesehenhat: A verhält sich wie B.

Hofstadter sagt es so: „Wiederholt habenwir gesehen, wie Analogien und Entspre-chungen zweite Bedeutungen entstehen las-sen, die auf dem Rücken der ersten Bedeu-tungen daherkommen. […] Jegliche Bedeu-tung geht auf Analogien zurück.“ [1] undNietzsche [2]: „[…]: ‘verstehen’ das heißt naivbloß: Etwas Neues ausdrücken können inder Sprache von etwas Altem, Bekanntem.“

3 Das StoffmodellZurück zu den elektrischen Strömen: AlsModell dient hier eine Flüssigkeit oder einFluidum. Die Größe Q interpretieren wir alsMaß für die Menge des Fluidums, und imSinne einer Metonymie sagen wir Ladung,wenn wir das gedachte Fluidum meinen.

Wir stellen uns dieses Modell-Fluidumam Besten als Kontinuum vor. Das Modell,das wir hier verwenden, ist das Stoffmodell.

Warum ist es nun vorteilhafter, mit die-ser gedachten Flüssigkeit zu operieren, alsmit den „wirklich“ strömenden Teilchen?

Erstens: Oft sind nicht die Elektronendie Ladungsträger, sondern andere Teil-chen. Wenn man den elektrischen Stromals sich bewegende Elektronen definiert,muss man die Halbleiterphysik und dieElektrochemie ausklammern.

Zweitens: Die Elektronen haben denNachteil, dass sie negativ geladen sind undnicht positiv. Das hat zur Folge, dass diephysikalische Größe elektrische Ladungimmer das Gegenteil von dem tut, was dieElektronen machen. Die Ladung nimmt ab,weil Elektronen zufließen.

Man mag zugunsten der Elektronen an-führen, dass man mit ihnen, wenigstens imFall der n-leitenden Stoffe, also der meistenMetalle, der Wirklichkeit näher kommt,denn wir wissen doch, dass in diesen Stof-fen die Elektronen die Ladungsträger sind.Wir sprechen dann also nicht von einemModell, sondern von der Wirklichkeit. Nunist aber die Vorstellung die man von denElektronen vermittelt, nämlich, dass siekleine Körperchen seien, die zwischen denAtomen herumflitzen, und ab und zu ge-gen irgendein Hindernis stoßen, nicht sehrtragfähig. Wie man in der Festkörperphysik-vorlesung lernt, beschreibt man dieElektronen besser als Wellen, sogenannteBlochwellen, die sich über große Entfer-nungen im Festkörper ausdehnen. Die zu-gehörigen Teilchen haben in Zuständen deroberen Hälfte des Leitungsbandes eine ne-gative Masse, und obendrein ist diese „ef-fektive Masse“ ein Tensor. Wenn man abervon diesen Merkwürdigkeiten absieht, be-nutzt man auch wieder ein Modell. Warumdann nicht gleich dasjenige, das die wenig-sten Komplikationen verursacht?

Ein anderer Gesichtspunkt ist die An-schaulichkeit. Es besteht kein Zweifel dar-über, dass das Teilchenmodell anschaulichist. Dass aber auch das Stoffmodell an-schaulich ist, erkennt man daran, dass esauch der physikalische Laie mit der größ-ten Bereitwilligkeit anwendet – sogar inFällen, wo man als Physiker gewiss etwasvorsichtiger wäre. Immer wenn man von„viel“ oder „wenig“ spricht, ist das Stoff-modell im Spiel. Viel Geld, viel Geduld, vielZuversicht – alles deutet darauf hin, dassman die entsprechenden Begriffe im Sinneiner Menge oder eines Stoffes benutzt.„Gib mir Hoffnung“, „gib mir etwas vondeiner Geduld“ sind gängige Formulierun-gen, die sogar die Übertragbarkeit, einen„Strom“ von Hoffnung oder Geduld meta-phorisch zum Ausdruck bringen. Ein be-sonders schönes Beispiel, bei dem sogardie Zeit Stoffcharakter hat, stammt vonWilhelm Busch:

Hartnäckig weiter fließt die Zeit, die Zukunftwird Vergangenheit. Von einem großen Reservoirins andre rieselt Jahr um Jahr.

Schließlich hat das Stoffmodell noch ei-nen anderen Vorteil. Bisher haben wir nurüber die elektrische Ladung gesprochen.Das Stoffmodell funktioniert aber auch invielen anderen Fällen. Wir können es an-wenden auf jede mengenartige oder exten-sive Größe; nicht nur auf die elektrische La-dung, sondern auch auf die Energie, dieMasse, den Impuls und die Entropie, ja so-gar den Drehimpuls.

Bei manchen dieser Größen mag mangeneigt sein zu fragen: Was strömt denndort eigentlich? Bei einem Impulsstromzum Beispiel: Kann der Impuls wirklichströmen?

Bei anderen wird diese Frage eigenarti-gerweise nicht gestellt: Bei einem Energie-strom strömt einfach die Energie. Wirklich?Nein. Weder die Energie strömt, noch derImpuls, noch die elektrische Ladung oderdie Masse. In jedem Fall gibt es die Strö-mung nur in unserem Kopf; oder besser:Wir stellen uns vor, dass eine gedachte Mo-dellflüssigkeit strömt, mit ihr operierenwir und wir tun gut daran. n■

Literatur[1] Douglas Hofstadter, Ich bin eine seltsameSchleife, Klett-Cotta, Stuttgart 2008, S. 211[2] Friedrich Nietzsche, Werke IV, Aus demNachlass der Achtzigerjahre, Verlag UllsteinGmbH, Frankfurt 1972, S. 805

Anschrift des VerfassersProf. Dr. Friedrich Herrmann, Institut für Theoretische Festkörperphysik, KIT, 76128 Karlsruhe, E-Mail: [email protected]

PdN PHYSIK in der Schule / παντα ρηει – Alles fließt HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012

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Was meinen wir, wenn wir sagen, dieelektrische Stromstärke habe den Wert +2Aoder –2A? Ist mit dem Vorzeichen eineRichtung des elektrischen Stroms ver-knüpft? Wenn ja, welche? Wenn nein, wassagen die Vorzeichen? Beruht die Richtungdes elektrischen Stroms auf einer Konven-tion?

1 Wie ist das Vorzeichen einer Stromstärke festgelegt?Um die Stromstärke einer physikalischenGröße wie z.B. der elektrischen Ladung1 zuveranschaulichen, greifen wir gerne auf Bil-der zurück. Oft benutzen wir das Bild einesFlusses, dessen Wasser einem Flussbettfolgt (vgl. dazu Abb. 1), oder wir denken aneine Flüssigkeit, die in einem Rohrsystemfließt. Wir verwenden Pfeile, um die Phä-nomene näher zu beschreiben. So habendie roten Pfeile in den Punkten P1 und P2 inAbb. 2 unterschiedliche Länge und unter-schiedliche Richtung, um auszudrücken,dass die Strömung in P2 stärker ist als in P1

und in P2 eine andere Richtung hat als inP1. Welche physikalischen Größen kom-men der Anschauung, die uns die Pfeilevermitteln, am nächsten? Als Antwort aufdiese Frage bietet sich zunächst die elektri-sche Stromdichte j

�Q an, denn sie ist ein Vek-

tor und bezieht sich auf einen Punkt. Mitihrer Hilfe wird die elektrische Stromstär-ke festgelegt.

(1)

Die Gleichung ist so gebildet, dass sie sichauf eine Fläche, hier F genannt, bezieht.Diese Fläche hat eine Orientierung, wasman daran erkennt, dass das Flächenele-ment df

�ein Vektor ist. Je nach Wahl der

Orientierung, und bei dieser Wahl sind wirvollkommen frei, bekommt die elektrischeStromstärke ein positives oder ein negati-ves Vorzeichen. So sind in Abb. 2 die Flä-chen F1 und F2 so orientiert, dass die Strom-stärke I1 einen positiven und I2 einen nega-tiven Wert hat.

= ⋅∫��

Fläche F QI j df

und

Halten wir fest: Die Stromstärke kannpositive oder negative Werte annehmen;eine Richtung hat sie nicht. Dem Stromeine Richtung zu geben, macht Sinn, es istdie Richtung des Stromdichtevektors. DieRichtung eines Wasserstroms z.B. in einemRohr festzustellen stellt anscheinend keinProblem2 dar; schwieriger scheint es, dieRichtung eines Ladungsstroms zu erken-nen.

2 Die Kontinuitätsgleichung für elektrische LadungWie alle Erhaltungsgrößen gehorcht auchdie elektrische Ladung einer Kontinuitäts-gleichung:

3, 4

(2)

11 Fläche F

0QI j df= ⋅ >∫��

0.QQdiv j

tρ∂

+ =∂

22 Fläche F

0.QI j df= ⋅ <∫��

HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

Die Richtung von Strömen und dessen,was strömtM. Pohlig

F1

P1

F2

P2

jP1

jP2

Abb. 1: Darstellung von strömenden Wasser

Abb. 2: Strömendes Wasser und Stromdichtevektor

1 Das Strömen von elektrischer Ladung steht stell-vertretend für das Strömen anderer mengenarti-ger Größen wie z. B. der Energie E, der Entropie S,des Impulses p�.

2 Tatsächlich ist auch diese Frage nicht trivial.Lässt man z.B. Wasser durch ein Glasrohr fließen,erkennt man nicht, in welche Richtung das Was-ser fließt. Die Richtung erschließt sich erst, wennman z.B. erkennt, dass das Wasser von einem Be-hälter in einen anderen fließt, die Wassermengedes ersten Behälters also ab- und die des zweitenzunimmt. Schwebstoffe oder Luftbläschen, die imWasser strömen, sind für die Festlegung der Strö-mungsrichtung nur bedingt hilfreich: Fließt z.B.Wasser langsam in einem Glasrohr von oben nachunten und ist das Wasser durch Luftbläschen„verunreinigt“, so werden diese nach oben stei-gen, sich also gegen die Stromrichtung des Was-sers bewegen. Das hier angedeutete Verfahren fürdie Festlegung der Wasserstromrichtung wird im2. Abschnitt „Kontinuitätsgleichung“ ausführ-licher und allgemeiner beschrieben.

8

In Worte gefasst sagt sie: Ändert sich dieDichte der elektrischen Ladung, so ist dieStelle, an der sie sich ändert, Quelle oderSenke für einen elektrischen Strom.Nimmt die Dichte an einer Stelle in der Zeitab, gilt also

so muss dort

sein, es fließt dort also Ladung ab, undumgekehrt, nimmt die Dichte an einerStelle in der Zeit zu, gilt also

so muss dort

sein, es fließt dort also Ladung hin. DieRichtung, in der elektrische Ladung strömt,erschließt sich somit aus der Theorie undunterliegt keiner Konvention5.

Diese Überlegungen findet man bereitsin Maxwells 2-bändigem ‚Lehrbuch der Elec-

0Qdiv j <�

∂>

∂0 ,Q

0Qdiv j >�

∂<

∂0 ,Q

tricität und des Magnetismus‘: „Sind alsozwei Conductoren A und B mit Electricität so ge-laden, dass das Potentialniveau auf A höher istals auf B, so muss, wenn sie durch einen Draht Cmiteinander verbunden werden, Electricität (=charge im engl. Original) von A nach B so lan-ge übergehen, bis ihre Potentiale – was übrigensin sehr kurzer Zeit geschieht – sich ausgeglichenhaben“[2]. Ein Indiz dafür, dass Maxwell mit„Electricität“ eine physikalische Größe undnicht einen wie auch immer gearteten La-dungsträger meint, findet sich schon zuBeginn seines Werkes: „Die electrische Er-regung eines Körpers, oder seine Electrici-tätsmenge ist daher eine physikalische derMessung zugängliche Größe“ [2]. Über dieEigenschaften dieser Größe spekuliertMaxwell nicht, er fordert lediglich, dass sieeiner Bilanzgleichung, der integralen Formder Kontinuitätsgleichung (2), gehorcht:„dass Electricität weder geschaffen noch vernich-tet werden kann, so dass die Gesamtelectricitäteines durch eine Fläche eingeschlossenen Körper-systems, nur dadurch zu vermehren oder zu ver-mindern ist, dass man Electrizität durch die Flä-che einströmen bezüglich herausfließen lässt“ 6

[2]. Die Tatsache, dass Maxwell eine ge-schlossene Theorie der Elektrodynamikschaffen konnte, ohne Elektronen und an-dere Ladungsträger 7 zu kennen, sollte unszu denken geben, vor allem, wenn wir heu-te so tun, als könne man die elektrischeStromstärke nur dann verstehen, wennman in ihr die Ströme von Elektronensieht.

Wenn wir statt von der physikalischenGröße „Ladung“ von den Ladungsträgernsprechen wollen, so würden wir den vonMaxwell beschriebenen Ladungsausgleichzwischen den beiden „Conductoren“ jenach Wahl des Verbindungsmaterials ver-schieden beschreiben: Verwenden wir ei-nen p-dotierten Halbleiter, so fließen dieLadungsträger (Löcher), wie die elektrischeLadung auch, von A nach B. Verwenden wirdagegen Metalle, wie z.B. Kupfer oder Alu-minium, so fließen die Ladungsträger(Elektronen) entgegengesetzt zur elektri-schen Ladung, also von B nach A. Schaltenwir schließlich einen Elektrolyten zwi-schen A und B, so fließen Ladungsträger inbeide Richtungen, positiv geladene Ionenvon A nach B und negativ geladene Ionenvon B nach A, beide tragen aber zu einemelektrischen Ladungsstrom von A nach Bbei. In allen drei Fällen fließt also Ladungvon A nach B.

3 Empfehlung für den UnterrichtUnterscheidet man strikt zwischen elektri-scher Ladung und Ladungsträger, so gibtes zwei Stromrichtungen, die der elektri-

schen Ladung und die der Ladungsträger.Während elektrische Ladung von höherenzu Stellen tieferen Potenzials fließt, be-wegen sich die Ladungsträger, je nach Vor-zeichen ihrer Ladung, in die eine oder an-dere Richtung. Begriffe wie „eigentlicheStromrichtung“ oder „technische Strom-richtung“ werden überflüssig.

4 Stromrichtung und Vorzeichen derStromstärke in der MechanikAlle Aussagen, die wir über die Richtungvon elektrischen Strömen und das Vorzei-chen der elektrischen Stromstärke ge-macht haben, gelten analog auch für Strö-me anderer mengenartiger Größen. DieFrage, ob der Wert der elektrischen Strom-stärke 2A oder –2A ist, lautet in der Mecha-nik: Welche Richtung hat die Kraft in einemhorizontal gespannten Seil8? Zeigt sie nachrechts, oder zeigt sie nach links? Hat alsoF�

x, die x-Komponente der Kraft, einen posi-tiven oder einen negativen Wert? Siehtman in der Kraft F

�x die Impulsstromstärke,

so heißt die Frage: Hat die Impulsstrom-stärke einen positiven oder einen negati-ven Wert? Sie lässt sich auf die gleicheWeise beantworten wie die Frage, ob dieelektrische Stromstärke den Wert 2A oder–2 A hat. Wie die elektrische Stromstärkebezieht sich auch die Impulsstromstärkeauf eine Fläche und es gilt:

Je nach Orientierung der Fläche durch dasgespannte Seil ist F

�x > 0 oder F

�x < 0. Ob die

Kraft nach rechts oder links zeigt, hängt al-lein von der Orientierung der gewähltenSchnittfläche ab. ■

Literatur[1] F. Herrmann; Die konventionelle Stromrich-tung; Altlasten der Physik; Aulis Verlag; ISBN 3-7614-2443-4; 2002, S. 145[2] J. C. Maxwell; Lehrbuch der Electricität unddes Magnetismus, Band I; Berlin Springer;1883. S. 371 S.38f.

Anschrift des VerfassersStD Michael Pohlig, Institut für TheoretischeFestkörperphysik, KIT, 76128 Karlsruhe, E-Mail: [email protected]

Fläche A.

xx pF j da= ∫�� �

PdN PHYSIK in der Schule / παντα ρηει – Alles fließt HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012

3 In integraler Form hat Gleichung (2) die GestaltdQ/dt + I = 0 (*) und wird oft als Bilanzgleichungfür die elektrische Ladung bezeichnet; sie sagt:Ändert sich in einem bestimmten Raumbereichder Wert der elektrischen Ladung, so geschiehtdas nur durch einen elektrischen Strom durch dieFläche, die den benannten Raumbereich um-schließt. Dass die Bilanzgleichung oft auch in derForm dQ/dt = I geschrieben wird und dies nichtim Widerspruch zu (*) steht, sollte nicht verwun-dern, wo doch das Vorzeichen von I von der Wahlder Orientierung der den Raumbereich begrenzen-den Fläche abhängt.

4 Für die Entropie gilt eine entsprechende Konti-nuitätsgleichung, solange es sich um reversibleProzesse handelt. Bei nicht reversiblen Prozessenwird die Null auf der rechten Seite durch einensog. Erzeugungsterm ersetzt.

5 Ein Rest an Konvention besteht in der Festle-gung dessen, was man eine positive Ladung nen-nen möchte.

6 Da auch andere Größen, wie z.B. die Energie, dieKontinuitätsgleichung erfüllen, fügt Maxwell alsUnterscheidungsmerkmal an: „Electricität isteben nur einer der beiden Faktoren der Energie,der zweite Faktor ist das Potenzial.“ [2]

7 Diskutiert wurde zur Zeit Maxwells eine soge-nannte Fluidentheorie.

8 Wir legen die x-Richtung durch die Richtung desgespannten Seils fest.

9

The long and winding roadthat leads to your door

(Lennon-McCartney)

Zu jeder extensiven oder mengenartigenGröße kann man eine Dichte und einenStrom mit dazugehöriger Stromstärke undStromdichte angeben. Von einer solchenGröße machen wir uns ein anschaulichesBild, wenn wir sie uns wie einen Stoff vor-stellen. Ihn können wir irgendwo anhäu-fen, im Raum verteilen, von einem zu ei-nem anderen Ort transportieren oder strö-men lassen. Einige der extensiven Größengenügen einem Erhaltungssatz, anderewiederum lassen sich erzeugen und ver-nichten, vergleichbar dem Geld, das derStaat „drucken“ lässt, oder das sich an derBörse zuweilen in nichts auflöst. Physika-lische Größen, über die wir so reden dür-fen, erfüllen eine lokale Kontinuitätsglei-chung (siehe dazu F. Herrmann in diesemHeft: Kraft und Impulsstrom):

(1)

Weisen wir von einer physikalischen Grö-ße X nach, dass sie Gleichung (1) erfüllt, sodürfen wir über diese Größe wie über einenStoff reden. Oder anders ausgedrückt: Sindwir von der Mengenartigkeit einer Größeüberzeugt, so muss sich die dazugehörigeKontinuitätsgleichung finden lassen.

Entropie ist eine solche Größe, die einerKontinuitätsgleichung1 genügt. Auch siekönnen wir uns wie einen Stoff vorstellen,den man anhäufen, verteilen und strömenlassen kann. Sie kann erzeugt, aber nichtvernichtet werden. Für die Physik standendiese Erkenntnisse allerdings erst am Endeeines langen und gewundenen Weges.

Dabei fing es ganz hoffnungsvoll an.Sie, die Entropie, wurde bereits von J. Black(1728 – 1799) unter dem Namen quantity ofheat erfunden und später von S. Carnot (1796– 1832) unter dem Namen calorique erneutgeschaffen.2 Über ihre Mengenartigkeitund die damit verbundenen Anschauun-gen gab es von Anfang an keinen Zweifel.

Black schreibt in seinen Lectures on the ele-ments of chemistry: „Wenn wir z.B. ein Pfund

∂∂

+ =ρσx

x xtjdiv .�

Wasser in einem Gefäß haben und zweiPfund Wasser in einem anderen, und beideWassermengen gleich heiß sind, was manmit einem Thermometer nachweist, dannist offensichtlich, dass die zwei Pfund Was-ser die doppelte ‚Menge an Wärme‘ (origi-nal: quantity of heat) enthalten müssen wieein Pfund.‘ [2]. Dieses Zitat macht denMengencharakter der Entropie sehr deut-lich. Vermutlich war es aber gerade derMengencharakter und damit verbundendie Vorstellung der quantity of heat als Stoff,die Blacks Vorstellung den Weg zum Erfolgverstellte. Vorgänge, die wir heute irrever-sibel nennen, waren nämlich damalsschon bekannt. Die mit einem irreversi-blen Vorgang verbundene Erzeugung einerquantity of heat zu akzeptieren, war kaummöglich, die psychologische Barriere ver-mutlich zu hoch; denn für ein creatio ex ni-hilo war nur Gott zuständig [3].

Runde 20 Jahre später schreibt Carnot inseinen Betrachtungen über die bewegen-de Kraft des Feuers: „Der in der Feuerungdurch Verbrennung entwickelte Wärmestoff (ca-lorique) durchdringt die Wände des Kessels underzeugt den Dampf, indem er sich sozusagendemselben einverleibt. Dieser nimmt ihn mitsich, führt ihn zum Cylinder …“ [4]. Wenn manin diesem Zitat den Begriff calorique durchden der Entropie ersetzt, zeigen sich schonwichtige Eigenschaften eben der Entropie:Sie kann „durch Verbrennung entwickelt“(= erzeugt) werden, sie kann konduktivströmen, denn sie „durchdringt die Wän-de des Kessels“, sie kann konvektiv strö-men, denn der erzeugte Dampf enthält dieEntropie und „nimmt sie mit sich“. An ei-ner anderen Stelle spricht Carnot von: „sei-nem (gemeint ist der Wärmestoff, also ca-lorique) Übergang von einem heißen Kör-per zu einem kalten“. Schöner ist die Stel-le im französischen Original: „son trans-port d’un corps chaud à un corps froid“. [5]Das Strömen des calorique (= Entropie)

kommt im Wort transport viel deutlicherzum Ausdruck als im Wort Übergang in derdeutschen Übersetzung. Die Anschaulich-keit der Entropie, wie sie Carnot mit sei-nem calorique vermittelt, veranlasste Cal-lendar, der zum ersten Mal die Identitätvon Carnots calorique und der Entropienachwies, zu seinem euphorischen Aus-spruch, Entropie könne so vermittelt wer-den, „dass sie jeder Schuljunge verstehenkann“ [6].

Mit der Einführung der Energie durchJoule (1814 – 1889) und Mayer (1814 – 1878)bekam das Wort Wärme eine andere Bedeu-tung, sie wurde zu einer Energieaustausch-form, zur Wärmeenergie [3]. Selbstver-ständlich werden viele Aussagen Carnotsfalsch, setzt man seine calorique mit derEnergieaustauschform Wärme gleich.3,4

Schließlich erfand Clausius die Entropie– eigentlich müsste man sagen, erfand ersie erneut:

(2)

Allerdings lässt seine Definition den Men-gencharakter der Black’schen bzw. Carnot’-schen Entropie nicht mehr so leicht er-kennen. Gleichung (2) macht ist esschwer, sich eine Entropiedichte und einEntropiestrom vorzustellen. Auf den end-gültigen Nachweis, dass die so definierteEntropie eine extensive, also mengenar-tige Größe ist, dass sie eine Kontinuitäts-gleichung erfüllt, musste die Physik bis1911 warten.

ΔS QT

= ∫δ rev

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Zur Geschichte des EntropiestromsM. Pohlig

1 Dabei erfüllt die Entropie einen „halben“ Erhal-tungssatz, sie kann erzeugt, aber nicht vernich-tet werden, σS ist größer Null und gleich Null beireversiblen Prozessen.

2 „Entgegen weitverbreiteter Lehrmeinung han-delt es bei der durch Clausius eingeführten Entro-pie keineswegs um eine neue Größe der Physik,sondern um die Rekonstruktion einer viel älterenGröße, nämlich der hundert Jahre früher von demschottischen Chemiker Black konzipierten 'quan-tity of heat'. Dieselbe Größe benutzte Carnot[1824] unter dem Namen 'calorique' in seiner be-rühmten Abhandlung, in der er die Grundlagender Thermodynamik entwickelte.“ [1]

3 Callendar schreibt 1911: “Die calorische Theorieder Wärme ist jetzt schon so lange vergessen, dasssie kaum noch erwähnt wird, es sei denn als Bei-spiel für ursprüngliche Unwissenheit; aber siewar überhaupt nicht so unlogisch, wie sie im all-gemeinen dargestellt wird.“ [6]

4 Dass Clausius Carnots ‚calorique‘ als Energie-form missverstand, zeigt seine Kritik an Carnot:„Carnot hat, wie schon erwähnt wurde, ange-nommen, dass der Erzeugung von Arbeit alsÄquivalent ein blosser Übergang von Wärme auseinem warmen in einen kalten Körper entspreche,ohne dass die Quantität der Wärme dabei verrin-gert werde. Der letzte Teil dieser Annahme, näm-lich dass die Quantität der Wärme unverringertbleibe, widerspricht unserem früheren Grundsat-ze und muss daher, wenn wir diesen festhaltenwollen, verworfen werden.“ [7]

10

mons bejaht diese Frage und weist für aniso-trope Medien nach, dass Phononen die Rol-le des Entropieträgers übernehmen. DenZusammenhang zwischen Entropie undEntropieträger leitet er her und findet [11]:

j�

E = T ρS v�D. (5)

Dabei bedeuten j�

E Energiestromdichte,T die absolute Temperatur, ρS die Entropie-dichte und v�D die Driftgeschwindigkeit derPhononen. In der Elektrizitätslehre ken-nen wir eine analoge Gleichung:

j�

E = ϕ ρQ v�D. (6)

Dabei steht j�

E wieder für die Energie strom -dichte, ϕ für elektrisches Potenzial, ρQ fürLadungsdichte und v�D für die Driftge-schwindigkeit von Ladungsträgern, wieElektronen, Ionen oder Löchern. Fasst manin Gleichung (6) die beiden letzten Fakto-ren mit ρQ v�D = j

�Q zur elektrischen Strom-

dichte zusammen, so bekommt Gleichung(6) die bekannte Form

j�

E = ϕ j�

Q.

