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Einführung in die Plasmaphysik Vorlesungsskript K.- D. Harms, A. Stampa Universität - Gesamthochschule Essen, WS 97/98

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Einführung in die PlasmaphysikVorlesungsskript

K.- D. Harms, A. Stampa

Universität - Gesamthochschule Essen, WS 97/98

InhaltKAPITEL A: Einleitung

Seite

1. Was ist Plasma? 5a) Erste Näherung 5b) Quasineutralität 6

α) Kraft bei Ladungstrennung 6β) Debye - Abschirmung 7γ) Plasmafrequenz 9δ) Ladungstrennung durch thermische Energie 9

2. Geschichtliches 113. Entstehung von Plasmen 12

a) Plasmaerzeugung durch Teilchenstrahlen 12b) Ionisationsgleichgewicht 12

4. Verschiedene Plasmen 13a) Astrophysikalische Plasmen 13b) Laborplasmen 14

KAPITEL B: Einteilchenbewegung

1. Einleitung 162. Bewegung in homogenen, konstanten Feldern 16

a) Homogenes, konstantes Magnetfeld 16b) - Drift 20E × B

2. Erhaltungssätze 22a) Energieerhaltung 22b) Inhomogene Felder mit Symmetrien, Impulserhaltungssätze 23

α) Lagrangefunktion 23β)Translationssymmetrie 24γ) Rotationssymmetrie 25

δ) Magnetische Flußfunktion 253. Magnetisches Moment 26

a) Magnetisches Moment des kreisenden Elektrons 26b) Die adiabatische Invarianz von µa 27c) Der magnetische Spiegel 29

4. Bewegung im inhomogenen Magnetfeld, Driftnäherung 33a) Mittelung der Bewegungsgleichung 33b) Energieerhaltungssatz 35c) Driftgeschwindigkeiten 36

5. Teilcheneinschluß 38a) Einleitung 38b) Der axialsymmetrische Plasmatorus, Geometrie und Koordinaten 39c) Plasma im rein toroidalen Feld 39d) Torus mit toroidalem und poloidalem Feld 40

α) Die Felder 40β) Die Flußfunktion 41γ) Teilchenbahnen 42

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KAPITEL C: Das hydrodynamische Modell

1. Einleitung 452. Grundgleichungen 45

a) Bewegungsgleichung 45b) Das Ohmsche Gesetz 48c) Kontinuitätsgleichung 49d) Maxwellgleichungen 50

3. Diffusion des Magnetfeldes 51a) Diffusionsgleichung 51b) Eindringtiefe 52c) Magnetische Reynoldszahl 55

4. Gleichgewicht 57a) Grundgleichungen 57b) Magnetischer Druck 58c) Einschluß eines zylindrischen Plasmas 60d) Die Benett - Gleichung 62e) Gleichgewicht im Torus 63f) Instabilitäten 64

5. Anwendungen aus der Dynamik 65a) Kompressions Alfvénwelle 65b) Der MHD Generator 68c) Der selbsterregte Dynamo 69

KAPITEL D: Wellen im kalten, homogenen Plasma

1. Einleitung 71a) Warum Plasmawellen? 71

2. Grundlagen 71a) Maxwellgleichungen 71b) Gleichgewicht 72c) Linearisierung 72d) Exponentialansatz 73e) Bewegungsgleichung 74f) Zusammenfassung 75

3. Wellen im magnetfeldfreien Plasma 75a) Berechnung von j 75b) Longitudinale Wellen 76c) Transversale Wellen 77

4. Magnetisiertes Plasma 79a) Berechnung von j 79b) Gleichungssystem für die Komponenten von E 80c) Der Spezalfall der Alfvénwellen 82d) Allgemeine Dispersionsrelation 85e) Polarisationsverhältnis 86

5. Ausbreitung senkrecht zu B 87a) Die O - Welle 87b) Die X - Welle 87

6. Ausbreitung parallel zu B 91a) Plasmaschwingung 91b) L - und R - Welle 91

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c) Der Faradayeffekt 93d)Ausbreitung unter beliebigem Winkel zum Magnetfeld 95

7. Anwendungen 98a) Reflexion in der Ionosphäre, (Radio Echolotung) 98b) Diagnostik über den Brechungsindex 100

KAPITEL E: Atomare Prozesse1. Einleitung 1072. Wirkungsquerschnitte 1083. Coulombstöße 110

a) Nullte Näherung 110b) Stöße mit schwacher Ablenkung 112

4. Anwendungen 116a) Runaway Elektronen 116b) Relaxationszeiten 117c) Elektrische Leitfähigkeit 119d) Allgemeine Transportgleichung 120e) Diffusion 122

5. Diagnostik durch Stoßprozesse 128a) Einleitung 128b) Strom - Spannungscharakteristik 128

6. Das Ionisationsgleichgewicht 130a) Die Sahagleichung 130b) Gleichgewichtsbegriffe 133c) Anwendungen 135

KAPITEL F: Niedertemperaturplasmen

1. Einleitung 137a) Was sind Niedertemperaturplasmen 137b) Klassifikation 138

2. Die Townsendentladung 139a) Einleitung 139b) Die Charakteristik 139c) Die Ladungsträgerbilanz 141d) Das U3/2 - Gesetz 142

3. Die Glimmentladung 143a) Phänomenologie 143b) Mechanismus 144c) Teilchenbilanzen 146d) Änderung der Parameter 146e) Ähnlichkeitsgesetze 146f) Modifizierte Glimmentladungen 148

4. Der Lichtbogen 149a) Charakterisierung 149b) Bogentypen 150c) spezielle Bögen 150d) Elektrische Stabilisierung 153e) Bogentheorie 155f) Der unipolare Bogen 158

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5. Hochfrequenzplasmen 162a) Einleitung 162b) Das Problem der Energieeinkopplung 163c) Induktive Plasmaquellen 165d) Kapazitive Plasmaquellen 166e) Mikrowellenentladung 170

KAPITEL G: Kinetische Theorie1. Verteilungsfunktion 172

a) Definitionen 172b) Momente der Verteilungsfunktion 173c) Beispiel: Drucktensor bei Vorliegen einer Maxwellverteilung 176

2. Die kinetische Gleichung 177a) Die Teilchenbilanz 177b) Der Satz von Liouville 178c) Boltzman - und Vlasov - Gleichung 179

3. Die Momentengleichungen 182a) Kontinuitätsgleichung 183b) Bewegungsgleichung 184c) Der 5 - und der 13 - Momentenansatz 185

4. Die linearisierte Vlasov - Gleichung 187a) Zeitunabhängige Vlasov - Gleichung 187b) Die linearisierte Vlasov - Gleichung mit B0 = 0 188c) Exponentialansatz 188d) Die Dispersionsfunktion 190e) Lösung von Gleichung (G.22) 190f) Der Fall Im(ω) < 0 (Landaudämpfung) 194g) Interpretation 195h) Die Plasmadispersionsfunktion 196

KAPITEL H: Anhang1. Eine analytische Lösung für eine Teilchenbahn im inhomogenen Magnetfeld 1982. Kontrollierte Kernfusion 203

a) Einleitung 203b) Kernphysikalische Grundlagen 203c) Minimalkriterien 205d) Techniken zum Plasmaeinschluß 207

3. Die Grad - Shafranov Gleichung 211a) Einleitung 211b) Die Flußfunktion Ψ und die Stromfunktion I 211c) Zurückführen der Ströme und Felder auf Ψ und I 212d) Die Gleichgewichtsgleichung 213e) Axialsymmetrischer Einschluß ohne toroidalen Plasmastrom? 215

f ) Das Solovev - Gleichgewicht 2154. Berechnung der Plasmaleitfähigkeit über den Fokker - Planck Stoßterm 217

a) Geschwindigkeits - Relaxationszeit 217b) Zusammenhang von Relaxationszeit und Leitfähigkeit 217c) Berechnung von faR 218

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KAPITEL A

Einleitung

1. Was ist Plasma?

a) Erste Näherung

Wenn man einen Körper erhitzt, durchläuft er nacheinander die Phasen fest, flüssig, gasförmig.

Bei weiterer Erhitzung fängt das Gas zu leuchten an, die Moleküle werden dissoziiert,

angeregt, schließlich ionisiert. Ein solches ionisierte Gas nennt man auch ein Plasma. Vielleicht

haben die alten Griechen bei ihren „Elementen“ Erde, Wasser, Luft an die drei

Aggregatzustände fest, flüssig, gasförmig gedacht. In diesem Zusammenhang bietet es sich an,

Plasma als den vierten Aggregatzustand zu bezeichnen (Feuer). Man muß allerdings bedenken,

daß der Begriff „Phasenübergang“, also der Übergang von einem in den anderen

Aggregatzustand in der Physik relativ fest umrissen ist: Es ändern sich bestimmte, einen Stoff

charakterisierende Parameter sprunghaft. Dies ist beim Übergang vom Gas in den

Plasmazustand nicht der Fall. Trotzdem hat ein genügend ionisiertes Gas ein qualitativ anderes

Verhalten als ein kaltes Gas. Dieses Verhalten hängt mit der Leitfähigkeit des Plasmas

zusammen: Es können Ströme fließen, die ein Magnetfeld erzeugen, das wiederum die

Teilchenbewegung beeinflußt.

In erster Näherung bezeichnen wir als Plasma also ein Gas, das geladene Teilchen enthält, die

sich merklich beeinflussen. Um die charakteristischen Eigenschaften eines Plasmas genauer zu

umreißen, muß man sie gegen die von einzelnen geladenen Teilchen abgrenzen. Der

Unterschied wird deutlich bei der Konstruktion eines Beschleunigers. Bei einem

Teilchenbeschleuniger wird das Vakuumfeld so ausgelegt, daß ein einzelnes Teilchen die

gewünschte Bahn durchläuft. Bei einem Plasmabeschleuniger ist dies nicht möglich. Im

Plasma, das beschleunigt werden soll, fließen Ströme, die das Vakuumfeld merklich verzerren.

Stellt man sich z.B. als Modell eine Flüssigkeit mit unendlicher Leitfähigkeit vor, so würde

wegen und U = 0 der Fluß erhalten bleiben, d.h. das Magnetfeld kann nicht in dasU = −•Φ

Plasma eindringen. Das Magnetfeld „verbiegt“ so, daß es außerhalb vom Plasma vorbeirutscht.

Diese Verbiegung beruht auf Zusatzfeldern, die durch die Ströme im Plasma erzeugt werden.

Der Unterschied zwischen beiden Fällen ist der, daß in einem Fall das Vakuumfeld maßgebend

ist, im anderen das selbstkonsistente Feld, d.h. das Feld, das von den äußeren Strömen und der

Bewegung der Teilchen erzeugt wird, die wiederum vom Feld abhängt.

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b) Quasineutralität

α) Kraft bei Ladungstrennung

In einem Gas aus gleich vielen positiven und negativen Teilchen sorgen die elektrostatischen

Kräfte zwischen den Teilchen für einen Ausgleich der Ladungen. Um ein Bild von der Größe

dieser Kräfte zu bekommen, betrachten wir ein Plasma, in dem irgendwelche Größen sich nur

entlang einer Richtung ändern, dies sei die x-Richtung, im übrigen gilt

.∂∂y

= ∂∂z

= 0

Das Plasma hat eine geschichtete Struktur: innerhalb jeder Schicht sind alle physikalischen

Größen konstant, während sie von Schicht zu Schicht variieren dürfen. Die Ionen bilden einen

Hintergrund mit konstanter Teilchenzahldichte n. Im ungestörten Fall sei diese identisch mit

der Elektronendichte ne.

Abb. A.1: Eindimensionales Plasmamodell. Vor einem

festen, homogenen Ionenhintergrund bewegen sich die

Elektronen in x - Richtung, wobei sie in Schichten

angeordnet sind, die in der y - z Ebene liegen. Schichten

dürfen sich nicht überholen.

Die Elektronen sind aber beweglich, so daß ne im allgemeinen eine Funktion von x ist: ne(x).

Die Elektronen mögen an einer Stelle des unendlich ausgedehnten Plasmas um eine Strecke x

komprimiert werden, während die Ionen fest bleiben mögen. Wenn der die Kompression

verursachende Kolben im Gleichgewichtsfall bei x = 0 liegt, befindet sich nach der

Verschiebung um ∆x in dem vergrößerten Volumenteil eine Ladung

ne0∆V = ne0A∆x

Wie sich die verschobenen Elektronen in x-Richtung verteilen, ist dabei völlig belanglos, wenn

nur darauf geachtet wird, daß sich verschobene Schichten nicht überholen. Die Feldstärke ist

nach dem Gaußschen Satz, da aus den Seitenflächen wegen der Symmetrie kein Fluß austritt

und im unendlichen das Feld E = 0 sein soll

AE(∆x) =ρε0

= e0nε0

∆x

6

A.1E(∆x) = e0nε0

∆x

Beispiel: n = 1014cm-3, ∆x = 1mm, 1/4πε0 = 9 109Vm/As, e0 = 1,6 10-19As

E = 4π9 ⋅ 109 ⋅ 1, 6 ⋅ 10−19 ⋅ 1020 ⋅ 10−3 = 1, 6 ⋅ 109V/m

Es wäre eine praktisch nicht realisierbare Feldstärke notwendig. Entsprechend gigantisch sind

die notwendigen Kräfte und Energien.

β) Debye-Abschirmung

Bringt man in ein Plasma eine zusätzliche Ladung, so verschieben sich die Ladungen des

Plasmas in der Umgebung so, daß in einer gewissen Entfernung das Störfeld abgeschirmt ist.

Die Strecke, auf der das Störfeld auf 0 abfällt, nennt man Debyelänge. Sie hängt von der

Temperatur der abschirmenden Teilchen ab. Die Lage ist ähnlich wie in der Erdatmosphäre.

Bei T = 0 würde die gesamte Atmosphäre am Erdboden liegen. Bei endlichem T ergibt sich

eine endliche Dicke der Atmosphäre aus den zwei entgegengesetzten Tendenzen:

Erdanziehung und Diffusion. Die Diffusion, die von der Temperatur abhängt, wirkt der

Erdanziehung entgegen. Um die Schichtdicke im Plasma zu ermitteln, greifen wir auf unser

obiges eindimensionales Problem zurück. Als Störung wird an der Stelle x = 0 ein bestimmtes

Potential ϕ0 angelegt. Es wird nach dem selbstkonsistenten Potentialverlauf ϕ(x) gefragt, der

sich ergibt, wenn sich die Elektronen frei in dem Potential, das sie selbst beeinflussen,

bewegen.

Ausgehend von den Maxwellschen Gleichungen hat man

divE = dEdx

= (ni − ne)e0ε0

gradϕ =dϕdx

= −E

nach Elimination von E ergibt sich die Poissongleichung: d2ϕ

2= −(ni − ne)

e0ε0

Die Teilchendichte in dem selbstkonsistenten Feld ist durch die Boltzmannformel gegeben

ne = ne−qeϕ/kT

(qe = - e0 ist die Ladung des Elektrons )

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d2ϕ2

= −e0ε0

(n − nee0ϕ/kT) = −e0nε0

(1 − ee0ϕ/kT)

(A.2)d2ϕdx2

= −e0nε0

(1 − ee0ϕ/kT)

Falls << 1, wird hieraus e0ϕkT

d2ϕdx2

=e0

2nϕε0kT

mit der Lösung ϕ = ϕ 0e±x/λD

mit (A.3)λD2 = ε0kT

e02n

Bei muß das Potential verschwinden. Dies schließt in jeder Halbebene eine derx = ±∞Lösungen aus. Als Potentialverlauf ergibt sich

Abb. A.2: Der Potentialverlauf im Plasma in der

Umgebung einer Störung bei x = 0.

ϕ = ϕ 0e− x /λD

λD ist die Debye-Länge. Eine Faustformel für die Debye-Länge ist

λDcm = 6, 9 T/K

n/cm−3

In Bereichen L>>λD herrscht Neutralität. Damit man von einem Plasma sprechen kann, muß

L>>λD gelten, wobei L eine charakteristische Länge ist. Wenn keine kleinere Länge wichtig ist,

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setzt man für L die Ausdehnung des Plasmas ein. Man sagt, das Plasma ist quasineutral und

meint damit, es können ne und ni in Randbezirken von der Ausdehnung der Debyelänge

verschieden sein oder in Bereichen L<<λD bei thermischen Fluktuationen des Plasmas. Da sehr

viele Teilchen vorliegen, kann bei einer prozentual geringen Abweichung von ne und ni ein

elektrisches Feld erzeugt werden. E-Felder und die damit verknüpften Ströme und B-Felder

spielen für die Plasmadynamik eine entscheidende Rolle, während die Abweichungen von ne

und ni keine Rolle spielen. In den meisten Fällen kann man die Plasmadynamik ohne

Betrachtung der Ladungsdichte behandeln. Die Ladungsdichte ergibt sich als letzter Schritt

aus der Poisson-Gleichung . Die Schwierigkeit bei dem Begriff QuasineutralitätdivE =ρε0

besteht darin, daß man in manchen Problemen ne = ni setzen darf, in anderen nicht.

γ) Plasmafrequenz

Nach A.1 erfahren aus der Gleichgewichtslage bewegte Elektronen eine elastische Kraft. Die

Bewegungsgleichung für ein solches Elektron ist

−e02nε0

∆x = me∆••x

Es ergibt sich also eine harmonische Schwingung der Frequenz

(A4)ωp2 = ne0

2

meε0

Man nennt diese Schwingung die Plasmaschwingung und ihre Frequenz die Plasmafrequenz.

δ) Ladungstrennung durch thermische Energie

Um die Entfernung abzuschätzen, über die aufgrund der thermischen Bewegung eine

Ladungstrennung erfolgen kann, setzen wir die Energie, die man für eine Trennung der

Ladungen um x benötigt, gleich der thermischen Energie

Wq ≈ 12

F∆x = 12

eE∆x, E = neε0

∆x

→ Wq = ne2

2ε0∆x2

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Setzt man wird Wq = 12

kT ∆x2 = ε0kT2

Die thermische Bewegung kann also eine kurzzeitige Ladungstrennung über Distanzen der

Größe der Debyelänge erzeugen.

Man erkennt an dieser Abschätzung, daß die Näherung nicht erfüllt ist. Bei dereϕkT

<< 1

Berechnung des Schichtpotentials oben muß also streng genommen die Poissongleichung (A2)

exakt gelöst werden. Dies ist numerisch leicht möglich. Man normiert ϕ auf ϕ0 = kT/e:

ϕ´=ϕ/ϕ0 und x auf eine Größe x0 so, daß der Vorfaktor in der Poissongleichung 1 wird. Es

stellt sich heraus, daß für x0 die Debyelänge gewählt werden muß: x0 = ε0kT

e02n

Die Poissongleichung für dimensionslose Größen ϕ´ und x´= x/x0 heißt dann

(A5)d2ϕ /

dx /2= −

1 − eϕ /

Als Anfang für den ersten Rechenschritt nimmt man am besten die asymptotische Lösung

(eϕ << kT), die weit außerhalb des Maximums gilt. Die Rechnung zeigt, daß die Abweichung

von dieser Lösung von der asymptotischen im Maximum die Kurve etwa 20 % beträgt.

Man kann auch, ohne die numerische Rechnung im einzelnen durchzuführen, sehen, daß die

Halbwertsbreite von der Größenordnung der Debyelänge ist. Dazu stellen wir uns vor, wir

stellen die Lösung unserer Gleichung (A.5) graphisch dar und lesen die Halbwertsbreite x´1/2

ab. Die wahre Halbwertbreite ergibt sich dann wegen der Normierung x´ = x/x0 , x0 = λD , zu

x1/2 = x´1/2λD, unterscheidet sich also von der Debyelänge nur um einen konstanten Faktor.

Dieser wird, da unsere Ausgangsgleichung A3 keine anderen charakterischen Längen aufweist

von der Größenordnung 1 sein.

Abb. A.3: In dimensionslosen Koordinaten wird die Halbwerts-

breite der Verteilung bei 1 liegen.

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Die Zeitdauer der Ladungstrennung durch thermische Bewegung schätzt man ab über

.t = ε0kTne2

/ kTme

= ε0me

ne2= 1

ωp

Die Bedingung, daß sich viele Teilchen in der Debye-Kugel befinden müssen, ist identisch mit

der Aussage, daß die Wechselwirkungsenergie zwischen den Teilchen klein ist, d.h. das die

Näherung eines idealen Gases gemacht werden kann.

Abstand zweier Teilchen: r0 ≈

1n

1/3

Wechselwirkungsenergie: Epot = e2

4πε0r0= e2n1/3

4πε0

aus Epot << 1 folgt dann e2n1/3

4πε0<< kT

Durch Potenzieren rechts und links um 3/2 erhält man

nλD3 >> 1

Zusammenfassend kann man also sagen: Ein Plasma ist ein Gas, das geladene Teilchen

enthält, das quasineutral ist (L >> λD), kollektives Verhalten zeigt (νp >> νc) und viele

Teilchen in der Debyekugel enthält (nλD3 >> 1).

νp >> νc stellt sicher, daß Schwingungen mit der Plasmafrequenz (νp) nicht durch Stöße

(Stoßfrequenz νc) gedämpft werden.

2. Geschichtliches

Gilbert (1544 - 1603) erkannte die Leitfähigkeit von Flammen. Er zeigte experimentell, daß

ein geladener Körper über eine Flamme entladen, ein ungeladener über eine Flamme geladen

werden kann. Franklin (1706 - 1790) experimentierte mit atmosphärischer Ladung und zeigte,

daß ein Blitz physikalisch ein Funke ist. Faraday (1791 - 1867) entdeckte die Glimmentladung.

Er machte sich Gedanken über die Beeinflussung von Meeresströmungen durch das

Erdmagnetfeld. Alfvén (1942) gründete die kosmische Elektrodynamik. Der Name „Plasma“

wurde von Tonks und Langmuir 1928 eingeführt. Von Tonks und Langmuir stammt auch der

Begriff der Schicht am Plasmarand sowie die Methode der Diagnostik von Plasmadaten mit

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Hilfe von Sonden. Die Plasmaphysik hat einen starken Aufschwung, der im Jahre 1955

begann, erfahren, als die Forschung zur kontrollierten Kernfusion aus der Zensur entlassen

wurde. Sie wird bis heute im weltweiten Verband fortgeführt.

Abb. A.4: Plasmaerzeugung durch Elektronenstoß in

einer Entladungsröhre

3. Entstehung von Plasmen

Plasmen entstehen aus neutralen Gasen durch Stoßionisation: Beim Stoß eines Elektrons oder

Photons mit einem neutralen Atom entsteht ein geladener Kern und ein freies Elektron.

a) Plasmaerzeugung durch Teilchenstrahlen

Die ionisierenden Teilchen können als Strahlen in das Gas eintreten, z.B. als

Elektronenstrahlen, die aus einer Glühkathode austreten. Hierbei kommt es nicht so sehr auf

die hohe Energie der Elektronen als auf ihre große Stromdichte an. Man benutzt speziell

behandelte Elektroden, z.B. in der sogenannten Buckett-Source eine Lanthan-Kathode.

Verbreitete Plasmen dieser Art sind Leuchtstofflampen. Man spricht dann auch von

unselbständigen Entladungen im Gegensatz zu den selbständigen, bei denen der

Elektronenstrom durch Bombardement der Elektroden durch die Entladung selbst erzeugt

wird. Beispiele sind der Lichtbogen, etwa der Kohlebogen, der für Projektionszwecke benutzt

wird, oder der Schweißbogen. Im Weltraum ist das Nordlicht ein Plasma, daß durch

Teilchenbeschuß der oberen Atmosphäre erzeugt wird. Die Quelle der Teilchen ist hier die

Sonne. HII Regionen sind Gebiete, die ionisierten Wasserstoff enthalten und in der Umgebung

von jungen Sternen liegen, die mit ihrer Strahlung das Plasma erzeugen. Da Licht mit der

Wellenlänge 1µm eine Photonenenergie von etwa 1 eV besitzt, Wasserstoff eine

Ionisierungsenergie von 13,5 eV, liegt die Wellenlänge der erforderlichen Strahlung im fernen

Ultraviolett.

b) Ionisationsgleichgewicht

Außer durch Strahlen kann ein Plasma durch Wärmezufuhr, etwa wie in einer Flamme, erzeugt

werden. Man hat dann Zusammenstöße durch die thermische Bewegung von Teilchen. Die

häufigsten ionisierenden Stöße im Plasma erfolgen durch Elektronen

e− + A←→ A+ + 2e−

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Die Umkehrreaktion, bei der zwei Elektronen mit einem geladenen Teilchen zusammenstoßen

und ein neutrales Atom und ein freies Elektron ergeben, kommt im thermischen Gleichgewicht

genau so häufig vor wie die Stoßionisation. (Die Zweierstoß-Rekombination, an der nur ein

Elektron beteiligt ist, findet dagegen deutlich seltener statt, da es unwahrscheinlich ist, daß ein

Elektron genau den korrekten Impuls und die korrekte Energie mitbringt, die - wegen der

diskreten Energieniveaus von A - erforderlich ist).

