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Fl¨ acheninhalt, Volumen und Integral Prof. Herbert Koch Mathematisches Institut - Universit¨ at Bonn Sch¨ ulerwoche 2011 Hausdorff Center for Mathematics Donnerstag, der 08. September 2011

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Flacheninhalt, Volumen und IntegralProf. Herbert Koch

Mathematisches Institut - Universitat Bonn

Schulerwoche 2011Hausdorff Center for Mathematics

Donnerstag, der 08. September 2011

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Inhaltsverzeichnis

1 Der Flacheninhalt 31.1 Fragen und Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Erste Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.3 Das Paradoxon von Banach und Tarski 1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.4 Eigenschaften von Flachen und Volumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.5 Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2 Das Volumen 52.1 Das Prinzip von Cavalieri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2 Gaußsche Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.3 4 Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

3 Ubungsaufgaben 83.1 Erstes Tutorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83.2 Zweites Tutorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

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1 Der Flacheninhalt

1.1 Fragen und MotivationZiel der Vorlesung ist eine kritische und konstruktive Auseinandersetzung mit dem Begriff derFlache, des Volumens und der Weglange. Wir grunden die Uberlegungen auf grundlegenden Eigen-schaften. Der konstruktive Aspekt ist wesentlich: Wir bestimmen den Flacheninhalt verschiedenerMengen und definieren und approximieren den Flacheninhalt der Einheitskreisscheibe π.

1. Was verstehen wir unter Flache und Volumen?

2. Welche Eigenschaften haben Flachen und Volumen?

3. Konnen wir Flachen und Volumen bestimmen? Was ist das Volumen der Kugel mit Radius1?

4. Was konnen wir mit dem Wissen anfangen?

1.2 Erste Eigenschaften1. Die Flache eines Rechtecks ist das Produkt der Kantenlangen.

2. Sind die Mengen U ⊂ R2 und V ⊂ R2 disjunkt, so ist der Flacheninhalt der VereinigungSumme der Flacheninhalte.

3. Ist U eine Teilmenge von V so ist der Flacheninhalt von U nicht großer als der Flacheninhaltvon V .

Konsequenzen:

1. Die Flache eines Dreiecks ist 12 mal die Lange einer Kante mal die Hohe.

2. Die Flache eines Polygons laßt sich durch die Summe der Flachen von Dreiecken berechnen.

3. Frage: Ist das eindeutig?

4. Die Flache eines Kreises (falls der Kreis eine Flache hat) liegt zwischen der Flache eineseingeschriebenen n Ecks und der des umschriebenen n Ecks.

5. Verfahren von Archimedes (287-212 v.Chr:) basierend auf der Ausschopfungsmethode vonEudoxos von Knidos (ca 385 v. Chr. -340 v- Chr.) Sei sn die Kantenlange des in den Ein-heitskreis eingeschriebenen n Ecks. So ist ist s6 = 1 und nach Phythagoras (sn/2)2 + x2

n = 1s2

2n = (1− xn)2 + (sn/2)2 = 1−√

1− (sn/2)2 + (sn/2)2.

Wir definieren die Flache einer Menge C in der folgenden Situation: Es gebe Polyeder Aj ⊂ Aj+1and Dj+1 ⊂ Dj mit Aj ⊂ C ⊂ Dj fur j = 1, . . . und die Flache von Dj\Aj gehe gegen Null. Danndefinieren wir die Flache von C als den Limes der Flachen von Aj .

Mit dieser Definition sehen wir:

1. Wir definieren die Flache der Einheitskreisscheibe durch das Verfahren des Archimedes.

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2. Wir konnen π durch das Verfahren des Archimedes approximieren.

Statt der ersten Normalisierung (durch die Flache des Rechtecks) konnen wir fordern:

1. Der Flacheninhalt des Quadrats ist 1.

2. Der Flacheninhalt andert sich nicht wenn wir Mengen verschieben.

3. Der Flacheninhalt andert sich nicht, wenn wir Mengen drehen.

Die dritte Forderung folgt aus der zweiten Forderung. Wir konnen nun leicht weitere Folgerungenableiten:

Der Flacheninhalt der Kreisscheibe mit Radius 2 ist das vierfache der Flache der Kreisscheibevom Radius 1. Der Flacheninhalt von Linien ist Null.

Im 20.ten Jahrhundert gab es wesentliche Entwicklungen von Henri Lebesgue (1875-1941), dieunseren heutigen Inhaltsbegriff und Integralbegriff pragen.

1.3 Das Paradoxon von Banach und Tarski 1924Warum sind wir so vorsichtig bei der Definition des Flacheninhalts? Wir konnen analog das Volumendreidimensionaler Korper, oder sogar beliebigdimensionaler Korper definieren.