Analog fasst man auch in Gleichung (5) diebeiden letzten Faktoren mit ρS v�D = j

�S zur

Entropiestromdichte zusammen. Wir er-halten

j�

E = T j�

S.

Der Entropiestrom durch einen Festkörpergewinnt so die gleiche Anschaulichkeit wieetwa der elektrische Strom durch einenelektrischen Leiter. n■

Literatur[1] G. Falk: Entropy, a resurrection of caloric – alook at the history of thermodynamics. Eur. J.Phys. 6 (1985)[2] J. Black: Lectures on the Elements of Che-mistry. J. Robinson ed. Edingburgh (1803)[3] Pohlig: Drei Chancen für die Entropie. PdN-PhiS 6/59 (2010)[4] S. Carnot: Betrachtungen über die bewegen-de Kraft des Feuers. Übersetzt und herausgege-ben von W. Oswald. Oswalds Klassiker Band 37(Reprint der Bände 37, 180 und 99). 2003[5] S. Carnot : Réflexions sur la puissance motri-ce du feu. Bachelier. Paris. (1824)[6] H. L. Callendar: The Caloric Theory of Heatand Carnot’s Principle. Proc. Phys. Soc. London,23, 153. (1911).[7] R. Clausius: Über die bewegende Kraft derWärme. Oswalds Klassiker Band 37 Reprint derBände 37, 180, 99. 2003[8] M. Planck: Vorlesungen über Thermodyna-mik, 11. Auflage. Walter de Gryter & Co. Berlin(1964) S. 304[9] G. Jaumann: Sitzungsber. Akad. Wiss. Wien,Naturw. Klasse, Abt. II A 120 (1911), 385[10] E. Lohr: Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Na-turw. Klasse 93 (1917), 339 – 420[11] S. Simons: The relation between the heatcurrent and the phonon drift velocity. Am. J.Phys. 51 (5), May 1983

Anschrift des VerfassersStD Michael Pohlig, Institut für TheoretischeFestkörperphysik, KIT, 76128 Karlsruhe, E-Mail: [email protected]

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Max Päsler, der die Vorlesungen über Ther-modynamik von Max Planck [8] um das Kapi-tel Bemerkungen zur Thermodynamik irre-versibler Prozesse erweiterte, würdigte indiesem Kapitel Gustav Jaumann (1863–1924),einen Schüler Ernst Machs, der 1911 die „Be-griffe Entropieerzeugung und En tro pie -strom in klarer Weise verwendet“ [9] unddie „Entropiebilanzgleichung“, also dieKontinuitätsgleichung, nachwies. JaumannsSchüler Erwin Lohr (1880-1951) schrieb sie inetwas leichter lesbarer Form:

(3)

„wo S die Entropie pro Volumeneinheit, SEntropiefluss pro Flächen- und Zeiteinheitund F eine positive Funktion bedeuten“[10].Mit den heute verwendeten Symbolen hatGleichung (3) die Gestalt

(4)

Dabei muss σS > 0 sein. Mit der Gültigkeitder Gleichung (4) gewinnt die Entropie ihreverloren gegangene Anschaulichkeit wie-der zurück. Wir dürfen sie so lesen: Nimmtdie Dichte der Entropie an einer Stelle ab,dann strömt Entropie von der Stelle weg,nimmt die Dichte zu, dann strömt Entro-pie zur eben dieser Stelle hin oder wird andieser Stelle erzeugt.

Bleibt noch die Frage, wie man sich einenEntropiestrom durch einen Festkörper vor-stellen kann. In der Elektrizitätslehre unter-scheiden wir Ladungsstrom und Ladungs-trägerstrom. Gibt es so etwas wie einen Ent-ropieträgerstrom in einen Festkörper? S. Si-

div .SS Sj

t∂

+ =∂

�ρσ

div 0,S Ft

S∂+ − =

Abb. 1: Sadi Carnot (1769 - 1832) Abb. 2: Erwin Lohr (1880 - 1951)

11

Teilbereiche der klassischen Physik wieMechanik, Elektrizitätslehre oder Wärme-lehre werden oft unabhängig voneinanderunterrichtet. Ein verbindendes Elementzur Verknüpfung dieser Themengebietefehlt und die Gemeinsamkeiten werdenoftmals nicht oder nur ungenügend the-matisiert.

In diesem Artikel soll dargestellt wer-den, wie die Analogie des mengenartigenCharakters von extensiven Größen genutztwerden kann, um eine Verbindung der Teil-bereiche und somit ein leichteres Verständ-nis zu erzielen.

Man kann sich eine mengenartige Grö-ße leicht als eine Art „Stoff“ oder „Flui-dum“ vorstellen. Betrachtet man nun solcheine mengenartige Größe X im Inneren ei-nes Raumbereichs (Abb. 1), so kann sichder Wert dieser Größe dadurch ändern,dass ein Zu- oder Wegstrom dieser Größedurch die Oberfläche des Bereichs stattfin-det oder dass der Stoff erzeugt oder ver-nichtet wird. Der Term für die Erzeugungs-rate ist für manche mengenartige Größeninnerhalb eines geschlossenen Systemsimmer gleich null. Diese Größen nenntman Erhaltungsgrößen.

Beispiele für mengenartige Größen sinddie Energie E, die Ladung Q, die Entropie S,der Impuls p�, der Drehimpuls L

�, die Masse

m und die Stoffmenge n. Hierbei sieht manschnell am Beispiel der Entropie, die zwarnicht vernichtet aber doch erzeugt werdenkann, dass der Begriff der mengenartigenGröße umfassender ist als der Begriff derErhaltung und dass auch vektorielle Grö-ßen wie Impuls und Drehimpuls mengen-artigen Charakter haben können.

Die Merkmale mengenartiger Größen(Kasten 1) machen es möglich die Um-gangssprache bei der Beschreibung physi-kalischer Vorgänge zu verwenden. Ge-wöhnlich muss man zu den physikali-schen Größen immer auch die richtigenVerben und Präpositionen dazulernen.„Arbeit wird verrichtet“, „Spannung liegtan“, „Eine Kraft wird auf einen Körper aus-geübt“, …

Spricht man aber von einer physikali-schen Größe wie von einem Stoff, kannman viele aus dem Alltag vertraute Rede-wendungen (Kasten 2) verwenden.

Das Stoffmodell hilft noch weiter. Zu je-der mengenartigen Größe gehört ein

Strom, zu dem eine einheitliche Formel fürdie Energiestromstärke formuliert werdenkann (Tab. 1). Der Strom der mengenarti-gen Größe wird hier modellhaft als Träger-strom betrachtet, der die Energie mit sichführt. Die Differenz der intensiven Größenwird als Antrieb für die Stromstärke gedeu-tet. Die Energiestromstärke ist proportio-nal zur Stärke des Trägerstroms und zurDifferenz der intensiven Größe. Dies giltfür viele Teilbereiche der Physik und kannim Folgenden einfach auf andere übertra-gen werden.

Die Vorstellung, dass Energie immer miteinem Energieträger fließt, kann durchEnergieflussbilder verdeutlicht werden(Abb. 2). Fließt die Energie zum Beispielauf dem Träger Elektrizität zur Elektrohei-zung, so kann umso mehr Energie auf denTräger Entropie umgeladen werden, je grö-ßer die Differenz der elektrischen Potenzi-ale zwischen Ein- und Ausgang der Elektro-heizung ist. Betrachtet man das Gegen-stück zur Elektroheizung, d.h., vertauschtman die Energieträger von Eingang undAusgang des Energieumladers, so ergibt

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Energie und EnergieträgerströmeK. Schneider

ddX

t

�X

IX

Abb. 1: Veranschaulichung der Kontinuitätsgleichung

Merkmale mengenartiger Größen

• Der Wert einer mengenartigen Größe bezieht sich auf ein Raumgebiet.• Zu jeder mengenartigen Größe gehört eine andere Größe, die man als Stromstärke

interpretieren kann.• Mengenartige Größen sind additiv.• Die Stromstärken sind additiv.

Kasten 1: Merkmale mengenartiger Größen

Redewendungen

… X wird irgendwo angehäuft… steckt in … … viel X … wenig X… mit X beladen … kein X… X wird verteilt … X fließt rein … fließt raus, fließt durch… verliert X… aufnehmen … auffangen … X wird angehäuft… X wird verdünnt … versickert… in einem Körper ist X enthalten …… X geht von A nach B …… ein Körper hat an der Stelle ... X… X ist in einem Körper…… X verlässt einen Körper…… X geht in einen Körper…

X kann hierbei sein: Energie, Entropie, Impuls, elektrische Ladung, Drehimpuls, Masse, Stoffmenge …

Kasten 2: Mögliche Redewendungen unter Verwendung des Stoffmodells

12

sich ein Wärmekraftwerk (Abb. 3). Auchhier ist der Unterschied der intensiven Grö-ße als Antrieb zu interpretieren. Je größerder Temperaturunterschied zwischen demEntropiestrom am Eingang und dem Ent-ropiestrom am Ausgang ist, desto mehrEnergie kann auf den Träger Elektrizitätumgeladen werden. Dies macht deutlich,wie wichtig die Kühlung bei einem Wärme-kraftwerk ist.

Energieflussbilder können dazu dienen,die Formeln für die Energiestromstärken

zu veranschaulichen. Sie verbinden aberauch lebensnahe Darstellungen über sym-bolische Elemente mit der Fachsprache(Abb. 4). Zudem sind sie ausbaufähig. Vonder Darstellung des Energieflusses vonQuelle zu Empfänger über Umladerbilderund Umladerketten (Abb. 5) bis hin zurDarstellung von „Energieverlusten“ kön-nen auch die verschiedenen Arten vonEnergieträgern dargestellt werden. Manspricht von „Pfandflaschen-Energieträ-gern“ wie Elektrizität und Drehimpuls, die

mit hin- und rückführenden Pfeilen darge-stellt werden oder von „Einweg-Energieträ-gern“ wie Licht und Entropie, die durch ein-fache Pfeile dargestellt werden.

Bei all den Vorteilen dieses Trägerbildsdarf man allerdings nie vergessen, dass essich um ein Modell handelt. Wie alle Mo-delle hat auch dieses seine Grenzen. Sostößt man auf Probleme, wenn man ver-sucht, den Energieträger beim Transportder Energie von der Sonne zur Erde zu be-nennen. Welcher Teil des Lichts ist für denEnergietransport verantwortlich? Die Ent-ropie, der Impuls, der Spin …

Ist man sich der Limitierungen dieserMethode bewusst, bietet sich jedoch einehervorragende Grundlage für den Umgangund das Verständnis physikalischer Vor-gänge. ■

Literatur [1] F. Herrmann: Der Karlsruher Physikkurs –Energie, Impuls, Entropie, 9. Auflage, Aulis-Ver-lag (2010)

Anschrift der VerfasserinKarin Schneider, Waldschule Degerloch, Georgiiweg 1, 70597 Stuttgart, E-Mail: [email protected]

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Tab. 1: Energiestrom und Energieträgerstrom

Teilgebiet Extensive Stromstärke Intensive Energie EnergiestromGröße Größe

E-Lehre Q I ϕ E P = (ϕ2 – ϕ1) I

Thermodynamik S IS T E P = (T2 – T1) IS

Translationsmechanik p F v E P = (v2 – v1) F

Rotationsmechanik L M ω E P = (ω2 – ω1) M

Chemie n In μ E P = (μ2 – μ1) In

Gravitation m Im ψ E P = (ψ2 – ψ1) Im

Elektro-heizung

Elektrizität Entropie

�h

�l

T

Energie Energie

Abb. 2: Energieumladerbild einer Elektroheizung

Abb. 3: Energieumladerbild eines Wärmekraftwerkes

Wärme-kraftwerk

Energie Energie

ElektrizitätEntropie

�h

�l

Th

Tl

Abb. 4: Lebensnahe, symbolische Darstellungund Fachsprache

KraftwerkEnergie

Elektrizität

Lampe

Energie Energie Energie EnergieWasser-turbine

Generator Lampe

LichtElektrizitätDrehimpuls

WasserunterDruck

Abb. 5: Energieumladerkette

Energie strömt zusammen mit Elektrizitätvom Kraftwerk (Quelle) zur Glühlampe imHaus (Empfänger)

13

1 Hilfreiche AnalogienEnergieübertragungen lassen sich mithil-fe mengenartiger Größen und der zugehö-rigen intensiven Größen einheitlich be-schreiben. Darauf geht K. Schneider im Auf-satz „Energieströme und Energieträger-ströme“ in diesem Heft genauer ein. Durchdiese einheitliche Beschreibung lassensich im Unterricht Analogien zwischenEnergieübertragungen in der Mechanik,der Elektrizitätslehre und der Wärmelehreausnutzen. Im vorliegenden Aufsatz wirdgezeigt, dass eine genauere Betrachtungder Ströme mengenartiger Größen weitereAnalogien ermöglicht. Die Ströme der fürdie drei genannten Teilgebiete der Physikcharakteristischen mengenartigen GrößenImpuls, elektrische Ladung und Entropieweisen Übereinstimmungen auf, die imUnterricht gewinnbringend thematisiertwerden können.

2 Konduktive StrömeIn der Elektrizitätslehre wird bei der Be-handlung elektrischer Stromkreise aus didaktischen Gründen meist die anschau-liche Vorstellung von Antrieb und Wider-stand verwendet. In einem aus Batterie,Zuleitungen und ohmschem Widerstandbestehenden einfachen elektrischenStromkreis wird die Potenzialdifferenz(Spannung) zwischen den Anschlüssen derBatterie als Antrieb für den Ladungsstromin der Anordnung angesehen, Abb. 1.

Im Gegensatz zu den idealisierten Lei-tungen einer Schaltskizze setzt eine nor-male Leitung der hindurchfließenden elek-trischen Ladung einen Widerstand entge-gen. Dies hat ein Potenzialgefälle entlangder Leitung zur Folge. Die anschauliche An-triebsvorstellung lässt sich in diesem Falllokal anwenden. Dazu betrachten wir eineQuerschnittfläche der Leitung. Der La-dungsstrom durch diese Fläche lässt sichdurch die Stromdichte j

�Q beschreiben,

Abb. 2. Die Ladungsstromdichte ist mit derelektrischen Feldstärke und damit mitdem Gradienten des elektrischen Potenzi-als verknüpft, der sich als lokaler Antriebfür den Ladungsstrom deuten lässt:

Wie groß die Ladungsstromdichte ist,die dabei zu einem bestimmten Wert des

grad .Q Qj = −�

σ ϕ

Gradienten des elektrischen Potenzials ge-hört, hängt von der Leitfähigkeit σQ des Lei-tungsmaterials ab.

Zu diesem in der Elektrizitätslehre ver-trauten „Leitungsstrom“ findet man in derWärmelehre und der Mechanik Entspre-chungen. Wenn sich die beiden Enden ei-nes Metallstabs auf unterschiedlichenTemperaturen befinden, so hat das einenEntropiestrom durch den Metallstab zurFolge. Dabei strömt Entropie von Stellenhöherer Temperatur zu Stellen geringererTemperatur. Lokal lässt sich dieser Entro-piestrom beschreiben durch:

Dabei ist j�

S die Entropiestromdichte, T dieabsolute Temperatur und σS die Entropie-leitfähigkeit des Materials. Entropie strö -me, die sich auf diese Weise beschreibenlassen, sind im Alltag weit verbreitet. In je-dem Heizkörper strömt Entropie auf diebeschriebene Weise vom Innern des Heiz-körpers an die Oberfläche.

In der Mechanik lassen sich Abbrems-vorgänge entsprechend beschreiben. AlsBeispiel betrachten wir einen Holzklotz,der mit einer Anfangsgeschwindigkeit v > 0 über eine ruhende Unterlage gleitet,Abb. 3. Durch Reibung gibt der Holzklotzseinen Impuls nach und nach an dieUnterlage und damit an die Erde ab. Solan-ge ein Geschwindigkeitsunterschied zwi-schen Holzklotz und Unterlage besteht,stellt dieser einen Antrieb für einen Im-pulsstrom vom Holzklotz in die Erde dar.

Wir nehmen nun an, die Unterseite desHolzquaders sei durch eine Flüssigkeits-schicht von der festen Unterlage getrennt.Die dabei vorliegende viskose Reibunglässt sich ganz analog beschreiben wie daselektrische Widerstandsverhalten einesohmschen Leiters. Der Proportionalitätzwischen Potenzialdifferenz (Spannung)

grad .S Sj T= −�

σund elektrischer Stromstärke entspricht indem mechanischen Analogon die Propor-tionalität zwischen Geschwindigkeitsdif-ferenz und Impulsstromstärke (Reibungs-kraft). Bezeichnet man die Bewegungsrich-tung des Holzklotzes als x-Richtung, sofließt bei dem Abbremsvorgang x-Impulsaus dem Holzklotz. Dieser Impulsstromlässt sich lokal beschreiben durch:

Dabei ist j�

pxdie x-Impulsstromdichte, v die

Geschwindigkeit des Klotzes in x-Richtungund σx kann als Leitfähigkeit der Flüssig-keitsschicht für x-Impuls gedeutet werden.Diese Impulsleitfähigkeit stimmt mit derViskosität der Flüssigkeit überein. Je größerdie Viskosität ist, desto stärker ist die Rei-bung und damit die Impulsleitfähigkeit.

Die drei aufgezeigten Beispiele weisenmehrere Gemeinsamkeiten auf:• In allen drei Fällen strömt eine mengen-

artige Größe aufgrund eines lokalen An-triebs.

• In allen drei Fällen ist eine „leitende Ver-bindung“ vorhanden.

• In allen drei Fällen ist der Vorgang dissi-pativ; d.h., es handelt sich um einen ir-reversiblen Vorgang mit Entropieerzeu-gung.

grad .x xp pj v= −�

σ

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Konduktive und konvektive StrömeP. Schmälzle

Antrieb:Stromstärke:Widerstand:

��I

R

I

�� R

Abb. 1: Antriebskonzept beim einfachen elektrischen Stromkreis

Abb. 2: Ladungsstrom durch eine Querschnitts-fläche A

A

14

Will man das Gemeinsame dieser Strömehervorheben, so kann man derartigen Strö-men einen Namen geben und sie konduk-tive Ströme nennen.

Im Alltag finden sich weitere Beispielekonduktiver Ströme. So lassen sich Diffu-sionsvorgänge auf dieselbe Art beschrei-ben. Dabei handelt es sich um Stoffmen-genströme, die aufgrund eines Konzentra-tionsgefälles strömen. Dieses Konzentra-tionsgefälle geht einher mit einer Differenzdes chemischen Potenzials. Lokal kann so-mit der Gradient des chemischen Potenzi-als ein Antrieb für den bei einem Diffu-sionsvorgang auftretenden Stoffmengen-strom angesehen werden.

Ein konduktiver Stoffmengenstromliegt auch vor, wenn beispielsweise Öl oderGas durch eine Pipeline gepumpt werden.Aufgrund des Widerstandes, den die Lei-tungen der strömenden Substanz ent-gegensetzen, erfordert ein derartigerStrom ein Druckgefälle entlang der Lei-tung. Da das chemische Potenzial einedruckabhängige Größe ist, gehört zu die-ser Druckdifferenz eine Differenz des che-mischen Potenzials entlang der Leitung.Damit kann auch in diesen Fällen ein Gra-dient des chemischen Potenzials als An-trieb für den Stoffmengenstrom angese-hen werden.

3 Konvektive StrömeNeben diesen konduktiven Strömen tretenbei Vorgängen in der Elektrizitätslehre, derWärmelehre und der Mechanik auch Strö-me auf, die sich einheitlich als konvektiveStröme beschreiben lassen. Dabei handeltes sich um Ströme mengenartiger Größen,bei denen keine Differenz der zugehörigenintensiven Größe vorliegt, die als Antrieb

aufgefasst werden könnte. Vielmehr han-delt es sich dabei um Ströme, bei denen dieübertragene mengenartige Größe von ei-nem Materiestrom mitgenommen wird.Üblicherweise ist von Konvektion im Phy-sikunterricht nur im Zusammenhang mitWärmeübertragungen die Rede. Dabei wirdKonvektion als eine der drei Möglichkeitendes Wärmetransports angesehen – wobeileicht der Eindruck entsteht, dass es sichbei diesen drei Möglichkeiten um eineKlasseneinteilung aller Wärmetransportehandelt [1]. Konvektion kann viel allgemei-ner behandelt werden. Auch Ladungs-, Ent-ropie-, Stoffmengen- und Impulsströmelassen sich konvektiv realisieren.

Ein konvektiver Ladungstransport fin-det beispielsweise in einem Bandgenera-tor statt. Bei der Ladungstrennung mithil-fe eines Bandgenerators werden Ladungs-träger von dem Band des Generators mitgenommen. Bei einem auf diese Weise re-alisierten Ladungsstrom fließt die elektri-sche Ladung übrigens entgegengesetzt zuder Richtung, die durch den Antrieb E

�=

–gradϕ vorgegeben ist.Konvektive Entropieströme treten so-

wohl in vielen technischen Geräten auf alsauch bei natürlichen Vorgängen, die in derErdatmosphäre oder den Ozeanen stattfin-den und von großer Bedeutung für unserKlima sind. Bei jeder Zentralheizung wirdEntropie mithilfe von strömendem Wasservon einem Heizkessel zu den Heizkörperngebracht. Bei jedem Auto wird mithilfe derKühlflüssigkeit Entropie vom Motor zumKühler transportiert. In der Atmosphärewird Entropie von strömender Luft mitge-nommen und durch Meeresströmungenwird Entropie konvektiv über große Dis-tanzen transportiert.

Konvektive Stoffmengenströme sind inunserem Alltag auch weit verbreitet. Sie lie-gen beispielsweise dann vor, wenn Erdöl ineinem Tanker oder Benzin in einem Tank -lastwagen transportiert werden.

Auch Impulsübertragungen lassen sichkonvektiv realisieren. Da Materie Masse be-sitzt, stellt jede sich bewegende Materie-portion einen Impulsstrom dar. Offen-sichtlich wird das immer dann, wenn da-mit eine Impulsanhäufung verbunden ist.Das trifft beispielsweise für die Impuls-übertragung mithilfe eines Wasserstrahlszu, Abb. 4. Es gilt ebenso für den Antriebeiner Rakete, der durch den Rückstoß deraustretenden Verbrennungsgase realisiertwird.

Eine Besonderheit konvektiver Strömeist, dass sie sich durch Wahl eines geeigne-ten Bezugssystems wegtransformieren las-sen. Wählt man das Bezugssystem so, dassdie Geschwindigkeit der strömenden Ma-terie darin den Wert null annimmt, so fin-det auch keine Strömung der mengenarti-gen Größe mehr statt. Ein Ladungsstromin einer elektrischen Leitung lässt sich da-gegen durch Wechsel des Bezugssystemsnicht wegtransformieren. Und auch kon-duktive Impulsströme lassen sich durchWechsel des Bezugssystems nicht zum Ver-schwinden bringen.

4 Weitere StrömeZum Abschluss sei darauf hingewiesen,dass es sich bei der Unterscheidung zwi-schen konduktiven und konvektiven Strö-men nicht um eine Klasseneinteilung derGesamtheit aller Ströme handelt. Es ist kei-nesfalls so, dass sich ein beliebiger Stromeiner mengenartigen Größe entweder alskonduktiver oder als konvektiver Stromeinordnen lässt. So gehören die in diesemHeft von F. Herrmann beschriebenen „Su-praströme“ weder zu den konduktivennoch zu den konvektiven Strömen. Auchder Ladungsstrom, der in einer Vakuum-röhre durch einen Elektronenstrahl reali-siert wird, lässt sich weder als konduktiver noch als konvektiver Strom einordnen. ■

Literatur[1] Drei Arten des Wärmetransports, Beitrag103 der Reihe Altlasten der Physik (103), Praxisder Naturwissenschaften – Physik in der Schu-le, Heft 2/57, März 2008, S. 48

Anschrift des VerfassersDr. Peter Schmälzle, Staatliches Seminar für Di-daktik und Lehrerbildung (Gym) Karlsruhe,Jahnstraße 4, 76133 Karlsruhe, E-Mail:[email protected]

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v = 0

v > 0

Abb. 3: Ein Holzklotz gleitet auf einer ruhenden Unterlage nach rechts.

Abb. 4: Impuls wird vom Wasser mitgenommen und setzt den Wagen in Bewegung.

15

1 Feste Kopplung zwischen Strömen Jeder Strom, der durch einen Widerstandbehindert wird, braucht einen Antrieb. Beieinem Strom von Ladungsträgern habenwir ein ganzes Bündel von physikalischenGrößen, die zusammen „strömen“: La-dung, Stoffmenge, Drehimpuls, Entropieetc. Wie steht es hier mit dem Antrieb?

Ein Stoffstrom von Ladungsträgern, derin einer Leitung fließt, kann• durch ein Gefälle Δϕ des elektrischen

Potenzials, das an der Ladung desStoffs zieht, angetrieben werden,

• durch ein Gefälle Δμ des chemischenPotenzials (z.B. Konzentrationsgefälle,Druckgefälle), das an der Stoffmengezieht, angetrieben werden, weil Stoff-menge n und Ladung Q fest gekoppeltsind,

• durch ein Temperaturgefälle, das an derEntropie zieht, angetrieben werden, daEntropie S und Ladung Q schwach ge-koppelt sind.