Die Ionisationsrate ist: ,dn0

dt= C(T)n0ne

die Rekominationsrate: dni

dt= C(T)nine

2

Im thermischen Gleichgewicht muß gelten daraus folgt: dn0

dt= dni

dtC(T)n0ne = C(T)nine

2

also:

ninen0

= S(T)

Abb. A.5: Zunahme des Ionisationsgrades mit der Tempe-

ratur nach der Sahagleichung

Diese Gleichung heißt die Saha-Formel. Die genaue Form von S(T) wird später (Kap. E)

abgeleitet. Für Abschätzungen kann - mit Vorsicht! - die Faustformel

(A6)nenin0

= 2, 4 ⋅ 1015T3/2e−Ei /kT

benutzt werden. Ei ist die Ionisierungsenergie des betrachteten Stoffes. In Gl. (A6) müssen die

Dichten in cm-3, die Elektronentemperatur in K gemessen werden. Qualitativ hängt der

Ionisationsgrad von T wie in Abb. A.5 dargestellt ab. Man beachte, daß schon für kT < Ei das

Gas praktisch vollständig ionisiert sein kann.

4. Verschiedene Plasmen

a) Astrophysikalische Plasmen

Die Welt besteht zum überwiegenden Teil aus Plasma. Sowohl die Sterne als auch der

zwischen den Sternen liegende Raum ist mit Plasma ausgefüllt, wobei die charakteristischen

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Parameter, wie Plasmadichte und -temperatur sich um viele Größenordnungen unterscheiden

können. Es ist klar, daß für die einzelnen Bereiche sehr unterschiedliche Plasmamodelle

erforderlich sind. Das gleiche gilt für die verschiedenen Bereiche in einem Stern und in seiner

Umgebung, z.B. für die Sonne hat man das Sonneninnere, die Konvektionszone, die

Photosphäre, Korona, den interplanetaren Raum. Von der Sonne geht ein kontinuierlicher

Teilchenstrom aus, überlagert von Eruptionsprodukten. Bei der Erdbahn hat der ruhige solare

Wind ungefähr eine Teilchendichte von ne = 10cm-3, eine Temperatur Ti = 105 K, eine

Debyelänge λD = 10m, eine freie Weglänge λ= 109 m. Durch Wechselwirkung dieses solaren

Windes mit dem Erdmagnetfeld entsteht eine Reihe interessanter Effekte: eine Stoßfront

(„stoßfreie Stoßwelle“) von der Erde aus in Richtung auf die Sonne zu; ein Schwanz in

Richtung von der Sonne fort, Gürtel mit hoher Teilchendichte in der Nähe der Erde (van

Allen-Gürtel) und Nordlichter. Kometenschwänze entstehen durch Wechselwirkung des

Sonnenwindes mit den Kometenkernen. Spezielle Probleme der Plasmaphysik gibt es im

Zusammenhang mit Pulsaren, Neutronensternen und bei der Erzeugung von Magnetfeldern.

b) Laborplasmen

Die häufigste Anwendung im Labor finden Flammen- und Gasentladungsplasmen. Flammen

erfüllen die Voraussetzungen für ein Plasma nur marginal. Sie werden vor allem in der Chemie

Abb. A.6: Stromrichtung im z- und ϑ−Pinch

angewandt. Gasentladungen sind vor allem Glimmentladungen und Bogenentladungen. Ihr

Verhalten ist meist durch einen Hintergrund von neutralem Gas bestimmt. Man nutzt entweder

ihr Leuchtvermögen aus wie in Lampen und Lasern, oder ihre hohe Temperatur und damit die

hohe Energie der Teilchen. Dies kann für chemische Prozesse vorteilhaft sein oder für

Oberflächenbehandlung, um z.B. ein besseres Eindringen der Teilchen in die Oberfläche zu

ermöglichen, wodurch die Haftung von Beschichtungen verbessert wird, oder Ätzung der

Oberfläche möglich wird.

Hochtemperaturplasmen erzeugt man mit elektrodenlosen Entladungen, z.B., indem durch

Induktion ein Strom erzeugt wird, der durch joulesche Wärme das Plasma aufheizt. Eine

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weitere Erhöhung der Temperatur kann durch den Pinch-Effekt erfolgen (Benett, 1938), z.B.

den Theta-Pinch,

in dem durch einen Wechselstrom in einer äußeren Spule ein Sekundärstrom im Plasma

erzeugt wird, der umgekehrte Richtung hat und deswegen vom Strom in der Spule abgestoßen

wird. Es ergibt sich eine rasche Kompression des Plasmas und damit verbunden eine

Aufheizung. Weil der primäre Strom in der azimuthalen Richtung fließt, die im

Amerikanischen mit ϑ bezeichnet wird, nennt man diese Anordnung Theta Pinch, im

Gegensatz zum z-Pinch, bei dem die Kompression durch sich anziehende Stromfäden erfolgt,

wobei der Strom in Achsenrichtung (z-Richtung) fließt. Sehr dichte Plasmen erzeugt man

durch Beschießen von Oberflächen mit intensiven Laserstrahlen. Extrem dichte Plasmen bildet

das Elektronengas in Festkörpern. Hier befindet man sich an der Grenze zu dem Gebiet, in

dem nicht mehr viele Teilchen in der Debyekugel vorhanden sind (nλD3 ~ 1). Außerdem

fangen Quanteneffekte an, wichtig zu werden ( ). Bei Fusionsplasmen kommt man anh/ωp ∼ kT

die Grenze, bei der relativistische Effekte anfangen, eine Rolle zu spielen (kT ~ mec2). In vielen

kosmischen Situationen, wie z.B. der Umgebung von Neutronensternen dominieren

relativistische Effekte.

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KAPITEL B

Einteilchenbewegung

1. Einleitung

Plasmen verhalten sich außerordentlich komplex. Neben der bekannten verwickelten Dynamik

von Gasen hat man bei ihnen eine zusätzliche Verkomplizierung dadurch, daß zu den viskosen

Kräften in den Navier-Stokes Gleichungen die elektromagnetischen Kräfte durch die selbst-

konsistenten Felder hinzutreten. Man ist daher in praktisch allen Fällen auf Näherungen ange-

wiesen. In den folgenden zwei Kapiteln behandeln wir die wichtigsten Näherungen: die Einteil-

chennäherung und die Flüssigkeitstheorie, im Kapitel B also die Einteilchennäherung, d.h. die

Felder E(r,t) und B(r,t) werden als vorgegeben betrachtet. In ihnen bewegt sich ein geladenes

Teilchen der Masse ma und der Ladung qa. Der Teilchensortenindex a steht für Elektronen (e),

Ionen (i), Protonen (p), oder andere Teilchen. Die Aufgabe besteht darin, Geschwindigkeit

va(t) und Ort ra(t) des Teilchens bei gegebenen Anfangsbedingungen ra(0) = ro und va(0) = v0

zu berechnen.

Grundlage der Berechnungen sind die Bewegungsgleichungen

(B.1)m ddt

va(t) = qa(E(ra(t), t) + va(t) × B(ra(t), t))

mit .ddt

ra(t) = va(t)

2. Bewegung in homogenen, konstanten Feldern

a) Homogenes, konstantes Magnetfeld

Die Bewegungsgleichung wird für E = 0 und B = const

ma•va (t) = qava(t) × B

Das Koordinatensystem wird so gewählt, daß die z-Achse in Richtung B weist: B = Bez

(B > 0). Dann ist

•va (t) = qaB

mava(t) × ez

Die Geschwindigkeit wird aufgeteilt in eine Komponente parallel und eine senkrecht zu B:

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Harald Schüler

va(t) = vaz(t)ez + va⊥ (t)

Dann folgt aus der Bewegungsgleichung für vaz

•vaz = 0 ⇒ vaz =v0z

za(t) = z0+v0zt

Die Bewegung wird vom Magnetfeld nicht beeinflußt.

Für die Komponente senkrecht zum Magnetfeld erhält man

•va⊥ =

qaBma

va⊥ × ez

Zur Abkürzung führt man die Zyklotron- oder Gyrationsfrequenz des Teilchens a im Magnet-

feld B ein.

(B.2)ωca = qa Bma

Nach dieser Definition ist ωca stets positiv. Das Ladungsvorzeichen wird in einem Faktor

εi = +1 für Ionen und εe = -1 für Elektronen gepackt, also . Damit ergibt sichqa = εa qa

(B.3)•va⊥ = εaωcava⊥ × B

Indem man Gl. (B.3) nach t ableitet und rechts für den ursprünglichen Ausdruck einsetzt,•va⊥

erhält man:

••v a⊥ = εaωca(εaωcava⊥ × ez) × ez = −ωcava⊥

Dies ist eine Differentialgleichung von der Form einer Schwingungsgleichung, die mit dem

Ansatz

(B.4)va⊥ (t) = a cosωcat + b sin ωcat

gelöst wird. a und b sind Vektoren, die sich aus den Anfangsbedingungen ergeben. Aus

Gl. (B.4) erhält man für t = 0

,v0⊥ = a

17

aus der Ableitung von Gl. (B.4)

•va⊥ (t) = −ωcaa sinωcat + ωcab cosωcat

für t = 0 unter Verwendung von Gl. (B.3)

εaωcav0⊥ × ez = ωcab

und damit für va⊥

(B.5)va⊥ = v0⊥ cos ωcat + εav0⊥ × ezsinωcat

wie man durch skalare Multiplikation von mit sich selbst erkennt. (Man be-va⊥ = v0⊥ , va⊥achte, daß und ). rotiert also mit der Winkelge-v0⊥ × ez = v0⊥ v0⊥ • (v0⊥ × ez) = 0 v0⊥

schwindigkeit ωca. Die Bahn wird durch Integration von Gl. (B.5) gewonnen.ra⊥ (t)

ra⊥ (t) = ∫0

tva⊥ (t)dt = v0⊥

ωcasinωcat + εav0⊥ × ez

ωca(−cosωcat + 1)

ra⊥ (t) = ra⊥ + εav0⊥ × ez

ωca+ v0⊥

ωcasinωcat − εa

v0⊥ × ezωca

ωcacosωcat

Für vz = 0 beschreibt das Teilchen eine Kreisbewegung um den Gyrationsmittelpunkt.

(B.6)rca = v0⊥ωca

Das Vorzeichen bewirkt, daß bei positiven Teilchen der Umlaufsinn mit B eine Linksschraube,

bei negativen Teilchen, z.B. Elektronen eine Rechtsschraube bildet (Abb. B.1).

Abb. B.1: Der Umlaufsinn der Bahn von positiv bzw. ne-

gativ geladenen Teilchen im homogenen Magnetfeld

Für die Zyklotronfrequenz von Protonen erhält man

ωcp = eBmp

= 1, 60 ⋅ 10−19As1, 67 ⋅ 10−27kg

Vsm2

BT

= 0, 958 ⋅ 108 BT

s−1

18

Um mit Hilfe von Gl. (B.6) einen typischen Gyrationsradius auszurechnen, benötigt man eine

charakteristische Geschwindigkeit der Teilchen im Plasma. Als mittlere Geschwindigkeit führt

man die thermische Geschwindigkeit der Teilchensorte a ein.

(B.7)vth,a = 2kTama

Hiermit wird der mittlere Gyrationsradius der Teilchensorte a

(B.8)rth,a =vth,a

ωca

z.B. für Protonen

v th,p = 2 ⋅ 1, 60 ⋅ 10−19VAs1, 67 ⋅ 10−27kg

kTeV

= 1, 38 ⋅ 104 kTeV

ms

rth,p =1, 38 ⋅ 104 kT/eV m

s

0, 958 ⋅ 108B/Ts−1= 1, 44 ⋅ 10−4 kT

eVTB

m

Um die obigen Faustformeln auf andere Teilchen übertragen zu können, benötigt man lediglich

die Abhängigkeit von der Masse:

vth,a ∼ ma−1/2, ωca ∼ ma

−1, rth,a ∼ m1/2

Die Gesamtlösung für alle Komponenten von va, und ra heißt dann

va(t) =v0zez + v0⊥ cosωcat + εav0⊥ ezsin ωcat

ra(t) = r0 + εav0⊥ × ez

ω +v0ztez + v0⊥ω sin ωcat − εa

v0⊥ × ezω cos ωcat

Die gesamte Bewegung ist also die Überlagerung einer Kreisbewegung um das sogenannte

Gyrationszentrum, va,g(t), ra,g(t) und einer gleichförmigen, geradlinigen Bewegung des momen-

tanen Gyrationszentrums (guiding center), Va, Ra(t).

mit Va = v0zezva(t) = Va + va,g(t)

19

mit ra(t) = Ra(t)+va,g(t) Ra(t) = r0 + εav0⊥ × ez

ωca+ Va(t)

In vielen Situationen von Plasmen in komplizierterer Umgebung ist es einfacher, statt der de-

taillierten Bahn eines Teilchens nur die Bewegung des Führungszentrums zu betrachten. Im

allgemeinen bewegt sich dieses dann natürlich nicht mehr gleichförmig, geradlinig. Seine Be-

wegung kann aber häufig noch als Bewegung in einem effektiven Potential beschrieben wer-

den. Man spricht dann von guiding center Näherung (s. Abschnitt B.4).

b) - DriftE × B

Es sei zusätzlich zu dem homogenen und konstanten Magnetfeld ein homogenes, konstantes

elektrisches Feld vorhanden mit E ⊥ B. Die Bewegungsgleichung lautet dann:

ma•va⊥ (t) = qa(E + va(t) × B)

Dies ist eine inhomogene Differentialgleichung, deren homogener Anteil identisch mit der im

vorigen Abschnitt behandelten Differentialgleichung ist. Als Ansatz für die partikuläre Lösung

der inhomogenen Gleichung versucht man, wie üblich, eine Funktion, die sich wie die Inhomo-

genität verhält, d.h. hier

mit u ⊥ B.va⊥ ,p = u = const.

Einsetzen in Glchg. (B.9) ergibt

0 = qa(E + u × B)

Vektorielle Multiplikation mit B erlaubt u zu isolieren:

0 = E × B + (u × B) × B = E × B − B2u

(B.10)uE = E × BB2

Die Gesamtlösung ist also Gl. (B.10) und die im Abschnitt a) gewonnene Lösung der homoge-

nen Gleichung.

20

va⊥ (t) = uE + a cosωcat + b sin ωcat

Die Anfangsbedingungen können wie in Abschnitt a) eingearbeitet werden, z.B.

v0⊥ = u + a

Die ganze Bewegung kann also wieder als Überlagerung einer Gyration va,g(t) und einer Bewe-

gung des Gyrationszentrums aufgefaßt werden. Die Geschwindigkeit des Gyrationszentrums

ist auch hier konstant aber senkrecht zu E und B.

va⊥ (t) = uE + va,g(t)

wobei der Gyrationsradius jetzt durch und die Geschwindigkeit des Führungszen-v0⊥ − uE

ωca

trums durch Gl. (B.10) gegeben sind. uE nennt man die Driftgeschwindigkeit. Sie ist dieE × B

mittlere Geschwindigkeit der Teilchen. Nach der elektromagnetischen Theorie ist u genau die

Geschwindigkeit, mit der ein anderes Koordinatensystem sich gegenüber dem ursprünglichen

bewegen muß, damit E zu Null transformiert wird. Man beachte, daß die Driftgeschwindigkeit

unabhängig vom Ladungsvorzeichen der Teilchen ist, so daß hier in einem Plasma Elektronen

und Ionen in die gleiche Richtung driften.

Um die resultierende Form der Bahn zu veranschaulichen, betrachten wir Abb. B.2, wo die

Verhältnisse für ein positives Teilchen dargestellt sind. Wir nehmen an, das E-Feld bewirke ei-

ne kleine Störung der Bahn, so daß wir in nullter Näherung von der Kreisbahn ausgehen kön-

nen. Solange v eine Komponente in Richtung E hat, nimmt v zu. Das ist in Abb. B.2/a in der

linken Hälfte der Kreisbahn der Fall. In der anderen Hälfte nimmt v wieder ab. Es erreicht den

maximalen Wert im oberen Umkehrpunkt, den minimalen im unteren Umkehrpunkt. D.h. v

und damit der Gyrationsradius ist in Abb. B.2/a in der oberen Hälfte des Kreises im Mittel grö-

ßer als in der unteren. Setzt man einen oberen Halbkreis mit größerem Radius und einen unte-

ren mit kleinerem Radius zusammen, ergibt sich die seitliche Drift. Bei einem negativ gelade-

nem Teilchen ist sowohl die Kraftrichtung wie die Umlaufrichtung umgekehrt. Die Richtung

Abb. B.2: Zykloidenbahnen von negativen und po-

sitiven Teilchen in gekreuzten E- und B-Feldern.

21

der Drift ist daher gleich. Wie GL. (B.10) zeigt, ist die Driftgeschwindigkeit von der Teilchen-

art unabhängig.

Die Geometrie der Teilchenbahn hängt von v0⊥ ab. Z.B. erhält man für den Fall v0⊥ = uE eine

gerade Bahn.

Man kann die obige Betrachtung auf andere Kräfte ausdehnen, indem man die elektrostatische

Kraft durch diese Kraft, z.B. die Schwerkraft ersetzt.

qaE = Fa

Als Driftgeschwindigkeit erhält man

uF = 1qa

F × BB2

Sie hat also für die Schwerkraft bei beiden Ladungsvorzeichen entgegengesetzte Richtung.

2. Erhaltungssätze

a) Energieerhaltung

Die folgenden Betrachtungen gelten für zeitlich konstante Felder, die räumlich inhomogen sein

dürfen.

E = E(r), B = B(r)

Dann kann E als Gradient in einem elektrischen Potential dargestellt werden.

E(r) = ∇Φ (r)

Durch skalare Multiplikation der Bewegungsgleichung Gl. (B.1) mit va(t) erhält man

mava • d va(t) = −qa∇Φ (ra(t)) • dra(t)

ddt

12

ma va2 = −qa

ddt

Φ(ra(t))

22

und nach Integration mit den Abkürzungen

va(t) =va(t), v0 =v0

12

mava2(t) + qaΦ(ra(t)) = 1

2mav0

2 + qaΦ(r0)

D.h. die Entwicklung der kinetischen Energie ist durch das E-Feld gegeben. das B-Feld trägt

nicht zur kinetischen Energie bei, da die Lorentzkraft senkrecht auf v steht und somit keine

Arbeit leistet. Insbesondere bleibt für E = 0 die kinetische Energie konstant.

Aus dieser Bedingung folgt sofort, daß ein geladenes Teilchen in einem homogenen, konstan-

ten Magnetfeld eine Kreisbewegung vollführt, wenn vz0 = 0. ist konstant und die Kraftv ⊥ a

die hier nur die Lorentzkraft ist, steht immer senkrecht auf v⊥ a(t). Dies sind genau die Verhält-

nisse bei einer Kreisbewegung. Die Gyrationsfrequenz und die Umlaufrichtung folgen dann so-

fort aus Gleichsetzen von Zentrifugal- und Lorentzkraft.

b) Inhomogene Felder mit Symmetrien, Impulserhaltungssätze

α) Lagrange - Funktion

Die Bewegungsgleichungen (B.1) lassen sich als Lagrange-Gleichungen schreiben, wobei die

Lagrange-Funktion gegeben ist durch

(B.11)L(r, v, t) = m2

v2 + qv • A(r, t) − qΦ(r, t)

A ist das Vektorpotential, aus dem sich B ergibt über

B(r, t) = ∇ × A(r, t)Φ das elektrische Potential mit

E(r, t) = −∇Φ (r, t) − ∂∂t

A(r, t)

Die Lagrangeschen Gleichungen erleichtern die Betrachtung in unterschiedlichen Koordinaten

wie kartesischen, Zylinder-, Kugel-, oder Toruskoordinaten. Für eine beliebige Koordinate u

lautet dann die Bewegungsgleichung

ddt

∂L

∂ •u

= ∂L∂u

23

Falls insbesondere L nicht von u abhängt, folgt

(B.12)ddt

∂L

∂ •u

= 0, pu = ∂L

∂ •u

= const

pu ist der zur Koordinate u kanonisch konjugierte Impuls. (B.12) besagt also, daß wenn die

Lagrange - Funktion von einer Koordinate nicht abhängt, der dazuzgehörige kanonische Im-

puls erhalten bleibt.

β) Translationssymmetrie

Es möge ein Magnetfeld vorliegen, das in Ebenen senkrecht zur x-Achse verläuft und in einer

solchen Ebene und in der Zeit konstant ist, aber von x abhängen darf. E wird zur Vereinfa-

chung gleich 0 gesetzt (Abb. B.3).

Abb. B.3: Geometrie des Magnetfeldes im Beispiel

B(x) wird beschrieben durch ein Vektorpotential

mit A(x) =

0Ay(x)Az(x)

B =

0−Az

/ (x)Ay

/ (x)

Die Lagrangefunktion hat die Form

L(vx, vy, vz, x) = (m/2)(vx2 + vy

2 +vz2) + q(vyAy(x) + vzAz(x))

Da ∂L∂y

= ∂L∂z

= 0

hat man entlang der Teilchenbahn als Konstante

py = ∂L∂vy

= mvy + qAy(x)

pz = ∂L∂v

= mvz + qAz(x)

24

γ) Rotationssymmetrie

Viele Plasmen zeigen Rotationssymmetrie wegen der Rotationssymmetrie der Ströme, die das

einschließende Magnetfeld erzeugen. Zur Beschreibung wählt man Zylinderkoordinaten, wobei

die z-Achse die Symmetrieachse bildet. Das Vektorpotential hat alle drei Komponenten, hängt

aber nicht von ϕ ab

A(r) = Ar(r, z)er + Aϕ(r, z)eϕ + Az(r, z)ez

und v =•r er + r

•ϕ eϕ+•

z ez

Daraus ergibt sich die Lagrangefunktion

L

•r,

•ϕ,

•z, r, z

= m2

•r

2+ r2 •

ϕ2

+•z

2 + q

•r Ar(r, z) + r

•ϕ Aϕ(r, z)+•

z Az(r, z)

Da , ist ∂L∂ϕ = 0

(B.13)pϕ = ∂L

∂•ϕ

= mr2 •ϕ +qrAϕ(r, z) = const

entlang der Teilchenbahn.

δ) Magnetische Flußfunktion

In einem zylindersymmetrischen Plasma mit

B(r) = Brer + Bϕeϕ + Bzez

∂∂ϕBr,ϕ,z = 0

kann die Einführung der magnetischen Flußfunktion Ψ(r,z) sinnvoll sein. Diese ist definiert als

der Fluß des Magnetfeldes durch eine Kreisscheibe vom Radius r, deren Mittelpunkt bei z auf

der z-Achse liegt, und die senkrecht auf der z-Achse steht (Abb.B.4).

Ψ(r, z) = ∫z/=z, r/≤rB(r/) • dA / = ∫ rotA(r/) • dA /

Nach dem Satz von Stokes kann man schreiben

Ψ(r, z) = ∫ r/=rA(r/) • dr/

25

Abb. B.4: Zur Definition der Flußfunktion

und mit dr = rdϕeϕ

Ψ(r, z) = ∫0

2πrAϕ(r, z)dϕ /

Ψ(r, z) = 2πrAϕ(r, z)

Die Konstanz des azimutalen Impulses nach Gl. (B.13) hat dann die Form

(B.14)pϕ = mr2 •ϕ +

q2π

Ψ(r, z) = const.

Wir werden dieses Ergebnis zur Erklärung der sogenannten Bananenbahnen im axialsymmetri-

schen Torus (Abschnitt B.4.b) benötigen.

3. Magnetisches Moment

Abb. B.5: Zur Definition des magnetischen Momentes eines kreisen-

den Elektrons

Das magnetische Moment eines Kreisstromes I, der eine Fläche A umfaßt, ist

µa = IaAa

26

Für das gyrierende Teilchen setzen wir als Kreisstrom ein

Ia = −qa

2π/ω

Das Minuszeichen rührt daher, daß ein gyrierendes Teilchen einen Umlaufsinn zeigt, der in je-

dem Fall bewirkt, daß das äußere Magnetfeld durch den Strom der Gyrationsbewegung abge-

schwächt wird (s. Abschnitt B.1.b). Das magnetische Moment ist daher immer entgegenge-

setzt zu B ausgerichtet und das Plasma ist diamagnetisch. Mit der Fläche A = πrca2ez der Gyra-

tionsbahn ergibt sich

( )µ = −12

qa ωcarca2 ez ωca = qa B

ma

und mit Gl. (B.2)= −12

qa ωcava⊥

2

ωca2

ez

µ = −12

mava⊥2

Bez

(B.15)µa =12 mava⊥

2

B

mit µa = -µaez

b) Die adiabatische Invarianz von µa

Bei einer Erhöhung von B in der Zeit wird sich durch Induktion auch v⊥2 erhöhen. Es zeigt

sich, wie im folgenden nachgewiesen wird, daß sich, wenn nur die Änderung des Magnetfeldes

langsam genug erfolgt, v⊥2 und B im gleichen Maße wachsen, so daß µa konstant bleibt. µa

bleibt allerdings nicht streng erhalten, sondern nur unter der Voraussetzung, daß B sich so

langsam ändert, daß die Teilchenbahn nur wenig von der Bahn im konstanten Magnetfeld ab-

weicht (Abb. B.6)

2πωc

∂B∂t

<< B

Abb. B.6: strenggenommen ist die Bahn im inhomogenen

Feld nicht geschlossen.