Es gibt nun folgendes Kugelparadoxon von Stefan Banach ( 1892-1945) und Alfred Tarski (1902-1983): Eine Kugel vom Radius 1 kann man in 6 Teile zerlegen, die man wiederum zu zwei Kugelvom Radius 1 zusammensetzen kann.

Konsequenz: Nicht allen Mengen kann man ein Volumen mit guten Eigenschaften zuordnen.Aber: Dem Kreis laßt sich ein Flacheninhalt zuordnen.

1.4 Eigenschaften von Flachen und VolumenFlacheninhalte skalieren sich mit dem Quadrat und die Volumina mit der dritten Potenz des Ska-lierungsfaktors. Zum Beispiel hat des Quadrat mit der Seitenlange 2 die Flacheninhalt 4 und dieKugel mit Radius 2 das achtfache Volumen der Kugel mit Radius 1.

Beispiel: Die Monde des Hippokrates (um 450 v. Chr.)

1.5 IntegralDas Integral misst die Flache zwischen x Achse und Graph einer nichtnegativen Funktion.

Beispiel:

π

4 =∫ 1

0

√1− x2dx

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2 Das Volumen

Wir bestimmen das Volumen diverser Korper einschließlich der Kugel.Wir gehen genauso wie bei der Flache vor. Das Volumen eines Quaders ist das Produkt der

Kantenlangen.Einen Quader kann man in zwei Prismen unterteilen, deren Volumen daher die Halfte des Quaders

ist.Ein Tetraeder ist ein Korper mit vier Ecken. Ein Prisma uber einem Dreieck kann man in 3

Tetraeder unterteilen.

2.1 Das Prinzip von CavalieriZwei Korper besitzen dasselbe Volumen, wenn ihre Schnittflachen zu einer Grundebene in entspre-chenden Hohen den gleichen Flacheninhalt haben.

Wir betrachten ein Prisma uber einem Dreieck und unterteilen es in 3 Tetraeder. Diese Tetraederhaben jeweils das gleiche Volumen. Es folgt:

Satz 2.1.1. Das Volumen eines Tetraeders ist 1/3 der Grundflache mal der Hohe.

Das gilt allgemeiner. Sei C ⊂ R2 eine Menge mit Flacheninhalt A und sei C ein Kegel der Hoheh uber A. Dann ist das Volumen von C

13Ah.

Beispiel: Halbkugel und Zylinder.Wir betrachten die Halbkugel der Kugel mit Radius 1. Der Schnitt auf der Hohe h ist eine

Kreisscheibe mit Radiusr′ =

√1− h2

und Flacheninhaltπ(r′)2 = π(1− h2).

Wir betrachten jetzt einen Zylinder gleicher Grundflache, aus dem ein Kegel herausgeschnittenist.

Schnitt auf Hohe h:π − πh2 = π(1− h2)

Das Volumen der Halbkugel stimmt also nach dem Prinzip von Cavalieri mit dem Volumen desZylinders uberein, aus dem ein Kegel herausgeschnitten ist. Der Zylinder hat das Volumen π, derKegel 1

3π und daher

π − 13π = 2

3π.

Satz 2.1.2. Das Volume der Kugel mit Radius 1 ist 43π.

Mit der Kenntnis der Flacheninhalte der Schnitte kann man das Volumen als Integral schreiben.Satz von Fubini: Das Volumen eines Korpers ist gegeben durch die Integration uber die Flacheninhalte

der Schnittflachen.

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2.2 Gaußsche IntegraleWir betrachten zunachst den Flacheninhalt der Menge

C = {(x, y) : 0 < y < e−x2}.

Den Flacheninhalt nennen wir I. Er kann durch das Integral∫ ∞−∞

e−x2dx

ausdruckt werden. Die Stammfunktion der Gaußschen Funktion e−x2 kann jedoch nicht angegebenwerden. Wir wollen den Flacheninhalt bestimmen.

Wir konnen die Menge C durch senkrechte Rechtecke ausschopfen. Das entspricht der Definitiondes Integrals. Wir konnen die Menge auch durch horizontale Rechtecke ausschopfen. Das fuhrt aufdie uneigentlichen Integral

2∫ 1

0(− ln(t))1/2dt = 2

∫ ∞0

s1/2e−sds =∫ ∞

0s−1/2e−sds

wobei wir einmal mit t = e−s substituiert und einmal partiell integriert haben.Wir betrachten jetzt

A = {(x, y, z) : 0 < z < e−x2−y2}

-2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2x -2

-1.5-1

-0.5 0

0.5 1

1.5 2

y

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9

1

z

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1

Der Schnitt mit z = h, 0 < h < 1 ist eine Kreisscheibe mit Radius√− ln h

als ist das Volumen nach Fubini∫ 1

0π(− ln h)dh = π

∫ ∞0

te−tdt = π. (2.1)

Fur das erste Gleichheitszeichen haben wir die Koordinaten vertauscht.