Nur außerhalb der elektrischen Energiequel-le fließt elektrische Ladung von Stellen hö-heren zu Stellen niedrigeren Potenzials (wirdvon der Potenzialdifferenz angetrieben).Im Inneren der elektrischen Energiequellemuss die elektrische Ladung aber von Stel-len niedrigeren zu Stellen höheren Potenzials(den „Potenzialberg“ hoch) fließen. Diesist möglich, da Ladungsträger mit weiterenGrößen verknüpft sind. Damit gibt es auchandere Antriebe, die an den Ladungsträgernangreifen und sie gegen die elektrische Po-tenzialdifferenz bewegen.

2 Die BrennstoffzelleDie Wasserstoffdruckzelle (WDZ) in derAbb. 1 wird zwar nicht realisiert, ist abersehr übersichtlich, sodass man daran dieFunktionsweise leicht versteht. Sie ist einelektrochemischer Energieumlader, der diechemische Potenzialdifferenz von Wasser-stoff, verursacht durch die Druckdifferenzdes Wasserstoffs, ausnutzt. Wären die bei-den Gasbehälter direkt miteinander ver-bunden, würde die ganze Energie des Was-serstoffs zur Entropieerzeugung verwen-det. Am Ausgang des linken und am Ein-gang des rechten Wasserstoffbehälters be-findet sich eine Platinelektrode, in derWasserstoffmoleküle in Protonen H+ undElektronen e– zerlegt werden. Da der Was-

serstoff im rechten Behälter eine geringe-re Konzentration und damit ein geringereschemisches Potenzial hat als im linken Be-hälter, haben auch die Protonen undElektronen in der linken Platinelektrodeein geringeres chemisches Potenzial als inder rechten. Zwischen den beiden Elektro-den befindet sich ein Elektrolyt (hierSchwefelsäure), er ist ein selektiver Leiter,denn er ist leitfähig für Protonen, abernicht für Elektronen (Abb. 2). So könnennur die Protonen dem Antrieb des chemi-schen Potenzialgefälles ( μlinks > μrechts) fol-

gen und nach rechts strömen. Aber jedesProton, das nach rechts geflossen ist, bauteine elektrische Potenzialdifferenz in um-gekehrter Richtung (ϕ links < ϕ rechts) auf, diedie weiteren Protonen in die entgegenge-setzte Richtung treibt und mit der Anzahlder geflossenen Protonen wächst. Schonnach sehr kurzer Zeit heben sich die beidenAntriebe auf, und der Protonenstrom hörtauf zu fließen (elektrochemisches Gleich-gewicht). Durch Verbinden der beiden Pla-tinelektroden über einen Kupferdraht,ebenfalls ein selektiver Leiter, der Elektro-

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Gekoppelte StrömeH. M. Strauch

Variante 1: Wasserstoff-Druckzelle (1)

Wasserstoff „will“ vonlinks nach rechts

Protonen „wollen“ vonlinks nach rechts

Elektrolyt

Platinelektroden

H 10 bar2H , e+ – H , e+ –

H 1 bar2

H , SO+42–

Abb. 1: Variante 1: Wasserstoff-Druckzelle

Variante 1: Wasserstoff-Druckzelle (2)

Säure ist selektiver Leiter:

leitet Protonenleitet Elektronen nicht

leitet Protonen nichtleitet Elektronent

Kupfer ist selektiver Leiter:

Die Wasserstoff-Druckzelle gibt es nicht,aber sie macht vieles klar.

H+

H+

H+

H+

e–

e–

e–e–

M

Abb. 2: Selektive Leiter in der WDZ

16

nen fließen lässt aber keine Protonen, flie-ßen nun die Elektronen von links nachrechts und bauen dadurch das elektrischePotenzialgefälle ab. Als Folge davon kön-nen nun wieder Protonen von links nachrechts fließen. Insgesamt bilden sich kon-tinuierliche Ströme von Protonen durchden Elektrolyten und Elektronen durchden Kupferdraht aus. Es liegt also ein ge-schlossener elektrischer Stromkreis vor.Denn elektrische Ladung fließt dem elek-trischen Potenzialgefälle folgend von derrechten Platinelektrode durch den Motorzur linken Platinelektrode. Von dort fließtdie elektrische Ladung an Protonen gebun-den, dem chemischen Potenzialgefälle fol-gend, zur rechten Elektrode also den elek-trischen Potenzialberg hoch. An einemzwischengeschalteten elektrischen Ver-braucher (hier Elektromotor) wird der Zel-le ein Energiestrom entzogen.

Durch wenige Veränderungen wird ausder Wasserstoff-Druckzelle eine Wasser-stoff-Brennstoffzelle. Man ersetzt denElektrolyten durch eine Proton ExchangeMembran (PEM), eine Kunststofffolie, dieebenfalls ein selektiver Leiter für Protonenist. Der Wasserstoff mit hohem Druck wirddurch Wasserstoff von Umgebungsdruck,also ca. 1 bar, und der Wasserstoff rechtsdurch Sauerstoff ersetzt (Abb. 3). Nachrechts fließender Wasserstoff reagiert dortmit dem Sauerstoff zu Wasser. Dadurchbleibt der Partialdruck des Wasserstoffs,der nicht reagiert hat, sehr gering, weit un-ter 1 bar, und der Antrieb für den Wasser-stoff von links nach rechts bleibt erhalten.Da der Reaktionswiderstand des Wasser-stoffs mit dem Sauerstoff bei Umgebungs -

PdN PHYSIK in der Schule / παντα ρηει – Alles fließt HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012

WasserstoffSauerstoff,

Wasserstoff,Wasser

Wasserstoff „will“ vonlinks nach rechts

Protonen „wollen“ vonlinks nach rechts

H < 1 bar2

Variante 2: Wasserstoff-Sauerstoff-Brennzelle

Platinelektroden

H 1 bar2H , e+ – H , e+ –

Kunststofffolie:Proton Exchange

Membration

Abb. 3: Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle

Abb. 4: Seilmodell der Kopplung

Entropiestrom

Kein elektrischer Strom

Abb. 5: Elektrisches Potenzialgefälle bremst denLadungsstrom

Abb. 6: a) Obwohl der Stromkreis geschlossen ist, leuchtet das Lämpchen nicht. b) Im oberen und im unteren Arm des Stromkreises werden die Elektronennach rechts getrieben. c) Die Kopplung zwischen Entropie und elektrischer Ladung ist im Eisen stärker als im Kupfer. Die Elektronen werden gegen den Uhr-zeigersinn mitgenommen. d) Das Lämpchen leuchtet.

a) b)

c) d)

17

temperatur sehr hoch ist, ist Platin als Ka-talysator erforderlich.

Neben der elektrischen Ladung ist diezweite mengenartige Größe, die den An-trieb in der Energiequelle macht, die Stoff-menge n (H+). Der Antrieb für sie ist daschemische Potenzial µ (Dichte). Kopplungvon elektrischer Ladung Q an Stoffmengen geht über das „Erzeugen“ und „Vernich-ten“ von Protonen. Stoffmenge ist keineErhaltungsgröße.

3 Schwache Kopplung zwischen elek-trischem Strom und Entropiestrom:Thermoelektrischer EffektWährend Stoffmenge n, Masse m und elek-trische Ladung Q fest aneinanderhängen,kann Entropie S über die anderen Größen„hinwegrutschen“. Sie ist nur schwach andie anderen Größen gekoppelt. Wie Hände,am Seil entlang rutschen und es etwas mit-nehmen (Hände ↔ Entropie, Seil ↔ elek-trische Ladung. Vergl. Abb. 4).

Der Entropiestrom ist (schwach) auchan die Elektronen gekoppelt. Er versuchtdie Elektronen samt ihrer Ladung, Masse,Stoffmenge etc. nach rechts mitzuneh-men. Dadurch entsteht ein elektrischesFeld (elektrisches Potenzialgefälle) vonlinks nach rechts entlang dem Leiter, dasden weiteren Transport von Elektronennach rechts stoppt (Abb. 5). Nun stellt sichdie Frage, lässt sich damit eine elektrischeEnergiequelle konstruieren? Ein erster Ver-such könnte so aussehen, wie es Abb. 6azeigt: Ein Draht zurück behebt den Stau.Die Elektronen fließen nach links und dieLampe müsste leuchten. Die Entropie kanngekoppelt an Elektronen weiter nachrechts fließen. Aber die Lampe leuchtetnicht, denn die Ladung und die Entropiemüsste dazu im Kreis fließen, also auchwieder den Berg hoch. Zum besseren Ver-ständnis modifizieren wir den Aufbau wiein Abb. 6b: Sowohl im unteren als auch imoberen Entropieleiter werden Elektronennach rechts getrieben. Es gibt keinen An-trieb, der die Elektronen im Kreis herum-bewegt. Im Seilmodell bedeutet dies: Diebeiden Personen ziehen gleich stark amSeil und bei beiden rutscht das Seil gleichschnell durch die Hände, deshalb bewegtsich das Seil nicht. Es gibt keinen Netto-strom (vergl. Abb.7). Deshalb verwendenwir nun zwei Materialien, die sich darinunterscheiden, dass die Kopplung der Ent-ropie an die Elektronen unterschiedlichstark ist. In Eisen zieht die Entropie fast10mal stärker an den Elektronen als in Kup-fer (Abb. 6c). Das Seilmodell erklärt dies so:Die beiden Personen ziehen zwar gleichstark, aber sie rutschen unterschiedlich

über das Seil, deshalb bewegt sich das Seil.Es gibt einen Nettostrom (Abb. 8). Damithaben wir nun tatsächlich eine elektrischeEnergiequelle (Abb. 6d)! Die Elektronenwerden im Gegenuhrzeigersinn mitge-nommen. Der Mitnahmeeffekt zwischenEntropie und elektrischer Ladung heißtthermoelektrischer Effekt, die Vorrichtungheißt Thermoelement. Es ist ein Energie-umlader vom Träger Entropie auf den Trä-ger elektrische Ladung, das sehr leichtherzustellen und robust ist. Im Vergleichzu anderen Umladern haben sie einenschlechten Wirkungsgrad (ca. 10 %).

4 Das Halbleiter-ThermoelementDurch Verwendung von Halbleitern wirddas Element effektiver (Abb. 9). Elektronenim n-Leiter und Defektelektronen / Löcherim p-Leiter werden jeweils von links nachrechts mitgenommen. Im n-Leiter fließtder elektrische Strom nach links, im p-Lei-ter aber nach rechts. Dadurch ergänzensich die beiden Ströme und heben sichnicht teilweise auf, wie beim Metallther-moelement.

Pumpt eine elektrische Energiequelleeinen Ladungsträgerstrom durch beideKontakte (Abb. 10), so nimmt der Teilchen-strom in den beiden Materialien Entropieunterschiedlich gut mit. Dadurch entstehtein Nettoentropiestrom zwischen denKontakten. Der eine Kontakt erwärmt sich,der andere kühlt ab. Diesen Vorgang nenntman Peltier-Effekt, das Gerät Peltierele-ment. Es lässt sich in zwei Funktionen ver-wenden:• Erzeugt man an den Keramikflächen des

Peltierelements eine Temperaturdiffe-renz und so einen Entropiestrom durchdas Element, so wird an den elektri-schen Anschlüssen eine Potenzialdiffe-renz aufgebaut, mit der man ein elektri-sches Gerät antreiben kann. Das Peltier-element arbeitet als Thermogenerator.

• Schließt man eine elektrische Energie-quelle an den elektrischen Anschlüssendes Elements an, so wird eine Tempera-turdifferenz an den beiden Keramikflä-chen erzeugt und damit ein Entropie-strom durch das Element in Gang gesetzt. Es arbeitet als Wärmepumpe. ■

HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

Abb. 7: Es gibt keinen Nettostrom

n-Leiter

p-Leiter

T1T2

EntropieleiterKeramikisolator

Kupfer

V

Abb. 9: Aufbau eines Peltierelementes

Stoff 1 (z. B. Kupfer)

Stoff 2 (z. B. Eisen)

Thoch Tniedrig

Abb. 10: Thermoelement als Wärmepumpe

Abb. 8: Unterschiedliches Rutschen sorgt fürNettostrom

Anschrift des VerfassersHans M. Strauch, Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium, Landwehrstraße 2267433 Neustadt an der WeinstraßeE-Mail: [email protected]

18

1 Der elektrische VerschiebungsstromEin gewöhnlicher elektrischer „Leitungs-strom“ ist von einem magnetischen Feldumgeben. Die erste Maxwell’sche Gleichungsagt uns, dass auch ein „Verschiebungs-strom“ Ursache eines magnetischen Feldesist:

rot H�

= j�

+ D.�.

Hier ist H�

die magnetische Feldstärke, j�

dieelektrische Stromdichte und D

.� die zeitliche

Änderung der elektrischen Flussdichte.Man kann also ein magnetisches Feld aufzwei scheinbar verschiedene Arten Artenerzeugen, oder in anderen Worten: Es gibtzwei Arten von Quellen für das magneti-sche Feld. Dieser „Schönheitsfehler“ derMaxwell’schen Gleichung lässt sich durcheine geschickte Beschreibung beheben,und die finden wir auch schon bei Maxwell[1]. Er hat die folgenden Bezeichnungen er-funden: j

�ist der Leitungsstrom, D

.�der Ver-

schiebungsstrom, und die Summe

C�

= j�+ D

.�

der wahre, wirkliche oder ganze elektrischeStrom. (Mit „Strom“ meint Maxwell dieStromdichte, d. h. Stromstärke durch Flä-che.) Die erste Maxwell’sche Gleichungkann man dann so schreiben:

rot H�

= C�

.

Die Zusammenfassung von j�

und D.�

zu C�

istmehr als reine Kosmetik. Die neu einge-führte Größe C

�hat eine etwas andere Be-

deutung als die normale elektrischeStrom dichte. C

�ist die Stromdichte eines

Stroms, der keine Divergenzen hat. Für C�

gibt es nur geschlossene Ströme. Noch eine Bemerkung zu Maxwells Ver-

fahren. Es ist eine recht normale Erschei-nung, dass sich der Strom einer physikali-schen Größe in Beiträge mit unterschied-lichen Eigenschaften zerlegen lässt. Siehehierzu auch den Artikel Konduktive und kon-vektive Ströme von P. Schmälzle.

Ein Beispiel sind die Impulsströme. Diegesamte Impulsänderung dp�/dt eines Sys-tems kann durch zweierlei Ströme zustan-de kommen:

(1)

F�

ist der Anteil der Stromstärke, den manKraft nennt. S

�beschreibt einen Impuls -

transport, wie man ihn etwa in einem Was-serstrahl hat. Man nennt ihn manchmal ei-nen konvektiven Impulsstrom oder, im Zu-sammenhang mit Raketen, den Schub. Esgilt S

�= v� Im, wo Im die Massenstromstärke

und v� die Geschwindigkeit ist. Die Gesamt -impulsstromstärke ist also:

I�

p = F�

+ S�

und die Impulsbilanzgleichung, d. h. daszweite Newton’sche Gesetz, lässt sich soschreiben:

(2)

Auch bei elektrischen Strömen kannman verschiedene Typen ausmachen, dieallerdings keine Klasseneinteilung darstel-len. Außer der Unterscheidung zwischenLeitungsstrom und Verschiebungsstrom,kann man unterscheiden zwischen einemkonduktiven Strom (etwa in einem Kupfer-draht), einem konvektiven Strom (in ei-nem Elektronenstrahl) und einem Supra-strom. Noch mehr Stromtypen gibt es beider Energie.

Es ist also nichts Ungewöhnliches,wenn ein Strom auf unterschiedliche Artrealisiert werden kann. Dass zum elektri-schen Strom außer dem Leitungsstromauch ein Verschiebungsstrom beiträgt,passt daher ins Bild.

2 Strom und StromstärkeWir beschreiben im Folgenden ein Gedan-kenexperiment, das dabei helfen kann,den Verschiebungsstrom als elektrischenStrom ernst zu nehmen.

Zunächst sei daran erinnert, dass mansorgfältig zwischen den BezeichnungenStrom und Stromstärke unterscheidensollte – was man bekanntlich nicht immertut. Statt „der Strom beträgt 2 A“, ist es bes-

dpdt

Ip

� �= .

dpdt

F S� � �

= + .ser zu sagen „die Stromstärke beträgt 2 A“oder „die Stärke des Stroms beträgt 2 A“.Was versteht man unter einem Strom undwas unter der Stromstärke? Der Strom isteine Erscheinung, nämlich wenn ein Flui-dum oder auch viele bewegliche einzelneTeilchen, Wesen oder Körper denselbenWeg nehmen, wobei wir mit „demselbenWeg“ nicht dieselbe Bahnkurve meinen.Der „Weg“ ist vielmehr durch einen „Ka-nal“, durchaus variabler Breite und Tiefedefiniert. Und die Stromstärke? Sie ist einMaß für die „Ergiebigkeit“ des Stroms. (ImFranzösischen gibt es dafür eine treffendeBezeichnung: le débit). Nun bezieht sichdie Größe, die man so definiert, aber nichtauf den Strom in seiner ganzen Länge, son-dern auf eine Querschnittsfläche durchden Strom, siehe den Artikel von M. Pohligin diesem Heft: Die Richtung von Strömen unddie Richtung dessen, was strömt.

Nun unser Gedankenexperiment: Wirbetrachten einen elektrischen Leiter undstellen uns vor, die beweglichen Ladungs-träger seien punktförmige, elektrisch gela-dene Teilchen. Auch wenn die wahre Naturder Ladungsträger, falls man von einer sol-chen überhaupt sprechen kann, damitnicht übereinstimmt, ist dieses Modell invielen Fällen brauchbar. Seine Verwendunghat eine überraschende Konsequenz fürdie Berechnung der Stromstärke.

Wir legen einen Schnitt durch unserenLeiter, und fragen nach der Stärke des elek-trischen Stroms durch diese Bezugsflächezu einem bestimmten Zeitpunkt. Da dieLadungsträger punktförmig sind, schnei-det die Bezugsfläche keinen einzigen La-dungsträger. Selbst wenn wir uns die La-dungsträger nicht als punktförmig, son-dern nur sehr klein im Vergleich zu ihremgegenseitigen Abstand vorstellen, ist dieWahrscheinlichkeit, dass sich gerade imAugenblick der Strommessung ein La-dungsträger durch die Fläche bewegt, sehrgering. Nun könnte man sagen, das seinicht so schlimm; man interessiere sich janur für den zeitlichen Mittelwert derStromstärke. Das entspräche aber nichtdem, was die erste Maxwell’sche Glei-chung sagt. Wir schreiben sie in integralerForm:

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Der elektrische und der magnetischeVerschiebungsstromF. Herrmann

19

Elektronen als punktförmig annimmt, istjeder elektrische Strom ein Verschiebungs-strom. So wird man es gewiss nicht imUnterricht sagen. Aber vielleicht hilft dieÜberlegung etwas dabei, im Verschie-bungsstrom etwas mehr als nur einen Lü-ckenbüßer zu sehen.

3 Der magnetische VerschiebungsstromWenn wir schon so weit sind, den AusdruckD.�

als Maß für den elektrischen Strom ernstzu nehmen, so können wir uns einer ande-ren Schlussfolgerung kaum mehr ver-schließen. Betrachten wir die erste und diezweite Maxwell’sche Gleichung noch ein-mal gemeinsam:

Wenn wir den Term D.�

in der ersten alsBeitrag zur elektrischen Stromdichte inter-pretieren, so haben wir keinen Grundmehr, den Term B

.�in der zweiten nicht als

magnetische Stromdichte zu deuten. Im-mer wenn sich B

�ändert, fließt also ein

„magnetischer Strom“.Was sich in uns dagegen sträuben mag,

einen magnetischen Strom zu akzeptieren,

rot

rot .

� � ��

� ��H j D

E B

= +

= −

ist die Tatsache, dass es keine Teilchengibt, die magnetische Ladung tragen; esgibt keine magnetischen Ladungsträger.Das bedeutet aber nur, dass es keine mag-netischen Gleichströme gibt. Wechselströ-me lassen sich durchaus realisieren.

Ein wichtiger Gegenstand, in dem einmagnetischer Strom fließt, ist der Eisen-kern eines Transformators, siehe den Ar-tikel von P. Schmälzle in diesem Heft: Ener-gieströme im elektromagnetischen Feld. DenEnergiestrom durch den Transformatorkönnen wir so beschreiben: Die Energiekommt mit einem elektrischen Wechsel-strom an; sie wird dann mithilfe einesmagnetischen Wechselstroms im Eisen-kern von der Primär- zur Sekundärspuletransportiert, und sie geht von dort mitdem elektrischen Wechselstrom weiterzum Verbraucher. ■

Literatur[1] James Clerk Maxwell, Lehrbuch der Electri-cität und des Magnetismus, zweiter Band, Ver-lag von Julius Springer, Berlin, 1883, S. 304-306

Anschrift des VerfassersProf. Dr. Friedrich Herrmann, Institut für Theo-retische Festkörperphysik, KIT, 76128 KarlsruheE-Mail: [email protected]

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Kraft und ImpulsstromF. Herrmann

1 EinführungDer Impuls ist eine extensive oder „mengen-artige“ Größe. Zu jeder solchen Größe lässtsich ein Strom mit der zugehörigen Strom-stärke und Stromdichte definieren. Die Grö-ße Impulsstromstärke ist im Wesentlichenidentisch mit der Newton’schen Kraft. DieBegriffsbildungen unterscheiden sich aberinsofern, als man den Wert der Kraft einemKörper zuordnet, während sich die Impuls-stromstärke auf eine Schnittfläche bezieht,siehe den Artikel von M. Pohlig in diesemHeft: Die Richtung von Strömen und dessen, wasströmt. Wir wollen im Folgenden beschrei-ben, wie man vom Newton’schen Kraftbe-griff zum Impulsstrom kommt. Wir werdenuns dabei an der geschichtlichen Entwick-lung der Begriffe orientieren. Wir vergleichendie Entstehung der Vorstellung von einemImpulsstrom mit der Entstehung der Ideevon Strömen von zwei anderen mengenar-tigen Größen: der Energie und der Entropie.

2 Schwache und starke BilanzgesetzeEinen Satz über die Erhaltung oder dieNichterhaltung einer mengenartigen Grö-ße nennen wir im Folgenden Bilanzgesetz.Die Erhaltungssätze von Energie, Impulsoder elektrischer Ladung sind Bilanzgeset-ze, aber auch der „halbe“ Erhaltungssatzder Entropie, der behauptet, dass Entropienicht vernichtet, wohl aber erzeugt werdenkann, ist ein Bilanzgesetz.

Die Einführung einer neuen mengenar-tigen Größe ging stets mit der Entdeckungihrer Bilanzierbarkeit Hand in Hand. Manstellte fest, dass sich eine Größe X derartdefinieren oder konstruieren lässt, dassdie Summe ihrer Werte in zwei Systemen Aund B konstant ist, oder im Fall der Entro-pie, dass diese Summe entweder konstantist oder zunimmt:

XA + XB = const, bzw.

XA + XB = const oder nimmt zu.

Mit einer solchen Formulierung ver-mied man es, etwas darüber sagen zu müs-sen, was außerhalb von A und B passiert,d.h., welche Rolle das Medium zwischen Aund B bei dem betrachteten Vorgang spielt.Im Prinzip ließ diese Darstellung eineFernwirkung zu. Nehmen wir an, XA nehmean einer Stelle zu, XB an einer anderen Stel-le ab. Man sagte dann zwar, dass das bei Afehlende X bei B anzutreffen sei, aber mansagte nicht, auf welchem Weg es von Anach B gelangt sei, ja ob überhaupt ein sol-cher Transport stattgefunden habe.

Der Grund dafür, dass man nichts überden Transport sagte, war nicht, dass mannichts darüber sagen wollte, sondern dassman es nicht konnte. Man hatte damit dieBilanz von X in einer abgeschwächtenForm formuliert. Wir wollen eine solcheFormulierung ein „schwaches Bilanzge-

Hier steht auf der rechten Seite die momen-tane Stromstärke, und nicht ihr zeitlicher Mittel-wert. Wenn nun die elektrische Stromstärke diemeiste Zeit gleich null ist, würde – so könnteman schließen – auch die magnetische Feldstär-ke die meiste Zeit gleich null sein; was sie be-kanntlich nicht ist.

Man kommt leicht aus diesem Dilemmaheraus. Die Gleichung sagt uns ja, dass dasmagnetische Feld nicht auf den elektri-schen Leitungsstrom angewiesen ist. Auchein Verschiebungsstrom erzeugt ein mag-netisches Feld. Betrachten wir also unsereSchnittfläche noch einmal unter diesemGesichtspunkt. Und da sehen wir: Es fließtdauernd ein Verschiebungsstrom, nämlichzum einen, weil sich Ladungsträger vonder einen Seite unserer Bezugsfläche nä-hern, und damit eine Zunahme der elektri-schen Flussdichte bewirken, und zum an-deren, weil sie sich auf der anderen Seiteentfernen, und damit eine Abnahme dernegativen Flussdichte, und damit wiedereine Zunahme der Flussdichte verursa-chen. Dieser Verschiebungsstrom bringtdie Sache in Ordnung. Wir können also et-was überspitzt formulieren: Wenn man die

.Hdr I DdA= +∫ ∫∫�� �� ��

20

setz“ nennen. Ein „starkes Bilanzgesetz“würde auch eine Aussage darüber machen,wie X von A nach B gelangt. Eine solche Be-schreibung nennt man auch eine lokale Be-schreibung. Im Fall der Erhaltung sagtman, es gelte ein lokaler Erhaltungssatz.Heute ist man überzeugt, dass es, wenig-stens in diesem Zusammenhang, Fernwir-kungen nicht gibt. Bilanzgesetze werdenimmer lokal formuliert, nämlich mithilfeeiner Kontinuitätsgleichung

Hier ist ρX die Dichte, j�

X die Stromdichte(Strom durch Fläche) und σX Erzeugungsra-te durch Volumen. Die Benennung und da-mit die Interpretation der Größen steht ei-nem allerdings frei. „Eine physikalische Grö-ße fließt“ ist keine physikalische Aussage.Es ist nur eine auf einem Modell beruhendeArt zu sprechen – wenn auch eine außeror-dentlich zweckmäßige, siehe den Artikelvon F. Herrmann in diesem Heft: Ströme vonStoffen und Ströme physikalischer Größen.