27

Man sagt, µa ist eine adiabatische Invariante. Zum Nachweis der adiabatischen Invarianz inte-

griert man die Änderung von über eine Gyrationsperiode.m2

v⊥2

(τc = 2π/ωc)∆

m2

v⊥2

= ∫0

τ c ddt

m2

v⊥2

dt

= ∫0

τc

mv ⊥ • dv ⊥dt

dt

= ∫τc

v ⊥ q(E(r) + v ⊥ × B)dt

= ∫τc

E(r) • v ⊥ dt ≈ qa∫ E • dr

(Die Integration erfolgt über die Teilchenbahn, wobei B als konstant angenommen wird.) Die-

ses Ergebnis läßt sich sofort interpretieren. Es besagt, daß die Änderung der kinetischen Ener-

gie der Gyration gleich der Arbeit des elektrischen Feldes am Teilchen ist.

E wird durch die Änderung von B induziert:

qa∫ E • dr = qa∫ rotE • dA = −qa∫ ∂B∂

• dA

Wegen des Umlaufsinns bei der Gyration gilt

dAa = −εadAez

daher wird

−q ∫ ∂B∂t

• dA = q ∂B∂t

πrc2 ≈ q ∆B

2πωcπrc

2 = 12

q∆Bv⊥

2

ωc= 1

2mv⊥

2 ∆BB

Insgesamt erhält man also

m2 v⊥

2

m2 v⊥

2≈ ∆B

B

28

d.h. die relativen Änderungen von und B sind gleich, oderm2

v⊥2

µa =m2 v⊥

2

B

ändert sich über die Teilchenbahn in dieser Näherung nicht. Eine genauere Rechnung zeigt,

daß

∆µa

µa∼

∆BB

2

Abb. B.7: Der Fluß innerhalb einer Teilchenbahn

bleibt gleich, wenn sich das umgebende Magnetfeld

ändert

Die Erhaltung des magnetischen Momentes ist gleichbedeutend mit der Erhaltung des magne-

tischen Flusses durch die Gyrationsbahn.

Φa = Bπrca2 = Bπv⊥ a

2

ωca2

= Bπv⊥ a2 ma

2

q2B2= 2πma

q2

12mav⊥

2

B= const.

Bei Änderung des Magnetfeldes bleibt also die Anzahl der Feldlinien, die die Gyrationsbahn

durchsetzen, gleich.

c) Der magnetische Spiegel

α) Der Spiegeleffekt

Abb. B.8: Ein Teilchen gyriert in ein höheres Magnetfeld

hinein

Ein Teilchen, das sich in einem homogenen B Feld in ein Gebiet höherer Feldstärke hineinbe-

wegt, erfährt auf seiner Bahn eine zeitliche Änderung des Magnetfeldes. Wenn die Bewegung

29

genügend langsam erfolgt, so daß die im vorigen Abschnitt gemachten Voraussetzungen er-

füllt sind, bleibt das magnetische Moment µ des Teilchens auf seiner Bahn erhalten. An dem

Energiesatz unter der Verwendung der Definition von µ

m2

v//2 + m

2v⊥

2 = m2

v//2 + µB = const.

erkennt man, daß v// mit wachsendem B abnehmen muß. Die Abnahme wird durch die axiale

Komponente der Kraft erzeugt.v × B

Fz = qava⊥ Br

Nehmen wir ein zylindersymmetrisches Plasma an , in dem sich das Teilchen in erster

∂∂ϕ

= 0

Näherung auf einer Kreisbahn mit dem momentanen Gyrationsradius rc bewegt (Abb. B.8), so

kann man mit Hilfe von divB = 0 Br durch Bz ausdrücken. divB = 0 in Zylinderkoordinaten

gibt:

1r

∂∂

(rBr) + ∂∂

Bz = 0

Br(rc) = − 1rc ∫0

rcrdr

∂Bz

∂z= −1

2rc

∂Bz

∂z

Fz = −qava⊥12

rc∂Bz

∂z=

− qa12 mva⊥

2

ωca

∂Bz

∂z

(B.16)Fz = −µa∂Bz

∂z

Die Kraftrichtung ist von der Teilchenart unabhängig, da qava⊥ unabhängig vom Ladungsvor-

zeichen ist. Das Teilchen erfährt also eine Beschleunigung, die entgegengesetzt zum Gradien-

ten des Magnetfeldes gerichtet ist, d.h. für genügend großes Magnetfeld wird v// = 0 und kehrt

dann sein Vorzeichen um. Das Teilchen wird also reflektiert. Man nennt daher eine Magnet-

feldkonfiguration wie in Abb. B.8 einen magnetischen Spiegel.

β) Der Verlustkegel

Die Gyration der Teilchen um das Magnetfeld ist die Grundlage von Plasmaeinschluß in ma-

gnetischen Feldern senkrecht zur Feldrichtung. In einem homogenen Feld können sich die

Teilchen parallel zu B frei bewegen, werden also nicht eingeschlossen. Der Spiegeleffekt

30

ermöglicht eine einfache Anordnung (Abb. B.9), die auch einen gewissen axialen Einschluß er-

laubt. Man nennt eine Apparatur mit dieser Magnetfeldgeometrie eine Spiegelmaschine oder

eine magnetische Flasche.

Abb. B.9: Magnetische Flasche

Der axiale Einschluß ist allerdings nicht ideal, z.B. haben Teilchen, die keine senkrechte Ge-

schwindigkeitskomponente besitzen, kein magnetisches Moment und verlassen daher das Ma-

gnetfeld ungehindert. Die genaue Grenze zwischen eingeschlossenen und nicht eingeschlosse-

nen Teilchen wird durch folgende Überlegung ermittelt:

Wir betrachten ein Teilchen, das im Mittelbereich der magnetischen Flasche, wo ist,∂B∂z

= 0

startet. Die Geschwindigkeit an dieser Stelle, v0, bilde einen Winkel ϑ mit B0. Das Teilchen

werde reflektiert bei B = B1, d.h. hier ist v1// = 0. Aus dem Energiesatz folgt

m2

v02 = m

2v1⊥

2

v02

v0⊥2

=m2 v1⊥

2

m2 v0⊥

2

Die linke Seite ist nach Definition 1/sin2ϑ , die rechte Seite kann mit Gl. (B.15) auf das magne-

tische Moment µ zurückgeführt werden, das für die gesamte Bahn konstant ist.

1sin2ϑ

=µB1

µB0= B1

B0

sin2ϑ = B0

B1

D.h. je kleiner ϑ ist, umso größer wird das Magnetfeld, an dem das Teilchen umkehrt, um so

tiefer dringt es also in den "Flaschenhals" ein. Es gibt einen Grenzwinkel ϑ *, der durch das ma-

ximale Feld der Flasche bestimmt ist.

sin2ϑ ∗ = B0

Bmax

31

Alle Teilchen, für die im Innern der Flasche ϑ < ϑ∗ , entweichen aus der Flasche. Der Kegel mit

der Öffnung ϑ∗ heißt der Verlustkegel, B0/Bmax das Spiegelverhältnis (Abb. B.10).

Abb. B.10: Teilchen mit Geschwindigkeiten innerhalb

des Verlustkegels werden im Spiegel nicht zurückgehalten

Der Geschwindigkeitsraum wird innerhalb des Verlustkegels entvölkert. Die Geschwindig-

keitsverteilungsfunktion wird anisotrop. Im Rahmen der stoßfreien Theorie ergibt sich für alle

anderen Teilchen ein idealer Einschluß. Bei Berücksichtigung von Stößen erhält man sowohl

eine Diffusion quer zum Magnetfeld wie ein ständiges Auffüllen des Verlustkegels. Im Rah-

men der kinetischen Theorie, die die zeitliche Entwicklung der Verteilungsfunktion beschreibt,

ergibt sich ein instabiles Verhalten. In Spiegelmaschinen zur Fusionsforschung haben sich die

axialen Verluste als unüberwindliches Hindernis erwiesen. Einen Vorteil bietet z.B. die gegen-

über einem Torus einfachere Geometrie.

Die van-Allen Gürtel sind axialsymmetrische Flaschen im dipolartigen Magnetfeld der Erde

(Abb. B.11). Sie enthalten relativ hohe Teilchendichten.

Abb. B.11: Die Van-Allen Gürtel sind magnetische Flaschen im

Erdmagnetfeld

Fermi schlug einen Mechanismus vor, mit dem kosmische Teilchen auf die beobachteten hohen

Energien beschleunigt werden können: An zwei magnetischen Spiegeln, die aufeinander zulau-

fen, werden eingeschlossenen Teilchen reflektiert. Bei jeder Reflexion gewinnen sie Energie.

Ob der Fermimechanismus wirklich verantwortlich für die Beschleunigung der beobachteten

kosmischen Teilchen hoher Energie ist, ist nicht bekannt.

Abb. B.12: Der von Fermi vorgeschlagene Mechanismus zur

Beschleunigung kosmischer Teilchen über den Spiegeleffekt

32

4. Bewegung im inhomogenen Magnetfeld, Driftnäherung

Zur Lösung der Bewegungsgleichung im inhomogenen Magnetfeld

ddt

va = qa

mava × B(ra(t))

ist man auf Näherungen angewiesen. Eine weit verbreitete Näherung ist die Driftnäherung.

Hier geht man davon aus, daß die Bewegung des Teilchens als Summe einer Gyrationsbewe-

gung ra,g(t) mit und einer Bewegung des Gyrationszentrums Ra(t) darstellen läßt:ra,g(t) = rca

(B.17)ra(t) = Ra(t) + ra,g(t)va(t) = Va(t) + va,g(t)

Man berechnet Ra(t) und Va(t). Dies ist sinnvoll, solange die typischen räumlichen und zeitli-

chen Größen der Gyrationsbewegung rca und Tca = 2π/ωca klein sind im Verhältnis zu typischen

Größen des Plasmas L und Ta. L kann z.B. die charakteristische Länge für die Ortsabhängig-

keit von B(r) sein, Taeine charakteristische Zeit für die Änderung von Ra. z.B. . Ta = LVa

rca << L

Tca << Ta

a) Mittelung der Bewegungsgleichung

Mit dem Ansatz Gl. (B.17) wird die Bewegungsgleichung

.•V +•

vg =qm(V + vg) × B(R + rg)

Das Magnetfeld wird linearisiert

B(R + rg) = B(R) + (rg • ∇ )B(R) ( rg << L)

•V +•

vg =qm(V × vg) × (B(R + (rg • ∇ )B(R)))

(B.18)=qm [V × B(R) + vg × B(R) + V ×(rg • ∇ )B(R) + vg × (rg • ∇ )B(R)]

Nach Gl. (B.5) wird die Gyrationsbahn beschrieben durch

rg(t) = v0⊥ω sinωct − εv0⊥ × ez

ω cosωct

33

Durch Festlegung der x-Achse in Richtung v0⊥ , v0⊥ ex vereinfacht sich die Schreibweise

rg(t) = v ⊥ωc

(exsin ωct + εeycosωct)

Wegen Tc << T darf ωc (ebenso V und R) während einer Gyration als konstant angesehen wer-

den. damit wird

•vg (t) =•

rg (t) =v⊥ (excosωct − εeysinωct)•vg (t) = −ωc

2rg(t)

Im zeitlichen Mittel über eine Gyrationsperiode wird

⟨rg(t)⟩ = ⟨vg(t)⟩ = •vg (t) = 0

D.h. durch Mittelung heben sich aus Gl. (B.18) alle Terme, die linear in rg und vg sind fort:

•V (t) = q

m[V × B(R) + ⟨vg × (rg • ∇ )B(R)⟩]

Bei der Mittelung des letzten Termes auf der rechten Seite heben sich alle gemischten sin cos -

Terme fort, während

sin2ωt = ⟨cos2ωt⟩ = 12

v⊥2

ωc(excosωct − εeysinωct) ×

sinωct ∂∂x

+ εcos ωct ∂∂y

B(R)

= 12

εv⊥2

ωc

ex

∂∂y

− ey∂∂x

× B(R)

= −12

εv⊥2

ωc

ez ×

ex∂∂x

+ ey∂∂y

× B(R)

= −12

mv⊥2

q B(ez × ∇ ) × B(R)

= −εµq

[∇ (ez • B(R)) − ez∇ • B(R)]

Der zweite Term verschwindet, damit bleibt für den ersten Term

−µq ∇ B(R)

34

Die Bewegungsgleichung des Führungszentrums lautet damit insgesamt

(B.19)•V (t) = 1

ma[qaVa × B(Ra) − µa∇ B(Ra)]

Das Führungszentrum bewegt sich wie unter dem Einfluß einer effektiven Kraft, wobei der er-

ste Term analog zur Lorentzkraft gebildet wird, der zweite ist der - Term, der uns beimµ∇ B

Spiegeleffekt begegnet ist (B.16).

b) Energieerhaltungssatz

Der Energieerhaltungssatz für das Teilchen lautet streng

Ea = const = 12

mava(t)2 = 12

ma(Va + vag)2 = 12

ma(Va2 + 2Va • vag + vag

2 )

Im zeitlichen Mittel ergibt sich daraus

Ea = ma

2Va

2 + ma

2v ⊥

2 = ma

2Va

2 + µaB(Ra)

Das Gyrationszentrum bewegt sich also wie ein freies Teilchen im Potential µaB(Ra). µaB(Ra)

nennt man daher das effektive Potential des entsprechenden Teilchens. Die dazugehörige Kraft

ist (s. Gl. (B.19)). Im Folgenden Abschnitt zeigt sich, daß Va⊥ in erster Ordnungµa∇ B(Ra)von rcak/L klein ist. d.h. in dieser Näherung ist und aus dem Energiesatz läßt sich Va//Va

2 ≈ Va//2

ermitteln.

Va//(Ra) = ± 2ma

(Ea − µaB(Ra))

c) Driftgeschwindigkeiten

Die Geschwindigkeit des Führungszentrums senkrecht zum Magnetfeld nennt man Driftge-

schwindigkeit. Man teilt also Va auf in einen Anteil parallel und einen senkrecht zu B.

Va(t) = Va//e(Ra(t) + Va⊥ )

wobei der lokale Einheitsvektor in Richtung der Feldlinie ist.e(r) = B(r)B(r)

35

Einsetzen in Gl. (B.19) führt zu

•Va// e + Va//

•e +

•Va⊥ = 1

ma[qaVa⊥ × B(Ra) − µa∇ B(Ra)]

Wegen darf vernachlässigt werden. Der Termqa

maVa⊥ × B = ωcaVa⊥ >> 1

TaVa⊥ ≈

•Va

•Va⊥

mit Va⊥ wird auf die linke Seite geschafft:

qaVa⊥ × B(Ra) = µa∇ B(Ra) + ma

•Va// e + Va//

•e

Die Gleichung wird mit B(Ra) vektoriell malgenommen. Die linke Seite ergibt dann

qaB × (Va⊥ × B) = qaB2Va⊥

Auf der rechten Seite wird unter Verwendung der Kettenregel umgeschrieben:•e

•e = d

dte(Ra(t)) =

•Ra (t) • ∇

e(Ra) = (Va • ∇ )e

Also qaB2Va⊥ = B ×(µa∇ B + maVa//(Va • ∇ )e)

Abschätzung von Va⊥ über den ersten Term rechts zeigt, wie oben erwähnt, daß Va⊥ ~ rca/L.

Daher ist von zweiter Ordnung klein und wird vernachlässigt.(Va⊥ • ∇ )e

(B.20)Va⊥ (Ra) = 1qaB2

B × (µa∇ B + maVa//2 (e • ∇ )e)

Die Inhomogenität von B führt also zu einer Bewegung des Führungszentrums senkrecht zur

Magnetfeldrichtung. Die Drift setzt sich aus zwei Anteilen zusammen, die im folgenden als

Gradient-B Drift und Zentrifugaldrift identifiziert werden.

α) Gradient-B Drift

Der erste Term in GL. (B.20) führt zur Gradient-B Drift

Va,∇ B =B × ∇ (µaB)

qaB2

36

Diese Formel kann man aus der früher abgeleiteten Formel für die Drift in einem homogenen

Magnetfeld unter dem Einfluß einer äußeren Kraft (Gl. B.10) gewinnen, indemua = Fa × BqaB2

man dort Fa durch ersetzt.−∇ (µaB)β) Zentrifugaldrift

Der zweite Term wird als Zentrifugaldrift identifiziert, d.h. die Drift, die unter dem Einfluß der

Zentrifugalkraft entsteht, die ein Teilchen bei der Bewegung entlang einer gekrümmten Feldli-

nie erfährt.

Va,z =maVa//

2

qaB2B ×(e • ∇ )e

Abb. B.13: Geometrie bei der Zentrifugaldrift

Betrachtet man e als Funktion der Bogenlänge s entlang der Feldlinie, so ist nach Definition

des totalen Differentials

de = (e • ∇ )eds

d.h. (e • ∇ )e = deds

Setzt man die geometrischen Verhältnisse von Abb. B.13 ein, erhält man

deds

= 1Rx

dedϕ

= 1Rx

−Rx

Rx

= −Rx

Rx2

(Rx ist der Vektor, der den Krümmungsradius der Feldlinie repräsentiert).

−maVa//2 (e • ∇ )e = maVa//

2 Rx

Rx2

= Fa,z

ist also die Zentrifugalkraft. Die Formel für die Zentrifugaldrift kann also aus Gl. (B.10) ge-

wonnen werden, indem man für die äußere Kraft die Zentrifugalkraft einsetzt.

37

Va,z =Fa,z × B

qaB2

Anstatt die Zentrifugalkraft über den Enheitsvektor e in Richtung B auszudrücken, kann man

sie auch direkt über B ausdrücken:

(e • ∇ )e = 1B

(e • ∇ )B + B(e • ∇ ) 1B

also B ×((e • ∇ )e) = 1B

× ((e • ∇ )B) = 12B × ((B • ∇ )B)

Damit wird die Zentrifugaldrift

Va,z =maVa//

2

qaB4B ×((B • ∇ )B)

5. Teilcheneinschluß

a) Einleitung

Eine der zentralen Aufgaben der Hochtemperatur-Plasmaphysik ist der möglichst lange Ein-

schluß eines genügend dichten Plasmas. Der einfachste Einschluß ist der Trägheitseinschluß:

Auf grund ihrer trägen Masse bleiben Teilchen eine gewisse Zeit zusammen. Aufheizung muß

so schnell erfolgen, daß das Plasma während der Aufheizzeit praktisch nicht auseinanderfliegt.

Man heizt das Plasma mit Laserlicht oder eventuell mit Teilchenstrahlen auf. Plasmen mit

Trägheitseinschluß sind im allgemeinen sehr dicht und kurzlebig.

Einschluß mit Hilfe von statischen elektrischen Feldern ist grundsätzlich instabil (Satz von

Earnshaw). In zeitlich periodischen Feldern wird der Einschluß einzelner Teilchen in der Teil-

chenphysik erfolgreich praktiziert (s. Paul, Bonn), während Plasmaeinschluß in solchen Fel-

dern praktisch nicht untersucht wird.

Der erfolgreichste Einschluß für Plasmen ist heute der magnetische Einschluß. Die einfachste

Geometrie wäre die Kugelgeometrie.

Abb. B.14: Magnetfeldlinien auf einer Kugelfläche haben minde-

stens einen Punkt, an dem das Magnetfeld verschwindet.

38

Da Magnetfeldlinien geschlossen sein müssen, sieht man sofort ein, daß die Kugeloberfläche,

auf der Magnetfeldlinien laufen, zwei Punkte hätten, an denen B gleich Null wäre, an denen al-

so das Plasma entweichen könnte. Die einfachste magnetische Einschlußgeometrie ist also der

axialsymmetrische Torus.

b) Der axialsymmetrische Plasmatorus, Geometrie und Koordinaten

Die Torusgeometrie ist in Abb. B.15 skizziert. Ein Torus ist ein Ring mit großem Radius R

und kleinem Radius a. R/a heißt das Aspektverhältnis, das also die Schlankheit eines Torus an-

gibt. Die toroidale Koordinate, d.h. die Koordinate, die auf dem großen Umfang läuft, heißt ϕ,

die poloidale entlang dem kleinen Umfang ω. Die Symmetrieachse wird als z-Achse von Zylin-

derkoordinaten gewählt. Der Ring liegt in der Ebene z = 0, die wir zuweilen auch die Äquato-

rebene nennen. Wir schreiben der Eindeutigkeit wegen für ϕ und ω oft auch die Indizes tor

und pol.

Abb. B.15: Die Geometrie am Plasmatorus

Im axialsymmetrischen Feld sind alle Größen von der toroidalen Koordinate unabhängig, in

Zylinderkoordinaten:

∂∂ϕBr = ∂

∂ϕBϕ = ∂∂ϕBz = 0

c) Plasma im rein toroidalen Feld

Ein rein toroidales Feld wird am einfachsten durch einen geraden Stromfaden entlang der z-

Achse erzeugt. Das Feld ist dann

B =µ0I2πr

also inhomogen. Das gleiche Verhalten hat man übrigens wegen des Ampereschen Gesetzes

für alle axialsymmetrischen Spulenanordnungen, in denen der Strom außerhalb∫ B • dr = µ0I

des für den Einschluß betrachteten torusförmigen Bereiches fließt. Auf Grund der Gradient-B

39

Drift driften positive und negative Teilchen in entgegengesetzte Richtungen parallel (b.z.w.

antiparallel) zur z-Achse. An dieser Stelle muß die strenge Einteilchenbetrachtung verlassen

werden. Die Drift wird nämlich starke elektrische Felder aufbauen, die die Drift in z-Richtung

beenden. In diesem Zustand hat man gekreuzte E- und B- Felder, in denen Elektronen und Io-

nen in gleicher Richtung driften. Das Plasma verläßt in r-Richtung die magnetische Falle.

Abb. B.16: Im rein toroidalen Feld driften die Teilchen

unabhängig vom Ladungsvorzeichen nach aussen

d) Torus mit toroidalem und poloidalem Feld

α) Die Felder

Man kann den Plasmaverlust, der im rein toroidalen Feld auftritt, verhindern, indem man dem

toroidalen Feld ein poloidales überlagert. Das Gesamtfeld ist dann

B(r) = B tor(r) + Bpol(r)

mit B tor(r) = Btor(r)e tor

Bpol wird durch einen toroidalen Strom I im Plasma erzeugt. Die Feldlinien verlaufen schrau-

benförmig auf ineinandergeschachtelten torusförmigen magnetischen Flächen. Die Feldlinien

des poloidalen Anteils des Gesamtfeldes sind in Abb. B.17 skizziert.

Abb. B.17: Magnetische Flächen im axialsymmetrischen

Torus

40

Die Neigung der Feldlinien gegen die Torusrichtung ist normalerweise klein. Typischerweise

umläuft die Feldlinie bei einem Umlauf um den kleinen Umfang den großen Umfang drei mal.

Dies ist gleichbedeutend damit, daß Bpol << Btor

Bpol

B= 2πa

3 ⋅ 2πR= 1

3aR

≈ 110

B = Btor2 + Bpol

2 = Btor 1 +

Bpol

Btor

2

≈ Btor

Anschaulich bewirkt die Verschraubung der Feldlinie für den Teilcheneinschluß, daß die durch

die Gradient-B Drift entstandenen vertikalen E-Felder in toroidaler Richtung kurzgeschlossen

werden, denn dadurch, daß sich die geladenen Teilchen frei entlang dem Magnetfeld bewegen

können, ist ein Ladungsaustausch zwischen einem Gebiet, in dem sich an der "oberen" Seite

des Torus (d.h. in z-Richtung) z.B. positive Ladung angesammelt hat, und einem in toroidaler

Richtung versetztem Gebiet mit negativer Raumladung möglich, wenn durch beide Gebiete die

gleichen Feldlinien laufen (Abb. B.18).

Abb. B.18: Durch die Verschraubung des Magnetfeldes

können Raumladungen abgebaut werden

β) Die Flußfunktion

Nach Abschnitt B.2.b.δ war die Flußfunktion Ψ(r,z) als der magnetische Fluß definiert, der

durch einen Kreis geht, der in einer Ebene senkrecht zur z-Achse verläuft, der einen Radius r

besitzt und dessen Mittelpunkt auf der z-Achse liegt.