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Der Schnitt von A mit der Ebene y = h ist

{(x, z) : 0 ≤ z ≤ e−h2e−x2}

mit dem Flacheninhalte−h2

∫e−x2

dx = e−h2I.

Also ist das Volumen der Menge A nach dem Satz von Fubini

π =∫ ∞−∞

e−h2dh ∗ I = I2.

Wir bekommen

Satz 2.2.1. ∫ ∞−∞

e−x2 =√π.

2.3 4 DimensionenWir bezeichnen das vierdimensionale Volumen der vierdimensionalen Einheitskugel mit ω4. Sei

B = {w, x, y, z : 0 < z < e−w2−x2−y2}.

Wir bezeichen das 3 bzw 4 dimensionale Volumen der 3 bzw 4 dimensionalen Einheitkugel mit ω3bzw ω4.

Genauso wie in zwei Dimensionen ist das vierdimensionale Volumen durch das Integral

ω3

∫ ∞0

h3/2e−hdh = 32ω3

∫ ∞0

s1/2e−sds = 32

12√πω3

und4 dim Vol (B) =

∫e−h2

dh Vol A = π3/2.

Damit erhalten wir wiederω3 = 4

Eine Dimension hoher giltω4

∫ ∞0

h2e−hdh = 2ω4 = I4 = π2

undω1 = 2, ω2 = π, ω3 = 4

3π, ω4 = 12π

2.

Satz 2.3.1. Das vierdimensionale Volumen der vierdimensionalen Einheitskugel ist

ω4 = 12π

2.

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3 Ubungsaufgaben

3.1 Erstes TutoriumAufgabe 3.1.1. Warum hangt der Flacheninhalt eines Polygons nicht von der Zerlegung in Drei-ecke ab? Argumentiere.

Aufgabe 3.1.2. Warum hat eine Strecke den Flacheninhalt 0. Argumentiere.

Aufgabe 3.1.3. Bestimme den Flacheninhalt des gleichmaßigen Dreiecks, des Quadrates, desFunfecks und des Sechsecks, jeweils mit Kantenlange 1.

Aufgabe 3.1.4. Eine Ellipse ist eine Menge, die durch

{(x, y) : |(x− x0)/a|2 + |(y − y0)/b|2 ≤ 1}

beschrieben wird. (x0, y0) ist der Mittelpunkt, a und b sind die Radien. Skizziere die Ellipse mitMittelpunkt (0, 0), a = 1 und b = 2.Bestimme den Flacheninhalt der Ellipse.Hinweis: Vergleiche Approximationen durch Polygone mit der Approximation des Kreises durchPolygone.

Aufgabe 3.1.5. An das regelmaßige Sechseck mit Seitenlange 1 werden abwechselnd Quadrate undDreiecke gelegt.Wie groß ist der gesamte Flacheninhalt?

Aufgabe 3.1.6. Die Flacheninhalte der vier Dreiecke in Abb. 1 sind A0, A2, A3. A0 ist rechtwink-lig. Die Anderen Dreiecke sind gleichseitig. Welche der Folgenden Aussagen gilt:

1. A21 +A2

2 = A23

2. A1 +A2 = A33. A1 +A2 +A3 = 3A34. A1 +A2 =

√2A3

5. 3A0 + 2A1 = A2 +A3

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3.2 Zweites TutoriumAufgabe 3.2.1. Es seien drei Halbkreise gegeben, EFBA sei ein Rechteck und E und F seien dieMittelpunkte der unteren Hakbkreise. Die Radien betragen jeweils 2 cm.Wie groß ist der Flacheninhalt des oberen Kreises?

1. 7 cm2

2. 8 cm2

3. (2π) cm2

4. (2π + 1) cm2

5. (2π + 2) cm2

Aufgabe 3.2.2. Konstruiere die Tetraeder, deren Bauplane Du im Anhang findest. Die Tetraederdieser Bauplane lassen sich zu einem halben Wurfel zusammensetzen.

Aufgabe 3.2.3. Bestimme das Volumen des gleichseitigen Tetraeders mit Kantenlange 1.

Aufgabe 3.2.4. Ein Polyeder ist ein Korper, der durch Polygone begrenzt ist. Kann man einenPolyeder in Tetraeder zerlegen?

Aufgabe 3.2.5. Bestimme das Volumen des Oktoeders. Der Oktoeder ist durch 8 gleichseitigeDreieckes berandet.

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