3 Die Bilanzgesetze von Impuls, Energie und EntropieDas erste und wichtigste Beispiel, das wirbetrachten, ist der Impuls. Newton konntedie lokale Erhaltung noch nicht ausspre-chen. Die wichtigsten Gegenstände seinerBetrachtung waren die Himmelskörper.Der Impulstransport geschieht hier überdas Gravitationsfeld, das Newton aber nochnicht kannte. Daher musste er die Impuls-erhaltung (die „Erhaltung der Bewegungs-menge“) in Form eines schwachen Erhal-tungssatzes formulieren. Er tat das mithil-fe seiner drei Gesetze. Diese bringen denSachverhalt nach heutiger Auffassungallerdings auf redundante Art zum Aus-druck. Wir betrachten im Augenblick nurdas dritte Gesetz, das wir in modernenWorten, aber ganz im Newton’schen Sinn,formulieren:

Übt ein Körper A auf einen Körper Bdie Kraft F

�aus, so übt B auf A die

gleich große, aber entgegengesetztgerichtete Kraft –F

�aus.

Die Größe F�

, die Newton einführt, wirdalso zwei Körpern zugeordnet: dem, „derdie Kraft ausübt“ und dem, „auf den sieausgeübt wird“. Nichts wird über das Sys-tem oder Medium gesagt, das sich zwi-schen den Körpern befindet. Es war zwarnaheliegend, dass dieses an der Impuls-übertragung beteiligt ist, aber zu Newtons

∂∂

+ =ρ σxx xt

div j�

.

Zeit kannte man noch zu wenige Eigen-schaften von dem, was man später das Gra-vitationsfeld nannte, und Newton schriebin den Principia sein bekanntes „Hypotesesnon fingo“, frei übersetzt: „Ich spekulierenicht.“ Das war seine „offizielle Verlautba-rung“. Wie er wirklich darüber dachte, er-fährt man aus einem Brief an den Gelehr-ten Richard Bentley:

„Dass die Schwere über eine Entfer-nung durch ein Vakuum ohne dieVermittlung von irgendetwas ande-rem … wirken sollte, ist für mich einesolche Absurdität, dass ich glaube,dass niemand, der in philosophi-schen Dingen eine hinreichendeDenkfähigkeit hat, darauf hereinfal-len könnte.“

Newtons schwache Bilanzaussage bliebfür mehr als 150 Jahre Stand der Dinge.Allerdings gesellten sich um die Mitte des19. Jahrhunderts zu dem schwachen Im-pulserhaltungssatz noch zwei andereschwache Bilanzgesetze hinzu.

Zunächst die Energie. Ihre Vorläufer, dielebendige Kraft, die bewegende Kraft, dieArbeit, und wie sie alle hießen, existiertenschon vor 1841, dem Jahr, in dem Julius Ro-bert Mayer die Behauptung aussprach, dassEnergie weder erschaffen, noch vernichtetwerden kann, und das man als das offiziel-le Geburtsjahr der Energie bezeichnenkann. Wieder war es so, dass man zunächstnur bestätigen konnte, dass die Zunahmedes Wertes der neuen Größe in einem Sys-tem mit der Abnahme in einem anderenverknüpft ist. Man hatte also zunächst nureinen schwachen Erhaltungssatz in denHänden. Aber auch in diesem Fall bestandvon Anfang an die Erwartung, dass dieEnergie auch lokal erhalten sein müsste.Diese noch nicht bestätigte Erwartungwird sehr schön in dem Büchlein des jun-gen Max Planck „Das Prinzip der Erhaltungder Energie“ [1] beschrieben:

„Man wird sich nun nicht mehr da-mit begnügen, den Zahlenwert derEnergie des Systems zu kennen, son-dern man wird versuchen, die Exis-tenz der verschiedenen Arten derEnergie an den verschiedenen Ele-menten des Systems im Einzelnennachzuweisen, und den Übergang inandere Formen und zu anderen Ele-menten ebenso verfolgen, wie die Be-wegung eines Quantums Materie imRaum. … Gegenwärtig ist es jeden-falls Sache der physikalischen For-schung, diese Auffassung als die an-

PdN PHYSIK in der Schule / παντα ρηει – Alles fließt HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012

schaulichste und fruchtbarste über-all bis ins einzelne durchzubildenund ihre Konsequenzen anhand derErfahrung zu prüfen; …“

Die Ungewissheit in diesem Zu-sammenhang bringt auch Heinrich Hertz1892 zur Sprache [2]:

„Ein grösseres Bedenken scheint mirin der Frage zu liegen, wie weit beiunseren gegenwärtigen Kenntnissenvon der Energie die Localisation der-selben und ihre Verfolgung vonPunkt zu Punkt überhaupt Sinn undBedeutung hat. Derartige Betrach-tungen sind noch nicht durchge-führt bei den einfachsten Energie-umsätzen der gewöhnlichen Mecha-nik; es ist daher die Frage noch uner-ledigt, ob und in welchem Umfangeder Begriff der Energie eine solcheBehandlungsweise zulässt.“

Ähnlich, aber noch komplizierter verliefdie Entwicklung bei der Entropie. Auch fürdie von Clausius eingeführte Größe galt zu-nächst nur eine schwache Bilanzaussage:Die Entropie eines abgeschlossenen Sys-tems oder die gesamte Entropie mehrererSysteme bleibt gleich oder nimmt zu. Zudieser Geschichte gibt es in diesem Heft ei-nen eigenen Artikel von M. Pohlig: Zur Ge-schichte des Entropiestroms.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts existierten also drei schwache Bilanz-gesetze. Schließlich ging es ihnen aberdoch an den Kragen und sie wurden inrecht rascher Folge zu lokalen Gesetzen.

Die Erste, bei der die alte Vorstellung zuwackeln begann, war der Impuls. Die Wech-selwirkung über Materie, d. h. den Aus-tausch von Impuls in Materie, hatte manlokal zu beschreiben gelernt durch die me-chanische Spannung: diejenige Größe, diedas Wirken einer Kraft lokal beschreibt,oder Kraft durch Fläche. Da man mechani-sche Spannungen in Feldern noch nichtkannte, wurde als Ersatz der Begriff Volu-menkraft eingeführt. Die Gravitations- unddie Trägheitskräfte sind Volumenkräfte.Eine Volumenkraft greift an jedem Massen-punkt eines Körpers an, sagte man. Wir ha-ben hier den merkwürdigen Fall, dass dieBeschreibung der materiellen Mitspielerlokal ist, die Rolle der Felder aber immernoch fernwirkungsartig.

1864 erschien dann Maxwells Treatise onElectricity and Magnetism, in dem er die me-chanischen Spannungen im elektrischenund im magnetischen Feld angibt. Dort wosich ein Feld befindet, ist der Äther ver-

21

der Änderung seiner Energie“, oder „Diemechanische Leistung, gibt an, wie schnellmechanische Arbeit verrichtet wird.“

Von dieser Zeit an begann ein regelrech-ter Durchbruch der Auffassung, dass zu je-der extensiven Größe ein lokales Bilanzge-setz gehört.

Der nächste Kandidat nach der Energiewar der Impuls. 1908 hat Max Planck [6], der21 Jahre zuvor schon die lokale Formulie-rung der Energieerhaltung angemahnt hat-te, auch die Impulserhaltung fernwir-kungsfrei formuliert. In einem kurzen Auf-satz in der Physikalischen Zeitschrift heißtes unter anderem:

„Wie die Konstanz der Energie denBegriff der Energieströmung, sozieht notwendig auch die Konstanzder Bewegungsgröße den Begriff der’Strömung der Bewegungsgröße’,oder kürzer gesprochen: der ‘Impuls-strömung’ nach sich.“

Schließlich fehlte noch die Entropie.Mit der Entstehung der Thermodynamikder irreversiblen Prozesse in der erstenHälfte des 20. Jahrhunderts wurde auch siezu einer lokal bilanzierbaren Größe. 1911,also in demselben Jahr, in dem Callendardie Entropie als das wiederauferstandene

HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

spannt, und diese Spannung konnte er fürjeden Punkt aus den Feldstärken berech-nen. Das wäre eigentlich der Moment gewe-sen, auch die alte, provisorische Newton’-sche Sprache über Bord zu werfen: Die Krafthätte man von nun an Impulsstromstärke,und die mechanische Spannung Impuls-stromdichte nennen können. Aber das hatwohl damals niemand bemerkt. Die alte,noch ganz auf Fernwirkungen zugeschnit-tene Sprache war fest etabliert, und denje-nigen, die sie beherrschten, fiel der Fernwir-kungsmakel gar nicht mehr auf.

Der Durchbruch geschah erst, nachdemdas Entsprechende bei der Energie ge-schafft war, der wir uns noch einmal kurzzuwenden. Hier bestand ja von Anfang andie Erwartung, dass sich Energiebilanzenlokal beschreiben lassen sollten. Das ge-lang dann auch, und zwar genau in demJahr, in welchem Hertz noch seine Sorgenformuliert hatte: zunächst durch Poynting[3], dann durch Heaviside [4] und schließlichin einer umfassenden Arbeit durch GustavMie [5]. Obwohl der provisorische schwacheEnergieerhaltungssatz damit hätte ad actagelegt werden können, hat die alte Sprache,die noch auf die schwache Erhaltung Rück-sicht nimmt, überlebt: Noch heute formu-liert man Sätze wie: „Die an einem Körperverrichtete mechanische Arbeit ist gleich

Caloricum entlarvt, tritt auch der Entropie-strom auf die Bühne, in einer umfangrei-chen, etwas schwer lesbaren Arbeit von G.Jaumann in Brünn [7] und etwas klarer in ei-nem Aufsatz seines Schülers E. Lohr [8].

In der elften Auflage von Max Plancks be-rühmten Vorlesungen über Thermodyna-mik [9], die nicht mehr von Planck selbstbearbeitet worden war, lesen wir:

„So findet man bereits in einer Arbeitaus dem Jahr 1911 von Jaumann […]die für die moderne Thermodynamikirreversibler Prozesse grundlegen-den Begriffe Entropieerzeugung undEntropiestrom in klarer Weise ver-wendet. Im Übrigen wird in dieser Ar-beit erstmalig auch jene Beziehungangegeben, die heute als Entropiebli-lanzgleichung bezeichnet wird. Aufdie Bedeutung dieser Gleichung alsdifferenzielle Formulierung desZweiten Hauptsatzes hat etwas spä-ter, 1916, Lohr […] mit Nachdruck hin-gewiesen.“.

4 Wie die Impulsstromsprache aufgenommen wurdeDie Beschreibung von Impulsübertragun-gen als Strömungsvorgang hat zur Folge,dass die meisten mechanischen Aussagen

Tab. 1: Beschreibungen desselben physikalischen Sachverhalts in zwei Sprachen

Impulsstrommodell

In den Körper K fließt Impuls hinein (oder: In den Körper K fließt ein Im-pulsstrom hinein).

Durch das Seil S fließt Impuls.

Bei A kommt Impuls an, der von B ausgegangen ist.

Die Gesamtstromstärke der Ströme, die in einen Körper hineinfließen, istgleich null. Oder:Die Stärke der in den Körper hineinfließenden Ströme ist gleich der der her-ausfließenden.Oder.Es gilt die Knotenregel.

Der Impuls eines Körpers ändert sich nicht, solange kein Impuls zu- oderabfließt.

Die zeitliche Änderung des Impulses eines Körpers ist gleich der Stromstär-ke des zu- und abfließenden Impulsstroms.

Fließt ein Impulsstrom aus einem Körper A in einen Körper B, so ist dieStromstärke F beim Verlassen von A gleich der beim Eintritt in B.

Kraftmodell

Auf den Körper K wirkt eine Kraft.

In dem Seil S wirkt eine Kraft.

Körper A übt auf Körper B eine Kraft aus.

Die Summe der auf einen Körper wirkenden Kräfte ist gleich null. An dem Kör-per herrscht Kräftegleichgewicht.

1. Newton’sches Gesetz:Jeder Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen, geradlini-gen Bewegung, sofern die Summe der auf ihn wirkenden Kräfte null ist.

2. Newton’sches Gesetz:Die zeitliche Änderung des Impulses eines Körpers ist gleich der auf den Kör-per wirkenden Kraft.

3. Newton’sches Gesetz:Übt ein Körper A auf einen Körper B die Kraft F aus, so übt B auf A die gleichgroße, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft –F aus.

22

Schon die ersten drei Zeilen der Tabellezeigen, dass der Umgang mit dem Impuls-strommodell nicht schwieriger ist, als dermit dem Kraftmodell. Dass die Impuls-stromformulierung die Beschreibung undDeutung mechanischer Vorgänge erheb-lich vereinfachen kann, sieht man anhandder vierten Zeile. Der Satz vom Kräfte-gleichgewicht entpuppt sich als eine Vari-ante der Knotenregel, die man von elektri-schen Strömen, und auch schon von Was-serströmen her kennt.

Noch deutlicher wird der Gewinn, wennman die Newton’schen Gesetze betrachtet.In der Impulsstromsprache wird offenbar,dass alle drei Gesetze nichts anderes sind,als Ausdruck der Impulserhaltung, alsoeine verklausulierte Formulierung des ein-fachen Satzes: „Impuls kann nicht erzeugtund nicht vernichtet werden.“

Schließlich noch ein Beispiel, das zeigt,zu welchen „Verrenkungen“ man gezwun-gen sein kann, wenn man die Kraftbe-schreibung verwendet: Ein Körper K liegtauf dem Tisch. Um diese weiß Gott nichtkomplizierte Situation zu beschreiben,braucht man vier Kräfte, die sich alle auf Kbeziehen: 1. Die Kraft F

�KT, die K auf den Tisch ausübt;

2. Die Kraft F�

TK, die der Tisch auf K ausübt;3. Die Kraft F

�EK, die die Erde auf K ausübt;

4. Die Kraft F�

KE, die K auf die Erde ausübt.

Diese vier Kräfte sind durch zwei verschie-dene Arten von Gesetzen miteinander ver-knüpft. Wegen des dritten Newton’schenGesetzes gilt F

�KT = –F

�TK und F

�EK = –F

�KE. Da

Kräftegleichgewicht herrscht, gilt außer-dem F

�TK = –F

�EK.

All das muss der oder die Lernende ver-standen haben, um dieses elementare me-chanische Problem zu beschreiben.

Verwendet man das Impulsstrombild,so erkennt man, dass die Kompliziertheitnur ein Artefakt ist, das auf der Verwen-dung eines unpassenden Modells beruht.Bei den vier Kräften handelt es sich einfachum die Stärke ein und desselben Impuls-stroms an vier verschiedenen Stellen: beimVerlassen der Erde, beim Eintritt in K, beimAustritt aus K und beim Eintritt in denTisch. Dass F

�an den vier Stellen denselben

Wert hat, ist eine notwendige Folge des be-nutzten Modells. ■

Literatur[1] M. Planck: Das Prinzip der Erhaltung derEnergie, Verlag von G. B. Teubner, Leipzig undBerlin, 1908 (erste Auflage 1887), S. 117-118[2] Hertz, H.: Untersuchungen über die Ausbrei-tung der elektrischen Kraft, Johann AmbrosiusBarth, Leipzig, 1892, S. 234

[3] Poynting, J. H.: On the transfer of energy inthe electromagnetic field, Phil. Trans. A 1884, S.343-361[4] O. Heaviside: Electrician 27, 3. Juli 1891[5] Mie, G.: Entwurf einer allgemeinen Theorieder Energieübertragung, Sitzungsbericht dermathematisch-naturwissenschaftlichen Classeder kaiserlichen Akademie der Wissenschaften,CVII. Band, Abtheilung II.a, 1898, S. 1113-1181[6] M. Planck: Bemerkungen zum Prinzip derAktion und Reaktion in der allgemeinen Dyna-mik, Physikalische Zeitschrift, 9. Jahrgang, Nr.23 (1908), S. 828: „Wir können aber noch einenSchritt weitergehen. Wie die Konstanz der Ener-gie den Begriff der Energieströmung, so ziehtnotwendig auch die Konstanz der Bewegungs-größe den Begriff der ’Strömung der Bewe-gungsgröße’, oder kürzer gesprochen: der ‘Im-pulsströmung’ nach sich. Denn die in einem be-stimmten Raum befindliche Bewegungsgrößekann sich nur durch äußere Wirkungen, alsonach der Theorie der Nahewirkung nur durchVorgänge an der Oberfläche des Raumes än-dern, also ist der Betrag der Änderung in derZeiteinheit ein Oberflächenintegral, welchesals die gesamte Impulsströmung in das Inneredes Raumes hinein bezeichnet werden kann.Ein wesentlicher Unterschied aber gegenüberder Energieströmung liegt darin, daß die Ener-gie ein Skalar, die Bewegungsgröße dagegenein Vektor ist. Daher wird die in einen Raumeinströmende Energie durch ein einziges Ober-flächenintegral ausgedrückt, und die Energies-trömung ist ein Vektor. Dagegen wird die in ei-nen Raum einströmende Bewegungsgrößedurch drei Oberflächenintegrale ausgedrückt,entsprechend den drei Komponenten der Bewe-gungsgröße, und die Impulsströmung an ei-nem Orte ist ein Tensortripel, in der Bezeich-nungsweise von W. Voigt, charakterisiert durchsechs Komponenten.“[7] G. Jaumann: Sitzungsber. Akad. Wiss. Wien,Nat.-Naturw. Klasse, Abt. II A 120 (1911), 385[8] E. Lohr: Denkschr. Akad. Wiss. Wien, Nat.-Naturw. Klasse 93 (1917), 339 - 420[9] M. Planck: Vorlesungen über Thermodynamik,11. Auflage, Walter de Gruyter (1963), S. 304f[10] L. D. Landau, E. M. Lifshitz: Theory of Elas-ticity, Pergamon Press, Oxford (1959), Chap. I,Sec. 2 [11] G. Neugebauer: Relativistische Thermody-namik, Vieweg, Braunschweig (1981), S. 20 - 21[12] C. Gerthsen, H. O. Kneser, H. Vogel: Physik,Springer-Verlag, Berlin (1977), S. 175[13] F. Herrmann: Der Karlsruher Physikkurs –Energie, Impuls, Entropie, 9. Auflage, AULIS-Verlag (2010)

Anschrift des VerfassersProf. Dr. Friedrich Herrmann, Institut für Theoretische Festkörperphysik, KIT, 76128 Karlsruhe, E-Mail: [email protected]

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neu formuliert werden müssen. Eine sol-che Neuformulierung hat mehrere Verein-fachungen oder Erleichterungen zur Folge:1. Sie bringt die Mechanik in eine Form,

die unseren heutigen Vorstellungen ei-ner Theorie entsprechen: Die Spracheder Impulsstrommechanik enthält kei-ne Formulierungen mehr, die auf Fern-wirkungen hindeuten.

2. Sie bringt die Mechanik in eine Form,die dieselbe Struktur hat, wie andereTeilgebiete der Physik, nämlich dieElektrizitätslehre und die Thermodyna-mik. Sie hilft daher beim Erlernen, so-wohl der Mechanik, also auch der ande-ren strukturverwandten Gebiete.

3. Sie vereinfacht das Verständnis vieler Er-scheinungen. Wir geben dafür im näch-sten Abschnitt einige Beispiele.

Durch die Umstellung vom Kraft- zum Im-pulsstrommodell entstehen aber schein-bar auch neue Probleme. Weil in der Im-pulsstrommechanik die Sprache und dasdamit verbundene Denken auf eine lokaleBetrachtung zugeschnitten ist, werden Fra-gen nahe gelegt, die sich im Kraftmodellnicht stellen. Wenn man sagt, der Impulsgeht oder strömt von A nach B, so liegt dieFrage auf der Hand, auf welchem Weg ervon A nach B gelangt, und das ist die Fragenach der Stromverteilung. Wer sich auf dieImpulsstromdarstellung einlässt, mussalso mit diesen Fragen rechnen, und ermuss sie auch beantworten können. DieNewton’sche Kraftformulierung lässt sol-che Fragen gar nicht aufkommen. Sie kehrtsie gewissermaßen unter den Teppich.

Nun haben sich die mit der newton-schen Sprache verbundenen mentalen Bil-der so fest etabliert, dass ein Paradigmen-wechsel kaum mehr möglich ist. Tatsäch-lich wurde die neue Planck’sche Sichtweiseauch nur von Lehrbüchern für fortgeschrit-tene Studenten aufgenommen, siehe etwa[10,11], oder man findet sie als Randbemer-kung [12]. Dort, wo sie die größten Erleich-terungen hätte bringen können, nämlichin Texten für Anfänger, findet man sienicht.

Wer trotzdem den Versuch unterneh-men möchte, die Mechanik von Anfang anin einer modernen Form mit all ihren Vor-teilen für das Verständnis zu unterrichten,dem sei der Mittelstufenband des Karlsru-her Physikkurses empfohlen [13].

5 Kraft- und Impulsstrommodell imVergleichWir vergleichen in der Tabelle Beschreibun-gen ein und desselben Sachverhalts in denbeiden Sprachen (Tab. 1.).

23

HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

1 EinleitungIm Folgenden werden Impulsstromvertei-lungen vorgestellt. Wir beginnen mit eini-gen einfachen Beispielen, wie man sieschon im Anfängerunterricht behandelnkann [1].

Wir zeigen dann aber auch, wie sich dieImpulsstromdarstellung auf anspruchs-vollere Situationen auswirkt. Mit diesemThema könnte man eigentlich ein ganzesBuch füllen, denn das traditionelle Analo-gon umfasst die ganze Festigkeitslehreund einen großen Teil der Elektrodynamik.Wir stellen diese Anwendungen hier nurdeshalb vor, damit der Leser, der sich fürdie Einführung der Impulsströme im An-fängerunterricht interessiert, erfährt, wiedie Geschichte weiter geht.

Da der Impuls ein Vektor ist, ist auch sei-ne Stromstärke ein Vektor. Bei vielen me-chanischen Problemen hat man es nur mitImpuls einer einzigen Richtung zu tun; derVektor hat also nur eine einzige von Nullverschiedene Komponente. In diesen Fäl-len kann man mit dem Impuls umgehenwie mit einem Skalar. Ist das nicht mehrder Fall, so werden die mechanischen Pro-bleme schwierig, egal, ob man das Kraft-oder das Impulsstrommodell benutzt. DenStrom der vektoriellen Größe Impuls kannman übersichtlich darstellen, indem manden Strom seiner drei Komponenten ein-zeln beschreibt. Man kann sich also vor-stellen, man habe es mit drei skalaren Grö-ßen zu tun, von denen jede, unabhängigvon den anderen, einen Erhaltungssatz be-folgt.

2 Beschleunigter WagenEin Wagen wird beschleunigt, indem dasMännchen an dem Seil zieht, Abb. 1a. DerImpuls des Wagens nimmt zu; wir sagen,

der Wagen werde mit Impuls „geladen“. Dawir annehmen, dass der Wagen reibungs-frei gelagert ist, kann der Impuls nur überdas Seil zufließen. Das Männchen „pumpt“ihn aus der Erde über das Seil in den Wa-gen.

Wir haben es hier nur mit einer Kompo-nente, der x-Komponente des Impulses zutun. Der Wagen erhält positiven x-Impuls.Dieser fließt in Abb. 1a durch das Seil vonrechts nach links.

Man könnte den Wagen auch mit posi-tivem x-Impuls laden, indem man von hin-ten schiebt, Abb. 1b. Wir sehen, dass diefolgende Regel gilt:

Wenn in x-Richtung Druckspannungherrscht, fließt x-Impuls in die positiveRichtung, wenn Zugspannung herrscht,fließt er in die negative Richtung.

Entsprechendes gilt für die y- und die z-Richtung.

In Abb. 1c schließlich herrscht eine Bie-gespannung. Hier fließt der Impuls querzur x-Richtung.

3 ImpulsstromkreisAbb. 2a zeigt, wie Impuls in einem ge-schlossenen Stromkreis fließt. Das Männ-chen pumpt ihn aus dem Brett, auf dem essteht, über das Seil in die Kiste, die sich mitkonstanter Geschwindigkeit bewegt. Dorthäuft er sich aber nicht an, denn in demstationären Zustand, den wir betrachten,ändert sich der Impuls der Kiste nicht. Erfließt wegen der Reibung zurück in dasBrett und zum Männchen. Dieser Strom-kreis hat dieselbe Struktur wie ein einfa-cher elektrischer Stromkreis, Abb. 2b. Sowie die Energie mithilfe der Kabel zumLämpchen transportiert und dort dissipiertwird, so wird in Abb. 2a Energie vom Männ-chen (aus seinen Muskeln) mithilfe des

Seils zur Unterseite der Kiste transportiertund dort dissipiert.

4 Geladener KondensatorAbb. 3a zeigt einen geladenen Kondensa-tor mit seinem Feld, dargestellt durch Feld-linien und Feldflächen. In Richtung derFeldlinien herrscht Zugspannung. Im Feldfließt also ein x-Impulsstrom von rechtsnach links, Abb. 3b. Wären die Kondensa-torplatten nicht fixiert, so würde der Im-puls der linken auf Kosten der rechten Plat-te zunehmen.