Ψ(r, z) = ∫ B • dA

Auf den oben definierten magnetischen Flächen ist Ψ konstant. Um dies zu zeigen, benötigt

man nur das poloidale Feld, da das toroidale Feld nicht zum Fluß beiträgt. Die Feldlinien des

poloidalen Feldes sind in Abb. B.17 skizziert. Da die Kreise zur Berechnung des magnetischen

Flusses auf einer magnetischen Oberfläche alle auf der gleichen poloidalen Feldlinie liegen,

enthalten sie die gleiche Anzahl poloidaler Feldlinien und durchsetzt sie der gleiche magneti-

sche Fluß. Man nennt die magnetischen Flächen daher auch Flußflächen. Im Plasma wächst Ψ

41

in der Äquatorebene (bei geeigneter Richtung des toroidalen Stromes) mit wachsendem r bis

zur magnetischen Achse, d.h. bis zu der Flußfläche, die zu einem Kreis entartet ist, an. Be-

trachtet man also den gesamten poloidalen Querschnitt, so wächst Ψ von außen nach innen

und hat an der magnetischen Achse ein Maximum.

γ) Teilchenbahnen

Im folgendem wird die Bahn, die das Gyrationszentrum eines in einem axialsymmetrischen To-

rus gyrierenden Teilchens mit positiver Ladung (q > 0) qualitativ ermittelt. v⊥ und v// sind

Komponenten von v senkrecht und parallel zu B, wobei v// positiv oder negativ sein kann, je-

nachdem, ob v// parallel oder antiparallel zu B ausgerichtet ist. Wegen der Axialsymmetrie des

Feldes ist der verallgemeinerte Impuls in toroidaler Richtung pϕ konstant (s. B.2.b.δ).

pϕ = mr2 •ϕ + q

2πΨ(r, z)

In guter Näherung darf durch v// ersetzt werden. Die Diskussion stützt sich also auf dier•ϕ=vϕ

Formeln

i) B(r) = RB(R)r

ii) µ =m2 v⊥

2

B= const

iii) v⊥2 +v//

2 = const

iv) pϕ = mrv// +q

2πΨ = const.

In Abb. B.19 ist die Projektion der Bahn in eine poloidale Ebene (ϕ = const) skizziert. Ein

Teilchen mit q > 0 starte in der Äquatorebene an der Außenseite der Flußfläche. Das Füh-

rungszentrum folgt in erster Näherung der magnetischen Feldlinie und damit nimmt r ab. Nach

Gl. i)

Abb. B.19: Die Bewegung des Gyrationszentrums in der

Projektion auf die poloidale Ebene für den Fall, daß das

Teilchen nicht in einem Spiegel reflektiert wird

42

wächst B, nach Gl. ii) wächst v⊥ , nach Gl. iii) nimmt v// ab, nach Gl. iv) nimmt Ψ zu, d.h. das

Teilchen verbleibt nicht auf der anfänglich besetzten magnetischen Fläche, sondern verschiebt

sein Gyrationszentrum auf eine magnetische Fläche mit größerem Ψ, d.h. eine magnetische

Fläche, die näher an der magnetischen Achse liegt. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten:

1. Fall : v0// ist so groß, daß das Teilchen die Äquatioralebene innerhalb der magnetischen Ach-

se mit v// > 0 erreicht. dann folgt es weiterhin der momentanen Feldlinie und beschreibt eine

zur Äquatorebene spiegelsymmetrische Bahn (Abb. B.19).

2.Fall: Das Teilchen wird vor Erreichen der Äquatorialebene gespiegelt. v// erhält also im Spie-

gelpunkt ein negatives Vorzeichen, r wächst, nach i) nimmt B ab, nach ii) nimmt v⊥2 ab und

nach iii wächst v//2 . v// nimmt aber ab, da es immer negativer wird. Das hat zur Folge, daß nach

iv) Ψ wächst. Das Teilchen nähert sich weiter der magnetischen Achse, es erreicht die

Äquatorialebene außerhalb der magnetischen Achse. Von da an wiederholt sich die Bahn spie-

gelbildlich zur Äquatorialebene, so daß insgesamt die Form einer Banane entsteht. Man spricht

von Bananenbahn (Abb. B.20).

Abb. B.20: Die Bahn eines eingefangenen Teilchens ähnelt

in der Projektion auf die poloidale Ebene einer Banane

Das inhomogene Feld bildet also Spiegel, in denen Teilchen mit genügend kleiner Anfangsge-

schwindigkeit parallel zu B eingefangen werden. Bei dem Hin- ind Herlaufen zwischen den

Spiegeln ist die Bahn nicht gleich, da der Erhaltungssatz des verallgemeinerten Impulses (Gl.

iv) gilt, in dem v// vorzeichenbehaftet eingeht.

Die Bananenbahn hat einen Einfluß auf die Diffusion der Teilchen im Torus. Diese entsteht

durch Stöße von Teilchen untereinander. In einem homogenen Magnetfeld wird das Gyrati-

onszentrum bei einem Stoß im Mittel um den Gyrationsradius versetzt.

43

Bei Vorliegen einer Bananenbahn beträgt die Versetzung eine Strecke, die durch die Dicke der

Bananenbahn gegeben ist. Die Diffusion erhöht sich dadurch. Man spricht in diesem Fall von

neoklassischer Diffusion.

44

KAPITEL C

Das Hydrodynamische Modell

1. EinleitungDer konsequente Weg zur Entwicklung von Gleichungen, die das Verhalten von Plasma be-schreiben, geht von der Einteilchenbewegung aus. Über statistische Methoden werden dannGleichungen für die makroskopischen Größen abgeleitet, d.h. für die Massendichte ρ(r,t), La-dungsdichte ρe(r,t), das Geschwindigkeitsfeld v(r,t), die Stromdichte j(r,t), das elektrische (E)und magnetische (B) Feld. Alle diese Größen sind im allgemeinen orts- und zeitabhängig undstellen geglättete Mittelwerte dar. Z.B. enthält das elektrische Feld einen stark schwankendenAnteil, der sich durchaus in bestimmten Situationen bemerkbar macht, wie z.B. bei der Ver-breiterung von Spektrallinien. Das makroskopische Feld stellt einen Mittelwert über dieseSchwankungen dar.Im folgenden wird dieser Weg nicht beschritten. Statt dessen werden die Flüssigkeitsgleichun-gen intuitiv ausgehend von Kontinuumsvorstellungen hingeschrieben. Die resultierenden Glei-chungen sind die Grundlage der Magnetohydrodynamik (MHD). Diese wird angewandt zurBeschreibung der Bewegung flüssiger Metalle in magnetischen und elektrischen Feldern. Sieliefert aber auch gute Ergebnisse bei der Betrachtung von Gleichgewicht und makroskopi-schen Instabilitäten im Plasma. Außerdem können langsame Wellenvorgänge behandelt wer-den. Im Plasma spielt im Gegensatz zur Situation in Flüssigmetallen im allgemeinen die Kom-pressibilität des Mediums eine Rolle. Ähnlich wie bei Gasströmungen kann man auch im Plas-ma bei nicht zu hohen Geschwindigkeiten die Kompression vernachlässigen. Bei der Betrach-tung von Pinchexperimenten oder hydromagnetischen Wellen ist im allgemeinen die Kompri-mierbarkeit des Plasmas entscheidend.Wie bei der Behandlung der Metalle berücksichtigt man in der MHD-Theorie in der Sromdich-te nur den Elektronenstrom. Während man in Metallen die magnetischen Eigenschaften übereine relative Permabilität beschreibt, geht man in der MHD-Theorie von der Permabilitätµr

des Vakuums aus ( µr =1) und beschreibt die magnetischen Eigenschaften über die Stromdich-te im Plasma. Ähnliches gilt zumeist für εr.

2. GrundgleichungenDie Grundgleichungen der MHD sind die Flüssigkeitsgleichungen, in denen die für Plasmencharakteristischen elektromagnetischen Kräfte berücksichtigt werden. Für die elektromagneti-schen Felder benötigt man die Maxwellgleichungen sowie verallgemeinerte Materialgleichun-gen wie das Ohmsche Gesetz.a) Die BewegungsgleichungWir betrachten ein Flüssigkeitselement ∆m, auf das die Kraft ∆F wirkt. Die Bewegungs-gleichung dieses Flüssigkeitselementes ist dann

∆m•v = ∆F

45

Harald Schüler

In Flüssigkeiten ist es sinnvoll, ∆m und ∆F auf das Volumen zu beziehen. Durch Differentiati-on erhält man dann

ρ •v = f

mit ρ = dm/dV (Massendichte) und f = dF/dV (Kraftdichte)

α) Die substantielle und die lokale AbleitungDie Geschwindigkeit ist die des Flüssigkeitselementes, d.h. eines Paketes, das immer die glei-chen Teilchen enthält. ist daher die Beschleunigung, die dieses Paket auf seiner Bahn r(t) er-

•v

fährt. Man nennt daher die substantielle Ableitung. Primär ist im allgemeinen das Ge-•v= dv

dtschwindigkeitsfeld bekannt, wobei ist. Der Zusammenhang zwischen substantieller

•r (t) = v

Ableitung und der lokalen Ableitung des Geschwindigkeitsfeldes erhält man, indem∂v(r, t)

∂man für r die Teilchenbahn r(t) einsetzt:

dvx(r(t), t)dt

= ∂vx

∂t+ ∂vx

∂xdxdt

+ ∂vx

∂ydydt

+ ∂vx

∂zdzdt

...

...

= ∂vx

∂t+ ∂vx

∂xvx + ∂vx

∂yvy + ∂vx

∂zvz

...

...

dvdt

= ∂v∂t

+ (v • ∇ )v

β) Die Druckkräfte

Die wichtigsten Kräfte in der MHD sind die Druckkräfte fp und die magnetischen Kräfte fB.Betrachtet man ein Volumenelement in kartesischen Koordinaten (Abb. C.1), so wird durchden Druckunterschied an den beiden Stirnseiten z.B. in x-Richtung eine Gesamtkraft erzeugt

Abb. C.1: Zur Geometrie der Druckkräfte

Fges,x = p(x)∆y∆z − p(x + ∆x)∆y∆x

mit wird hierausp(x + ∆x) = p(x) + ∂p∂

∆x

Fges,x = −∂p∂

∆x∆y∆z

46

und als Vektor

fp = −∇ p

γ) Die magnetischen KräfteDie magnetischen Kräfte haben ihren Ursprung in den Lorentzkräften auf die geladenen Teil-chen, die sich im Magnetfeld bewegen. Die Strömungsgeschwindgkeit v ist im wesentlichendurch die Geschwindigkeit der Ionen gegeben. Bewegen sich Ionen und Elektronen mit dergleichen Geschwindigkeit v, so entstehen keine resultierenden Kräfte auf das Plasma, da sichwegen der Ladungsneutralität Kräfte auf Ionen und Elektronen kompensieren. Haben Elektro-nen eine von der Strömungsgeschwingkeit abweichende Geschwindigkeit

ve,ges = v + ve

so fließt ein Strom durch die Flüssigkeit mit einer Stromdichte

j = qeneve

Pro Elektron ergibt sich eine Lorentzkraft

Fe = qeve × B

und eine Kraftdichte

fe = neqeve × B

Die Kraftdichte wirkt zunächst auf die Elektronen, wird aber wegen der Ladungsneutralitätsofort auf die Ionen übertragen. Die magnetische Kraftdichte hat also die Form

fB = j × B

δ) Die Bewegungsgleichung in MHD-NäherungElektrostatische Kräfte spielen in der MHD-Näherung aufgrund der Quasineutralität keineRolle. Im Prinzip muß man viskose Kräfte mitnehmen. Wenn man dieses tut, gibt man ihnenmeist die Form, die sie in den Navier-Stokes Gleichungen haben.

fV = η∇ 2v

In vielen Fällen läßt man die viskosen Kräfte weg. Die Bewegungsgleichungen haben dann dieForm

47

(C.1)ρ∂v∂

+ (v • ∇ )v = −∇ p + j × B

Für B = 0 ergeben sich die Eulerschen Gleichungen.

b) Das Ohmsche Gesetzα) Ohne MagnetfeldAuch das ohmsche Gesetz muß auf lokale Größen umgeschrieben werden. Betrachtet man dasVolumenselement in Abb. C.2

Abb. C.2: Geometrie zum allgemeineren ohmschen Gesetzes

und greift zunächst die x-Richtung heraus, so wird aus ∆U = IR

jx = IA

= 1R

∆UA

Da , wenn σ die Leitfähigkeit des Materials ist, wirdR = 1σ

lA

jx = σ∆U∆ = σEx

insgesamt j = σE

β) Durch Bewegung des Schwerpunktes im B-Feld induziertes Ev

Dadurch, daß sich der Schwerpunkt der Flüssigkeit im Magnetfeld bewegt, wirkt auf Elektro-nen und Ionen eine entgegengesetzt gleiche Lorentzkraft

Fa = qav × B

Die Ladungstrennung kommt zum Stillstand, wenn das entstehende Feld gleich der Lorentz-kraft ist

Ev = Faqa

= v × B

Diese Feldstärke muß bei einer Strömung der Flüssigkeit im Magnetfeld mit berücksichtigtwerden. Das Ohmsche Gesetz, das für die MHD im engeren Sinne maßgeblich ist, hat daherdie Form

48

(C.2)jσ = E + v × B

γ) Andere TermeBei der MHD im weiteren Sinne, d.h. unter Bedingungen, die in Flüssigmetallen im allgemei-nen keine Rolle spielen, die aber im Plasma unter gewissen Voraussetzungen wichtig werdenkönnen, treten auf der rechten Seite von Gl. (C.2) noch einige Terme hinzu. Dies sind derHall-Term, eine Feldstärke, die ein Strom, der über das Magnetfeld fließt, bewirkt

Fe = qeve × B

EH = Feqe

= ve × B =neqev × B

neqe= − 1

neej × B

Ein Term, der durch die Elektronenträgheit verursacht wird, und der bei Frequenzen, bei de-nen die Trägheit der Elektronen eine Rolle spielt, berücksichtigt werden muß

ET = me

ne2

•j

und ein Term, der die thermoelektrischen Effekte beschreibt.

Eϑ = − 1ne ∇ kTe

Diese Terme sind befriedigender in einer Zweiflüssigkeitstheorie zu beschreiben, in der die Be-wegung der Elektronen- und der Ionenflüssigkeit betrachtet wird, und in der die Elektronen-und Ionenplasmafrequenz und relativistische Geschwindigkeiten berücksichtigt werden. DieseZweiflüssigkeitstheorie wird im folgenden Kapitel für den einfachen Fall des kalten, stoßfreienPlasmas vorgestellt. In diesem Kapitel C beschränken wir uns auf die Flüssigkeitstheorie imengeren Sinne.

c) Die KontinuitätsgleichungDie Kontinuitätsgleichung beschreibt die Massenerhaltung. Sie hat die gleiche Form wie in derHydrodynamik. Der Massenfluß durch ein Flächenelement ∆A ist gegeben durch

ρv • ∆A

der Massenverlust des Volumenelementes ∆V

−∂m∂

= ∫ ρv • dA = ∫ div(ρv) • dV

Durch Ableiten nach V wird daraus

49

(C.3)−∂ρ∂t

= div(ρv)

Bei einer inkompressiblen Flüssigkeit ist ρ = ρ0 und damit div v = 0.

d) Die MaxwellgleichungenDie Felder, Strom- und Ladungsdichten hängen über die Maxwellgleichungen miteinander zu-sammen. Wir benutzen sie in der Form

divE =ρe

ε0

divB = 0

rotE = −∂B∂t

rotB = µ0j

Der Verschiebungsstrom kann, wenn die charakteristischen Geschwindigkeiten klein ge-12

•E

gen die Lichtgeschwindigkeit sind, ähnlich wie in elektrotechnischen Problemen fortgelassen

werden. Um dies zu zeigen, nehmen wir an, daß die typischen Phänomene durch einen Wellen-ansatz beschrieben werden können

B = B0ei(ωt−k•r)

E = E0ei(ωt−k•r)

Wir schätzen den Term gegen rot B ab:1c2

•E

12

•E ∼ ω

2E

Da wird kE ~ ωB, E ~ (ω/k)BrotE = −•B

12

•E ∼ ω2

2B

Andererseits

rot B ~ kB

Der Verschiebungsstrom ist also zu vernachlässigen, wenn

50

ω2

2<< k

ω2

k2c2<< 1

vc

2

<< 1

3. Die Diffusion des Magnetfeldesa) DiffusionsgleichungWir betrachten zunächst ein ruhendes Plasma (bei einem bewegten transformieren wir in dasSchwerpunktsystem des Plasmas). Im Außenraum wird ein Magnetfeld angelegt, dessen Zeit-verlauf an der Oberfläche des Körpers bekannt ist. Das Magnetfeld induziert aufgrund des In-duktionsgesetzes ein elektrisches Feld

rotE = −•B

das über das Ohmsche Gesetz

(für v = 0)j = σE

einen Strom zur Folge hat, der über das Ampèresche Gesetz

rotB = µ0j

mit dem Magnetfeld verknüpft ist. j kann direkt über die letzte Gleichung eliminiert werden.Zur Elimination von E muß einmal die Rotation gebildet werden. Man erhält dann eine Diffe-rentialgleichung für B

.rotrotB = −µ0σ•B

Mit der Vektoridentität

rotrotB = ∇ (∇ • B) − ∇ 2B

und ergibt sich die Diffusionsgleichung∇ • B = 0

(C.4)∇ 2B = µ0σ•B

Diese ist analog aufgebaut zu anderen Diffusionsgleichungen, z.B. der Wärmediffusionsglei-chung

51

•T= κ∇ 2T

Anmerkung:Auch für ein bewegtes Plasma kann j und E wie oben eliminiert werden. Man erhält aus derBewegungsgleichung und dem allgemeinen Ohmschen Gesetz zwei Gleichungen für die Varia-blen B und v, die die Dynamik von leitfähigen Flüssigkeiten in Magnetfeldern beschreiben

(C.5)ρdvdt

= −∇ p + 1µ0

(rotB) × B

(C.6)1µ0σrotrotB = −

•B +rot(v × B)

b) Eindringtiefeα) Geometrische VerhältnisseWir wollen im Folgenden die Diffusion eines Magnetfeldes mit Gl. (C.4), d.h. für ein Plasma,das sich hier wie ein Metall verhält, berechnen. Eine einfache, im Labormaßstab realisierbareGeometrie ist in Abb. C.3 gezeigt.

Abb. C3: Einfach zu realisierende Magnetfeldanordnung

Eine Spule umgibt das zylindrische Plasma. Wenn Endeffekte zu vernachlässigen sind, hat Bnur eine z-Komponente und j eine ϕ-Komponente. Alle Größen sind nur von r abhängig. DasPlasma hat eine zylindrische Oberfläche bei r = R. Um die Algebra zu vereinfachen, betrachtenwir statt dessen eine ebene Geometrie (Abb. C.4), in der an Stelle der Zylinderkoordinaten

r, ϕ, z die kartesischen Koordinaten x, y, z treten. Wir haben also B =Bez, j = jeϕ und

. Das Plasma hat eine ebene Oberfläche und erstreckt sich in den positiven x-Hal-∂∂y

= ∂∂z

= 0

braum. Wir können uns die ebene Geometrie als Grenzfall der Zylindergeometrie für große Rvorstellen.

Abb. C.4: Die der Zylindergeometrie entsprechende ebe-

ne Geometrie

52

β) Der SkineffektDer Skineffekt ist die Lösung des Diffusionsproblems für den Fall, daß an der Plasma- (bzw.Metall-) oberfläche ein Wechselfeld vorliegt. Diese Randbedingungen führen zu einer der we-nigen analytischen Lösungen der Diffusionsgleichung. Wir setzen die in Abb. C.4 skizzierteeindimensionale Geometrie mit

∂∂y

= ∂∂z

= 0, B =

00

B(x, t)

voraus. Das Magnetfeld am Rande des Plasmas ist vorgegeben

B(0, t) = B0eiωt

Die Diffusionsgleichung hat dann die Form

d2B(x, t)dx2

= B //(x, t) = µ0σ•B (x, t)

Mit dem Ansatz

B(x, t) = B(x)eiωt

wird daraus B(x, t) // = µ0σiωB(x)

mit dem Ansatz B(x) = B0eαx

erhält man α = ± µ0σω i

Die Amplitude wird B0 gesetzt, um die Randbedingung bei x = 0 zu erfüllen. Um bei x → ∞ kein unendliches Feld zu erhalten, muß das Vorzeichen vom Realteil von α negativ sein:Re(α) < 0.Die Lösung wird damit

B = B0ei ωt− µ0σω/2 x

e− µoσω/2 x

Der erste Faktor beschreibt eine Welle, die in das Plasma läuft, der zweite deren abnehmendeAmplitude. Die Amplitude nimmt exponentiell ab mit der Skintiefe d als 1/e Tiefe

(C.7)d = 1

µ0σω/2

53

Für Kupfer gilt die Faustformel

dmm = 66

ν/Hz

Ähnliche Erscheinungen spielen sich in den Eiskappen der Pole bezüglich der Wärmediffusionab. An der Oberfläche ist die Temperatur im Jahresrhythmus periodisch.

γ) AbschätzungsformelAus Dimensionsgründen muß der funktionale Zusammenhang zwischen Eindringtiefe l0 undcharakteristischer Frequenz ω0 oder Zeit t0 für alle möglichen Diffusionsprobleme eines Ma-gnetfeldes in einem Plasma bis auf einen konstanten Faktor, von dem wir hoffen, daß er vonder Größenordnung 1 ist, die Form von Gl. (C.7) haben, z.B. für die Eindringzeit t0 bis zu ei-ner Tiefe l0

(C.8)t0 = l02µ0σ

Die Abschätzformel Gl. (C.8) kann auf eine etwas allgemeinere Art gewonnen werden: Wirschreiben die Diffusionsgleichung

∂2B∂x2

= µ0σ∂B∂t

dimensionslos, indem wir alle Größen auf charakteristische Größen des Experimentes beziehen

B / = BB

, x / = xxo

, t / = tt0

Wählen wir für B0, x0 typische Werte des Experimentes, so ergibt sich t0 zwangsläufig aus derForderung, daß die Dimensionen der Diffusionsgleichung rechts und links gleich sind

B0

l02

= µ0σB0

t0, t0 = l0

2µ0σ

Ersetzt man jetzt B, x und t durch ihre dimensionslosen Entsprechungen B’, x’, t’, so hat dieDiffusionsgleichung eine von Orts-, Zeitskalen und speziellen Konstanten freie Form

∂2B /

∂x /2= ∂B /

∂t /

Von dieser Form würde man auch für numerische Berechnungen ausgehen. Wir stellen unsvor, wir hätten die dimensionslose Diffusionsgleichung gelöst. Für die Zeit, die das Magnetfeldbenötigt in eine Tiefe x' = 1 einzudringen, würde man vermutlich t' = 1 bis auf eine Konstante

54

der Größe 1 herausbekommen, da die Gleichung keine anderen Konstanten enthält. Umrech-nen auf die ursprünglichen dimensionsbehafteten Größen führt sofort zu unserer Abschätzfor-mel Gl. (C.8). Um diese für praktische Fälle anwenden zu können, benötigen wir eine Ab-schätzung für die Leitfähigkeit. Unter Vorgriff auf Kap. E setzen wir für ein Plasma der Tem-peratur Te (in eV) unabhängig von der Teilchendichte

(C.9)σΩ−1m−1

≈ 1, 5

Te

eV

3/2

103

δ) BeispieleFür ein typisches Laborplasma mit Te = 100eV und l0 = 0,01m wird die Zeit, in der ein Ma-gnetfeld das Plasma durchdringt

tE = µ0σl02 = 4π ⋅10−7 ⋅ 1, 5 ⋅ 106 ⋅ 10−4 = 2 ⋅ 10−4 = 2 ⋅ 10−4s

Wenn man Zeiten betrachtet, die kürzer als 100 µs sind, kann das Magnetfeld nicht durch dasPlasma diffundieren, umgekehrt kann das Plasma als im Magnetfeld eingeschlossen betrachtetwerden.Bei einem großen Fusionsexperiment mit Te = 104 eV und l0 = 1 m ist diese Zeit 2 · 103 s. Be-obachtet wird im Tokamak t0 ~ 0,1 s. Man kann daraus folgern, daß die Gl. (C.9) die Leitfä-higkeit in einem Tokamakplasma nicht korrekt wiedergibt.Bei einem Himmelskörper der Größe und Leitfähigkeit der Sonne kommt man auf Eindringzei-ten, die der Größenordnung des Alters der Welt entsprechen. Man erkennt, daß die Frage, obein Magnetfeld in einen Körper eindringt, von der gegenseitigen Größe von t0, l0, und σ ab-hängt. Bei sehr großen Objekten oder sehr kurzen Zeiten kann das Magnetfeld nicht durch einPlasma diffundieren, selbst wenn die Leitfähigkeit nicht besonders groß ist. Man kann ein Ma-

gnetfeld in ein Plasma bringen, indem man es in der Entstehungsphase anlegt, während dieLeitfähigkeit gering ist. Bei genügend hoher Leitfähigkeit ist das Plasma dann in das Magnet-feld "eingefroren" d.h. die Magnetfeldlinien können sich nicht über das Plasma bewegen.

c) Magnetische ReynoldszahlDie Frage, wie weit ein Magnetfeld in einen Körper eindringt, wird durch die magnetischeReynoldszahl Rm beschrieben. Rm ist eine dimensionslose Zahl, die gleich dem Quadrat desVerhältnisses von typischer Länge der Anordnung zur Eindringtiefe ist. Setzt man z.B. dieFormel für den Skineffekt voraus, so ist

(C.10)Rm = µ0σωlo2

Bei einer Strömung eines Plasmas in einem Magnetfeld mit der Geschwindigkeit v = l0/t0 hatman

55

Rm =vl0µ0σ

Man gelangt zu der Reynoldszahl in der Hydrodynamik, indem man

µ0σ = 1η/ρ

setzt. η ist die Viskosität und η/ρ die kinematische Viskosität. Eine andere mit der obigen De-finition Gl. (C.10) identische Interpretation der magnetischen Reynoldszahl besagt, daß sie dasVerhältnis vom Magnetfeld durch Ströme im Plasma zum Vakuumfeld angibt. Abb. C.5 zeigtz.B. ein magnetisches Dipolfeld, das von einem Plasma angeströmt wird. Im oberen Fall istRm << 1, d.h. das Magnetfeld bleibt das Vakuumfeld, unten ist Rm ~ 1, d.h. das Magnetfeldwird verzerrt.

Abb. C.5: Bei Rm << 1(oben) bleibt das Vakuumfeld

ungestört. Bei Rm >> 1 (unten) verursachen Ströme im

Plasma eine starke Verzerrung des Vakuumfeldes.

Wenn man die Magnetfeldlinien in Abb. C.5 durch Isothermen in einer Flüssigkeitsströmung

ersetzt, übernimmt die Piclet Zahl die Rolle der magnetischen Reynoldszahl. Bei Rm>> 1 fin-det keine Diffusion statt. Die Materie ist an das Magnetfeld gebunden. Man sagt, das Magnet-feld ist eingefroren. Eine Flußröhre, d,h, eine Röhre, deren Oberfläche aus Magnetfeldlinien

gebildet wird, enthält immer die gleichen Teilchen. Dies ist ein Ergebnis, das wir schon im Ein-teilchenmodell im stoßfreien Fall gewonnen hatten.

Abb. C.6: Eine Flußröhre ist eine röhrenförmige Fläche, deren Mantel

Feldlinien bilden. Die Flußröhre enthält bei unendlicher Leitfähigkeit

immer die gleichen Teilchen.

Man kann also in diesem Fall aus der Bewegung des Plasmas auf die Verformung des Magnet-feldes schließen oder umgekehrt. Z.B. wird bei Eruptionen der Sonnenoberfläche Magnetfeld

Abb. C.7: Ein Plasmaball

wird aus der Sonnenober-

fläche ausgestoßen.

56

mit dem Plasma mitgerissen. Die Feldlinien dehnen sich wie Gummibänder und reißen schließ-lich ab, so daß sich ihre Topologie ändert (reconnection).

4. Gleichgewichta) GrundgleichungenUm Plasma durch Magnetfelder einzuschließen, muß zunächst einmal die Diffusion genügendklein sein, d.h. die Leitfähigkeit genügend groß. Darüber hinaus muß ein Gleichgewicht zwi-schen den Druckkräften des Plasmas und den magnetischen Kräften herrschen. Im Falle desGleichgewichts ruht das Plasma, und alle Zeitableitungen verschwinden. Mit den Voraus-setzungen

v = 0, σ = ∞, ∂∂

= 0

bleiben von den Grundgleichungen der MHD, Gl. (C.1) - (C.3) und den Maxwellgleichungenübrig

(C.11)j × B = ∇ p

rotB = µ0j

Dies sind die Grundgleichungen für den magnetischen Einschluß. Alle grundlegenden theoreti-schen und numerischen Untersuchungen basieren auf diesen Gleichungen. In der Gleichge-wichtstheorie für den Tokamak entwickelt man aus ihnen eine Differentialgleichung für dieFlußfunktion Ψ (r, z)

D(Ψ(r, z)) = 0

wobei ein Differentialoperator ist. Diese Gleichung ist die Grad-Shafranov-Gleichung.DDurch skalare Multiplikation der ersten Gleichung nacheinander mit j und B erkennt man, daß

sowohl j wie B senkrecht auf ∇ p stehen. In einem Plasma im Gleichgewicht wird der Druckvon innen nach außen abnehmen. ∇ p steht senkrecht auf den Flächen konstanten Drucks, j undB liegen also in den Flächen konstanten Drucks. Da die Flächen, die die Magnetfeldlinien ent-halten, identisch mit unseren im vorigen Kapitel definierten Flußflächen sind, folgt, daß aufden Flußflächen der Strom fließt, die magnetischen Feldlinien liegen und der Plasmadruckkonstant ist. (Abb. C.8)

Abb. C.8: Auf den Flußflächen ist der Druck konstant,

und auf ihnen laufen Magnetfelder und Stromdichte-

vektoren

57

In typischen Einschlußexperimenten ist am Rand der Plasmadruck p = 0.

b) Magnetischer Druckα) FragestellungDie j x B Kraft in einem Plasma läßt sich im Gleichgewicht alleine aus dem Magnetfeldverlaufausrechnen. Dazu setzt man die erste Gleichung von Gl. (C.11) in die zweite ein, man erhält

∇ p + 1µ0

(B × rotB) = 0

Wir folgern, daß wie ∇ p eine Kraftdichte darstellt. Weiter unten werden wir se-1µ0

(B × rotB)

hen, daß man diesen Term durch Vektorumformungen in die Form

∇=P

bringen kann. ist ein Tensor, der die Dimension eines Druckes hat, und heißt Tensor des=P

magnetischen Druckes. Wir machen uns die Form und die Bedeutung des Drucktensors an ein-dimensionalen Problemen klar.β) Eindimensionales ebenes ProblemDie betrachtete Geometrie ist wieder die von Abb. C.4, die hier in Abb. C.10 wiederholt wird:

Abb. C.10: Der magnetische Druck an einer ebenen

Plasmaoberfläche

Es gilt ∂∂y

= ∂∂z

= 0, B =

00B

und daher rotB =

∂∂x

00

×

00B

=

0− ∂

∂xB

0

B × rotB =

00B

×

0−∂B

∂x

0

=

B∂B∂x

00

= ∂∂x

B2

2

00

Man kann also, wie oben für den allgemeinen Fall behauptet, in der Gleichgewichtsgleichungden Term, der das Magnetfeld enthält, als Gradient eines Druckes schreiben

58

∂p∂x

+ ∂∂x

B2

2µ0

(C.12)pm = B2

2µ0

pm heißt der magnetische Druck.γ) Der DrucktensorWir suchen einen Tensor P, für den gilt

−j×B= 1µ0

B × rotB = ∇=P

Zur Umformung des B x rot B Terms gehen wir von der Vektoridentität aus

B × (∇ × B) = 12

∇ B2 −(B • ∇ )B

Der zweite Term auf der rechten Seite wird umgeformt mit

∇ • (BB) = B(∇ • B) + (B • ∇ )B

Der erste Term rechts fällt wegen fort. BB ist ein Tensorprodukt in Matrizen dar-∇ • B = 0stellbar durch

BB =

Bx

By

Bz

Bx By Bz

=

BxBx BxBy BxBz

ByBx ByBy ByBz

BzBx BzBy BzBz

Damit ist die Aufgabe, den Gradienten vorzuziehen erreicht

1µ0

B × rotB = 1µ0

12

∇ B2 − ∇ • (BB)

Der erste Term in der Klammer muß lediglich mit der Einheitsmatrix multipliziert werden. Der Drucktensor hat dann die Form:

=P=

p + 1µ0

12B2 − B2

− 1µ0

BxBy − 1µ0

BxBz

− 1µ0

ByBx p + 1µ0

12B2 − By

2 − 1

µ0ByBz

− 1µ0

BzBx − 1µ0

BzBy p + 1µ0

12B2 − Bz

2

Durch Einführen eines lokalen Koordinatensystems, dessen z-Achse mit der Magnetfeldrich-tung zusammenfällt, vereinfacht sich der Tensor

59

C.13=P=

p + 12µ0

B2 0 0

0 p + 12µ0

B2 0

0 0 p − 12µ0

B2

Durch Multiplizieren mit einem Flächenelement und Gradientenbildung erhält man die Kraft inRichtung der Flächennormalen. Man erkennt, daß senkrecht zur Magnetfeldrichtung (x und y-

Richtung) zum thermischen Druck ein Druck hinzukommt, in Magnetfeldrichtung (z-Richtung)ein Druck abgezogen wird. Man kann sich diese zusätzlichen Terme als Seitendruck undLängszug der Feldlinie vorstellen.

c) Einschluß eines zylindrischen Plasmas

Abb. C.11: Die Geometrie des zylindrischen Plasmas. a

ist der Plasmaradius, r die laufende Koordinate

α) DruckgleichgewichtIn Zylindergeometrie (Abb. C.11) gehen wir analog vor wie in ebener Geometrie. Um der

Feldgeometrie im Tokamak nahe zu kommen, lassen wir Bϕ ≠ 0, Bz ≠ 0 zu

∂∂ϕ = ∂

∂z= 0, B =

0Bϕ

Bz

rotB =

er ” ∂∂r” 0

eϕ 0 Bϕ

ez 0 Bz

=

0− ∂

∂rBz

1r

∂∂r

rBϕ

Die Matrixschreibweise des rot - Operators in Zylinderkoordinaten ist nicht ernst zu nehmen,es handelt sich lediglich um eine Gedächtnisstütze.

0Bϕ

Bz

×

0− ∂

∂rBz

1r

∂∂r

rBϕ

=

Bϕ1r

∂∂rrBϕ + Bz

∂∂rBz

00

Die Gleichung für das Druckgleichgewicht lautet also

1µ0

∂∂

Bϕ + 1r Bϕ

2 + Bz∂∂

Bz + ∂

∂p = 0

60

1µ0

∂∂r

12

Bϕ2 + ∂

∂r12

Bz2 + 1

r Bϕ2 + ∂

∂rp = 0

Bϕ und Bz sind Funktionen des Radius.Man integriert über die Querschnittsfläche ( ) und führt eine partielle Integration∫0

ar2drdϕ

durch. Als Resultat ergibt sich eine Gleichung für das Druckgleichgewicht

(C.14)Bϕ(a)2

2µ0+ Bz(a)2

2µ0=

Bz(r)2

2µ0+ ⟨p⟩

Auf der linken Seite steht der Magnetfelddruck des gesamten Magnetfeldes am Plasmarand.Rechts steht der Mittelwert über den Querschnitt, z.B.

Bz(r)2 = ∫0a

Bz2(r)rdrdϕπ 2

Bemerkenswert ist, daß das poloidale Feld im Plasma keinen Beitrag liefert.β) Der Parameter βBei Gültigkeit von Gl. C.14 definiert man

β = ⟨p⟩Ba

2/2µ0

wobei . Nach C.14 ist dannBa2 = Bϕ

2 (a) + Bz2(a)

β = 1 − ⟨Bz2(r)⟩Ba

2

β = 1 heißt also . Das Plasma ist frei von Magnetfeld. Der magnetische Druck⟨Bz2(r)⟩ = 0

wirkt in der äußersten Randschicht. (Abb. C.12 oben)

Abb. C.12: Bei β = 1 enthält ein Plasma im Gleichgewicht

kein Magnetfeld, bei β << 1 ist das Magnetfeld innerhalb des

Plasmas fast so stark wie außerhalb

β << 1 heißt, daß der innere Magnetfelddruck fast gleich dem äußeren ist. Bei vorgegebenemPlasmadruck <p> wird Ba am kleinsten bei β = 1. Da bei großen Einschlußexperimenten die

61

Herstellung des äußeren Magnetfeldes ein erheblicher Kostenfaktor ist, strebt man aus ökono-mischen Gründen ein möglichst großes β an. Andererseits unterstützt ein inneres Magnetfelddie Stabilität (s. Abschnitt f). Da das Stabilitätsproblem zunächst das gravierendste Problemist, haben alle aktuellen Einschlußexperimente ein β im Prozentbereich.γ) Die kompensierte SchleifeDie kompensierte Schleife erlaubt es, aus dem Signal von Spulen, die außerhalb des Plasmasangebracht sind, auf den mittleren Plasmadruck zu schließen und damit, wenn die Dichte be-kannt ist, auf die Temperatur. Voraussetzung ist das Vorliegen eines Gleichgewichts. Manmißt B2

a und <B2z(r)> und bestimmt mit Hilfe von Gl. (C.14) den Druck.

Die Schwierigkeit besteht darin, daß in den meisten Experimenten β sehr klein ist, und sich da-her die Magnetfelder am Plasmarand und im Innern nur wenig unterscheiden. Man macht da-her eine Differenzmessung. Die Spulen werden so ausgelegt, daß die Signale ohne Gegenwartdes Plasmas gleich groß und entgegengesetzt sind. Wenn β << 1, ist das Differenzsignal pro-portional zu nT.

Abb. C.13: Bei geeigneter Abstimmung der Flächen A1 und

A2 ist das Signal der kompensierten Schleife proportional

zum Plasmadruck.

d) Die Benett-Gleichung(Benett 1934)In einer zylindrischen Anordnung, in der Strom in z-Richtung fließt, (Abb. C.11), wird das ein-schließende Magnetfeld alleine durch den im Plasma fließenden Strom erzeugt. Solche Anord-nungen sind üblich zur Plasmaerzeugung, z.B. der Lichtbogen oder der z-Pinch. Man kann er-warten, daß sich ein Gleichgewicht einstellt zwischen Magnetfelddruck und Plasmadruck, sodaß man durch Vorgabe des Stroms das erreichbare n · T ausrechnen kann (Benett -Gleichgewicht).

Abb. C.14: Wenn das Magnetfeld eines axialen Stro-

mes das Plasma einschließt, kann man aus der Strom-

stärke den Plasmadruck ausrechnen

Die Gleichgewichtsbedingung lautet hier

Bϕa2

2µ0= nkT

62

Das Amperesche Gesetz besagt

Bϕa =µ0I2πa

d.h.µ0

π2 2I2 = nkT

kT =µ0

8π(nπa2)I2

nπa2 ist die Teilchendichte pro Länge, die sogenannte Liniendichte. Für einen Strom vonI = 105 A und eine Liniendichte nπa2 = 1019m-1 erhält man eine Temperatur von T = 25·106 K.Ströme von 105 A sind durch Kondensatorentladungen leicht zu erzeugen. Das Problem liegtin der mangelnden Stabilität des Plasmafadens (s. Abschnitt f).

e) Gleichgewicht im TorusMan behandelt getrennt das Gleichgewicht bezüglich kleinen (a) und großen (R) Radius.

Abb. C.15: Kleiner und großer Radius im Torus

Bezüglich kleinem Radius kann man in erster Näherung die Betrachtungen am Zylinder über-tragen. Für ein typisches β = 0,1 ergibt sich aus der Gleichgewichtsbedingung

Ba2

2µ0= 10nkT = 20nekT

für typische Werte ne = 1020 m-3 und T = 108 K benötigt man B ~ 3 T. In JET hat das Toroidal-

feld eine Stärke von 3,4 T. Dies entspricht einem Druck von . DamitB2

µ0= 3 ⋅ 105Pa ≈ 3bar

verbunden sind gewaltige Probleme, nicht nur der Stromversorgung, sondern auch der Festig-keit. Bei JET enthält die Toroidalfeldspule 380 t Kupfer, der Eisenkern des Transformatorszur Induzierung des toroidalen Stroms wiegt 1500 t. Die Leistung zur Speisung der Toroidal-feld - Spulen beträgt 250 MW.Ein Plasmaring würde sich ohne weitere Maßnahmen ausdehnen. Jeder Stromring erfährt auf-grund der Tatsache, daß innen der Magnetfelddruck größer als außen ist, eine radial nach au-ßen wirkende Kraft. In die gleiche Richtung wirken die thermischen Kräfte. Man fügt daherdem Experiment neben den Toroidalfeldspulen und den Spulen zur Induzierung des toroidalenStromes (OH-Feld Trafo) ein Spulensystem zu, das ein Feld parallel zur z-Achse erzeugt (B⊥ -Feldspulen) . Die Richtung und Stärke muß so bemessen werden, daß zusammen mit dem

63

toroidalen Strom eine j x B - Kraft erzeugt wird, die den nach außen gerichteten Kräften dasGleichgewicht hält. Bei heutigen Großexperimenten wird die Lage des Plasmas in r - Richtungzeitabhängig gemessen und die Stromstärke der B⊥ -Spulen so nachgeregelt, daß die ge-wünschte Lage des Plasmas eingehalten wird.

Abb. C16: Spulensysteme im Tokamak

f) InstabilitätenDas Gleichgewichtsproblem in Plasmaexperimenten wird im allgemeinen beherrscht. Schwie-rigkeiten bereitet die Neigung eines eingeschlossenen Plasmas zu Instabilitäten. Unter einer In-stabilität versteht man eine Situation, bei der das System, wenn es einer kleinen Störung aus-gesetzt wird, nicht in die Ausgangssituation zurückkehrt, sondern immer weiter von ihr ab-weicht. Man unterscheidet im Plasma zwischen Makroinstabilitäten, bei denen das Plasma auf

Verformungen der Plasmasäule instabil reagiert, und Mikroinstabilitäten, bei denen eine Stö-rung der Verteilungsfunktion anwächst. Instabilitäten enden meist in einem Verlust des Plas-mas. Im folgenden werden qualitativ einige typische Instabilitäten einer Plasmasäulebesprochen.α) "Sausage"-Instabilität

Abb. C.17: In der z - Pinch Geometrie wächst eine

Einschnürung der Plasmasäule bis das Plasma zerfällt.

Bei einer Plasmasäule, durch die ein axialer Strom fließt, erhöht sich der Magnetfelddruck amPlasmarand, wenn dieser an einer Stelle eingeschnürt wird. Die Einschnürung wächst also unddas Plasma zerfällt wie eine Kette von Würsten, daher "Sausage"-Instabilität. Das Plasma kanndurch ein inneres Magnetfeld Bz stabilisiert werden. Wegen der Flußkonstanz ist dann

Abb. C.18: Auch eine Krümmung der Plasmasäule wächst

64

Bzr2 = const, d.h. das innere Feld geht mit das äußere mit , so daß bei einer Ein-Bi ∼ 1

r2Ba ∼ 1

rschnürung der innere Magnetfelddruck stärker zunimmt als der äußere.β) Kink-InstabilitätBei einer Krümmung einer Plasmasäule erhält man - wie in Abb. C.18 veranschaulicht - eineErhöhung des Magnetfeldes an der Innenseite des Knicks. D.h. auch hier verstärkt sich der Ef-fekt selbst. Ähnlich wie bei der Sausage-Instabilität wirkt ein inneres Feld stabilisierend. Manerkennt, daß ein z - Pinch außerordentlich instabil ist und eine Verschraubung der Feldlinien,wie wir sie vom axialsymmetrischen Torus her kennen, stabilisierend wirkt.Bei der Kompression einer Plasmasäule durch ein äußeres Magnetfeld liegt eine ähnliche Si-tuation vor wie bei der von Flüssigkeiten her bekannten Rayleigh-Taylor Instabilität, die auf-tritt, wenn man über eine relativ leichte Flüssigkeit eine schwere schichtet. Eine zylindrischeSäule verformt sich dann sternförmig. Man nennt auch diese Instabilität Rayleigh-TaylorInstabilität.

Abb. C.19: Querschnitt eines Plasmas mit Rayleigh - Tay-

lor Instabilität

5. Anwendungen aus der Dynamika) Kompressions Alfvén-WelleAls Anwendung eines dynamischen Vorgangs, bei dem beide Gleichungen (C.5) und (C.6) we-sentlich sind, wird die Kompressions-Alfvén betrachtet. Eine systematische Behandlung der

Plasmawellen erfolgt im nächsten Kapitel.α) GeometrieEs gibt zwei Typen von Alfvénwellen: die Kompressions- und die Scherwelle. Im Labor regtman sie in zylindrischer Geometrie wie in Abb. C.20 an:

Abb. C.20: Anregungsgeometrie für die Kompressi-

ons- und die Scherwelle.

Zur Vereinfachung der Algebra gehen wir wieder auf ebene Geometrie über (Abb. C.21)

65

Abb. C21: Die Richtungen der Störungen

B´ und j in der Kompressionswelle (oben)

und in der Scherwelle (unten)

Die Kompressionswelle läuft senkrecht zu B. Die Teilchenbewegungen besitzen eine Kompo-nente in Ausbreitungsrichtung der Welle. Die Welle ist daher mit Dichteschwankungen ver-bunden. Die Scherwelle läuft parallel zu B0. Teilchen machen eine seitliche Bewegung, die kei-ne Dichteschwankungen mit sich bringen. Wir setzen also für die Kompressionswelle voraus

∂∂y

= ∂∂z

= 0, B =

00

B(x)

Die Druckkräfte seien gegenüber den magnetischen Kräften vernachlässigbar.

∇ p << j × B

Diesen Grenzfall nennt man die kalte Theorie. Ferner sei, , d.h. eine Dämpfung derσ → ∞Welle wird nicht betrachtet.β) GrundgleichungenDie Ausgangsgleichungen sind das Amperesche Gesetz, das mit dem Ohmschen Gesetz wird:

(C.15)∂B∂t

= rot(v × B)

und die Euler-Gleichung

(C.16)ρ∂v∂t

+(v • ∇ )v = j × B = 1

µ0rotB × B

B(x) und v(x) sind nur von x abhängig.γ) LinearisierungDie Ausgangsgleichungen sind nicht linear. Wir können also eine einfache Lösung nur erwar-ten, wenn wir linearisieren, d.h. wir betrachten alle Größen als zusammengesetzt aus einemorts- und zeitunabhängigen Teil und einem viel kleineren zeitlich veränderlichen Teil, dessenx,t - Abhängigkeit es zu berechnen gilt.

66

B = B0 + εB(x, t) (εB << B0)

...ρ = ρ0 + ερ(x, t)

v = εv(x, t)

v0 = 0, da die Flüssigkeit im Mittel ruhen soll. Gl. C.15 wird dann z.B.

ε∂B∂t

= εrot(v × B0) + ε2rot(v × B)

Terme mit ε2 werden weggelassen. Die Grundgleichungen haben also die Form

C.15 ∂B∂t

= rot(v × B0)

C.16 ρ0∂v∂t

= 1µ0

(rotB) × B0

δ) WellengleichungIn Komponenten

rotB =

∂∂x

00

×

00B

=

0− ∂

∂xB

0

rotB × B0 =

0− ∂

∂xB

0

×

00

B0

=

−B0∂∂x

B

00

Aus der zweiten Gleichung folgt, daß und da v keine konstanten Terme enthalten soll auch∂v∂t

v nur eine r-Komponente besitzt:

(v × B0) =

v00

×

00

B0

=

0−vB0

0

=

00

−B0∂∂xv

Damit werden die Gleichungen

(C.15): ∂B∂t

= −B0∂∂x

v

(C.16): ρ0∂v∂t

= − 1µ0

B0∂B∂x

67

Durch Ableitung der ersten nach t, der zweiten nach x wird v´ eliminiert

∂2B∂t2

= B02

µ0ρ∂2B∂x2

Es ergibt sich also eine Wellengleichung für eine dispersionsfreie Welle, die in x-Richtung(senkrecht zum Magnetfeld) mit einer Phasengeschwindigkeit

vA = B02

µ0ρ

der sogenannten Alfvéngeschwindigkeit läuft. Aus der Kontinuitätsgleichung

•ρ +div(ρv) = 0

•ρ +ρ0

∂v∂x

= 0

folgt, da , daß die Dichte sich zeitlich ändert. Es handelt sich also um eine Kompressi-∂v∂x

≠ 0

onswelle. Den Ausbreitungsmechanismus veranschaulichen wir uns mit der Schallwelle. DenSchalldruck nimmt hier der magnetische Druck ein.

b) Der MHD Generator

Abb. C.22: Im MHD - Generator fließt eine leitfähige

Flüssigkeit durch ein Magnetfeld. Seitlich kann Strom

abgenommen werden.

Wir gehen von homogenen E und B-Feldern und durch äußeren Druck vorgegebener Strö-mungsgeschwindigkeit aus. Die Betriebsbedingungen hängen von der Belastung im äußerenStromkreis ab. Für endliche Leitfähigkeit sind im stationären Fall die Grundgleichungen

jσ = E + v × B

ρ(v • ∇ )v = −∇ p + j × B

rotB = µ0j

68

Im Leerlauf (j = 0) erhält man das Raumladungsfeld E aus der ersten Gleichung.