Quer zu den Feldlinien, also parallel zuden Kondensatorplatten herrscht Druck-spannung. Im Feld fließt ein y-Impuls-strom in die positive y-Richtung, also nachoben, Abb. 3c. Dieser biegt oben im Streu-feld des Kondensators ab und mündetdann von oben in die Platten ein. Un-mittelbar über dem Plattenrand herrschtalso im Feld eine Zugspannung. In denPlatten fließt der y-Impulsstrom dann wie-der nach unten. Die Platten spüren dasauch: Sie stehen in der Richtung parallel zuden Plattenflächen unter Zugspannung.Entsprechend fließt der hier nicht darge-stellte z-Impulsstrom zwischen den Plat-ten in die positive z-Richtung.

5 TragwerkeInteressant sind die Auswirkungen der Im-pulsstrommechanik auf die Beschreibungder Statik der Tragwerke. Abb. 4 zeigt alsBeispiel ein in der Mitte belastetes masse-loses Tragwerk. In Abb. 4a sind die y-, inAbb. 4b die x-Impulsströme dargestellt. DaImpulsstromstärke und Kraft dieselbe phy-sikalische Größe sind, erhält man die Im-pulsstromstärken mit den vertrauten Me-thoden der klassischen Statik, d.h. im We-sentlichen mit Kräftevielecken. In der Im-

Impulsstromverteilungen in BeispielenF. Herrmann

xx

x

Abb. 1: Der Wagen wird mit x-Impuls „geladen“. Die kurzen Pfeile stellen den transportierten Impuls dar. (a) Der Impuls kommt von rechts, (b) von linksund (c) von der Seite.

a) b) c)

24

PdN PHYSIK in der Schule / παντα ρηει – Alles fließt HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012

pulsstromsprache sind Kräfte-Dreiecke(und -Vielecke) Ausdruck der Gültigkeit derKnotenregel für Impulsströme.

Bei der Verwendung des Impulsstrom-bildes kommen zu diesem Verfahren eini-ge Erleichterungen hinzu. Eine Darstellungwie in Abb. 4 gestattet es einem, sofort zuerkennen, dass ein Strom im Tragwerk kei-ne Quellen und Senken hat. Außerdemsieht man den Bildern direkt an, ob in ei-nem Stab Druck- oder Zugspannungherrscht: Fließt der Impuls in Abb. 4a nachoben (in die positive y-Richtung), soherrscht Druckspannung, dort wo er nachunten fließt, herrscht Zugspannung. Ent-sprechend herrscht in Abb. 4b dort Druck-spannung, wo der Impuls nach rechtsfließt, und Zugspannung, wo er nach linksfließt. Schließlich sieht man Abb. 4 auchnoch die Belastung der einzelnen Stäbe an.Das Verfahren zum Auffinden der Strömein Tragwerken wird in [2] erläutert.

6 Kompliziertere FelderSchließlich wollen wir noch ein Beispiel ei-ner Impulsstromverteilung für ein kompli-zierteres Feld betrachten: für das elektri-sche Feld von zwei elektrisch geladenenZylindern, Abb. 5. Die Zylinder liegen senk-recht zur Zeichenebene [3,4].

Die Zylinder von Abb. 5a sind entgegen-gesetzt geladen. Man sieht der Abbildungmehreres an: Durch die senkrechte Mittel-ebene fließt Impuls von rechts nach links,in Übereinstimmung mit der Erwartung:Der Impuls muss ja vom rechten zum lin-ken Zylinder gelangen.

Am linken Zylinder treten Impuls-stromlinien auf der linken Seite nach linksaus, und an der rechten Seite münden sie

von rechts kommend ein. Beide Male fließtder Impuls nach links, beide Male herrschtZugspannung. Das Feld zieht also am Zy-linder nach außen. Der Zug an der rechtenSeite ist aber größer als der an der linken.Es resultiert ein Nettozug nach rechts,nämlich in Richtung auf den anderen Zy-linder. Das Entsprechende gilt für den rech-ten Zylinder: Auch an ihm zieht das Feldnach außen, und auch er wird zum ande-ren Zylinder hingezogen. Das Feld ziehtalso die beiden Zylinder zueinander hin.Das Bild ändert sich nicht, wenn positiveund negative Ladung gegeneinander ver-tauscht werden: In beiden Fällen fließt derImpuls vom rechten zum linken Zylinder.

Die Zylinder von Abb. 5b sind gleichartiggeladen. Wieder zieht das Feld an jedem derbeiden Zylinder jeweils nach außen. Am lin-ken Zylinder ist der Zug nach links stärkerals nach rechts, der Zylinder wird also ins-gesamt nach links gezogen; der rechte Zy-linder entsprechend nach rechts. Was wirgewöhnlich Abstoßung nennen, kann manalso auch so beschreiben: Das Feld zieht diebeiden Zylinder voneinander weg.

Die Impulsstromverteilungen in magne-tischen Feldern sind bei gleichem Feldli-nienverlauf identisch mit denen in elektri-schen Feldern. Im Gravitationsfeld dagegenist die Richtung des Impulsflusses bei glei-chem Feldlinienverlauf gerade umgekehrt.

a)

b)

Impuls

Abb. 2: (a) Impulsstromkreis: Das Männchen „pumpt“ Impuls aus dem Brett über das Seil in die Kiste.Von der Kiste fließt der Impuls zurück ins Brett. (b) Elektrischer Stromkreis: Die Batterie „pumpt“ dieelektrische Ladung über den oberen Leiter in die Glühlampe. Von der Glühlampe fließt sie durch denunteren Leiter zurück zur Batterie.

x

y

Abb. 3: Feldlinien und Feldflächen eines geladenen Kondensators (a). Zwischen den Platten des Kondensators fließt x-Impuls von rechts nach links (b) undy-Impuls von unten nach oben (c).

a) b) c)

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HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

Man braucht sich nicht zu wundern,wenn einem diese Betrachtungen nichtvertraut sind. Das Analogen in der tradi-tionellen Mechanik wäre eine Darstellungder Verteilung des Maxwell’schen Span-nungstensors in Feldern. Wegen unserergewohnheitsmäßigen Fernwirkungssichtspielt aber die Frage nach den mechani-schen Spannungen im Feld in der Lehreder Physik kaum eine Rolle. Für viele An-wendungen sind sie aber wichtig: für dieBerechnung von großen Transformatoren,beim Einschluss des Plasmas in einem Fu-sionsreaktor, oder bei der Erklärung desVerhaltens von kosmischen Magnetfel-dern.

7 SchlussbemerkungenWir haben Impulsstromverteilungen anHand verschiedener Beispiele betrachtet.Die ersten beiden Beispiele passen in denAnfangsunterricht. Die Schülerinnen undSchüler lernen eine wichtige Regel, mit dersie die Richtung des Impulsstroms ange-ben können, wenn sie den Spannungszu-stand eines Gegenstandes kennen:• Druckspannung: Impuls fließt nach

rechts; • Zugspannung: Impuls fließt nach links; • Biegespannung: Impuls fließt quer.

Sie lernen außerdem, dass Impuls oft in ei-nem Stromkreis fließt.

Mit den weiteren Beispielen, nämlichden Impulsstromverteilungen in Tragwer-ken und Feldern wurde angedeutet, wiesich die Anwendung des Impulsstrommo-dells auf kompliziertere Fragestellungenauswirkt. ■

Literatur[1] F. Herrmann: Der Karlsruher Physikkurs –Energie, Impuls, Entropie, 9. Auflage, Aulis-Ver-lag (2010)[2] M. Grabois und F. Herrmann: Momentumflow diagrams for just-rigid structures, Eur. J.Phys. 21 (2000), S. 591-601[3] F. Herrmann und G. B. Schmid: Momentumflow in the electromagnetic field, Am. J. Phys.53 (1985), S. 415-420[4] G. Falk, G. Heiduck und G. B. Schmid: Im-pulsströme im elektromagnetischen Feld, Kon-zepte eines zeitgemäßen Physikunterrichts,Schroedel Schulbuchverlag (1982), S. 53-64[5] G. Heiduck und F. Herrmann: Momentumflow in the gravitational field, Eur. J. Phys. 8(1987), S. 41-43

Anschrift des VerfassersProf. Dr. Friedrich Herrmann, Institut für Theoretische Festkörperphysik, KIT, 76128 Karlsruhe, E-Mail: [email protected]

Abb. 4: (a) Der y-Impuls fließt von den Auflagern durch das Tragwerk im Zickzack zur Last in der Mitte.(b) Der x-Impulsstrom bildet geschlossene Stromkreise. Die Stromstärke ist in den horizontalen Stre-ben in der Mitte größer als außen. Diese Streben sind am stärksten belastet, und zwar unten auf Zugund oben auf Druck.

+

+ +

y

x

a)

b)

a)

b)

Abb. 5: Stromlinien des x-Impulses zwischen zwei geladenen Stäben. (a) Entgegengesetzte, (b) gleicheLadung

1 EinleitungIm Folgenden wird eine elementare Ein-führung in die Physik des Drehimpulsesund seiner Ströme anhand einiger Experi-mente mit Schwungrädern vorgestellt. Beider traditionellen Darstellung der Mecha-nik gilt der Drehimpuls allerdings alsschwierige und unanschauliche Größe. DerDrehimpuls eines Massenpunktes wird de-finiert als Kreuzprodukt aus Ortsvektorund Impuls: L

�= r�× p�. Diese Definition ist für

die Schule mathematisch schwierig wegendes Kreuzproduktes, und physikalischschwierig, weil es sich um eine aus ande-ren Größen zusammengesetzte Größehandelt, von der man sich kaum eine ver-nünftige Anschauung bilden kann.

Tatsächlich kann man die Rotationsme-chanik aber sehr einfach behandeln, dennder Drehimpuls ist genauso anschaulichwie andere mengenartige Größen, z.B. derImpuls oder die elektrische Ladung 1. Dreh -impuls und Drehimpulsströme könnendann ganz analog zur Translationsmecha-nik mit Impuls und Impulsströmen be-schrieben werden, siehe [1] und [2]. EineÜbersetzungstabelle zwischen den Gebie-ten zeigt Tab. 1. Mit geringem Aufwandkann so in kurzer Zeit viel Verständnis beiden Schülern erreicht werden.

2 Der Drehimpuls als „(Dreh-)Schwung“, „Drall“ oder „Spin“Die Unterrichtseinheit beginnt mit der zu-grunde liegenden Größe, dem Drehimpuls.

Experiment 1: Ein Schwungrad wird inDrehung versetzt. Es hat Schwung. Wennes gut gelagert ist, behält es diesenSchwung auch bei, wenn es im Raum her-umgetragen wird 2. Die Physiker nennendiesen Schwung „Drehimpuls“.

Das Rad enthält umso mehr Drehim-puls, je schwerer es ist und je schneller sichdas Rad dreht. Im Rahmen der Diskussion,

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Drehimpuls und DrehimpulsströmeH. Hauptmann

Abb. 1: (a) Zwei Schwungräder werden über eine Rutschkupplung miteinander verbunden. (b) Rutsch-kupplung: In den Verlängerungen der Drehachsen befinden sich zwei Scheiben. Diese werden, zentriertüber eine Führung, aufeinander gepresst. Recht einfach ist das mit einem Rohr auf der einen und ei-nem Korken auf der anderen Drehachse zu realisieren.

1 Der Drehimpuls hat gegenüber diesen Größenim Klassenraum sogar Vorteile: Im Gegensatz zueinem elektrisch geladenen Körper sieht man ei-nem Körper die Beladung mit Drehimpuls direktan, und gegenüber einem mit Impuls beladenenKörper hat man den Vorteil, dass der rotierendeKörper am Platz bleibt.

2 Solange man die Drehachse parallel zur ur-sprünglichen Richtung belässt.

Tab. 1: Analoge Größen in der Translations- und Rotationsmechanik

a)

b)

Translationsmechanik Rotationsmechanik

Impuls p�

Drehimpuls L�

Geschwindigkeit v�

Winkelgeschwindigkeit ω�

Masse m Trägheitsmoment J

Impulsstrom oder Kraft F�

Drehimpulsstrom oder Drehmoment M�

kinetische Energie Ekin Rotationsenergie Erot

27

HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

wie die Geschwindigkeit der Drehung einesRades angegeben werden kann, wird dieGröße Winkelgeschwindigkeit eingeführt.

Um die Unterscheidung zum Impulsdeutlich zu machen, sollte man anspre-chen, dass ein Rad ausschließlich mit Dre-himpuls, ausschließlich mit Impuls odermit beidem beladen sein kann. Gerade auchwegen der Ähnlichkeit der Namen ist eswichtig zu betonen, dass es sich bei Dreh -impuls und Impuls um voneinander unab-hängige Größen handelt.

3 DrehimpulsströmeIndem in den folgenden Experimenten Bi-lanzen für den Drehimpuls aufgestellt wer-den, d. h. indem man fragt, „Wohin gehtder Drehimpuls?“ oder „Woher kommt er?“,erhält man die Drehimpulsströme ganzautomatisch. Hat man von einer Größeeine mengenartige Anschauung, so ent-spricht die Existenz des zugehörigenStroms unseren Erwartungen.

Experiment 2: Ein rotierendes Schwung-rad wird über eine Rutschkupplung für kur-ze Zeit mit einem zweiten Schwungrad,das zunächst in Ruhe war, verbunden, sie-he Abb. 1a und 1b. Man beobachtet, dassdas erste Rad seine Winkelgeschwindigkeitverringert hat, während das zweite zu ro-tieren begann.

Erklärung: Offensichtlich hat der Dreh -impuls des ersten Rades ab-, der des zwei-ten Rades zugenommen. Da die einzigeVerbindung zwischen den Rädern dieRutschkupplung war, können wir schlie-ßen: Ein Teil des Drehimpulses des erstenRades ist über die Rutschkupplung zumzweiten Rad geflossen.

Experiment 3: Das Experiment wirdwiederholt, diesmal bleibt die Verbindungüber die Rutschkupplung aber bestehen.Man beobachtet, dass das erste Rad lang-samer wird und das zweite Rad schneller,bis beide Räder die gleiche Winkelge-schwindigkeit erreicht haben3.

Erklärung: Der Drehimpuls fließt vonselbst von Stellen hoher zu Stellen niedri-ger Winkelgeschwindigkeit. Ein Unter-schied in der Winkelgeschwindigkeit istein Antrieb für einen Drehimpulsstrom.

Experiment 4: Die beiden Schwungrä-der werden in unterschiedliche Richtungin Drehung versetzt. Um beide Räder gleichschnell anzudrehen, kann man eine Bohr-maschine4 verwenden, an der eine Gummi-scheibe befestigt ist, die man auf demRand des Schwungrades abrollen lässt. Ver-bindet man jetzt die Räder über die Rutsch-kupplung miteinander, so beobachtetman, dass die Räder zum Stillstand kom-men.

Erklärung: Da der Drehimpuls am Endeinsgesamt Null beträgt und kein Drehim-puls abgeflossen ist, können wir schlie-ßen, dass der Drehimpuls positive und ne-gative Werte annehmen kann. Der Drehim-puls in den beiden Rädern hatte zu Anfangden gleichen Betrag, aber umgekehrtesVorzeichen.

Wenn zu diesem Zeitpunkt schon ande-re vektorielle Größen bekannt sind, bietetes sich an, an dieser Stelle auch auf denVektorcharakter von Drehimpuls und Win-kelgeschwindigkeit einzugehen5. Drehim-puls und Winkelgeschwindigkeit habeneine ausgezeichnete Richtung, die von derLage der Drehachse im Raum abhängig ist.Die Richtung von L

�und ω�wird durch die

„Rechte-Hand-Regel“ festgelegt: „Umfasstdie rechte Hand die Drehachse so, dass diegekrümmten Finger in Drehrichtung zei-gen, so zeigt der abgespreizte Daumen inRichtung des Drehimpuls- und Winkelge-

schwindigkeitsvektors.“ Wie beim Impulskann auch der Drehimpuls in drei zueinan-der senkrechte Komponenten aufgespaltetwerden, die einzeln erhalten sind.

Experiment 5: Die Schüler erhaltennacheinander ein schnell rotierendesSchwungrad in die Hand, dessen Drehach-se sie z.B. aus der waagerechten in die senk-rechte Position drehen sollen. Sie spürendabei ein starkes Zerren in Hand und Arm.

Erklärung: Der zunächst im Rad enthal-tene x-Drehimpuls fließt durch Hand undArm ab, während gleichzeitig z-Drehim-puls in das Rad hineinfließt.

Experiment 6: Das drehende Schwung -rad wird über eine Schraubenfeder, sieheAbb. 2a und 2b, elastisch an das ruhendeSchwungrad angekoppelt und die Verbin-dung gelöst, wenn das erste Rad gerade zurRuhe gekommen ist 6.

Erklärung: Der gesamte Drehimpuls istvom ersten zum zweiten Rad geflossen.

4 Drehimpulspumpen und Drehimpuls-erhaltungDa von Anfang an Bilanzen für den Dreh -impuls aufgestellt werden, wird durch Be-obachtungen und Sprechweise kein Zwei-fel daran gelassen, dass es sich beim Dreh -impuls um eine erhaltene Größe handelt.Dies kann in den folgenden Experimentenmit Schwungrad und Drehstuhl noch ver-deutlicht werden.

Experiment 7: Ein Schüler auf einemDrehstuhl bremst ein schnell rotierendesSchwungrad, dessen Drehachse senkrechtsteht, langsam ab. Man beobachtet, dasssich der Schüler dabei selbst anfängt zudrehen, und zwar in dieselbe Richtung wiedas Schwungrad.

Abb. 2: (a) Ein Schwungrad wird über eine Schraubenfeder an ein zweites Schwungrad angekoppelt. (b) Schraubenfeder.

3 Das Experiment entspricht einem inelastischenStoßvorgang in der Translationsmechanik.

4 Steht keine Bohrmaschinen mit einstellbarerDrehzahl zur Verfügung gibt man immer „Voll-gas“ und kann die Geschwindigkeit nur über dieGröße der Gummischeibe regulieren.

5 In der Oberstufe wird dies im Allgemeinen derFall sein.

6 Das Experiment entspricht einem elastischenStoß vorgang in der Translationsmechanik

a) b)

Erklärung: Der Drehimpuls des Schwung -rades hat sich auf Schwungrad und Schülerverteilt.

Wir schließen weiter: Ist ein Schwung -rad schlecht gelagert, so fließt der Drehim-puls in die Erde ab. Aufgrund ihrer großenMasse ändert die Erde dabei nicht ihre Win-kelgeschwindigkeit.

Experiment 8: Ein Schüler auf einemDrehstuhl setzt ein Schwungrad mit senk-recht stehender Drehachse in Bewegung.Der Schüler beginnt sich dabei in die demRad entgegengesetzte Richtung zu dre-hen.

Erklärung: Der Schüler pumpt Drehim-puls aus seinem Körper in das Schwung -rad.

Stellt der Schüler beim Andrehen desSchwungrades die Beine auf dem Boden,so bleibt er selbst in Ruhe, der Drehimpulsfließt aus der Erde, durch den Schüler, indas Schwungrad.

Wir folgern daraus: Lager (hier das Lagerdes Drehstuhls) dienen zur Drehimpuls -isolation.

Hat man den Vektorcharakter des Dreh -impulses angesprochen, kann man auchnoch das folgende Experiment durchführen.

Experiment 9: Ein Schüler auf einemDrehstuhl setzt ein Schwungrad bei waa-gerecht gehaltener Drehachse in Bewe-gung. Er bleibt dabei in Ruhe. Anschlie-ßend dreht er die Drehachse aus der waa-gerechten in die senkrechte Position. Er be-ginnt sich in die umgekehrte Richtung wiedas Schwungrad zu drehen.

Erklärung: Der Drehimpuls ist kompo -nen tenweise erhalten (vgl. Experiment 5).Lager isolieren nur Drehimpuls einer Rich-tung.

5 Wovon der Drehimpulsinhalt abhängt; das TrägheitsmomentWie viel Drehimpuls enthält ein rotieren-der Körper? Anschaulich ist klar, der Dreh -impuls hängt ab von der Winkelgeschwin-digkeit und der Masse des Körpers. Mansieht aber leicht, dass auch die Positionbzw. Verteilung der Masse eine Rolle spielt.Um dies genauer zu untersuchen, kann diefolgende Anordnung verwendet werden:

An einer Drehachse ist eine Stangerechtwinklig befestigt, an der verschiede-ne Gewichte radial verschoben werdenkönnen, siehe Abb. 3a. Die Stange ist mög-lichst leicht im Vergleich zu den Gewich-ten7. Jetzt misst man den Drehimpuls derAnordnung in Abhängigkeit von der Win-kelgeschwindigkeit ω, und, bei konstan-tem ω, von der Masse m der Gewichte undihrem Abstand r zur Drehachse. Das Mess-verfahren beruht auf der Mengenartigkeit

28

PdN PHYSIK in der Schule / παντα ρηει – Alles fließt HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012

Abb. 3: (a) Anordnung zur Messung des Drehimpulses eines rotierenden Körpers in Abhängigkeit vonder Winkelgeschwindigkeit, Masse und Position der Mass. (b) Messprinzip: Der Körper wird über dieKlammer gebremst, die Bremszeit ist ein Maß für den ursprünglichen Drehimpuls der Anordnung.

Abb. 4: (a) Anordnung zur Untersuchung der Leitfähigkeit verschiedener Stoffe (im Becherglas) fürDrehimpuls. (b) Das Becherglas wird durch die Kurbel unten in Drehung versetzt.

a)

b)

a) b)

29

HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

des Drehimpulses: Bremst man einen ro-tierenden Körper so ab, dass der aus demKörper fließende Drehimpulsstrom IL zeit-lich konstant ist, so ist die Zeitdauer t, biser zum Stillstand kommt, ein Maß für dieursprünglich in dem Körper enthalteneDrehimpulsmenge, denn:

Einen konstanten Drehimpulsstrom er-reicht man, indem man mit einer auf derDrehachse befestigten Klammer bremst,z. B. einer Reagenzglasklammer, sieheAbb.3b. Da die Gleitreibung zwischen Fest-körpern unabhängig von der Relativge-schwindigkeit zwischen den Festkörpernist, ist das von der Klammer ausgeübteDrehmoment konstant, und damit auchder Drehimpulsstrom aus dem rotieren-den Körper. Damit der Körper zu Beginnder Messung immer dieselbe Winkelge-schwindigkeit hat, kann man zum Andre-hen wieder eine Bohrmaschine mit einer

0

t

L LL I dt I t= =∫�

kleinen Gummischeibe, die man auf derDrehachse des Körpers abrollen lässt, ver-wenden.

Experiment 10: Abhängigkeit des Dreh -impulses L eines rotierenden Körpers vonder Winkelgeschwindigkeit ω, der Masse mund der Position r der Masse.

Ergebnis: L ~ ω, L ~ m und L ~ r2

Insgesamt erhält man aufgrund der pas-senden Festlegung der Einheit für den Dreh impuls: L = m r2ω = Jω . Dabei wurde derTerm m r2 zum Trägheitsmoment J zu-sammengefasst. Es sagt uns, wie viel Dreh -impuls ein Körper bei gegebener Winkelge-schwindigkeit enthält, und spielt die glei-che Rolle wie die Masse für den Impuls.

6 DrehimpulsleiterExperiment 11: Wir wollen die Leitfähigkeitverschiedener Stoffe für Drehimpuls unter-suchen. Dazu wird ein Becherglas so auf ei-ner Halterung befestigt, dass es mit einerKurbel in Drehung versetzt werden kann.In das Becherglas ragt eine an der Drehach-se des Schwungrades befestigte „Schau-fel“, siehe Abb. 4a und 4b. Man füllt das Be-cherglas mit verschiedenen Stoffen unddreht an der Kurbel.

Ergebnis: Feststoffe (z.B. durchgehendeWellen) leiten den Drehimpuls. Luft leitetDrehimpuls (fast) nicht. Flüssigkeiten(Wasser, Öl) leiten den Drehimpuls umsobesser, je zähflüssiger sie sind 8.

Experiment 12: Verwendet man statt ei-ner stabilen Welle einen dünnen Metall-streifen, kann man den Drehimpulsstromsichtbar machen, siehe Abb. 5. Die Welleverdrillt sich umso stärker, je größer derDrehimpulsstrom.

Ergebnis: Fließt ein Drehimpulsstromdurch einen Körper, so steht der Körper un-ter Torsionsspannung.

7 DrehimpulsstromkreiseExperiment 13: Die Welle einer Spieluhrwird mit der Achse eines Motors über eineStange verbunden, Abb. 6a. Hängt dieSpieluhr frei herunter, dreht sie sich mitund macht keine Musik. Erst wenn man dieGehäuse von Spieluhr und Motor über eineweitere Stange verbindet, siehe Abb. 6b, er-klingt die Musik.

Erklärung: Der Drehimpuls fließt in ei-nem geschlossenen Stromkreis vom Motorüber die erste Stange zur Spieluhr und überdie zweite Stange zurück.

Die zweite Stange kann auch durch eineUnterlage ersetzt werden.

8 AusblickAuch der Drehimpuls ist ein Energieträger,siehe den Aufsatz Energie- und Energieträger-ströme von K. Schneider in diesem Heft. EineBehandlung dieser Frage ist sehr lohnend,und gestattet etwa die Beschreibung vonGetrieben als „Transformatoren der Rota-tion“. Eine Behandlung der Zusammen-hänge zwischen Drehimpuls und Energie,sowie Drehimpulsströmen und Energie -strömen würde allerdings den Rahmendieses Aufsatzes sprengen. ■

Literatur:[1] F. Herrmann: Der Karlsruher Physikkurs –Energie, Impuls, Entropie, 9. Auflage, AULISVerlag (2010)[2] F. Herrmann: Der Karlsruher Physikkurs fürdie Sekundarstufe 2 – Mechanik, 1. Auflage,AULIS Verlag (2008)

Anschrift des VerfassersDr. Holger Hauptmann, Europa-GymnasiumWörth, Forststr. 1, 76744 WörthE-Mail: [email protected]

Abb. 5: Der Drehimpulsstrom in einer Welle wird durch die Verdrillung sichtbar gemacht.