E + v × B = 0

den notwendigen Druckgradienten aus der zweiten:

(v • ∇ )v = −∇ p

Für Kurzschluß wird E = 0.

jσ = v × B

ergibt den Kurzschlußstrom. Die zweite Gleichung liefert wieder den notwendigen Druckgra-dienten. Der MHD Generator dient zur Direktumwandlung von mechanischer Energie inelektrische.

c) Der selbsterregte Dynamoα) DynamogleichungMan nimmt an, daß das Erdmagnetfeld durch die Konvektionsströmung des leitfähigen Mag-mas im Erdinneren erzeugt wird. Wie eine magnetohydrodynamische Strömung aussehen muß,damit sie ein Magnetfeld erzeugt, behandelt das Dynamoproblem. Die wesentliche Grundglei-chung ist das Ohmsche Gesetz

jσ = E + v × B

Man bildet hiervon die Rotation, setzt ein und beachtet, daß im stationärenj = 1µ0

rotB ∂B∂t

= 0

Zustand. Die Grundgleichung hat dann die Form

1µ0σ∇ 2B + rot(v × B) = 0

Man nennt dies die Dynomogleichuung. Sie erlaubt bei gegebenem v B auszurechnen. Eineeinfache Geometrie für einen rückgekoppelten Dynamo zeigt Abb. C.23. Er beruht auf demPrinzip des MHD Generators.

Abb. C.23: Eine mögliche Anordnung für einen

selbsterregten Dynamo

69

Das Prinzip des Erddynamos ist heute im wesentlichen verstanden. Wichtig ist die spiraligeStruktur des Geschwindigkeitsfeldes unter dem Einfluß der Corioliskraft. Interessant ist, daßselbsterregte Dynamos ein Anfangsfeld benötigen, das sie dann verstärken. Das Anfangsfeldkann auf sehr kleinen Schwankungen beruhen. Wenn ein Dynamo erlischt, hängt die entstehen-de Feldrichtung also vom Zufall ab.

Abb. C.24: Die Konvektionszellen im Erdinnern entfal-

ten unter dem Einfluß der Erddrehung eine spiralförmi-

ge Bewegung, die für den Erddynamo entscheidende

Vorraussetzung darstellt

Das Dynamoproblem hat sich lange einer Lösung entzogen, da es eine Reihe von negativenAussagen zur Existenz des Dynamos gibt. Eine solche ist der Satz von Cowling, der besagt,daß es keinen homogenen, axialsymmetrischen Dynamo gibt. Wir geben einen Beweis für denSonderfall Bϕ = 0. Wir nehmen also an, es gäbe einen zur z-Achse symmetrischen Dynamo mitBϕ = 0. Dann ist

B =

Br

0Bz

, j =

0jϕ

0

, E =

0Eϕ

0

Da sein soll und für ein elektrostatisches Feld Eϕ,εs = 0 gilt, ist E = 0 und∂B∂t

= 0

j = σv × B

Die zylindersymmetrische Magnetfeldkonfiguration (Abb. C.25) muß aber eine "Seele" besit-zen, um die B zirkuliert.

Abb. C.25: Ein zylindersymmetrisches Feld ohne to-

roidale Komponente zirkuliert um eine magnetische

Achse, an der B = 0 gilt.

An dieser ist B = 0 und j ≠ 0. Dies führt zu einem Widerspruch zu j = σv xB, denn wennB = 0 ist, ist nach dieser Gleichung j = 0 für beliebiges v.

70

KAPITEL D

Wellen im homogenen, kalten Plasma

1. Einleitunga) Warum Plasmawellen?

Es gehört zu den charakteristischen Eigenschaften eines Plasmas, sehr verschiedenen Wellen-

typen Ausbreitung zu ermöglichen. Diese unterscheiden sich in ihren Polarisationseigenschaf-

ten und ihren Dispersionsbeziehungen. Da Plasmen aufgrund eines überlagerten Magnetfeldes

im allgemeinen anisotrop sind und da die Bewegung der unterschiedlichen Teilchensorten und

die E- und B- Felder der Welle alle möglichen Richtungen relativ zur Ausbreitungsrichtung

der Welle und zum überlagerten Magnetfeld einnehmen können, bieten Plasmawellen ein inter-

essantes Feld zum Studium von Wellenphänomenen.

Neben der Möglichkeit Wellenphysik zu treiben, bieten Wellen in Plasmen eine Reihe von An-

wendungen. Die wichtigsten sind Heizung, Diagnostik und Erzeugung von Gleichströmen.

Hierüber wird im Abschnitt 7 nach der theoretischen Behandlung der Wellen im kalten Plasma

berichtet.

Bei dem theoretischen Modell gehen wir von dem einfachsten Fall aus: einem homogenen, kal-

ten Plasma ohne Stöße. D.h. die im vorigen Kapitel zugelassene endliche Leitfähigkeit und der

endliche Druck wird wieder fallen gelassen. Dafür wird das im vorigen Kapitel eingeführte

Flüssigkeitsmodell verfeinert, indem die Bewegung von Elektronen- und Ionenflüssigkeit un-

tersucht wird und vor allem die Beschränkung auf langsame Vorgänge fallengelassen wird, so

daß auch Wellen mit Geschwindigkeiten in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit und mit Fre-

quenzen in der Nähe der Plasmafrequenz erfaßt werden können. Nur lineare Wellen werden

behandelt, d.h. wir gehen von einem ruhenden Hintergrundplasma aus und fragen, wie sich ei-

ne kleine Störung ausbreitet.

2. Grundlagena) Maxwell - Gleichungen

Die Felder, die Strom- und die Ladungsdichte werden verknüpft durch die Maxwell - Glei-

chungen, jetzt unter Einbeziehung des Verschiebungsstromes

(D.1)rotB(r, t) = µ0j(r, t) + 12

∂∂t

E(r, t)

rotE(r, t) = − ∂∂t

B(r, t)

71

Harald Schüler

divB(r, t) = 0

divE(r, t) = 1ε0

ρel(r, t)

Eine der zentralen Fragen wird sich darauf konzentrieren, wie man j(r,t) durch E(r,t) aus-

drücken kann.

Die Strom- und Ladungsdichten lassen sich durch Teilchendichten na(r,t) und Teilchenge-

schwindigkeiten va(r,t) ausdrücken

(D.2)ρel(r, t) = Σa

qana(r, t)

(D.3)j(r, t) = Σa

qana(r, t)va(r, t)

Die letzte Gleichung gilt auch im heißen Plasma, wenn man für va(r,t) die mittlere Geschwin-

digkeit der Teilchensorte a nimmt.

b) Gleichgewicht

Die Gleichgewichtsgrößen sollen nach Voraussetzung unabhängig von Ort und Zeit sein. Sie

werden mit dem Index 0 gekennzeichnet. Außerdem sollen im Gleichgewicht alle Teilchen ru-

hen, d.h. va0 = 0 und damit ja0= 0 und kein elektrisches Feld vorliegen, d.h. E0 = 0 und damit

ρel,0 = 0. Wegen der verschwindenden Raumladungsdichte folgt aus Gl. (D.3) als

Nebenbedingung

Σa

qana0 = 0

c) Linearisierung

Die Gleichungen lassen sich linearisieren, indem die Störungen in der Welle, n´a, B´, v a, E, j,

ρel als von erster Ordnung klein angesehen werden

na(r, t) = na0 + na/ (r, t)

B(r, t) = B0 + B/(r, t)

und alle Terme, die quadratisch (oder mit höherer Potenz) in kleinen Größen sind, vernachläs-

sigt werden.

72

Z.B. wird Gl. (D.3)

j(r, t) = Σa

qana0va(r, t)

d) Exponentialansatz

Wir suchen von vornherein ebene harmonische Wellen als Lösungen, d.h. alle Störungen ver-

halten sich wie

ρel(r, t) = ρelcos (k • r − ωt +ϕ)

wobei wir beliebige Lösungen aus diesen nach dem Satz von Fourier zusammensetzen. k ist

der Wellenvektor. Er steht senkrecht auf den Flächen gleicher Phase. Die Wellenlänge ergibt

sich aus |k| = 2π/λ. Wir beschreiben Wellen durch einen Exponentialansatz

ρel(r, t) = Re(ρelei(k•r−ωt+ϕ))

Die Phasenverschiebung ϕ kann dann durch eine komplexe Amplitude dargestellt werden.

ρel = ρeleiϕ

Wie üblich lassen wir aus Bequemlichkeit in der Schreibweise die Realteilbildung fort, so daß

jetzt der Wellenansatz lautet

(D.4)ρel(r, t) = ρelei(k•r−ωt)

E(r, t) = Eei(k•r−ωt)

Wir müssen allerdings beachten, daß

i) in allen quadratischen Termen wie |E(r,t)|2, usw. der reelle Wert der einzel-E(r, t) × B(r, t)nen Faktoren eingesetzt werden muß.

ii) Bei Vektoren die Phasen von Komponenten verschieden sein können und damit die

Verhältnisse der Komponenten komplex ausfallen können. Dies ist z.B. bei zirkularer Polarisa-

tion der Fall.

Bei Ableitungen wie und ergibt sich kein Problem, da Ableitungen und Realteilbildung∂∂t

vertauschbar sind. Wegen des bekannten räumlich zeitlichen Verhaltens der Störung (Gl. D.4)

kann man die Ableitungen sofort bilden.

73

∂∂t

E(r, t) = −iωE(r, t)

divE = ik • E(r, t)

rotE = ik × E(r, t)

gradϕ(r, t) = ikϕ(r, t)

Aus den Grundgleichungen folgt damit für die Amplituden der Störungen

ik × B / = µ0j − iωc2

E

ik × E = iωB /

j = Σ qana0va

( Diese Gleichung folgt hier aus dem Induktionsgesetz)ik • B / = 0

ik • E= 1ε0

ρel

ρel kommt nur in der letzten Gleichung vor. Diese erlaubt also ρel zu bestimmen, wenn alle an-

deren Größen bekannt sind. B´ läßt sich eliminieren, indem man das Induktionsgesetz mit kvektoriell multipliziert und in das Amperesche Gesetz einsetztk × B /

k ×(k × E) = ωk×B /=ω −iµ0j − ω

c2E

(D.5)c2 ×(k × E) = −iωε0

j − ω2E

e) Bewegungsgleichung

Die Bewegungsgleichung eines Teilchens der Sorte a im gestörten Plasma lautet dann

madva(t)

dt= qa[E(ra(t), t) + va(t) × (B0 + B/(r(t), t))]

Die Linearisierung führt zu einer Reihe von Vereinfachungen: Die substantielle Ableitung dva

kann durch die lokale Ableitung ersetzt werden. (Der Unterschied zwischen beiden∂∂

74

Ableitungen ist ein quadratischer Term.) Die elektrische Feldstärke an der Bahn des Teilchens

kann durch die Feldstärke an der Ruheposition des Teilchens r ersetzt werden, daE(ra(t), t)das Teilchen in der Umgebung dieser Ruhelage Oszillationen kleiner Amplitude ausführt. Aus

dem gleichen Grund kann die Geschwindigkeit entlang der Bahn va(t) durch die Geschwindig-

keit an der Ruheposition va(r,t) ersetzt werden. Bei diesen Ersetzungen geht die Annahme ei-

nes kalten Plasmas ein. Die Bewegungsgleichung hat dann die Form

∂∂t

va(r, t) = qa

ma[E(r, t) + va(r, t) × B0]

Berücksichtigt man den Exponentialansatz für alle Störungen, wird hieraus

−iωva = qa

ma(E + va × B0)

f) Zusammenfassung

Die Ausgangsgleichungen für alle weitere Diskussion sind also

(D.6)c2k ×(k × E) = −iωε0

j − ω2E

(D.7)j = Σa

na0qava

(D.8)va = iω

qa

ma(E + va × B0)

Nehmen wir an, es gelingt, j durch E auszudrücken, so wird Gl. (D.6) ein homogenes Glei-

chungssystem zur Bestimmung der Komponenten von E. Aus E ergibt sich B´ und ρel über

(D.9)B / = 1ωk × E

(D.10)ρel = iε0k•E

3. Wellen im magnetfeldfreien Plasmaa) Berechnung von j

Magnetfeldfrei heißt B0 = 0. Damit wird nach Gl. (D.6), (D.7)

va = iω

qa

m E

75

j = Σ na0qaiω

qa

maE = iε0

ω Σa

na0qa2

ε0maE

Als Abkürzung wird analog zur in Kapitel A definierten Plasmafrequenz (s. Gl. (A.4)), die sich

dort nur auf die Elektronen bezog, die Plasmafrequenz für jede Teilchensorte eingeführt.

(D.11)ωpa2 = na0qa

2

ε0ma

Als Plasmafrequenz allgemein definiert man

ωp2 = Σ

aωpa

2 ≈ ωpe2

Der Zusammenhang zwischen j und E hat dann die Form

j = iε0ω ωp

2E

Gleichung (D.6) wird damit

c2k ×(k × E) = −iωε0

iε0ω ωp

2E − ω2E

(D.12)c2k ×(k × E) = (ωp2 − ω2)E

b) Longitudinale Wellen

Im Spezialfall E//k wird und aus Gl. (D.12) folgt 0 = (ωp2 - ω2)E. Da sein soll,k × E = 0 E ≠ 0

muß die Klammer verschwinden. Hieraus ergibt sich die Dispersionsbeziehung

ω = ωp

Aus Gl. (D.9) folgt, daß B´ = 0. Mit der Störung ist kein oszillierendes Magnetfeld verbunden.

E ist also als Gradient eines Potentials darstellbar. Man nennt diese Welle daher elektrosta-

tisch. Aus Gl. (D.10) folgt, daß die elektrische Raumladungsdichte nicht verschwindet. Die

Größen va, j, und E oszillieren in Ausbreitungsrichtung. Die Welle ist longitudinal. Die Fre-

quenz ist gleich der Plasmafrequenz. Damit ist die Gruppengeschwindigkeit

76

vg = dωdk

= 0

Störungen der Ladungsdichte werden nicht weitertransportiert. Dies hat zur Folge, daß Stö-

rungen an einen bestimmten Ort gebunden sind. Es handelt sich um lokale Schwingungen mit

der Plasmafrequenz.

c) Transversale Wellen

Bei diesen besitzt E keine Komponente in k - Richtung. Gl. (D.12) wird

c2[(k • E)k − k2E] = (ωp2 − ω2)E

c2(k • E)k = (ωp2 + k2 − ω2)E

Da nach Voraussetzung , muß auch die Klammer auf der rechten Seite verschwinden,k • E = 0

und die Dispersionsrelation wird

(D.13)ω2 = ωp2 + k2c2

Da nach Gleichung (D.9) jetzt auch , handelt es sich um eine elektromagnetische WelleB ≠ 0

mit einer Polarisation, wie sie uns von elektromagnetischen Wellen im Vakuum her bekannt

ist. Während sich eine elektromagnetische Welle im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit aus-

breitet, hängt hier die Geschwindigkeit von der Frequenz ab. Die Dispersionsbeziehung ist in

Abb. D.1 dargestellt. Bei hohen Frequenzen geht die transversale Welle in die elektromagneti-

sche Welle der Optik über.

Abb. D.1: Die Dispersionsrelation der elektromagneti-

schen Welle im Plasma. Die gestrichelte Linie gibt die

Dispersionsrelation im Vakuum wieder.

Diskussion

Aus der Dispersionsrelation der transversalen Welle (Gl. D.13) folgt sofort, daß ihre Phasen-

geschwindigkeit größer als die Lichtgeschwindigkeit

77

vph = ωk

= c2 +ωp

2

k2> c

und damit der Brechungsindex

n = cvph

= kcω

kleiner als eins ist. Die Gruppengeschwindigkeit ergibt sich aus der Differentiationvg = ∂ω∂k

der Dispersionsrelation

2ωdωdk

= 2kc2, ωk

⋅ dωdk

= c2

ist also stets kleiner als c, wie von der Relativitätstheorie gefordert. Der Brechungsindex hängt

von ω ab:

n2 = k2c2

ω2= 1 −

ωp2

ω2

Man erkennt, daß n und damit k verschwinden, wenn ω gegen ωp geht. Allgemein heißt eine

Frequenz, bei der n2 eine Nullstelle (mit Vorzeichenwechsel) besitzt, eine Abschneidefrequenz

oder Cut-Off Frequenz. Etwas laxer sagt man auch, elektromagnetische Wellen im Plasma ha-

ben bei der Plasmafrequenz einen Cut-Off. Nur für ω > ωp sind n2 und damit k2 größer null.

Man sagt, hier propagiert die Welle. Für ω < ωp wird k rein imaginär: . Der Exponent ink = iκ

Gleichung D.4 wird reell . Die Störungen klingen räumlich exponentiell ab. Maneikx = e−κx

sagt, die Welle ist evaneszent.

Kritischer Blick auf die Näherungsannahmen

Die Annahme eines kalten Plasmas ist bei der Betrachtung der Wellen gerechtfertigt, solange

vth,a = 2kBTma

<< ωk

Da ω/k > c ist diese Bedingung im nichtrelativistischen Plasma gut erfüllt. Weil in der Nähe

der Cut-Off Frequenz k gegen null geht, geht hier ω/k gegen unendlich und der Cut-Off macht

für diese Bedingung keine Probleme. Dagegen ist die Annahme eines homogenen Plasmas

78

eine schlechte Näherung, da die Wellenlänge gegen unendlich geht und damit größer wird als

jedes Plasma endlicher Größe.

4. Magnetisiertes Plasmaa) Berechnung von j

Der Rechengang ist im Grund der gleiche wie im unmagnetisierten Plasma, nur die Algebra ist

wesentlich verwickelter, da für der - Term im Bewegungsgesetz (Gl. D.9) nichtB0 ≠ 0 v × Bfortfällt

va = iω

qa

ma(E + va × B)

Das Koordinatensystem wird so gelegt, daß die z - Achse in Richtung des statischen Magnet-

feldes weist

B0 = B0ez

Zur Abkürzung der Schreibweise wird die Zyklotronfrequenz eingeführt

εaωca =qaB0

ma

Die Bewegungsgleichung hat dann die Form

va = iω

qa

maE + εaωcava × ez

Die Bewegung in z - Richtung bleibt vom Magnetfeld unbeeinflußt

vaz = iω

qa

maEz

während für die Bewegung in einer Ebene senkrecht zum Magnetfeld bleibt:

va⊥ = iω

qa

maE⊥ + εaωcava⊥ × ez

Man multipliziert vektoriell mit ez und setzt in die Ausgangsgleichung ein

va⊥ × ez = iω

qa

m E⊥ × ez − εaωcava⊥

79

va⊥ = iω

qa

maE⊥ + εaωca

qa

maE ⊥ × ez − εaωcava⊥

= ωca2

ω2va⊥ + i

ωqa

ma E ⊥ + i

εaωcaω E ⊥ × ez

Dies kann nach va⊥ aufgelöst werden

(ω2 − ωca2 )va⊥ = iω

qa

ma E ⊥ + i

εaωcaω E⊥ × ez

und mit der ergänzten z-Komponente in den Ausdruck für die Stromdichte (Gl. D.7) einge-

setzt werden.

j = Σa

na0qava

= iωΣa

na0qa2

ma

1ω2 − ωca

2 E ⊥ + i

εaωcaω E⊥ × ez

+ i

ω Σa

na0qa2

maEze

j = iωε0 Σ

a

ωpa2

ω2 − ωca2

E ⊥ + i

εaωcaω E ⊥ × ez

a

ωpa2

ω2Ezez

b) Gleichungssystem für die Komponenten von E

Wie im magnetfeldfreien Fall wird nun j in Gleichung (D.6) eingesetzt

c2k ×(k × E) = −iωε0

j − ω2E

Führt man noch einen Brechungsindexvektor

n = ckω

ein, so wird aus Gl. D.6

(D.14)−n ×(n × E) = E + iε0ωj

= E ⊥ + Ezez −Σa

ωpa2

ω2 − ωca2

E ⊥ + εaωca

ω E ⊥ × ez −Σ

a

ωpa2

ω2Ezez

Die Vorfaktoren der drei Terme werden abgekürzt

80

S = 1 −Σa

ωpa2

ω2 − ωca2

(D.15)D = Σa

εaωcaω

ωpa2

ω2 − ωca2

= Σa

εaωωca

ωpa2

ω2 − ωca2

P = 1 −Σa

ωpa2

ω2

Die Gleichsetzung in D.15 kann folgendermaßen gezeigt werden

Σa

εaωpa

2

ωca= Σ

aεa

na0qa2

ε0ma

ma

qa B0= 1

ε0B0Σa

na0qa = 0

Man kann also ohne Schaden diesen Term hinzuaddieren

D = Σa

εaωca

ωωpa

2

ω2 − ωca2

+ εaωpa

2

ω • ωca

= Σa

εaωpa2

ω(ω2 − ωca2 )ωca

(ωca2 + ω2 − ωca

2 )

= Σa

εaωωca

ωpa2

ω2 − ωca2

Mit diesen Abkürzungen wird aus Gl. (D.14)

−n ×(n × E) = SE⊥ − iDE ⊥ × ez + PezEz

=

S −iD 0iD S 00 0 P

Ex

Ey

Ez

Den Tensor→→ε =

S −iD 0iD S 00 0 P

nennt man den Dielektrizitätstensor. Zur Vereinfachung legt man neben der z-Achse auch die

x-Achse fest, und zwar in die Ebene, die durch n und ez aufgespannt wird. n (und damit der

Ausbreitungsvektor k ) hat eine x- und eine z-Komponente

81

n = nxex + nzez

Die linke Seite wird dann

n × (n × E) = (n • E)n − n2E

= (nxEx + nzEz)

nx

0nz

− (nx2 + ny

2)

Ex

Ey

Ez

=

−nz2 0 nxnz

0 −n2 0nxnz 0 −nx

2

Ex

Ey

Ez

Insgesamt wird Gl. (D.14) hiermit

S − nz2 −iD nxnz

iD S − n2 0nxnz 0 P − nx

2

Ex

Ey

Ez

= 0

Führt man den Winkel ϑ ein, unter dem sich die Welle gegenüber der Magnetfeldrichtung aus-

breitet, so ist

nx = n sin ϑ , nz = n cosϑ

Damit erhält das homogene Gleichungssystem die Form

(D.16)

S − n2cos2ϑ −iD n2sin ϑ cosϑiD S − n2 0

n2sin ϑ cosϑ 0 P − n2sin2ϑ

Ex

Ey

Ez

= 0

Die Lösbarkeitsbedingung, nämlich das Verschwinden der Determinante der Koeffizientenma-

trix, führt zur Dispersionsrelation. Da die Verhältnisse der Komponenten i.a. komplex sind,

muß man mit Phasenverschiebungen zwischen den Komponenten rechnen.

c) Der Spezialfall der Alfvénwellen

Bevor die Dispersionsbeziehung allgemeiner diskutiert wird, sollen im folgenden die Spezial-

fälle der Alfvénwellen behandelt werden. Wir werden dabei die Ergebnisse, die mit der

82

magnetohydrodynamischen Theorie gewonnen wurden, mit dem Zweiflüssigkeitsbild reprodu-

zieren, darüber hinaus lassen wir einige Einschränkungen fallen, wie die damals gemachte For-

derung, daß sich die Welle nur senkrecht zum Magnetfeld ausbreitet. Es wird sich zeigen, daß

man zu den magnetohydrodynamischen Wellen gelangt, wenn man nicht zu große Frequenzen

zuläßt. Im folgenden Abschnitt d) lassen wir dann die Einschränkung kleiner Frequenzen fal-

len und können somit ermitteln, wie sich die Alfvénwellen dann verändern.

Man gelangt zu der im vorigen Kapitel gewonnenen Dispersionsbeziehung und zu den Polari-

sationseigenschaften der Kompressions Alfvénwelle, wenn man fordert

ωpi2 /ωci

2 >> 1, ω << ωci

Wir betrachten zur Vereinfachung ein Plasma mit nur einer Ionensorte mit der Ladung qi = e.

Die Größen S,P,D nach Gl. (D.15) vereinfachen sich zu

S ≈ 1 +Σa

ωpa2

ωca2

≈ωpi

2

ωci2

D ≈ −Σa

εaωωca

ωpa2

ωca2

≈ − ωωci

ωpi2

ωci2

P ≈ −ωpa

2

ω2

Für kleine Frequenzen ( ) gehen D gegen Null und P gegen unendlich. Näherungsweiseω →0

wird die Grundgleichung also

S − nz2 0 nxnz

0 S − n2 0nxnz 0 −∞

Ex

Ey

Ez

= 0

Es folgt sofort Ez = 0 aus der dritten Zeile des Gleichungssystems. Vergleich der ersten beiden

Zeilen führt zu der Aussage, daß, wenn z.B. , S - n2 = 0 sein muß. S - nz2 ist dann im all-Ey ≠ 0

gemeinen, d.h. wenn man den Sonderfall der Ausbreitung in z-Richtung ausschließt, ungleich

null und daher Ex = 0 (nach der ersten Zeile). Die Dispersionsrelation lautet dann

n2 = S

83

Dies ist gleichbedeutend mit ωk

= c2

S

Diesen Fall werden wir als die Kompressionswelle identifizieren. Im zweiten Fall setzen wir Ex

ungleich null. Dann folgt Ey = 0 und damit S - nz = 0. Die Dispersionsrelation lautet damit

ck2

ω2cos2ϑ = S beziehungsweise ω

k= c2

Scosϑ

Dieser Wellentyp wird sich als Scheralfvénwelle entpuppen. Die charakteristische Geschwin-

digkeit ergibt sich aus der Definition von S.c2

S

c2

S=

c2ωci2

ωpi2

=c2e2B0

2

mi2

ε0mi

ni0e2= c2ε0

B02

ni0mi

c2

S= B0

2

µ0ρ0= VA

Sie heißt die Alfvéngeschwindigkeit. Um die Polarisationseigenschaften zu ermitteln,werden

die Störungen des Magnetfeldes B´ und die Geschwindigkeiten der Teilchen va⊥ berechnet. Im

zweiten Fall hat man

(Ez = 0)B = 1ωk × E ≈ 1

ωk×E ⊥

va⊥ ≈

iω−ωca

2

E⊥ + i

εaωcaω E ⊥ × ez

Der zweite Term ist wegen der Voraussetzung ωci >> ω viel größer als der erste, so daß dieser

vernachlässigt wird.

va⊥ ≈ qa

maεa

1ωca

E⊥ × ez = 1B0

2E ⊥ × B0

Man kann va⊥ als - Driftgeschwindigkeit interpretieren.E × BIm ersten Fall E = Eyey wird

84

B = 1ω

kx

0kz

×

0Ey

0

= 1ω

−kzEy

0kxEy

va⊥ = E ⊥B0

ex

B´ und va⊥ liegen in der xz - Ebene. Da auch k in der xz - Ebene liegt und, wenn man wieder

den Sonderfall k parallel zu ez ausschließt, eine x - Komponente hat, gibt es eine Teilchenbe-

wegung in Richtung der Wellenausbreitung und damit eine Kompression. Mit den Teilchen

wird auch das Magnetfeld komprimiert. Der Fall E = Eyey beschreibt daher eine Kompressions-

welle. Ihre Phasengeschwindigkeit ist unabhängig von der Ausbreitungsrichtung ω/k = VA.

Im zweiten Fall mit E = Exex wird

B = 1ω

kr

0kz

×

Er

00

= 1ω

0kzEz

0

va⊥ = −Ex

B0ey

Die Dispersionsbeziehung lautet

ωk

= VAcos ϑ

Hier liegen B´ und va⊥ senkrecht zur xz-Ebene. Damit hat va⊥ keinen Komponente in Ausbrei-

tungsrichtung und es findet daher keine Kompression statt. Diese Welle heißt die langsame,

torsionelle oder Scheralfvénwelle.

d) Allgemeine Dispersionsrelation

Die allgemeine Dispersionsrelation erhält man aus der Lösbarkeitsbedingung des linearen Glei-

chungssystems Gl. (D.16). Nullsetzen der Determinante der Koeffizienten führt zu

(S − n2)(S − n2cos2ϑ) P − n2sin2ϑ − (S − n2) n4sin2ϑ cos2ϑ

− D2 P − n2sin2ϑ

= (S − n2) PS − Sn2sin2ϑ − Pn2cos2ϑ + n4sin2ϑ cos2ϑ − n4sin2ϑ cos2ϑ

− D2 P − n2sin2ϑ

(D.17)n4

S sin2ϑ + P cos2ϑ − n2 PS(1 + cos2ϑ) + (S2 − D2)sin2ϑ + P(S2 − D2) = 0

85

Die Gleichung ist quadratisch in n2, d.h. für eine gegebene Frequenz ω und Ausbreitungsrich-

tung ϑ gibt es maximal zwei propagierende Wellen. Es gibt Bedingungen, bei denen n2 < 0 mit

einer evaneszenten Welle. Eine andere Form der Dispersionsbeziehung ergibt sich, wenn man

Gl. (D.17) nach ϑ auflöst. Zur Vereinfachung kürzt man ab:

R = S + D, L = S - D

Es ist also in Gl. (D.17) zu ersetzen:

S = (R + L)/2, D = (R - L)/2, RL = S2 - D2

n4 S sin2ϑ + P cos2ϑ

− n2 PS

sin2ϑ + 2 cos2ϑ + RL sin2ϑ

+ PRL

sin2ϑ + cos2ϑ = 0

sin2ϑ[n4S − n2(PS + RL) + PRL] + cos2ϑP(n4 − 2Sn2 + RL) = 0

sin2ϑ(n2S − RL)(n2 − P) + cos2ϑP(n2 − R)(n2 − L) = 0

(D.18)tan2ϑ = −P(n2 − R)(n2 − L)(n2S − RL)(n2 − P)

e) Polarisationsverhältnis

Aus der mittleren Zeile des Gleichungssystems (D.16) erhält man sofort das Verhältnis der

Komponenten des elektrischen Feldes in der Ebene senkrecht zu B d.h. man erhält E⊥

iDEx + (S − n2)Ey = 0

p = iEx

Ey= n2 − S

D

p heißt das Polarisationsverhältnis. Zur Diskussion betrachten wir E⊥ (r,t) für ein festes r, z.B.

r = 0. Wir nehmen an, Ex sei reell, dann ist

Ex(0, t) = Re(Exe−iωt) = Excos ωt

Ey(0, t) = Re(Eye−iωt) = Re

1piExe−iωt

= Exp sin ωt

86

Für p > 0 ist also E⊥ rechts - für p < 0 links - elliptisch polarisiert in Bezug auf die

Magnetfeldrichtung.

5. Ausbreitung senkrecht zu B0

Für ϑ = π/2 wird tanϑ unendlich, d.h. der Nenner in Gl. (D.18) muß verschwinden.

(n2 − P)(n2S − RL) = 0

Die zwei Lösungen kann man sofort hinschreiben, indem man die einzelnen Klammern null

setzt. Man erhält die Dispersionsrelationen für zwei Wellentypen ("Moden"): die O- und die

X- Welle.

a)Die O - Welle

Nullsetzen des ersten Faktors ergibt die Dispersionsrelation der O - Welle (ordinary wave).

Zurückgreifen auf die Definitionen von n und P führt zu

k2c2

ω2= 1 −

ωp2

ω2

ω2 = ωp2 + k2c2

also zu der Dispersionsrelation der bereits behandelten elektromagnetischen Welle im magnet-

feldfreien Fall. Das statische Magnetfeld hat deswegen keinen Einfluß, weil die geladenen Teil-

chen sich parallel zu ihm bewegen, wie die Betrachtung der Polarisationseigenschaften zeigen.

Die Polarisation bezüglich E ergibt sich aus dem Gleichungssystem (D.16), das sich für ϑ =

π/2 reduziert auf

S −iD 0iD S − n2 00 0 P − n2

Ex

Ey

Ez

= 0

Für P - n2 = 0 kann Ez beliebig sein. Die Gleichungen für Ex und Ey führen dann zu einer Lös-

barkeitsbedingung, die im allgemeinen mit P - n2 = 0 nicht verträglich ist. D.h. in der O - Mode

ist , Ex = Ey = 0. Die Polarisation bezüglich va resultiert dann aus der Bestimmungsglei-Ez ≠ 0

chung für va.

b) Die X - Welle

Nullsetzen des zweiten Faktors führt zu der Dispersionrelation

n2 = RLS

87

Jetzt ist die Lösbarkeitsbedingung für Ex und Ey automatisch erfüllt. Wir können also Ex und

Ey ungleich null setzen. P - n2 ist dann i. a. ungleich null und Ez muß gleich null gesetzt

werden.

α) Berechnung von R und L

Da R = S + D und L = S - D, können die Ergebnisse zusammengefaßt werden, wobei im fol-

genden das obere Vorzeichen für R, das untere für L gilt

R, L = 1 −Σa

ωpa2

ω2 − ωca2

± Σa

εaω

ωca

ωpa2

ω2 − ωca2

= 1 ±Σa

εaωca

ωpa2

ω2 − ω2 (ω + εaωca)

= 1 +Σa

ωpa2

ωca

1ωca ± εaω

Für ein Plasma mit einer Ionensorte vereinfacht sich dieser Ansatz. Jetzt wird statt qi e

geschrieben.

(D.19)ωpi

2

ωci= ni0e2

ε0mi

mi

eB0= ne0e2

ε0me

me

eB0=

ωpe2

ωce

R = 1 −ωpe

2

ωce

1ω − ωce

+ωpi

2

ωci

1ω + ωci

= 1 +ωpe

2

ωce

1ωce − ω+ 1

ω + ω

= 1 +ωpe

2

ωce

ωce + ωci

(ωce − ω)(ωci + ω)

unter Verwendung von Gl. (D.19)

(D.20)R = 1 +ωpe

2 + ωpi2

(ωce − ω)(ωci + ω)

L = 1 +ωpe

2 + ωpi2

(ωce + ω)(ωci − ω)

88

Abb. D.2: Die Funktionen R und L.

β) Cut - Off - Frequenzen

R und L haben qualitativ den in Abb. D.2 skizzierten Verlauf. R und L haben Pole bei ωce bzw.

ωci und Nullstellen bei ωc2 bzw. ωc1. Die Nullstelle von R ergibt sich aus

−ω2 + ω(ωce − ωci) + ωciωce + ωp2 = 0

wegen ωci << ωce ω2 − ωωce = ωp2 + ωciωce

ωc2 = 12

ωce + ωp2 + 1

4ωce

2

ωc1 = −12

ωce + ωp2 + 1

4ωce

2

Da im Zähler der Dispersionsrelation der X - Welle das Produkt RL steht, sind ωc1 und ωc2 Cut

- Off Frequenzen. Diese sind unabhängig vom Winkel ϑ , unter dem sich die Welle ausbreitet

γ) Resonanzfrequenzen

Von einer Resonanz spricht man, wenn n2 und damit k2 gegen unendlich gehen. Zur Ermittlung

der Resonanzfrequenzen der X - Mode diskutieren wir 1/n2.

1n2

= SRL

= 12

R + LRL

= 12

1L

+ 1R

In Abb. D.3 wird die Funktion und die Lage ihrer Nullstellen graphisch aus den be-12

1L

+ 1R

kannten Funktionen L(ω), R(ω) (Abb D.2) ermittelt.

Es gibt zwei Resonanzfrequenzen, die man Lower Hybrid (ωLH) und Upper Hybrid (ωUH)

nennt. Rechnerisch ergeben sie sich aus S = 0

1 −ωpe

2

ω2 − ωce2

−ωpi

2

ω2 − ωci2

= 0

Nach einiger Algebra unter Ausnutzung der Bedingung me << mi erhält man

89

ωUH2 = ωpe

2 + ωce2

Abb. D.3: Die Funktion 1/n2(ω) wird aus den be-

kannten Funktionen 1/L(ω) und 1/R(ω)

gewonnen.

ωLH2 =

ωpi2

1 + ωpe2

ωce2

Die sich aus Abb. D.3 ergebende Dispersionsrelation ω(k) ist in Abb. D.4 dargestellt.

Abb. D.4: Die Dispersionsrelation der X - Welle

90

Für bestimmte Frequenzbereiche ist n2 > 0. Die Welle kann sich in diesen "pass - bands" aus-

breiten. Dazwischen liegen Bänder, in denen n2 < 0, d.h. die Welle evaneszent ist. Der unterste

Zweig geht für kleine Frequenzen in die Kompressions Alfvénwelle über.

6. Ausbreitung parallel zu B0

Für ϑ = 0 hat das Gleichungssystem für die Komponenten von E, Gl. (D.18) die Form

(D.21)

S − n2 −iD 0iD S − n2 00 0 P

Ex

Ey

Ez

= 0

Die Lösbarkeitsbedingung

P(n2 − L)(n2 − R) = 0

zerfällt in drei Faktoren und führt daher zu drei Moden

a) Plasmaschwingung

P = 0 heißt ist eine Lösung für E⊥ = 0, . Diese Mode ist also die uns schon1 −ωp

2

ω2= 0 Ez ≠ 0

bekannte Plasmaschwingung bei ω = ωp.

b) L - und R - WelleFür Ez = 0, hat man die L - und R - Welle mit den Dispersionsbeziehungen n2 = L undE ⊥ ≠ 0

n2 = R. Um mit Hilfe von Gl (D.21) die Polarisation z.B. für die L - Welle zu ermitteln, beach-

te man, daß für n2 = L

S − n2 = 12

(R + L) = 12

(R − L) = D

Damit ist das Polarisationsverhältnis

p = iEx

Ey= n2 − S

D= −D

D= −1

E⊥ (t) ist links zirkular polarisiert. Analog ist für n2 = R p = +1, d.h. bei der R - Welle ist E⊥ (t)

rechts zirkular polarisiert. Die Dispersionsrelation für ein Plasma mit einer Ionensorte lautet

nach Gl. (D.20) für die links - (nL) und rechts - (nR) zirkular polarisierte Welle

91

nL,R2 = 1 +

ωpe2

(ωce ± ω)(ωci + ω)

Abb.D.5: Die Dispersionsrelationen der L - Welle (links), und der R - Welle (rechts)

Die Dispersionsrelationen lassen sich qualitativ wieder aus den Darstellungen von L(ω) und

R(ω) ermitteln.

In der Nähe der Ionenzyklotronfrequenz (ω ∼ ωci) folgt aus n2 = L

k2c2

ωci2

≈ 1 +ωpe

2

(ωceωci)(ωci − ω) ≈ωpe

2

ωce(ωci − ω) =ωpi

2

ωci(ωci − ω)

und damit ωci − ω ≈ ωpi2 ωci

2 2

Die Dispersionsbeziehungen vereinfachen sich dann zu

(Ionenzyklotronwelle)ω = ωci 1 −

ωpi2

k2c2

(Elektronenzyklotronwelle)ω = ωce1 −

ωpe2

k2c2

Resonanz liegt vor, wenn das E - Feld mit der gleichen Frequenz und dem gleichen Umlauf-

sinn rotiert wie die Teilchen.

Schlußbemerkungen

i) Wir hatten gesehen, daß in der Nähe des Cut - Offs Näherungsannahmen zusammenbrechen.

Ähnliches gilt auch in der Nähe einer Resonanz. Hier geht k gegen unendlich und damit die

Wellenlänge gegen null, d.h. die Näherung des homogenen Plasmas ist gut erfüllt. Andererseits

92

geht ω/k gegen null, d.h. die Phasengeschwindigkeit wird irgendwann kleiner als die thermi-

sche Geschwindigkeit. Die Voraussetzung eines kalten Plasmas ist dann nicht mehr

gerechtfertigt.

ii) Im kalten Plasma ruhen die Teilchen im ungestörten Fall. Im warmen Plasma führen sie auf-

grund ihrer thermischen Bewegung eine Gyration um das Magnetfeld aus. Wenn die Gyrati-

onsfrequenz gleich der Rotationsfrequenz des Feldes ist, hat man Resonanz, d.h. Teilchen kön-

nen Energie aus dem Wellenfeld aufnehmen. Dies ist der Fall, wenn in einem im Gyrationszen-

trum mitbewegten Koordinatensystem die dort erfahrene Frequenz, d.h. die dopplerverschobe-

ne Frequenz der Welle gleich der Gyrationsfrequenz ist.

ω −kzvz ≈ ωci

Dieser Effekt wird zur Heizung von Ionen in der Ionenzyklotronheizung (ICRH) oder der

Elektronen in der Elektronenzyklotronheizung (ECRH) ausgenutzt.

iii) Die "heiße" Theorie liefert für die Zyklotronwellen einen komplexen Dielektrizitätstensor,

aus dem man die Dämpfung der Welle und damit die Energieabsorption ablesen kann. Der Ef-

fekt ist besonders stark in der Nähe der Resonanzfrequenzen.

c) Der Faradayeffekt

Mit Faradayeffekt wird die Drehung der Polarisationsebene in bestimmten Medien bezeichnet,

denen in Ausbreitungsrichtung der Welle ein Magnetfeld überlagert ist. Dieser z.B. für Glas als

Medium bekannte Effekt wird auch im Plasma beobachtet. Wir betrachten dazu eine linearpo-

larisierte Welle mit ω >> ωce, ωpe und damit auch ω sei viel größer als ωc2. Sie durchlaufe ein

zylindrisches, magnetisiertes kaltes Plasma der Länge a.

Abb. D.6: Zur Geometrie des Faraday-

effektes, rechts in Draufsicht.

Für die R - Welle gilt in diesem Fall

kR2 c2

ω2= R = 1 −

ωpe2

(ω − ωce)(ω + ωci)≈ 1 −

ωpe2

(ω − ωce)ω

kR ≈ ωc 1 −

ωpe2

(ω − ωce)ω

93

(D.22)kR ≈ ωc

1 − 1

2

ωpe2

(ω − ωce)ω

entsprechend kL ≈ ωc

1 − 1

2

ωpe2

(ω + ωce)ω

Am Anfang des Zylinders sei E in y - Richtung

E(0, t) =

0E

e−iωt

Das linear polarisierte Feld läßt sich auffassen als Überlagerung einer R - und einer L - Welle

E(0, t) = 12

−iEE

e−iωt +

iEE

e−iωt

An der Stelle x = a hat E(a.t) die Form

E(a, t) = 12

iEE

ei(kRa−ωt) +

−iEE

ei(kLa−ωt)

= 12

ei12(kL+kR)a−ωt

iEE

ei 12(kL−kR)a +

−iEE

e−i 12(kL−kR)a

Mit den Abkürzungen

(mittleres k)12

(kL + kR) = k1(kL − kR)a = ∆ϕ

wird daraus

E(a, t) = 12

iEE

ei∆ϕ +

−iEE

e−i∆ϕ ei(ka−ωt)

=

iEi sin ∆ϕE cos∆ϕ

ei(ka−ωt)

94

E(a, t) = E

−sin ∆ϕcos∆ϕ

ei(ka−ωt)

Abb. D.7: Der E - Vektor der Welle ist nach Durchlaufen des Plasmas

gegenüber der ursprünglichen Richtung gedreht.

Man hat also nach Durchlaufen des Zylinders wieder eine linearpolarisierte Welle, die prak-

tisch die gleiche Wellenlänge wie die ursprüngliche Welle hat, deren Polarisationsebene um

den Winkel -∆ϕ gegen die ursprüngliche Richtung gedreht ist. Den Drehwinkel ermitteln wir

unter Zurhilfenahme von Gl. (D.22)

kL − kR = ωc

−1

2

ωpe2

ω

1ω + ωce

− 1ω − ωce

= ωc

12

ωpe2

ω2ωce

ω2 − ωce2

=ωceωpe

2

c(ω2 − ωce2 )

∆ϕ = aωce

2c

ωpe2

ω2

Die Drehung ist also der Länge der durchstrahlten Strecke, dem Magnetfeld (B0 ~ ωce) und der

Dichte (ne0 ~ωpe2) proportional. Durch Messung des Winkels ∆ϕ, um den die Polarisation-

sebene gedreht wird, läßt sich bei bekanntem B0 die Gleichgewichtsdichte ne0 bestimmen, oder

umgekehrt bei bekanntem ne0 das Magnetfeld.

d) Ausbreitung unter beliebigem Winkel zum Magnetfeld

α) wave normal Flächen

Das anisotrope Verhalten der unterschiedlichen Wellen wird durch ein Polardiagramm veran-

schaulicht, in dem die Phasengeschwindigkeit vph(k) als radiale Variable für die verschiedenen

Richtungen der Ausbreitung zum Magnetfeld aufgetragen wird. Als Magnetfeldrichtung wird

i.a. die Richtung senkrecht nach oben angenommen. Bei den Alfvénwellen z.B. sind die Pha-

sengeschwindigkeiten gegeben durch

für die Kompressionswelleωk

= VA

für die Torsionswelleωk

= VAcos ϑ

95

Die Wellennormalenflächen sind in Abb. D.8 dargestellt. Die Kompressionswelle hat als Wel-

lennormalenfläche eine Kugel, da ihre Phasengeschwindigkeit unabhängig von der Ausbrei-

tungsrichtung ist. Die Torsionswelle hat eine lemniskoide Wellennormalenfläche, die immer in-

nerhalb der Kugel liegt. Man erkennt sofort, daß die Scherwelle für alle Richtungen langsamer

ist als die Kompressionswelle.

Abb. D.8: Die Wellennormalenflächen der Alfvénwellen. Die

kugelförmige Fläche gehört der schnellen Welle

Auch für andere Wellenmoden erhält man typischerweise ellipsoidale oder lemniskoidale Ober-

flächen, wobei die Funktionen, die die Oberflächen beschreiben, durchaus von der einfachen

Form, die sie bei den Alfvénwellen besitzen, abweichen können. Erstreckt sich die Lemniskate

entlang der z - Achse, erhält man eine hantelförmige Fläche, bei Erstreckung entlang der x -

oder y - Achse eine ringförmige (Abb. D.9).

Abb. D.9: Ein hantelförmiges und ein ringförmiges Lem-

niskoid, wie sie als Wellennormalenflächen vorkommen.

Die Lemniskate kann einen Grenzwinkel besitzen, inner - (oder außer-)halb dessen Ausbrei-

tung überhaupt nur möglich ist. Die Wellennormalenflächen erlauben eine gewisse Klassifizie-

rung der Wellenmoden. Hierbei werden alle Wellen, die sich in einem Parameterbereich aufhal-

ten, in dem sich die Topologie der Wellennormalenfläche nicht ändert, einem bestimmten Wel-

lentyp zugeordnet. Die Topologie ändert sich beim Überschreiten von Resonanzen und Cut -

Offs. Man muß jedoch beachten, daß sich in der Nähe von Resonanzen oder Cut - Offs die

Dispersions- und Polarisationseigenschaften einer Welle oft drastisch ändern, so daß es sinn-

voller ist, diese Bereiche herauszunehmen und ihnen gesonderte Wellentypen zuzuordnen, wie

wir es bereits bei den Zyklotronwellen getan haben.

96

β) Die Gruppengeschwindigkeit

Bei anisotropen Medien ist k im allgemeinen nicht gleich der Strahlrichtung. Die Strahlrich-

tung identifiziert man sinnvollerweise mit der Richtung der Gruppengeschwindigkeit, vg. vg

und vph haben unterschiedliche Richtungen. Dies läßt sich am einfachsten an der Scheralfvén-

welle demonstrieren. Die Gruppengeschwindigkeit erhält man aus der Dispersionsbeziehung,

indem man diese als Funktion von kx, ky und kz differenziert:

vgx = ∂ω∂kx

vgy = ∂ω∂ky

vgz = ∂ω∂k

Da ω =VAcosϑ =VAkz, hat die Gruppengeschwindigkeit unabhängig von der Richtung des

k - Vektors immer die Richtung des Magnetfeldes und den Betrag VA.

γ) Das CMA - Diagramm

Eine übersichtliche Darstellung der verschiedenen Wellenmoden im kalten Plasma bietet das

CMA - Diagramm nach Clemmow, Mullaly (1955) und Allis (1959). Im CMA - Diagramm

trägt man als Abszisse ωp2/ω2 oder die Dichte, als Ordinate ωc/ω oder das Magnetfeld auf. Die

Resonanzen oder Cut - Offs stellen sich in dieser Ebene als Kurven dar, z.B. sind ω = ωce und

ω =ωci Geraden, parallel zur Abszisse, ω = ωpe eine Gerade parallel zur Ordinate (s. Abb.

D.10). Diese Kurven unterteilen die ne-B0 - Fläche in 12 Teilflächen. Innerhalb einer Teilfläche

bleibt die Topologie der Wellennormalenfläche unverändert. Die Form der Wellennormalenflä-

chen wird angedeutet, wobei man sie als Rotationskörper verstehen muß, die durch Rotation

der angegebenen Kurve um die B0 - Achse erzeugt werden. Im allgemeinen gibt es in jedem

Gebiet zwei solcher Flächen, die einer schnellen und einer langsamen Welle entsprechen.

Abb. D.10: Eine Systematik der Wellen im kalten Plasma

ermöglicht das CMA - Diagramm.

97

Einige der Wellenflächen entfallen, da die zugehörigen Wellen evaneszent sind. Die R - und L

- Welle mit ihrer Ausbreitung parallel zum Magnetfeld sowie die O - und X - Welle senkrecht

zum Magnetfeld sind angedeutet.

7. Anwendungena) Reflexion elektromagnetischer Wellen in der Ionosphäre (Radio Echolotung)

(s. Walter Kertz: Einführung in die Geophysik II, BI, S 35)

Abb. D.11: Bestimmung der Elektronendichte in der

Ionosphäre mit hilfe von Radarechos.