Abb. 6: (a) Der Drehimpulsstromkreis ist unterbrochen, (b) geschlossener Drehimpulsstromkreis, dieSpieluhr macht Musik.

7 Man kann so näherungsweise davon ausgehen,dass das Trägheitsmoment der Anordnung nurvon den Gewichten abhängt.

8 Statt Öl, Honig oder ähnlichen Materialien hatman mit Reis oder Sand deutlich weniger Reini-gungsaufwand.

a) b)

30

Energie zu übertragen, wird nicht in glei-chem Maße behandelt. Nur an einer Stelleist es üblich, dazu etwas zu sagen, nämlichbei der Behandlung elektromagnetischerWellen. Nachfolgend soll anhand einigerkonkreter Beispiele gezeigt werden, dasssich Energieübertragungen mithilfe desPoynting-Vektors nicht nur im Zusammen-hang mit elektromagnetischen Wellen ge-winnbringend beschreiben lassen.

Bei der Energie handelt es sich um einemengenartige Größe, die sich durch eineKontinuitätsgleichung lokal bilanzierenlässt.

(1)

Dabei ist ρE die Energiedichte, j�

E die Ener-giestromdichte und σE ist die Quelldichteder Energie. Aus den Maxwell-Gleichungenfolgt:

(2)

Dabei entspricht der erste Summand derlinken Seite der zeitlichen Änderung derEnergiedichte des physikalischen SystemsElektromagnetisches Feld. Der zweiteSum mand der linken Seite stellt die Diver-genz des Poynting-Vektors dar, also die Di-vergenz der Energiestromdichte des Sys-tems Elektromagnetisches Feld. Mit der La-dungsstromdichte j

�, der Magnetisierung M

und der Polarisierung P�

stehen auf derrechten Seite physikalische Größen, dieZustände des Systems Materie beschrei-ben. Damit bringt die rechte Seite der Be-ziehung (2) zum Ausdruck, in welchemMaße Energie in dem System Elektromag-netisches Feld erscheint bzw. verschwin-det, indem diese Energie vom System Ma-terie geliefert bzw. aufgenommen wird [1].

Für zeitlich stationäre Anordnungenlässt sich der Energieaustausch zwischenMaterie und dem System Elektromagneti-sches Feld durch die einfachere Beziehung(3) beschreiben [2]:

(3)

Mithilfe von Beziehung (3) gelingt ins-besondere die Untersuchung einfacherelektrischer Stromkreise. Betrachten wirdazu eine aus einer Batterie, einem ohm-schen Widerstand und zwei Leitungen be-stehende Anordnung, Abb. 1.

Üblicherweise werden die Leitungen inSchaltskizzen als widerstandslos angese-hen. Im Inneren derartiger Leitungen hat

( )2 20 0 .2 2E H div E H E j

tε μ∂ ⎛ ⎞+ + × = − ⋅⎜ ⎟

∂ ⎝ ⎠

�� � � � �

( )2 20 0

2 2E H div E H

tP ME j E Ht t

ε μ∂ ⎛ ⎞+ + ×⎜ ⎟∂ ⎝ ⎠

∂ ∂= − ⋅ − −

∂ ∂

� � � �

� ��� � �

∂∂

+ =ρ σEE Et

div j�

.

PdN PHYSIK in der Schule / παντα ρηει – Alles fließt HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012

Energieströme im elektromagnetischenFeldP. Schmälzle

Im Alltag sind Energieströme, die mit-hilfe elektrischer und magnetischer Felderübertragen werden, von großer Bedeutung.Im Physikunterricht erfahren unsere Schü-lerinnen und Schüler dazu wenig. Bei derquantitativen Behandlung elektrischer undmagnetischer Felder im Oberstufenunter-richt wird die Energiespeicherung in diesenFeldern durchaus genauer betrachtet. DieFrage, wie es mithilfe dieser Felder gelingt,

1

2

H

E

ϕ

ϕ

1

2

H

E

ϕ

ϕ

Abb. 1: Einfacher elektrischer Stromkreis

Abb. 2: Angedeuteter Verlauf der Feldlinien des elektrischen Feldes und des Magnetfeldes beim einfa-chen elektrischen Stromkreis

Abb. 3: Qualitativer Verlauf der resultierenden Energieströmung

31

die elektrische Feldstärke den Wert null.Die Oberflächen der Hin- bzw. Rückleitungsind Äquipotenzialflächen, auf denen dieFeldlinien des elektrischen Feldes orthogo-nal beginnen bzw. enden. Die in den Lei-tungen vorhandene Ladungsstromdichteführt im Außenbereich zu einem Magnet-feld, das sich durch kreisförmige Feldlinien(„Rechte-Faust-Regel“) beschreiben lässt.Lässt man die etwas problematischenEcken einer Schaltskizze außer Betracht, soergibt sich in etwa der in Abb. 2 dargestell-te Feldlinienverlauf.

Im Hinblick auf die Energieübertragungkann man hieran Folgendes ablesen:• Die Energiestromdichte ist nur außer-

halb der Leitungen ungleich Null.• In Leitungsnähe ist die Energiestrom-

dichte betragsmäßig am größten.• Der Energiestromdichtevektor zeigt in

der Umgebung von Hin- und Rücklei-tung von der Batterie zum Widerstand,Abb. 3.

• Für das System ElektromagnetischesFeld stellt die Batterie eine Energiequel-le dar (E

�· j�

< 0), der ohmsche Widerstandeine Energiesenke (E

�· j�

> 0).

Betrachtet man anstelle der idealen Leitun-gen einer Schaltskizze reale Leitungen miteinem geringen elektrischen Widerstand, sohat die elektrische Feldstärke im Innerender Leitungen einen von Null verschiede-nen Betrag. Die Feldlinien stehen dannnicht mehr orthogonal auf den Leitungs-oberflächen; sie haben in Leitungsnähe je-weils eine Komponente in Richtung des je-weiligen Ladungsstromdichtevektors j

�. Die-

se realistischere Annahme führt dazu, dassein Teil der aus der Batterie strömendenEnergie nicht zu dem Widerstand rechts ge-langt, sondern vom System Feld an die Hin-und Rückleitung abgegeben wird.

Wird die Funktion von Hin- und Rück-leitung von einem Koaxialkabel (Abb. 4)übernommen, so ergeben sich besonderseinfache Feldlinienverläufe. Geht man vonideal leitendem Innen- und Außenleiteraus, so hat die elektrische Feldstärke nurim Bereich zwischen Innen- und Außenlei-

ter einen von null verschiedenen Betrag.Die zugehörigen Feldlinien des elektri-schen Feldes verlaufen radial nach außen,falls ϕ innen > ϕ außen und radial nach innen,falls ϕ innen < ϕ außen. Im Außenbereich bei-der Leiter ist der insgesamt umfasste La-dungsstrom null, deshalb befindet sich indiesem Bereich auch kein Magnetfeld. ImBereich zwischen den beiden Leitern führtder im Innenleiter fließende Ladungs-strom zu einem Magnetfeld, das sich durchFeldlinien beschreiben lässt, die denInnenleiter als konzentrische Kreise umge-ben, Abb. 5.

Der Poynting-Vektor führt somit nur imBereich zwischen Innen- und Außenleiterzu einer von Null verschiedenen Energie -

stromdichte. Dabei findet der Energietran-sport parallel zur Achse des Koaxialkabelsstatt, und zwar in dieselbe Richtung, dieder Ladungsstromdichtevektor j

�in dem

Leiter mit dem höheren Potenzialwert hat.Wird als Energiequelle anstelle einer Batte-rie ein Netzgerät verwendet, das eineWechselspannung liefert, so ändert sichständig die Polarität von Innen- undAußenleiter. Auch die Richtung des La-dungsstromdichtevektors j

�ändert sich

dann ständig. Insgesamt führt das zu ei-ner gleichzeitigen Richtungsumkehr vonelektrischer und magnetischer Feldstärke.Der Poynting-Vektor – und damit die Ener-giestromdichte – behalten aber ihre Rich-tung bei, Abb. 6.

HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

� �innen außen>

jQjQ

Abb. 4: Koaxialkabel

H H

E EjE jE

Abb. 6: Energiestromdichte im Koaxialkabel

H

E

Abb. 5: Feldstärken im Koaxialkabel

E

Abb. 7: Ladungsstrom in flächenhaften Leitungen

HE

Energiestromdichte

Abb. 8: Energiestromdichte bei flächenhaften Leitungen (Schnittzeichnung)

32

Eine besonders einfache Feldkonfigura-tion ergibt sich auch, wenn anstelle der Hin-und Rückleitung des einfachen elektrischenStromkreises flächenhafte Leiter betrachtetwerden. Man kann sich die Anordnung wieeinen (unendlich ausgedehnten) Platten-kondensator vorstellen, Abb. 7. Geht mandabei von ideal leitenden Platten aus, in de-nen der Ladungsstrom fließt, so bestehtnur im Zwischenraum der Platten ein elek-trisches Feld. Die zugehörigen Feldliniensind orthogonal zu den Platten ausgerich-tet. Die in den Platten vorhandene Ladungs-stromdichte führt im Bereich zwischen denPlatten zu einem Magnetfeld, das sichdurch Feldlinien beschreiben lässt, die pa-rallel zu den Platten und orthogonal zu denStromdichtevektoren verlaufen. Dadurchfindet nur im Bereich zwischen den Plattenein Energietransport statt. Der Energies-tromdichtevektor verläuft dabei parallel zuden Platten und hat dieselbe Richtung wieder Ladungsstromdichtevektor in der Plat-te mit dem höheren Potenzialwert, Abb. 8.

Als letztes Beispiel für die Beschrei-bung eines Energietransports mithilfe desPoynting-Vektors soll die Energieübertra-gung aus dem Primärkreis in den Sekun-därkreis eines Transformators betrachtetwerden. Wir wählen einen Transformatormit lang gezogenem Kern, um eine mög-lichst einfache Darstellung zu erhalten,Abb. 9. Wieder nehmen wir vereinfachendan, dass die beiden Spulen vernachlässig-bare ohmsche Widerstände besitzen (imIdealfall: supraleitende Spulen). Und derKern bestehe aus einem magnetisch idealleitenden Material, sodass die magneti-sche Feldstärke im Inneren des Kerns denWert Null annimmt.

Bei einer Primärspule mit n1 Windungenund der elektrischen Stromstärke I1 führtdie als Ampère’sches Gesetz bekannteMaxwell-Gleichung für den Integrations-weg A zu der Aussage

1 1.A

H dr n I⋅ =∫� ��

Wenn die magnetische Feldstärke im In-neren des Kerns den Wert null hat, leistetnur der Wegabschnitt zwischen den Schen-keln des Kerns einen Beitrag zum Wert desIntegrals. In diesem Bereich ist ein Mag-netfeld vorhanden, das sich durch Feldli-nien beschreiben lässt, die senkrecht zuden Schenkeln verlaufen. Die an der Pri-märspule anliegende Wechselspannungbewirkt, dass sich die Magnetisierunginnerhalb der Schenkel zeitlich ständig än-dert. Dies führt zu einem elektrischen Wir-belfeld, dessen Feldlinien die beidenSchenkel wie in Abb. 10 eingezeichnet um-geben. Dabei sind elektrische und magne-tische Feldstärke in Phase [3]. Insgesamtresultiert hieraus nach dem Poynting-Vek-tor eine Energiestromdichte, die stets vonder Primärspule zur Sekundärspule zeigt.

Die in Abb. 10 dargestellte Anordnungkann als Analogie zu der in Abb. 3 darge-stellten Energieübertragung im einfachenelektrischen Stromkreis angesehen wer-den. Dabei sind die Rollen von elektrischerund magnetischer Feldstärke gerade ver-tauscht. ■

Literatur[1] Falk, Gottfried: Physik - Zahl und Realität,Birkhäuser Verlag Basel, 1990 (S. 68 f)[2] Feynman, Richard P.: Vorlesungen über Phy-sik, Oldenbourg Verlag München (1987), S. 521[3] Herrmann, Friedrich und Schmid, G. Bruno:The Poynting vector field and the energy flowwithin a transformer, American Journal of Physics, 54 (6), Jun 1986, S. 528 – 531

Anschrift des VerfassersDr. Peter Schmälzle, Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gym) Karlsruhe,Jahnstraße 4, 76133 KarlsruheE-Mail: [email protected]

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A1 2

Abb. 9: Transformator mit langge-zogenem Kern

1 2H

jE

E

Abb. 10: Feldstärken und Energie -stromdichte beim Transformator

Leistungs-, Kraft- und DrehmomentübertragungF. Herrmann

Für jede mengenartige Größe X gilt eineGleichung der Form

dXdt

IX X= + Σ .

Die Gleichung bezieht sich auf einenRaumbereich. dX/dt ist die Änderungsratevon X im Innern des Bereichs, IX ist die Stär-ke des Stroms durch die Oberfläche des Be-reichs und ΣX ist die Erzeugungsrate, die

sich wieder auf das Innere des Bereichs be-zieht, Abb. 1, siehe der Artikel Die Richtungvon Strömen und dessen, was strömt von M. Poh-lig. Die Änderung von X kann also auf zweiArten zustande kommen.

33

1 Die supraleitende PhaseSo wie im festen, flüssigen, gasförmigenoder ferromagnetischen Zustand können

sich manche Stoffe unter bestimmten Be-dingungen, nämlich wenn die Temperaturhinreichend niedrig und die magnetischeFeldstärke nicht zu hoch ist, im supralei-tenden Zustand befinden. Die Temperatur,bei der die Supraleitung einsetzt, nenntman kritische Temperatur.

Am Phänomen der Supraleitung neh-men nicht alle freien Elektronen teil, dieim Normalzustand für die elektrische Lei-tung verantwortlich sind, sondern nur einTeil von ihnen. Die Supraleitung beginntbei der kritischen Temperatur mit ganzwenigen freien Elektronen, und derenZahl nimmt zu, wenn die Temperatur wei-ter abnimmt.

Viele Stoffe haben eine supraleitendePhase. In Tab. 1 sind die kritischen Tempe-raturen für einige chemische Grundstoffeaufgeführt. Es gibt Legierungen und chemi-

sche Verbindungen mit viel höheren kriti-schen Temperaturen.

Welche Eigenschaften haben Supralei-ter? Im Wesentlichen zwei: Erstens hat einSupraleiter keinen elektrischen Widerstand,d.h. R = 0; und zweitens verdrängt er Mag-netfelder aus seinem Innern. Diese beidenEigenschaften sind zwar nicht unabhängigvoneinander, und sie gelten teilweise auchnur unter Vorbehalt, aber über Details wol-len wir uns erst später kümmern.

Wir interessieren uns hier nicht für diemikroskopischen Eigenschaften, also fürdie Quantenphysik der Supraleitung. Wennwir in der Schule die normale Leitung be-handeln, fragen wir auch nicht nach demquantenphysikalischen Mechanismus, derden elektrischen Widerstand verursacht,also etwa die Elektron-Phonon-Wechsel-wirkung.

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SupraströmeF. Herrmann

Tab. 1: Kritische Temperaturen einiger chemi-scher Grundstoffe

Grundstoff kritische Temperatur in K

Hg 4,15

La 4,8

Nb 9,2

Ta 4,48

Tc 11,2

V 5,378

Falls die Größe einen Erhaltungssatzbefolgt, ist ΣX = 0, d.h. es gilt:

Beispiele für solche Gleichungen sind:

Für die Stromstärken haben wir hiernicht das jeweilige IX , sondern das in derPhysik übliche Symbol benutzt.

Die historische Entwicklung der Physikwar nun so, dass nur eine der Größen aufder rechten Seite der Gleichungen alsStromstärke interpretiert wurde, nämlich I,die elektrische Stromstärke. Die Sprache,die im Zusammenhang mit den anderendrei Größen benutzt wird, ist so beschaf-fen, dass sie im Prinzip Fernwirkungen zu-lässt, siehe den Artikel Kraft und Impulsstromin diesem Heft. Diese Sprache ist sperrigund sie wird den Erwartungen der heuti-gen Zeit nicht mehr gerecht. Man möchteeigentlich zum Ausdruck bringen, dass einTransport stattfindet, fühlt sich aber

dXdt

IX= .

dQdt

I

dEdt

P

dpdt

F

dLdt

M

=

=

=

=

� �

��

gleich zeitig gebunden an die traditionel-len Bezeichnungen. Auf diese Art sind For-mulierungen entstanden, die man eher alsunglücklich bezeichnen wird. Hier einigeBeispiele aus dem Internet:

„Fasern zur Leistungsübertragung“ (ausdem Angebot eines Herstellers optischerBauteile);

„Die Kraftübertragung beschreibt dietechnische Möglichkeit, eine Kraft oder einMoment vom Ort der Entstehung zum Ortder Nutzung zu übertragen.“ (Aus Wikipe-dia zum Stichwort Kraftübertragung);

„Kupplungen für Drehmomentübertra-gung“ (aus dem Angebot eines Kupplungs-herstellers).

Zu den Suchbegriffen „Leistungsüber-tragung“, „Kraftübertragung“ und „Dreh-momentübertragung“ liefert Google nochzahlreiche andere Treffer auf seriösen Web-sites, meist aus dem Bereich der Technik.Ähnlich benutzt werden auch die Bezeich-nungen „Leistungsfluss“, „Kraftfluss“ und„Drehmomentfluss“.

Die Aussagen sind klar, und doch sindsie nicht in Ordnung. Denn übertragenwird nicht die Leistung, sondern die Ener-gie, nicht die Kraft, sondern der Impuls,und nicht das Drehmoment, sondern derDrehimpuls – so wie in einer Wasserleitungnicht die Wasserstromstärke übertragenwird oder fließt, sondern das Wasser.

Die alten Bezeichnungen Leistung, Kraftund Drehmoment sind also mit der Auffas-sung eines Transportvorgangs schlecht zuvereinbaren. ■

Anschrift des VerfassersProf. Dr. Friedrich Herrmann, Institut für Theoretische Festkörperphysik, KIT, 76128 Karlsruhe, E-Mail: [email protected]

ddX

t

�X

lX

Abb. 1: Die Änderung des Wertes einer mengen-artigen Größe kann auf zwei Arten zustande kom-men: 1. durch Zufluss oder Abfluss und 2. durchErzeugung oder Vernichtung (bei erhaltenen Grö-ßen nur durch Zu- oder Abfluss).

34

2 Der elektrische WiderstandWie reagiert ein Supraleiter, wenn maneine elektrische Spannung anlegt? Um dieFrage zu beantworten, orientieren wir unsan der Mechanik.

Auf einen Körper, der sich bewegenkann, wirke eine Kraft (man leitet einenImpulsstrom in den Körper). Wenn Rei-bung stattfindet, bewegt sich der Körperim stationären Zustand mit konstanterGeschwindigkeit. Für Stokes’sche Reibungist die Geschwindigkeit zur Kraft propor-tional:

Rm könnte man als „mechanischen Wider-stand“ bezeichnen.

Findet keine Reibung statt, so nimmtdie Geschwindigkeit gleichmäßig zu:

Das Entsprechende gilt für elektrischeLeiter. In einem normalen Leiter bewirkteine konstante Spannung einen elektri-schen Strom konstanter Stärke. Im ein-fachsten Fall sind Stromstärke und Span-nung proportional zueinander:

Beim „reibungsfreien“ Supraleiter be-wirkt eine konstante Spannung, dass dieStromstärke gleichmäßig zunimmt:

I UR

= .

dvdt

Fm

= .

v FRm

= .

Das ist die erste London’sche Gleichung.λ charakterisiert den Supraleiter, ähn-

lich wie der elektrische Widerstand denNormalleiter charakterisiert. Wie R, sohängt auch λ von der Geometrie des Leitersund von mikroskopischen Parametern ab.Diese Parameter sind die Masse und dieTeilchenzahldichte der supraleitenden La-dungsträger.

3 Magnetische Feldstärke und MagnetisierungDie interessanteste Eigenschaft der Supra-leiter hat mit ihrer Reaktion auf magneti-sche Felder zu tun. Um dieses Verhaltenbesser einordnen zu können, werden wir esmit dem anderer Materialien vergleichen,nämlich erstens mit dem Verhalten vonhartmagnetischen und zweitens mit demvon weichmagnetischen Stoffen. Dazumüssen wir uns allerdings zunächst nocheinige Werkzeuge zurechtlegen.

In der Schulphysik beschreibt man dasmagnetische Feld mit der Größe B

�, der

Flussdichte. Sie bildet ein divergenzfreiesVektorfeld. Die Größe B

�ist besonders für

die Beschreibung von Induktionsvorgän-gen geeignet, denn im Induktionsgesetzsteht der Fluss dieses Vektorfeldes. DieFlussdichte ist weniger geeignet zur Be-schreibung von magnetostatischen Er-scheinungen, also wenn es um Dauermag-

dIdt

U=λ

.

neten und weichmagnetische Stoffe geht.Diese Phänomene werden übersichtlicher,wenn man mit der magnetischen Feldstär-ke H

�und der Magnetisierung M

�operiert.

Mit H�

beschreibt man den Zustand des Fel-des, mit M

�den der Materie.

Die magnetische FeldstärkeIm materiefreien Raum unterscheidet siesich von der Flussdichte B

�nur um den kon-

stanten Faktor μ0, die magnetische Feld-konstante:

B�

= μ0 H�

.

Man kann die magnetische Feldstärkeauf dieselbe Art definieren, wie man ge-wöhnlich die elektrische Feldstärke defi-niert. Wir erinnern uns:

Entsprechend ist:

Hier ist Qm die magnetische Ladungoder Polstärke.

Die Gleichung legt auch ein Messverfah-ren für die magnetische Feldstärke nahe,Abb. 1. Man nimmt einen Magneten, des-sen Polladung man kennt, hängt ihn an ei-nen Federkraftmesser, bringt einen derPole in das zu messende Magnetfeld hin-ein, und liest die Kraft (den Impulsstromab). Als Demonstrationsexperiment funk-tioniert diese Messung viel besser als dieentsprechende Messung der elektrischenFeldstärke.

So wie E�

ist auch H�

nicht divergenzfrei.Wie die Feldlinien von E

�auf positiven elek-

trischen Ladungen beginnen und auf nega-tiven enden, so beginnen die magneti-schen Feldlinien auf magnetischen Nord-polen und enden auf Südpolen. Man kannauch sagen: Sie beginnen auf positiven mag-netischen Ladungen und enden auf negati-ven. Es gilt also

(1)

Hier ist ρm die Dichte der magnetischen La-dung, das Analogon zur elektrischen La-dungsdichte.

Für den magnetischen Fall gilt die Be-sonderheit, dass positive und negativemagnetische Ladungen nicht getrennt auf-treten können. Ein magnetisierter Körperhat immer genau so viel positive Ladungan einem Pol wie negative am anderen. Inanderen Worten: Die gesamte magnetischeLadung eines Körpers ist immer null.

m

0.div H ρ

μ=

��

H FQ

=m

.

��

E FQ

= .

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Kraftmesser

N

Abb. 1: Zur Messung der magnetischen Feldstär-ke innerhalb der Spule wird ein Magnetpol be-kannter Stärke in das Feld gebracht.

35

Gleichung (1) hat dieselbe Struktur wieeine, die wir vom elektrischen Feld kennen:

Hier sind ρe die elektrische Ladungsdichteund ε0 die elektrische Feldkonstante.

Die MagnetisierungAuch die Magnetisierung M

�ist eine Vektor-

größe. Mit ihr beschreibt man den magne-tischen Zustand von Materie. Ein Materialist magnetisiert heißt, dass seine elemen-taren atomaren oder molekularen Magnet-chen ausgerichtet sind. M

�beschreibt für je-

den Ort im Material, wie ausgeprägt dortdiese Ausrichtung ist und welche Richtungsie hat.

In einem Stabmagneten bildet M�

einhomogenes Feld parallel zur Richtung desMagneten. Dort wo die Magnetisierungsli-nien beginnen, ist der Südpol des Magne-ten, wo sie enden der Nordpol. Man kannauch sagen: Sie beginnen auf der negativenund enden auf der positiven magnetischenLadung. Damit folgt:

Wo die Magnetisierungslinien enden, begin-nen die Feldlinien, und umgekehrt.

Wir können auch sagen, dass eine Feld-linie einfach die Fortsetzung einer Magne-tisierungslinie ist; beide zusammen bildeneine durchgehende Linie. Bei geeigneterNormierung bilden beide zusammen eindivergenzfreies Feld, das B

�-Feld:

B�

= μ0( H�

+ M�

).

Soweit unsere Werkzeuge. Wir kommennun zu den magnetischen Eigenschaftenvon Materialien. Wir beginnen mit denhartmagnetischen, kommen dann zu denweichmagnetischen und dann endlich zu-rück zu den supraleitenden. Wir werden se-hen, dass sich Letztere schön in die Reiheeinordnen.

e

0.div E =

�ερ

4 Drei Idealtypen magnetischer MaterialienHartmagnetische MaterialienMan verwendet sie, um Dauermagnetenherzustellen. Sie haben eine bestimmteMagnetisierung, genauer: eine bestimmteVerteilung der Magnetisierung, d.h. ein be-stimmtes M

�-Feld. Dieses Magnetisierungs-

feld lässt sich nur schwer verändern. Jeschwerer es ist, es zu verändern, desto bes-ser der Magnet.

Weichmagnetische MaterialienEs sind bestimmte Eisensorten, Weichei-sen genannt. Man braucht sie für Eisenker-ne in Elektromagneten, Transformatoren,Elektromotoren, Generatoren und Dros-seln. Sie haben eine dem hartmagneti-schen Material völlig entgegengesetzte Ei-genschaft: Die Elementarmagnetchen sindnicht eingefroren, sondern lassen sich sehrleicht verdrehen. Das kleinste magnetischeFeld genügt, um sie zu verdrehen. Das hatein interessantes Verhalten zur Folge:Wenn man einen Weicheisenkörper in einMagnetfeld bringt, so richten sich die Ele-mentarmagnetchen etwas aus, d.h. es ent-steht eine Magnetisierung im Material,und damit entstehen an der OberflächePole; die Oberfläche lädt sich magnetischauf. Der Ausrichtungsvorgang geht so lan-ge, bis das Feld der magnetischen Oberflä-chenladung das am Anfang im Innern desMaterials vorhandene Feld gerade kom-pensiert. Der Vorgang ist damit analog zurelektrischen Influenz in einem elektri-schen Leiter. So wie der elektrische Leiterin seinem Innern E

�-feldfrei ist, so ist das

Weicheisen in seinem Innern H�

-feldfrei.Wir fassen zusammen:

Ein Leiter im elektrischen Feld bildet Oberflä-chenladungen, sodass deren Feld das ursprüngli-che Feld gerade wegkompensiert.

Ein Weicheisenstück im magnetischen Feldbildet magnetische Oberflächenladungen, sodass

deren Feld das ursprüngliche Feld gerade weg-kompensiert.

Oder noch einfacher: Der elektrische Leiter verdrängt das elektri-

sche Feld aus seinem Innern.Das weichmagnetische Material verdrängt

das magnetische Feld aus seinem Innern.

Supraleitende MaterialienNun sind wir so weit, dass wir das magne-tische Verhalten des Supraleiters erklärenkönnen. Auch ein Supraleiter, den man inein magnetisches Feld bringt, verdrängtdas Feld aus seinem Innern. Diese Eigen-schaft heißt Meißner-Ochsenfeld-Effekt.Allerdings benutzt er dazu einen anderenTrick als das weichmagnetische Material.Er bildet an seiner Oberfläche keine Mag-netpole. Das kann er gar nicht, denn dasMaterial ist nicht ferromagnetisch. Viel-mehr bildet er dicht unter seiner Oberflä-che geschlossene Ströme aus. Das magne-tische Feld dieser Ströme ist so, dass es dasFeld, das eigentlich in den Supraleiter ein-dringen wollte, gerade kompensiert.

Ein Supraleiter im magnetischen Feld bildetStröme an seiner Oberfläche, sodass deren Felddas ursprüngliche Feld gerade wegkompensiert.

Der Supraleiter verdrängt das magnetischeFeld aus seinem Innern.

Man könnte glauben, dass diese Eigen-schaft einfach darauf beruht, dass der Su-praleiter keinen Widerstand hat: Wennman ihn in ein magnetisches Feld bringt,so werden nach dem InduktionsgesetzStröme in ihm induziert, die so beschaffensind, dass sie das Feld, das eindringenwollte, gerade kompensieren. An dieser Er-klärung ist zunächst auch nichts falsch;allerdings wird sie dem supraleitenden Zu-stand noch nicht ganz gerecht. Das Feldwird nämlich auch dann verdrängt, wennman den Körper bei hoher Temperatur,also wenn er noch normalleitend ist, in einmagnetisches Feld bringt und dann unter

HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

Abb. 2: Magnetpol und Weicheisenplatte (a); Magnetpol und supraleitende Platte (b), Feldlinien: blau; Feldflächen: grün

Weicheisen

a) b)

N

Supraleiter

N

36

die kritische Temperatur abkühlt. Diese Er-scheinung ist mit dem Induktionsgesetznicht mehr zu erklären.

Abb. 2a zeigt das magnetische Feld,das eine magnetische „Punktladung“ inder Nähe einer weichmagnetischen Plat-te erzeugt. Als Punktladung nimmt manden einen Pol eines langen Stabmagne-ten; der zweite Pol befindet sich in sehrgroßer Entfernung. In Abb. 2b befindetsich derselbe Magnetpol über einer su-praleitenden Platte. Der Vergleich zeigt:Die magnetischen Feldlinien mündensenkrecht in die Oberfläche eines weich-magnetischen Körpers ein und endendort. Damit zieht das magnetische Feldan der Oberfläche. Beim Supraleiter mün-den die Orthogonalflächen des magneti-schen Feldes (die „Feldflächen“) senk-recht in die Oberfläche ein und endendort. Damit drückt das Feld auf die Ober-fläche des Supraleiters.

In Tab. 2 werden die beiden Materialiennoch einmal miteinander verglichen.

Abb. 3 zeigt noch ein anderes Beispielfür die Komplementarität der beiden Ma-terialien. Man kann das Feld von Abb. 2aauch erhalten, indem man die weichmag-netische Platte durch einen Magnetpol er-setzt, der durch Spiegelung an der Platteentsteht. Die Polladung des gespiegeltenPols muss das entgegengesetzte Vorzei-chen des ursprünglichen Pols haben. (Daselektrostatische Analogon nennt man eine„Spiegelladung“.)

Das Entsprechende kann man auch mitder supraleitenden Platte machen: Man er-setzt sie durch einen gespiegelten Pol. Nurmuss die Polladung diesmal dasselbe Vor-zeichen haben wie der Originalpol.

5 FlusserhaltungFür supraleitende Stromkreise ist der mag-netische Fluss eine Erhaltungsgröße. Wieist das zu verstehen? Wir betrachten einengeschlossenen supraleitenden Draht. Mankann nun mit dem Draht machen, wasman will: ihn beliebig verformen oder in

ein äußeres Magnetfeld bringen. Der mag-netische Fluss durch die Drahtschleife än-dert sich nicht; der Supraleiter lässt eineFluss änderung nicht zu. Wie kann er das?Wie wehrt er sich dagegen, dass der Flussabnimmt, wenn man die Drahtschleife soverformt, dass ihre Querschnittsflächeganz klein wird, und wie wehrt es sich da-gegen, dass der Fluss zunimmt, wenn mansie in ein Magnetfeld bringt? Er verändertden Strom so, dass der magnetische Fluss,der eigentlich austreten oder eindringenwollte, gerade wegkompensiert wird.

Um überhaupt einmal einen magneti-schen Fluss in die Leiterschleife hinein zubekommen, bringt man sie, solange sienoch normal leitend ist, in ein magneti-sches Feld und kühlt sie dann ab. Dabeiwird das Feld aus dem supraleitenden Ma-terial selbst herausgedrängt, nicht aber ausdem Bereich, den die Leiterschleife be-grenzt.

Man kann sich diese Eigenschaft ähn-lich vorstellen, wie jede andere Erhaltungeiner Größe. Vergleichen wir mit der elek-trischen Ladung. Wenn wir einen Raumbe-reich haben, dessen Begrenzung für dieelektrische Ladung undurchlässig ist, alsoeinen Metallkörper zum Beispiel, so bleibtdie Ladung im Körper konstant.

Wenn man nun eine Fläche hat, derenRand für den Transport von magnetischemFluss undurchlässig ist, so bleibt der Flussdurch die Fläche konstant.

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Abb. 3: Die magnetischen Spiegelladungen erzeugen dieselben Felder wie in Abbildung 2. (a) Das Vorzeichen der magnetischen Ladung wird umgekehrt; (b)das Vorzeichen wird nicht umgekehrt. Feldlinien: blau; Feldflächen: grün

NN

a) b)

SN

Tab. 2: Vergleich von Weichmagnet und Supraleiter

Supraleiter

verdrängt das magnetische Feld aus seinemInnern, indem er Ströme an der Oberflächebildet.Feldlinien umströmen die Oberfläche.

Feldflächen münden senkrecht auf die Ober-fläche ein und enden dort.

Weichmagnet

verdrängt das magnetische Feld aus seinemInnern, indem er Pole an der Oberfläche bil-det.Feldlinien münden senkrecht auf die Ober-fläche ein und enden dort.Feldflächen umströmen die Oberfläche.

37

Diese Flusserhaltung beruht allein dar-auf, dass der Supraleiter gut leitet. Sie trittdaher nicht nur bei Supraleitern auf, son-dern auch bei solchen nicht-supraleitendenSystemen, in denen der Energieverlustdurch Dissipation keine Rolle spielt. DiesenZustand kann man nicht nur dadurch errei-chen, dass man den Widerstand verkleinert,sondern auch dadurch, dass man denStromkreis geometrisch sehr groß macht.

Diese Tatsache ist so interessant, dasswir ihr noch etwas nachgehen wollen. Wirbetrachten einen RL-Kreis, Abb. 4. DerSchalter sei zunächst geschlossen, sodassein elektrischer Strom durch Spule undWiderstand fließt. Im magnetischen Feldder Spule ist Energie gespeichert. Wenn wirden Schalter öffnen, klingt der elektrischeStrom exponentiell ab; die Energie aus derSpule wird im Widerstand dissipiert. DieAbklingzeit berechnet sich zu:

Wir fragen nun nach dem Verhalten derAnordnung, wenn man sie geometrischvergrößert: Alle Längenmaße werden mitein und demselben Faktor k multipliziert.Wir kennzeichnen die Größen des vergrö-ßerten Stromkreises mit einem Strich. Ins-besondere fragen wir nach der neuen Ab-klingzeit

Nimmt sie zu, nimmt sie ab oder bleibtsie gleich? Aus dem Widerstand R, der sichberechnet zu

wird beim Vergrößern der Widerstand

Vergrößert man das Bauelement „Wi -derstand“ um einen Faktor zehn, so verrin-gert sich also der Wert von R auf 1/10.

Entsprechend findet man, wie die In-duktivität L skaliert

L’ = k L,

d. h. vergrößert man eine Spule um ei-nen Faktor zehn, so vergrößert sich die In-duktivität auf das Zehnfache.

Für die Abklingzeit erhalten wir damit

Die Abklingzeit des RL-Kreises wird alsomit dem Quadrat des Skalenfaktors k grö-

2'' .' /

k LL kR R k

= = =τ τ

2' .k RR

kk A= =

�ρ

RA

= ρ� ,

τ ' ''.= L

R

τ = LR

.

ßer. Ein Beispiel: Wir gehen aus von einemRL-Kreis in Laborgröße, mit einer Lineardi-mension von 0,1 m und einer Abklingzeitvon 1 ms. Die Induktivität braucht dabeigar nicht zu einer Spule zu gehören. Jedergeschlossene Stromkreis hat eine Indukti-vität und einen Widerstand. Wir vergrö-ßern diesen Stromkreis in Gedanken auf107 km, d.h. um einen Faktor 1011. Die Ab-klingzeit vergrößert sich dabei um denFaktor 1022, also auf etwa 3 ·1011 Jahre, alsoetwa 30 mal das Alter des Universums. Ge-schlossene Ströme von kosmischen Di-mensionen bleiben also für alle Zeitenkonstant. (Mit der Bezeichnung „kosmi-sche Dimension“ haben wir hier etwasübertrieben: 107 km entsprechen ja nichteinmal dem Durchmesser der Bahn derErde um die Sonne.)

Solche nicht abklingenden Strömesind für die kosmischen Magnetfelder ver-antwortlich. In ihnen bleibt der magneti-sche Fluss erhalten, und das führt zuinteressanten Erscheinungen. Speziell giltes auch für kollabierende Sterne. JederStern hat ein, wenn auch bescheidenes,magnetisches Feld. Wenn er nun in einerSupernova zusammenfällt, so werden dieStromkreise, die das magnetische Feldverursachen, geometrisch viel kleiner. DerFluss durch sie muss also stark kompri-miert werden – mit den bekannten Fol-gen. Das magnetische Feld eines Neutro-nensterns ist so konzentriert, dass ein Li-ter davon eine Masse von 1 kg habenkann.

Schließlich noch ein interessanter As-pekt der Flusserhaltung, der mit der Quan-tenphysik zu tun hat. Der magnetischeFluss durch einen geschlossenen supralei-tenden Stromkreis ist ein ganzzahligesVielfaches eines universellen Flussquan-tums:

Das klingt zunächst überraschend. DassMasse, Ladung und Drehimpuls quanti-siert sind, kann man sich vorstellen; sie ge-hören ja zu einem Teilchen oder Körper.

0 .2he

Φ =

Aber ein Fluss? Es ist nicht mehr so über-raschend, wenn man bedenkt, dass auchder elektrische Fluss quantisiert ist. Wir be-trachten ein Elektron. Seine Ladung hatden Wert e, also das Quantum der elektri-schen Ladung. Nun ist aber nach dem Sto-kes’schen Satz die Ladung gleich demFluss des elektrischen Feldes. Also ist nichtnur die Ladung, sondern auch der elektri-sche Fluss quantisiert. Die Flussquantisie-rung scheint also allgemein die elementa-rere Erscheinung zu sein.

6 AusblickWir haben uns auf dieso genannten Supra-leiter erster Art beschränkt, oder die„Meißnerphase”. Sie sind in gewisserWeise ideale Repräsentanten der Supralei-tung. Die Supraleiter zweiter und dritterArt (Shubnikov-Phase) unterscheiden sichvon denen erster Art darin, dass das mag-netische Feld in sie eindringen kann, im In-nern aber auf „Flussschläuche” konzen-triert ist. Zu diesen Materialien gehörenauch die Hochtemperatursupraleiter. IhrVerhältnis zu den Supraleitern erster Art istvergleichbar mit dem eines Hartmagnetenzum Weichmagneten.

7 SchlussbemerkungenFür den Unterricht können wir einige ein-fache Schlussfolgerungen ziehen:1. Zur Beschreibung der Magnetostatik

und der ferromagnetischen Erscheinun-gen benutze man nicht die magnetischeFlussdichte, sondern die magnetischeLadung, die Magnetisierung und diemagnetische Feldstärke.

2. Auch die magnetischen Eigenschaftenvon Supraleitern lassen sich dann leichtbeschreiben. Wie ein idealer Weichmag-net verdrängt ein Supraleiter das mag-netische Feld aus seinem Innern. Ermacht das, indem er elektrische Strömean seiner Oberfläche bildet. ■

Anschrift des VerfassersProf. Dr. Friedrich Herrmann, Institut für Theo-retische Festkörperphysik, KIT, 76128 Karlsruhe E-Mail: [email protected]

HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

Abb. 4: RL-Kreis

1 Energiestromdichte und EnergiedichteDer Poynting-Vektor

ist zur Beschreibung des Energieweges beielektromagnetischen Wellen geeignet. Fürseinen Betrag gilt:

man kann ihn als Energiestromdichte be-zeichnen. Da der Betrag des Poynting-Vek-tors an einem Ort mit der Zeit variiert, be-nutzt man den zeitlichen Mittelwert.

Außerdem benötigen wir die skalareGröße der

denn, wie wir sehen werden, kann dieEnergiestromdichte 0 Watt/m2 sein undtrotzdem im selben Raumbereich die Ener-giedichte groß sein.

Energiedichte = Energie

Volumen,

EnergieZeit Fläche⋅

,

� � �S x t E x t H x t( , ) ( , ) ( , )= ×

2 Technische AnwendungenKonzentratoren sollen möglichst viel Son-nenlicht auf die Röhren eines Solarkollek-tors leiten. Flutlichtanlagen sollen dasLicht der Lichtquellen möglichst gleichmä-ßig auf die Sportflächen bringen. Bürobe-leuchtungen sollen die Arbeitsbereiche derMitarbeiter mit den benötigten Lichtmen-gen versorgen, ohne dabei zu blenden. ImMuseum sollen gezielt die Exponate mitder richtigen Helligkeit beleuchtet werden.Daher ist es unser Ziel, uns mit dem Ener-giefluss in Lichtverteilungen allgemein zubeschäftigen.

3 Regeln für das Zeichnen und Interpretieren von Energiestrombildern

1. Energiestromlinien beginnen auf Licht-quellen und enden auf Absorbern(Abb. 1).Außerhalb der eingezeichneten Quel-len (Strahler) und Senken (Absorber)gibt es keine Divergenzen der Energie -strömung, d. h. kein Hinzukommenund kein Verschwinden von Energie -

strömung. Außerdem gilt die Energie -erhaltung.

2. Energiestromlinien durchkreuzen sichnicht (Abb. 2).Wie für alle Vektorgrößen muss auchdie Energiestromdichte an jedem Ort ei-nen definierten Wert haben: die vekto-rielle Summe der Einzelvektoren. Da-durch entsteht der dargestellte Verlaufder Energiestromlinien im Kreuzungs-bereich.

3. Jede Symmetrie der Objekte (u.a. Licht-quellen, Spiegel, Absorber) hat die glei-che Symmetrie im Energiestrombild zurFolge (Abb. 3).Wie bei elektrischen oder magnetischenFeldern findet sich auch in den Ener-giestrombildern die Symmetrie vonQuellen und Senken in der Symmetrieder Linienbilder wieder.

4. In unmittelbarer Nähe einer vollständigreflektierenden Oberfläche oder auch ei-ner vollständig streuenden, also wei-ßen Oberfläche verlaufen die Energie -stromlinien parallel zu dieser Fläche(Abb. 4).

38

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Energieströme im LichtH. M. Strauch

Abb. 1: Anfang und Ende von Energiestromlinien Abb. 2: Energiestromlinien durchkreuzen sich nicht. Abb. 3: Symmetrie im Energiestrombild

Abb. 4: Reflexion von Licht an einem ebenenSpiegel

Abb. 5: Energiestromlinien sind senkrecht zurOberfläche des Strahlers

Abb. 6: Licht in der Umgebung der Sonne

Absorber

Strahler

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HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

Die Regel gilt, weil keine Energie in dieFläche eintritt. Der Stromdichtevektordarf keine Komponente haben, die or-thogonal zur Oberfläche liegt.

5. An der Oberfläche eines Strahlers ver-laufen die Energiestromlinien senk-recht zu dieser Fläche, solange keine an-deren Körper oder entfernte Teile des-selben Körpers zum Lichtfeld an dieserStelle beitragen (Abb. 5). Dies ist eineKonsequenz der Symmetrieregel.

4 Software LightLab1

Der Benutzer platziert zunächst seine Sze-ne-Objekte. Das können gerade Objekte wie

Lambert’scher Strahler, Parallelstrahler,Spiegel bzw. Diffusor und Absorber oderkreisförmige Objekte wie Lambert’scherStrahler, Spiegel bzw. Diffusor und Absor-ber sein. Außerdem kann man die Sonneund Hintergrundstrahlung einfügen. Da-nach wird die Anordnung durchgerechnetund man hat bei der grafischen Darstellungdie Wahl zwischen der Energiestromdichte,repräsentiert durch Pfeile, Stromlinienoder einzelnen Stromlinien und der Ener-giedichte, dargestellt durch Kreise.

5 BeispieleLicht in der Umgebung der Sonne: Wäh-rend der Verlauf einiger ausgewählterLichtstrahlen so aussieht wie in der Abbil-dung 6, beschreibt die Abbildung 7 den Ver-lauf der Energiestromlinien.

Paralleles Lichtbündel, das auf einenSpiegel trifft: Im Durchdringungsgebietverlaufen die Energiestromlinien parallelzur Spiegeloberfläche, wie es Regel 4 erwar-ten lässt. Außerhalb haben Lichtstrahlen(Abb. 8) und Energiestromlinien (Abb. 9)dieselbe Gestalt.

Konvexe und konkave Lichtquelle: Beieiner konvexen Lichtquelle, wie in Abb. 10,„sieht“ ein Oberflächenelement kein ande-res. Daher ist Regel 5 anwendbar. Die Ener-giestromlinien treten senkrecht zur Ober-fläche aus. Dagegen „sehen“ Oberflächen-elemente bei einer konkaven Oberfläche,wie in Abb. 11, einander und die Energie -stromlinien treten nicht senkrecht aus derOberfläche.

Licht, das auf eine weiße Fläche oder aufeine Mattglasscheibe trifft: In der Abb. 12

Abb. 10: Konvexe Lichtquelle Abb. 11: Konkave Lichtquelle Abb. 12: Licht trifft auf weiße Fläche

Abb. 7: Energiestromlinien in der Umgebung derSonne

Abb. 8: Lichtstrahlen am Spiegel Abb. 9: Energiestromlinien am Spiegel

Abb. 13: Licht trifft auf Mattglasscheibe

Spiegel

Spiegel

Strahler

Strahler

Abb. 14: Streuung von Licht an reflektierenden Wänden

1 LightLab 2.0 kann kostenlos heruntergeladenwerden: www.physikdidaktik.uni-karlsruhe.de/software/index.html

Strahler

Mattglasscheibe

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trifft ein paralleles Lichtbündel auf einestreuende weiße Fläche. Dagegen trifft inder Abb. 13 Licht von einem flächigenStrahler auf eine Mattglasscheibe und wirdsowohl in Vorwärts- als auch in Rückwärts-richtung isotrop gestreut. Die Rückstreu-ung erkennt man am Zurückbiegen derStromlinien links von der Mattscheibe.

Gerades Rohr mit reflektierenden oderweißen Wänden: In den Abbn. 14 und 15geht das Licht vom gleichen flächigenStrahler links aus. Die Abb. 14a und 14b zei-gen die Streuung von Licht an reflektieren-den Wänden, während die beiden SkizzenAbb. 15a und 15b die Streuung von Licht anweißen Wänden zeigen. Dabei stellen je-weils die Abb. 14a und 15a die Energies-tromlinien dar und die Abb. 14b und 15bgeben die Energiestromdichte an. In bei-den Fällen ist das Stromlinienbild inner-halb des „Rohrs“ das eines homogenenFeldes. Obwohl in beiden Fällen das Lichtvom gleichen Strahler kommt, ist die Ener-giedichte deutlich verschieden. Im Fall derspiegelnden Wände ist sie entlang des„Rohrs“ konstant. Während sie bei den wei-ßen Wänden von links nach rechts ab-nimmt. Mit der geometrischen Optik kannman sagen, dass Licht zurückgestreut undvon der Quelle wieder absorbiert wird. Daszurückgestreute Licht trägt zur Energie-dichte bei, kompensiert aber teilweise denEnergiestrom.

Sonnenschein und Zimmer mit Fen-ster und Spiegel: Die Abb. 16 zeigt einekomplizierte Situation: Ein Zimmer mit ei-nem Fenster und einem Spiegel, Fußbo-den und Wände absorbieren und streuenunterschiedlich. Die Sonne steht 15° überdem Horizont. Vom Himmel kommt diffu-ses Licht.

6 Welchen Weg geht das Licht?Die Antwort hängt vom verwendeten Mo-dell ab. In der geometrischen Optik geltendie Aussagen: Die Lichtstrahlen geben denWeg des Lichts an oder Licht breitet sich ge-radlinig aus, Lichtstrahlen durchdringensich ungestört (verallgemeinert im Fer-mat‘schen Prinzip).

In der Wellenoptik gibt eine Linie, dieüberall orthogonal zu den Wellenfrontenverläuft, den Weg des Lichts an. Klare Wel-lenfronten gibt es bei ebenen Wellen undKugelwellen. Aber nicht mehr wenn solcheWellen miteinander interferieren. Geradein den interessantesten Situationen lässtsich also ein eindeutiger Lichtweg nichtangeben.

Zerlegt man in Gedanken das Licht in Si-nuswellen, dann hat das Licht an einemfesten Ort mehrere Bewegungsrichtungen.Wenn man die Welle entsprechend demHuygens‘schen Prinzip in Kugelwellen zer-legt, kommt das Licht auf unendlich vielenverschiedenen Wegen von A nach B, unddie Vorstellung vom Lichtweg wird ad ab-

Spiegel

Rückstreuung 80%

Rückstreuung 30%

Sonnenlicht 15° über den Horizontund diffuses Licht vom Himmel

Abb. 16: Licht im Zimmer mit Fenster und Spiegel

Strahler

Streuer

Streuer

Strahler

Abb. 15: Streuung von Licht an weißen Wänden

surdum geführt. Die Quantenphysik sagt,dass die Frage nach der Bahnkurve derPhotonen keinen Sinn hat.

Daher schlagen wir ein weiteres Modellvor: Repräsentant des Lichts ist seine Ener-gie. Den Weg des Lichts geben die Stromli-nien der Energie an. Die Energiedichtever-teilung beschreibt, wo sich wie viel Lichtbefindet, an der Energiestromverteilungerkennen wir, welchen Weg das Licht geht.

Die Beschreibung des Lichts durch Ener-giestromfelder kann man als natürliche Er-gänzung der geometrischen Optik undWellenoptik ansehen. ■

Für den UnterrichtDie Behandlung von Energieströmen imLicht relativiert Aussagen wie• Licht besteht aus Strahlen, oder • Licht besteht aus Photonen.

Anschrift des Verfassers:Hans M. Strauch, Kurfürst-Ruprecht-Gymn.,Landwehrstr. 22, 67433 Neustadt an der Wein-straße, E-Mail: [email protected]

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1 Die Schrödinger-Gleichung und dasElektroniumWir wissen, dass ein Atom in seinemGrundzustand nicht strahlt. Anderseitskreist nach dem Bohr’schen Atommodellein punktförmiges Elektron um den Kernund müsste deshalb strahlen, es sei denn,man setzt die Gesetze der Elektrodynamikmittels eines Postulats außer Kraft. Zudemmüsste ein Wasserstoffatom wegen derDrehimpulserhaltung flach sein. Folgtman der Born’schen Deutung der Quanten-physik, so bewegt sich ein als ein Punkt ge-dachtes Elektron um den Kern. Mit einerBewegung verknüpfen wir aber unwillkür-lich den Begriff einer Bahn, die es nichtgibt; sie sich vorzustellen ist regelrecht ver-boten. Dies sind alles Gründe, warum wiruns schwer tun, uns ein Bild von einemAtom zu machen. Wir wollen hier ein Mo-dell vorstellen, das uns ein solches Bildvermittelt, das aber anders als das Bohr-sche Atommodell, in Einklang mit derElektrodynamik steht und dabei zeigt,wann eine Hülle strahlt und wann nicht,warum und unter welchen Bedingungendie Hülle eines Atoms Drehimpuls und einmagnetisches Moment besitzt: das Elek -troniummodell [1]. Im Folgenden werdenwir uns auf die Beschreibung der Hülle desWasserstoffatoms beschränken.

Das Elektroniummodell basiert auf derSchrödinger-Gleichung

(1)

und ihren Lösungen ψ(r�). Diese Lösungensind komplexwertig und deshalb einer

( , ) ( ) ( , )2

i r t V r r tt mψ ψ∂ ⎛ ⎞= − Δ+⎜ ⎟∂ ⎝ ⎠

� � � ��

Messung nicht zugänglich. Aus jeder Lö-sung lassen sich zwei Funktionen ρ(r�, t)und j

�(r�, t) mit

(2)

und

(3)

gewinnen1, die über Gleichung (4) mitein-ander verknüpft sind. Diese hat die Formeiner Kontinuitätsgleichung [2].

(4)

Die Multiplikation von ρ und j�

mit e, derLadung eines Elektrons, bzw. m, der Masseeines Elektrons, liefert

bzw.

zwei Kontinuitätsgleichungen, eine für dieLadung und eine weitere für die Masse. Ih-nen zufolge dürfen wir uns ein Elektronwie einen Stoff vorstellen, der um den Kerndes Atoms verteilt ist. Seine Dichte und da-mit die der Ladung und der Masse hängenvon Ort und Zeit ab. Wenn sich die Dichtean ein einer Stelle ändert, dann strömtElektronium zu ihr hin oder von ihr weg, jenachdem, ob die Dichte zu- oder abnimmt.Wir interpretieren also Gleichung (4) aufdie gleiche Weise, wie man es gewöhnlichbei der elektrischen Ladung tut (siehe Ar-tikel von M. Pohlig in diesem Heft: Richtungvon Strömen und dessen, was strömt). Abb. 1zeigt die Verteilung des Elektroniums in ei-

∗ ∗= ∇ − ∇� � ( )

2 ij

my y y y

div 0mmjdt

ρ∂+ =

div 0eejdt

ρ∂+ =

div 0jdtρ∂+ =

r y y∗=

ner angeregten Hülle eines Wasserstoffa-toms. Die Bereiche höherer Dichte sind rotmarkiert. Am Rand des grün markiertenBereichs ist die Dichte auf 10% ihres Maxi-malwertes gesunken. Die Bänder mit denPfeilen deuten das Strömen des Elektroni-ums an.

2 Manchmal strahlt die Hülle nichtDie speziellen Lösungen der Schrödinger-Gleichung für die Wasserstoffhülle habendie Form

(5)

Sie beschreiben Zustände, die man Eigen-zustände nennt und die durch Werte derEnergie, den sogenannten Energie-Eigen-werten, charakterisiert sind. Nimmt manalle speziellen Lösungen, es sind abzählbarunendlich viele, so besitzt man ein voll-ständiges Funktionensystem, d.h., jede Li-nearkombination, die man aus den spe-ziellen Lösungen bilden kann, ist ebenfallsLösung der Schrödinger-Gleichung. Esheißt aber auch: Jede Funktion, die mansich vorstellen kann, ist Lösung der Schrö-dinger-Gleichung und lässt sich durch einegeeignet gewählte Linearkombination vonspeziellen Lösungen darstellen. Welche Ei-genschaft zeichnet die speziellen Lösun-gen vor allen anderen Lösungen aus? Umdies herauszufinden, setzen wir Gleichung(5) in die Gleichungen (2) und (3) ein:

Für ρ und j�

erhalten wir Ausdrücke, die zei-tunabhängig sind. Das Aussehen der Hül-le verändert sich mit der Zeit also nicht,weshalb man diese Zustände auch statio-

()

( )

( )2

( ) ( )2

( ) ( )

( ) ( ) ( ) ( )2

k k

k k

i iE t E tk k

i iE t E tk k

k k k k

jmi

u r e e u rmi

u r e e u r

u r u r u r u rmi

ψ ψ ψ ψ∗ ∗

+ −∗

− + ∗

∗ ∗

=

= ⋅ ∇

− ⋅ ∇

= ∇ − ∇

� �

� �

� �

� ��

� �

� � � ��

∇ − ∇

ρ ψ ψ=

= ⋅

= ⋅

∗ + −

( , ) ( , )

( ) ( )

( ) (

� �

� �

�� �

r t r t

u r e u r e

u r uk

E tk

E t

k k

k ki i

��r )

ψ ( , ) ( ) .� � �r t u r ek

E tk=− i

Ströme in der AtomhülleM. Pohlig

1 ρ und j�

werden gewöhnlich Wahrscheinlichkeits-dichte und Wahrscheinlichkeitsstromdichte ge-nannt. Mit diesen Namen verbindet man eine be-stimmte Vorstellung von Quantenobjekten: Siesind punktförmig, und ρ(r�, t) gibt die Wahr-scheinlichkeit an, das Quantenobjekt zu einer be-stimmten Zeit an einem bestimmten Ort anzu-treffen, den es allerdings erst zum Zeitpunkt derMessung einnimmt. Mit dem Elektroniummodellwollen wir ρ und j

�eine anschaulichere Deutung

geben.

Abb. 1: Elektroniumverteilung in einem angereg-ten Zustand der Wasserstoffhülle

när nennt. Ist j�(r�) überall 0, dann ist offen-

sichtlich, dass die Hülle nicht strahlt. Wen-den wir uns also dem Fall zu, in dem j

�(r�)

nicht Null ist. Es strömt dann an eine Stel-le genauso viel Elektronium hin wie von ihrweg, sodass die Dichte sich an eben dieserStelle nicht ändert. Eine solche Situationhaben wir z.B., wenn das Elektronium umeine Achse durch den Kern rotiert (vgl.dazu Abb. 1). Auch in diesem Fall strahltdie Hülle nicht. Warum? Das „kreisende“Elektronium können wir uns in lauter sta-tionäre Kreisströme zerlegt denken.(Abb. 2 zeigt einen solchen Kreisstrom). Dahier überall

ist, strahlt ein stationärer Strom und damitdie Hülle nicht; so lehrt es die Elektrodyna-mik. Ganz anders im Bohr’schen Atommo-dell: Hier kreist mit dem Elektron ein „La-dungspaket“ um den Kern und stellt einenstrahlenden Dipol dar,

ist nicht Null (Abb. 3). Hier fordert dieElektrodynamik, dass die Hülle strahlt.Man braucht Postulate, die die Elektrody-namik außer Kraft setzen, um das Nicht-strahlen „begründen“ zu können.

Die stationären Kreisströme erklärenaber noch etwas anderes: Jeder zeitlichkonstante Kreisstrom erzeugt ein zeitlichkonstantes Magnetfeld, die Hülle besitztein magnetisches Moment. Da Elektro-nium auch Masse hat, hat die Hülle aucheinen Drehimpuls.

∂∂

�Bt

0Bt∂

=∂

3 Manchmal strahlt die HülleNeben den Eigenzuständen interessierenuns auch Überlagerungszustände der Hül-le. Die ψ -Funktion eines Überlagerungszu-standes ist im einfachsten Fall eine Linear-kombination aus zwei stationären Lösun-gen2:

(6)

Wir verzichten auf eine Rechnung und ge-ben die Dichtefunktion direkt an:

Obwohl es sich bei ψAB(r�, t) um die Überla-gerung zweier stationärer Zustände han-delt, schwingt die Dichteverteilung desElektroniums mit einer Frequenz ω, die al-lein durch die Energiewerte der ZuständeψA(r�, t) und ψB(r�, t) bestimmt wird. Abb. 4zeigt eine Folge von Momentaufnahmeneines Überlagerungszustandes ψAB. Über-lagert sind hier 60% Anteil des ZustandesA und 40% Anteil des Zustandes B.

Die Ladung strömt periodisch, sie oszil-liert wie die Ladung einer normalen Dipol-antenne. Die Hülle strahlt. Die elektromag-

0 1( , ) ( ) ( )sin( )

.

AB

A B

r t C r C r tE E

ρ ω

ω

= +−

=

� � �

i i

( , ) ( , ) ( , )

( ) ( ) .k k

AB A A B B

E t E tA A B B

r t c r t c r t

c u r e c u r e

ψ ψ ψ

− −

= +

= +� �

� � �

� �

netische Welle, die die Hülle verlässt, trägtEnergie mit sich weg. Also müssen sich dieAnteile der beiden Zustände ψA und ψB än-dern. Der Anteil des energiereicheren Zu-standesψA nimmt ab und der des energie-ärmeren Zustandes ψB nimmt zu, sodassdie Gesamtenergie der Hülle in dem Maßeabnimmt, wie die Hülle Energie abstrahlt.Die Elektrodynamik fordert also, dass auseiner Überlagerung von zwei Zuständenmit unterschiedlichen Energieeigenwerteneine Folge von Überlagerungen wird, beidenen der Anteil des energieärmeren Zu-stands auf Kosten des energiereicheren zu-nimmt. Abb. 5 zeigt einen solchen Über-gang von Zustand (2, 1, 0) zu Zustand (1, 0,0).

4 ZusammenfassungIm Elektroniummodell besteht die Hülleeines Atoms aus einem kontinuierlichen,in der Nähe des Kerns verteilten Stoff, derim Allgemeinen auch strömt. Wir nennendiesen Stoff Elektronium. Stationäre Strö-me des Elektroniums erklären magneti-sches Moment und Drehimpuls der Hülle.In Einklang mit der Elektrodynamik erklä-ren sie, wann die Hülle strahlt und wannnicht. Ein Bohr’sches Postulat wird nichtbenötigt. ■

42

PdN PHYSIK in der Schule / παντα ρηει – Alles fließt HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012

Abb. 2: Bei einem stationären Kreisstrom ist diemagnetische Flussdichte konstant

Abb. 3: Bei einem kreisenden „Ladungspaket“ än-dert sich die magnetische Flussdichte

Abb. 4: Folge von Momentaufnahmen einer Überlagerung der der stationären Zustände (210)3 [60%] und (100) [40%]. Das letzte Bild ist mit dem erstenidentisch. Die ersten vier Bilder sind also Momentaufnahmen einer zeitlichen Periode.

3 (2, 1, 0) zeigt die Werte der Quantenzahlen n, lund m, also n = 0, l = 1 und m = 0.

2 Die beiden Vorfaktoren cA und cB in Gl (6) regelndie Anteile, mit denen die stationären Zuständeüberlagert werden. Sie sind aber nicht frei wähl-bar, sie müssen so aufeinander abgestimmt sein,dass die Dichte über den ganzen Raum integriertden Wert 1 ergibt, denn die Hülle eines Wasser-stoffatoms enthält ein Elektron. Man könnteauch sagen, sie enthält genau eine Elementarpor-tion Elektronium.

43

HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

Literatur[1] P. Bronner, H. Hauptmann, F. Herrmann;Wie sieht ein Atom aus; PdN-PhiS 2/55; AulisVerlag[2] L.D. Landau, E. M. Lifschitz; Lehrbuch dertheoretischen Physik III, Quantenmechanik;Akademieverlag Berlin 1979 [3] F. Herrmann, P. Bronner, H. Hauptmann, D. Roth; http://www.physikdidaktik.uni-karlsruhe.de/software/hydrogenlab/elektronium/HTML/einleitung_hauptseite_de.html; Aulis 2005

Anschrift des VerfassersStD Michael Pohlig, Institut für TheoretischeFestkörperphysik, KIT, 76128 Karlsruhe, E-Mail: [email protected]. 5: Übergang (210)→(100)

1 EinleitungIm folgenden Aufsatz soll die Frage behan-delt werden: Wie verhalten sich elektrischeund magnetische Felder beim Bezugssys-temwechsel? Und wie kann man die auftre-tenden Felder in ihrem jeweiligen Bezugs-system mit den Maxwellgleichungen erklä-ren, d.h. was sind die Quellen dieser Felder?

Es ist leicht einzusehen, dass beim Be-zugssystemwechsel neue Felder auftretenkönnen. Betrachtet man eine statische La-dungsanordnung mit ihrem elektrischenFeld in einem Bezugssystem, das sich gegendie Anordnung bewegt, so erhält man einenkonvektiven elektrischen Strom1. Dieser istvon einem magnetischen Feld umgeben,das im Ruhesystem nicht vorhanden war.Magnetfeld und elektrische Stromdichteentstehen erst beim Bezugssystemwechsel.

Allgemein transformieren sich bei ei-nem Bezugssystemwechsel elektrische Fel-der in magnetische Felder und umgekehrt.Das zeigt, dass es sich bei elektrischen undmagnetischen Feldern nicht um verschie-dene physikalische Systeme, sondern zweiAspekte des gleichen Systems handelt,dessen Komponenten vom Bezugssystem

Elektrische Strom- und Ladungs dichtebeim Wechsel des Bezugssystems

H. Hauptmann

1 Siehe hierzu auch den Artikel „Konduktive undkonvektive Ströme“ von P. Schmälzle in diesemHeft.

j

Abb. 1: (a) Spule mit quadratischem Querschnitt, (b) Spulenquerschnitt und Magnetfeld (blau) vonoben gesehen.

a) b)

abhängig sind. Es handelt sich dabei umeinen relativistischen Effekt.

Tatsächlich finden sich die entspre-chenden Transformationsgleichungenbe reits in der ersten Veröffentlichung zurRelativitätstheorie, Albert Einsteins Auf-satz „Zur Elektrodynamik bewegter Kör-per“ aus dem Jahr 1905 [1]. Wie der Titelzeigt, war die Fragestellung des Aufsatzessogar der Ausgangspunkt der Relativi-tätstheorie.

2 Transformationsgleichungen fürelektromagnetische FelderIn einer in Bezug auf die Schreibweise mo-dernisierten Form lauten sie:

( ) ( )

( ) ( )

2

2

'1

'1

E E v B E

H H v D H

γγ β βγ

γγ β βγ

= + × − ⋅+

= − × − ⋅+

� �� � ��

� �� � � ��

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PdN PHYSIK in der Schule / παντα ρηει – Alles fließt HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012

Die gestrichenen Größen sind dabei dieFeldstärken in dem Bezugssystem, dassich gegenüber dem Ausgangssystem mitder Geschwindigkeit v� bewegt. Die unge-strichenen Größen sind die Feldstärken,Flussdichte und Verschiebung im ur-sprünglichen System, β und γ die in der Re-lativitätstheorie häufig verwendeten Ab-kürzungen

Für kleine Geschwindigkeiten v� erhältman übersichtlichere, nicht-relativistischeNäherungen2:

3 Ein quadratisches elektrisches FeldIm Folgenden soll ein überraschendes Bei-spiel für die Transformation der Felder dis-kutiert werden. Betrachtet wird eine un-endlich lange Spule mit quadratischemQuerschnitt, Abb. 1a. Statt einer Draht-wicklung kann man sich auch flächigeStröme vorstellen.Im Ruhesystem der Spule beobachtet mankein elektrisches Feld, da die Spule insge-samt elektrisch neutral ist. Das magneti-sche Feld ist auf das Spuleninnere be-schränkt. Dort ist es homogen, und dieFeldlinien zeigen entlang der Spulenachse

� � � �

� � � �E E v B

H H v D

'

'

= + ×

= − ×

2

1,1

vc

β γβ

= =−

��.

von unten nach oben, Abb. 1b. In der Spu-lenwand nimmt das magnetische Feldgleichmäßig auf Null ab.

Wir betrachten diese Spule nun in ei-nem Bezugssystem, das sich mit der Ge-schwindigkeit v� nach rechts bewegt. In die-sem Bezugssystem bewegt sich die Spulealso mit der Geschwindigkeit – v� nachlinks. Die Geschwindigkeit soll klein gegendie Lichtgeschwindigkeit sein, sodass wirdie Felder im neuen Bezugssystem mit dennicht-relativistischen Näherungen bestim-men können.

Da es ursprünglich keine elektrischeFeldkomponente gab, erhalten wir im neu-en Bezugssystem dasselbe magnetischeFeld wie vorher, als die Spule in Ruhe war.

Für das elektrische Feld gilt das nicht.Mit E

�' = E

�+ ( v� × B

�) = ( v� × B

�) erhält man ein

elektrisches Feld, wo vorher keines war.Dieses Feld ist auf einen quadratischenRaumbereich im Inneren der Spule be-schränkt und dort homogen. Die Feldli-nien beginnen und enden auf den Spulen-flächen, die parallel zur Bewegungsrich-tung liegen, Abb. 2a. Auch hier nimmt daselektrische Feld in der Spulenwand gleich-mäßig auf Null ab.

4 Die Quellen des quadratischen elektrischen FeldesDie Gestalt des elektrischen Feldes istüberraschend, und man fragt sich, wiekann dieses Feld mithilfe der Maxwellglei-chungen erklärt werden?

Da die Feldlinien in den parallel zur Be-wegungsrichtung liegenden Spulenrän-dern beginnen und enden, ist dort gemäßder 3. Maxwell-Gleichung

die elektrische Ladungsdichte ungleichNull, d.h. dort befinden sich Flussquellen

e

0div E =�

ερ

[2, 3]. Diese sind im Spulenrand gleichmä-ßig verteilt, Abb. 2b.

In den Spulenrändern senkrecht zur Be-wegungsrichtung enden die Orthogonal-flächen des elektrischen Feldes. Dort befin-den sich Wirbelquellen des Feldes, entspre-chend der 2. Maxwell-Gleichung

Auch diese sind gleichmäßig im Spu-lenrand verteilt, Abb. 2c.

Die Herkunft der Wirbelquellen istleicht zu verstehen durch die Magnetfeld-änderung an den Spulenrändern in Bewe-gungsrichtung der Spule.

Das Auftauchen der elektrischen La-dungsdichten im oberen und unteren Spu-lenrand der ursprünglich neutralen Spuleist überraschender und nur mithilfe derRelativitätstheorie zu erklären. Neben denelektrischen und magnetischen Felderntransformieren sich beim Bezugssystem-wechsel auch die Werte der elektrischen La-dungsdichte und der Stromdichte. Die La-dungsdichte und die drei Komponentender Stromdichte bilden in der Relativitäts-theorie einen Vierervektor, dessen Kompo-nenten bezugssystemabhängig sind. D.h.,im Allgemeinen behalten weder Ladungs-noch Stromdichte beim Bezugssystem-wechsel ihre Werte bei.

Anschaulich ist das Auftreten der vonNull verschiedenen Ladungsdichte durchdie unterschiedliche Längenkontraktionfür die positiven und negativen Ladungs-träger im Spulenrand zu verstehen. Da derelektrische Strom im oberen und unterenSpulenrand in Richtung der Bewegungfließt, bewegen sich die positiven und ne-gativen Ladungsträger dort unterschied-lich schnell und erfahren dadurch beim Be-zugssystemwechsel eine unterschiedlicheLängenkontraktion. ■

rot �

�E B

t= − ∂

∂.

Abb. 2: (a) Spulenquerschnitt von oben gesehen mit E-Feldlinien (rot) und Orthogonalflächen (grün) im bewegten Bezugssystem, (b) Vergrößerung des oberen Spulenrands mit Flussquellen (elektrische Ladungsdichte) des elektrischen Feldes, (c) Vergrößerung des rechten Spulenrands mit Wirbelquellen(Magnetfeldänderung).

a) b) c)

2 Diese Näherungen kann man mit den Mittelnder Schulphysik plausibel machen. Betrachtetman ein geladenes Teilchen, das sich mit der Ge-schwindigkeit v� in einem Magnetfeld der Fluss-dichte B

�bewegt, so spürt es die Lorentzkraft

F�

L = Q ( v� × B�

). Im Ruhesystem des Teilchens wirddie Kraft durch ein elektrisches Feld aufgebracht,das dann die Feldstärke E

�' = ( v� × B

�) besitzen

muss.

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HEFT 1 / 61. JAHRGANG / 2012 παντα ρηει – Alles fließt / PdN PHYSIK in der Schule

Literatur[1] Albert Einstein: Zur Elektrodynamik beweg-ter Körper, Annalen der Physik Band 17 (1905),S. 891-921[2] H. Hauptmann, F. Herrmann, M. Suleder:

Analogien in der Elektrodynamik mit FieldLab,PdN-Ph. 4/49 (2000), S. 39-45[3] F. Herrmann, H. Hauptmann, M. Suleder:Representations of electric and magnetic fields,Am. J. Phys. 68 (2000), S. 171-174

Anschrift des VerfassersDr. Holger Hauptmann, Europa-Gymnasium Wörth, Forststr. 1,76744 WörthE-Mail: [email protected]

1 Spät entdeckte IdentitätDie Physik hat mehrere Male deshalb einengroßen Fortschritt erlebt, weil sich heraus-stellte, dass zwei Erscheinungen, die manzunächst für verschieden und voneinanderunabhängig gehalten hatte, identisch sind.

Newton erkannte, dass auf der Erde einGegenstand aus demselben Grund nachunten fällt, aus dem sich der Mond auf sei-ner Bahn um die Erde und die Erde auf ih-rer Bahn um die Sonne bewegt.

Man fand, dass die elektrischen und diemagnetischen Erscheinungen, die zu-nächst nichts miteinander zu tun zu habenschienen, eng miteinander zusammen-hängen. Elektrische und magnetische Fel-der gehen bei Bezugssystemwechsel inein-ander über. Es handelt sich also bei beidenum dasselbe physikalische System, dasman heute elektromagnetisches Feldnennt.

Boltzmann hatte für die Entropie S dieFormel

eingeführt. Shannon schlug 1948 für die Da-tenmenge H den Ausdruck

vor. Kurz darauf wurde gezeigt, dass S undH (bis auf einen konstanten Faktor) diesel-be Größe sind.

Die Masse ist seit der Antike bekannt,die Energie etwa seit Mitte des 19. Jahrhun-derts. 1905 zeigte Einstein, dass es sich beibeiden (bis auf einen konstanten Faktor)um ein und dieselbe Größe handelt.

Die vier Wechselwirkungen manifestie-ren sich auf verschiedene Art. Es schiensich dabei zunächst um voneinander unab-hängige Naturphänomene zu handeln.Aufgrund der modernen Experimente wur-den im Standardmodell der Teilchenphy-

H f p pii

i= − ∑ ld bit

S k p pii

i= − ∑ ln

sik drei davon zu einer einzigen zu-sammengefasst. Man sieht: Das Musterzieht sich durch die ganze Entwicklung derPhysik. Es ist ein Glück, dass es so ist; dassdie Kompliziertheit, die durch neue Entde-ckungen zunächst entsteht, durch eineStruktur auf höherer Ebene wieder zu einerneuen Ordnung führt. Dabei war es nichtimmer leicht, sich an die jeweils neue Über-einstimmung oder Identität zu gewöhnen.

2 Energiestromdichte gleich ImpulsdichteMit den Beispielen im vorigen Abschnittwollten wir die Leser und Leserinnen emp-fänglich für eine weitere, weniger bekann-te Identität machen. Wir formulieren siezunächst noch etwas ungenau: Von einemkonstanten Faktor abgesehen gilt, dassEnergiestrom gleich Impuls ist.

Wie kann das sein? Wir betrachten einenlangen zylinderförmigen Körper, der sichin Richtung der Zylinderachse bewegt.(Man kann sich auch eine Flüssigkeit vor-stellen, die in einem Rohr strömt.)

Zunächst anschaulich: Da nach E = m c2

Energie gleich Masse ist, ist jeder Energie-strom auch ein Massestrom. Jeder Masse-strom oder jeder bewegte Körper hatSchwung – und das heißt Impuls.

Den mathematischen Zusammenhangbekommen wir, indem wir mithilfe der Ein-stein’schen Energie-Masse-Äquivalenz dieStärke des Energiestroms durch die Mas-senstromstärke Im ausdrücken:

P = Im c2.

Die Energiestromdichte j�

E ist dann gleich

j�

E = j�

m c2,

wo j�

m die Massenstromdichte ist.Die Massenstromdichte wiederum drü-

cken wir durch Massendichte und Ge-

schwindigkeit aus: j�

m = ρm v� . Damit wird

j�

E = ρm v� c2. (1)

Nun zum Impuls p = m v. Wir bilden dieImpulsdichte

(2)

Aus den Gleichungen (1) und (2) folgt

j�

E = ρ�p c2. (3)

Die Energiestromdichte ist also bis auf ei-nen Faktor c2 gleich der Impulsdichte.

Die Beziehung ist so universell, wie dieEnergie-Masse-Äquivalenz. Für RT-Spezia-listinnen und -Spezialisten: Die Gültigkeitvon Gleichung (3) äußert sich auch in derTatsache, dass der Energie-Impuls-Tensorsymmetrisch ist.

Wir wollen Gleichung (3) noch auf dieelektromagnetische Strahlung anwenden.Man lernt die Energiestromdichte gewöhn-lich als Poynting-Vektor kennen:

Daraus folgt mit Gleichung (3) die Impuls-dichte

eine in der Elektrodynamik bekannte Be-ziehung. Immer wenn elektrische undmagnetische Feldstärke von null verschie-den und nicht parallel zueinander sind, hatdas elektromagnetische Feld Impuls. ■

Anschriften der Verfasser:Prof. Dr. Friedrich Herrmann, StD Michael Pohlig, Institut für Theoretische Festkörperphysik, KIT, 76128 Karlsruhe E-Mail: [email protected]: [email protected]

� � ��ρ ρp m

pV

m vV

v= = = .

2 ,pE Hc

ρ ×=

� ��

� � �j E HE = × .

Energiestrom und ImpulsEin universeller Zusammenhang zwischen den Größen

F. Herrmann und M. Pohlig