Ein kurzzeitiger Puls der Frequenz ω wird vertikal nach oben abgestrahlt. Die Plasmadichte in

der Ionosphäre ist inhomogen ne0(z), d.h. die Plasmafrequenz ist ortsabhängig

ωp2(z) = e2ne0(z)

ε0me

Den Einfluß des Erdmagnetfeldes kann man vernachlässigen, so daß die Dispersionsbeziehung

für elektromagnetische Wellen Gl. (D.13) den Vorgang beschreibt. Nimmt man an, daß die

Dispersionsbeziehung lokal gültig ist, kann das Ergebnis für ein homogenes Plasma verwendet

werden.

n2(z) = 1 −ωp

2(z)ω2

Solange ωp2 < ω2 propagiert das Wellenpaket. An der Schicht, an der ω2 = ωp

2(z), wird es re-

flektiert. Durch Laufzeitmessung kann also die Höhe der Cut - Off Schicht gemessen werden

ωp2(h) = e2ne0(h)

ε0me= ω2

98

(D.23)ne0(h) = ε0me

e2ω2

Hierbei muß berücksichtigt werden, daß sich die Geschwindigkeit auf der Laufstrecke ändert

∆t = ∆zv = ∆z

n(z)c

t(h) = 2 ∫0

h dzcn(z)

12

ct(ω) = ∫0

h 1

1 − ωp2(z)

ω2

dz = h /(ω)

h´ ist die scheinbare Höhe, d.h. die Höhe, die herauskommt, wenn man die Geschwindigkeit

gleich c setzen würde. Man variiert ω und rechnet aus der gemessenen Laufzeit t(ω) die Wah-

re Höhe h aus. Die Meßergebnisse zeigen das in Abb. D.12 abgebildete Verhalten.

Abb. D.12: Die effektive Höhe in Abhängigkeit von der

Frequenz der ausgesandten Strahlung

Die Spitzen bei fF1 = 2,9 MHz und fF2 = 4,7 MHz deuten an, daß die Funktion ωp2(z) dort ein

Maximum hat ( ). In diesem Fall divergiert das Integral. Die Dichte an dieser Stelle er-∂ωp

2

∂= 0

gibt sich aus Gl.(D.23). Man beobachtet insgesamt drei solcher Schichten

E - Schicht: ne0 = 105/cm3

F1 - Schicht: neo = 2,6 1015/cm3

F2 - Schicht: neo = 5 1015/cm3

Insgesamt ergibt sich für die Elektronendichte in Abhängigkeit von der Höhe die in Abb. D.13

dargestellte Funktion.

99

Abb.D.13: Die aus den Messergebnissen (Abb. D.12)

resultierende Ionendichteverteilunge in der Ionosphäre.

b) Diagnostik über den Brechungsindex

α) Einleitung

Die im Folgendem besprochenen Methoden haben gemeinsam, daß eine elektromagnetische

Welle von außen in das Plasma gestrahlt wird. Das Plasma modifiziert den Verlauf der Wellen-

fronten. Dies erlaubt wiederum Rückschlüsse auf Plasmaeigenschaften. Die verschiedenen

Verfahren unterscheiden sich darin, wie sich der Brechungsindex senkrecht zur Strahlrichtung

ändert. Wie im Beispiel der Ionosphäre ist das Plasma i.a. inhomogen und man muß davon

ausgehen, daß die Gleichung für den Brechungsindex, die ja für ein homogenes Plasma abge-

leitet wurde, lokal gültig ist. Effekte an Oberflächen dürfen das Ergebnis nicht verfälschen.

Abb. D.14: Bei allen Messungen am Brechungsindex

geht es darum, aus der Verzerrung der Wellenfronten

beim Durchgang durch ein Plasma Informationen über

das Plasma zu gewinnen.

Wir stellen uns vor, das Plasma werde in einer ebenen Geometrie durchstrahlt. Die Änderung

des Brechungsindexes in einer Richtung senkrecht zur anfänglichen Ausbreitungsrichtung (x)

sei gering. n(x) kann in eine Taylorreihe entwickelt werden.

n(x) = n0 + dndx

∆x + 12

d2n2∆x2 + ...

Wenn nur der erste Term maßgeblich ist, d.h. n = n0, findet keine seitliche Ablenkung des

Strahles statt, Der Strahl erfährt eine Phasenverschiebung. Methoden, die die Phasenverschie-

bung ausnutzen, bezeichnet man als Interferometrie.

100

Der zweite Term führt zu einer Strahlablenkung. Methoden, die die Gradienten vondndx

∆x

Brechungsindizes ausnutzen, nennt man Schlierenverfahren.

Der dritte Term führt zu einer Krümmung der Wellenfront und damit zu einer Lin-12

d2n2∆x2

senwirkung. Methoden, die die Fokussierung (bzw. Defokussierung) des Strahls durch das

Plasma ausnutzen, heißen Schattenverfahren.

β) Interferometrie

Den typischen Aufbau zeigt Abb D.15.

Abb. D.15: Typischer Aufbau einer interferometri-

schen Messung.

Man spaltet die eingestrahlte Welle mit einem Strahlteiler auf, führt einen Strahl durch das

Plasma, den anderen als Referenzstrahl am Plasma vorbei und bringt beide zur Interferenz. Die

resultierende Amplitude |Em | wird gemessen. Diese ergibt sich aus dem Zeigerdiagramm der

komplexen Amplitude der Welle, die das Plasma durchlaufen hat, Ep, und der Amplitude der

Referenzwelle Er und hängt vom Phasenwinkel zwischen beiden Wellen ab (Abb. D.16)

Abb. D.16: Die komplexen Amplituden von Referenzwelle

und durch das Plasma gelaufener Welle werden zur Ampli-

tude der gemessenen Welle addiert.

Der in Abb. D.15 gezeigte Aufbau heißt Mach - Zehnder Interferometer. Im optischen Bereich

benutzt man teil- und vollreflektierende Spiegel und zur Detektion Photomaterial oder Di-

odenarrays. Im Mikrowellengebiet treten an Stelle der teilreflektierenden Spiegel Richtkoppler

oder Drahtgitter, der Strahl wird außerhalb vom Plasma durch Hohlleiter geführt. Als Oszilla-

toren dienen Röhren (Klystron, Karzinotron) oder heute im zunehmenden Maße Halbleiteros-

zillatoren (Gun - oder Impatdioden), als Detektoren Dioden. Zur raumaufgelösten Messung

muß an verschiedenen radialen Positionen gemessen werden und durch numerische

101

Umkehrung der entstandenen Integralgleichung nach dem Abelschen Verfahren, im Laborjar-

gon kurz "Entabeln" genannt, ortsaufgelöste Werte ermittelt werden. In der Humanmedizin

nennt man diese Methoden Tomographie.

Die Phasendifferenz ∆φ ergibt sich aus dem Gangunterschied, d.h. dem Unterschied an opti-

schem Weg mit und ohne Plasma

∫0

Ln(z)dz − L = (n − 1)L

L ist die durchstrahlte Länge des Plasmas, der über den Weg im Plasma gemittelte Bre-n

chungsindex. Die Phasendifferenz wird dann

∆φ2π = (n − 1)L

λ

Der Brechungsindex n ergibt sich aus der Formel (D.13)

n = ckω = 1 −

ωp

ω2 , ωp

2 = nee2

meε0

Führt man die Cut - Off Dichte ein, d.h. die Elektronendichte, bei der die Frequenz des Oszil-

lators ω gleich der Plasmafrequenz ist

ω2 = nce2

meε0

so wird daraus

(D.24)n = 1 − nenc

Messungen sind nur möglich im Dichtebereich, in dem die elektromagnetische Welle propa-

giert, ne < nc. Für nc gilt die Faustformel

(D.25)ne

cm−3= 1013

(λ/cm)2

102

Gl. (D.24) kann auch im magnetisierten Plasma angewandt werden, wenn man den E - Vektor

der elektromagnetischen Welle parallel zum statischen Magnetfeld ausrichtet. Mit Gl. (D.24)

wird die Phasenverschiebung

(D.26)∆φ = 2πLλ

1 − nenc

− 1

Die Methode gestattet es also mit gewissen Einschränkungen aus dem gemessenen Phasenwin-

kel die Elektronendichte im Plasma zu messen.

Bei der Auswahl der Oszillatorfrequenz relativ zur Plasmafrequenz gibt es zwei Grenzfälle

ω >> ωp, also ne << nc

Dann kann die Wurzel entwickelt werden

n ≈ 1 − ne

2n

∆φ = −πLλ

nenc

Die Phasenverschiebung ist proportional zur Dichte. Strahlablenkung spielt keine Rolle, da n

ungefähr eins ist. Hohe Frequenzen bedeuten kleine Wellenlängen und da man z.B. nach der

Theorie des Gaußschen Strahls bestenfalls bis auf Foki der Größe der Wellenlänge fokussieren

kann, ergibt sich eine gute Raumauflösung. Der Nachteil besteht darin, daß Änderungen der

gemessenen Feldstärke und damit die Meßsignale klein sind.

Die größte Empfindlichkeit liegt vor, wenn die Oszillatorfrequenz in der Nähe der Plasmafre-

quenz d.h. die Dichte in der Nähe der Cut - Off Dichte liegt. Hier muß man u. U. Strahlablen-

kung und schlechte Raumauflösung in kauf nehmen.

Zur Auswahl der günstigsten Wellenlänge für eine gegebene Plasmadichte dient also die

Faustformel (D.25), die in Abb. D.17 graphisch dargestellt ist.

Abb. D.17: Cut - Off Dichte in Abhängigkeit von der

Wellenlänge

103

γ) Mikrowelleninterferometer

Da die meisten Laborplasmen eine Dichte von unter - häufig um Zehnerpotenzen unterhalb -

1017/cm3 besitzen, benutzt man meistens Wellenlängen über 1mm, d.h. im Mikrowellenbereich.

Bei der Mikrowelleninterferometrie mißt man meistens mit einem einzelnen Detektor an einem

Plasma, das nur eine kurze Lebensdauer hat. Man mißt also über einen Strahl gemittelt den

zeitlichen Verlauf der Phasenverschiebung und damit der Plasmadichte. Gehen wir von einem

zeitlichen Verlauf der Plasmadichte wie in Abb.D.18 aus, die die Cut - Off Dichte während ei-

nes Zeitabschnittes während der Lebensdauer des Plasmas überschreitet, so nimmt der Bre-

chungsindex von n = 1 anfangend ab und erreicht bei ne = nc null. Während dieser Zeit werden

verschiedene Maxima und Minima von Interferenzen durchlaufen. Während der Zeit, in der die

Plasmadichte die Cut - Off Dichte überschreitet, wird alle Strahlung reflektiert, d.h. es wird

kein Signal beobachtet. Die Amplituden der Interferenzstreifen nehmen zum Cut - Off hin ab,

da die Dämpfung der Welle durch Stöße wichtiger wird. Nehmen wir an, am Beginn der Plas-

maentladung bei ne = 0 sei ∆φ= 0, so ergibt Gl. (D.26) für ne = nc ∆φ= - 2πL/λ. Es werden al-

so L/λ volle Perioden bis zum Cut - Off durchlaufen.

Abb. D.18: Zeitlicher Verlauf der Elektronendichte im

Plasma (oben), des Brechungsindexes (Mitte) und des

Signals am Detektor (unten) bei einer interferometri-

schen Messung.

δ) Optische Interferometer

Die kritische Dichte, die einer Wellenlänge von entspricht, ist von der Größenord-λ ≈ 500nm

nung der Festkörperdichte. Lasererzeugte Plasmen können diese Dichten haben und daher

kann für lasererzeugte Plasmen optische Interferometrie interessant sein. Man muß dann mit

Strahlablenkung rechnen. Fusionsplasmen haben typische Dichten . Hier istne ≈ 1014cm−3

n/nc ~ 10-8 und optische Interferometrie ist hier nicht einsetzbar. In Lichtbögen und Pinchentla-

dungen mit Dichten 1016 < ne < 1018 wird optische Interferometrie angewandt. Die Signale sind

zwar klein, aber man hat keine Strahlablenkung und eine hohe Raumauflösung. Durch

104

Benutzung von flächenhaften Detektoren kann über einen gesamten Plasmaquerschnitt gemes-

sen werden. Der Aufbau ist i.a. sehr aufwendig, da Fenster bis auf Bruchteile von λ genau ge-

schliffen sein müssen und thermische Längenänderungen oder sonstige mechanische Störungen

klein gehalten werden müssen. Man kann die Empfindlichkeit durch Verwendung eines La-

serinterferometers erhöhen, wenn man das Plasma in den Laserresonator bringt (Abb. D.19).

Bei Veränderung des Brechungsindexes verstimmt der Laser. Die Intensität der austretenden

Strahlung reagiert sehr empfindlich auf Verstimmung.

Abb. D.19: Beim Laserinterferometer befindet sich

das Medium innerhalb der Laserkavität

ε) Strahlablenkung

Die Ablenkung in einem seitlichen Dichtegradienten ergibt sich aus dem Satz von Malus, der

besagt, daß die optischen Wege zwischen zwei Wellenfronten gleich lang sind. Aus Abb. D.20

lesen wir ab:

Abb. D.20: In einem seitlichen Dichtegradienten

wird ein Lichtstrahl abgelenkt

Ln + ∆z = L n + dn

dxb

Lbdndx

= ∆z

für kleine Winkel tanα = ∆zb

= LdNdx

Der Ablenkungswinkel ist also dem Gradienten des Brechungsindex proportional. Für einen

empfindlichen Aufbau verwendet man einen Strahl mit gaußförmigem Intensitätsprofil und fo-

kussiert ihn so auf eine Spaltblende, daß sich der Spalt am Wendepunkt des Profils in dessen

Flanke befindet. Die Intensität hinter dem Spalt ist dann dem Ablenkwinkel proportional (Abb.

D.21, 22).

105

Abb. D.21: Aufbau zur Strahlablenkung

Abb. D.22: Wenn man einen Spalt in dem steilsten Teil

der Flanke des Lichtstrahles aufstellt, ist die durchgehen-

de Lichtintensität ein empfindliches Maß für die

Strahlablenkung

Ein klassischer Aufbau, der es gestattet, ein Gesamtbild der Schlieren zu erhalten, ist der

Schlierenaufbau nach Töpler. Dieser besteht aus einer Hand in Hand Abbildung. Das Licht der

Lichtquelle, das durch einen Spalt seitlich begrenzt wird, wird auf einen Spalt abgebildet. Mit

einer zweiten Optik wird das Objekt auf die Detektorebene abgebildet. Man erhält also in je-

dem Fall ein Bild des Objektes. Wenn der Strahl an einer Stelle des Objektes abgelenkt wird,

kommt dieses Licht nicht durch den Zwischenspalt. Diese Stelle erscheint in der Detektorebe-

ne dunkel (Abb. D.23).

Abb. D.23: Hand in Hand Abbildung beim

Schlierenverfahren

η) Schattenverfahren

Abb. D.24 zeigt einen einfachen Aufbau für das Schattenverfahren. An den Stellen des Plas-

mas, an denen , wirkt das Plasma wie eine zusätzliche Linse. Die Schärfe des Bildesd2n2

≠ 0

der Lichtquelle und damit die Helligkeit in der Detektorebene ändern sich.

Abb. D.24: Im Schattenverfahren wirkt das Plasma als zu-

sätzliche Linse

106

KAPITEL E

Atomare Prozesse

1. EinleitungIn den magnetohydrodynamischen Gleichungen stehen Stoffkonstanten, die zur Beschreibu

der Transporteigenschaften eines Plasmas erforderlich sind wie σ,η,κ. Diese müssen aus ei

Betrachtung der Stoßprozesse gewonnen werden. Im vollionisierten Plasma sind dies ela

sche Stöße zwischen geladenen Teilchen wie Elektronen und Ionen. Im Niedertemperaturp

ma wird im allgemeinen der gesamte Entladungsmechanismus durch Stöße von gelade

Teilchen mit Atomen und Molekülen und mit der Wand bestimmt. Da die Wahrscheinlichk

der verschiedenen Prozesse vom Anregungszustand der Teilchen, im folgenden gekennzei

net durch den Index m,n, abhängt, ist die Beschreibung im allgemeinen verwickelt. Bei der

nisation z.B. spielen folgende Prozesse eine Rolle:

Elektronenstoß: e + An → Am+ + 2e

Photoionisation: hν + An → An+ + e

Autoionisation: Anm → Aik+ + e

(Anm symbolisiert ein Atom, in dem zwei Elektronen gleichzeitig angeregt sind.)

Ionisation durch metastabile Atome Amet + B → A + B+ + e

Ein metastabiles Atom befindet sich in einem angeregten Zustand, für den ein Strahlungsüb

gang in einen tieferen Zustand verboten ist. In einem Stoß kann die Anregungsenergie an

Stoßpartner abgegeben werden.

Wenn man sich für den Ionisierungsgrad in einem Plasma interessiert, muß man im allgemei

Falle die Wahrscheinlichkeiten für alle beteiligten Prozesse kennen. Wir befassen uns dahe

diesem Kapitel auch mit dem Ionisationsgrad von Plasmen. Zum Glück gibt es Situationen

denen auch ohne detaillierte Kenntnis der Ionisationswahrscheinlichkeiten Aussagen über d

Ionisierungsgrad gemacht werden können, nämlich, wenn man sich nicht zu weit vom ther

schen Gleichgewicht entfernt. Die Gleichgewichtsbegriffe werden im Abschnitt E.5 behande

Ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Anregung von Atomen. In einem Stoß- Strahlungsm

dell etwa zur Berechnung der Intensität einer Spektrallinie werden im Prinzip die Wahrsche

lichkeiten für alle relevanten Übergänge benötigt.

Die Häufigkeit atomarer Prozesse hängt außer von den Eigenschaften der Stoßparameter v

den Teilchendichten und -geschwindigkeiten ab. Um eine Größe zu haben, die im wesentlic

die Atomeigenschaften charakterisiert, führt man den Begriff des Wirkungsquerschnittes

107

Harald Schüler

D.h. man ordnet jedem Prozeß einen Kugelradius r0 zu, den kugelförmige Stoßpartner ha

müßten, damit sie genau so häufig stoßen, wie der betrachtete Prozeß stattfindet. πr02 ist d

der entsprechende Wirkungsquerschnitt.

2. Wirkungsquerschnittea) Stoß von Kugeln

Abb. E.1: Zur Definition des Stoßquerschnittes

In ein Volumen mit n Feldteilchen pro Volumeneinheit, die eine Querschnittsfläche v

σ = πr02 aufweisen, tritt ein Strahl von N0 fremden, punktförmigen Teilchen in x-Richtung

Die Strahlteilchen werden wie starre Kugeln gestreut. Nach einem Streuvorgang geht das

streute Teilchen dem Strahl verloren. An der Stelle x sind noch N(x) Strahlteilchen vorhand

Aus den Feldteilchen wird ein Bereich dx herausgegriffen, der so schmal ist, daß in ihm Me

fachstreuungen keine Rolle spielen. Von den N(x) Teilchen, die die Strecke dx und das Vo

men Adx durchlaufen, wird ein Prozentsatz herausgestreut, der dem Verhältnis der durch

Feldteilchen verdeckten Fläche nσAdx zur Gesamtfläche entspricht.

dNdx

= NAdxσA

= nσdx

nσdx ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß Teilchen auf der Strecke dx gestreut werden. D

abnimmt, schreibt man

dN = -N(x) nσdx (E.1)

mit der Lösung

N(x) = N0e-nσx (E.2)

N(x) ist die Anzahl der Teilchen, die bis x nicht gestreut wurden.

108

ist daher die Wahrscheinlichkeit für ein Teilchen, bis x noch nicht gestrp(x) = N(x)N0

e−nσx

worden zu sein.

Die Wahrscheinlichkeit für ein Teilchen, das bei x = 0 eintritt, genau zwischen x und x + dx

stoßen, ist das Produkt der Wahrscheinlichkeit, bis x noch keinen Zusammenstoß erlitten

haben, p(x), und der Wahrscheinlichkeit, in dx zu stoßen, nσdx

W(x)dx = p(x) ⋅ nσdx

Den Mittelwert über all diese Längen freien Fluges nennt man die fr⟨x⟩ = ∫ xW(x)dx

Weglänge

λ = ∫0

∞xnσe−nσxdx

Das Integral wird durch partielle Integration mit u = x und v´=e-nσx gelöst und ergibt

λ = 1nσ

Für ein Strahlteilchen mit der Geschwindigkeit v ist die freie Flugzeit

tc = λv = 1

nσv

und die Stroßfrequenz νc = 1/tc

νc = nvσ

Die obige Betrachtung über Stoß von Kugeln kann völlig analog auf einen beliebigen Pro

übertragen werden, indem man statt von einem Teilchen, das einen Stoß erleidet, von ein

Teilchen spricht, das eine bestimmte Reaktion macht. Bekommt man in der Strahlanordnu

einen exponentiellen Abfall, z.B. für die Teilchen, die noch nicht reagiert haben

N(x) = N0e−kx

so ist, wie ein Vergleich mit Gl. (E.2) zeigt, die auf ein Teilchen bezogene Größe κ/n der W

kungsquerschnitt der Reaktion. κ/n hat die Dimension einer Fläche.

109

Daten über Wirkungsquerschnitte, die für die Plasmaphysik wichtig sind, findet man z.B

Sandborn C.Brown: Basic Data of Plasmaphysics, John Wiley and Sons, oder Bates: Ato

and Molecular Processes.

Wirkungsquerschnitte sind im allgemeinen von der Relativgeschwindigkeit der Reaktionsp

ner abhängig. Abb. E.2 zeigt als Beispiel den typischen Verlauf eines Ionisierungsquerschn

durch Elektronenstoß, d.h.

Anzahl der ionisierenden ElektronenGesamtzahl der Elektronen

= nσidx

Abb. E.2: Typische Abhängigkeit eines Ionisierungs-

querschnittes von der Stoßenergie

Für manche Probleme interessiert der differentielle Streuquerschnitt, d.h. die Wahrscheinli

keit für Streuung in den Raumwinkel dΩ

dN = σdiffdΩndx

3. Coulombstößea) Nullte Näherung

Der Begriff des Coulomb-Stoßquerschnitts ist wegen der langen Reichweite der Coulombk

te etwas problematisch. Wir betrachten ein einzelnes Elektron, das an einem ruhenden Ion

der Ladung Ze vorbeifliegt (Abb. E.3)

Abb. E.3: Keplerbahn eines geladenen Teilchens beim

Stoß. r0 ist der Stoßparameter

Die Ablenkung ϑ hängt vom Stoßparameter r0 nach der Rutherfordschen Streuformel ab.

110

(E.3)r0 = Ze2

4πε012 mv2sin2ϑ

D.h nimmt mit wachsendem r0 kontinuierlich ab. Eine Möglichkeit, einen Streuquerschnitt

definieren, besteht darin, für ϑ einen beliebigen, aber festen Wert einzusetzen. Dann ergibt s

aus (E.3) sofort der Querschnitt pr02. Dieser ist bis auf einen konstanten Faktor in allen w

sentlichen Abhängigkeiten gleich dem, der aus einer aufwendigen kinetischen Rechnu

stammt (L. Spitzer Jr.)

Im folgenden umgehen wir die Rutherfordschen Streuformel und schätzen den Streuqu

schnitt mit einem groben Verfahren ab.

Wir ersetzen die wirkliche Bahn durch eine gerade Bahn, die mit konstanter Geschwindigk

durchlaufen wird. Die seitlich auf die Bahn wirkende Kraft hat einen glockenförmigen ze

chen Verlauf. Wir ersetzen ihn durch einen rechteckigen Verlauf mit einer konstanten Kraft

die während einer Zeit wirkt, die etwa der Halbwertsbreite der Kurve entspricht. F0 ist

Kraft bei größter Annäherung

Abb. E.4: Bei der gröbsten Abschätzung wird der tat-

sächliche Verlauf der Kraft beim Vorbeiflug durch eine

Rechteckfunktion angenähert.

F0 = Ze2

4πε0r02

Die Zeitdauer t ist durch die Flugzeit über die Distanz 2r0 gegeben, da die halbe Kraft

wirkt. (s. Abb. E.4)r = 2 r0

t = 2r0v

Der senkrecht zur Bahn des stoßenden Teilchens übertragene Impuls ist dann

∆(mv⊥ ) = F0t = Ze2

2πε0r0v

111

Wir fordern jetzt von einem Stoß, daß gleich dem Anfangsimpuls des Teilchens e∆(mv⊥ )lang seiner Bahn ist, was einer Ablenkung um 90° entspricht.

∆(mv⊥ ) = mv = Ze2

2πε0r0v

r0 = Ze2

2πε0mv2

Als Radius des so definierten Stoßquerschnitts ergibt sich der gleiche Wert wie bei Rutherf

- streuung um ϑ = 90°. Der Streuquerschnitt ist daher

σc = πr02 = πZ2e2

(2πε0mv2)2∼ 1

v4

Die Abhängigkeit σ ~ 1/v4 hängt also damit zusammen, daß r ~ 1/v2. Hierin stecken zwei F

toren ~ 1/v: einmal geht die Aufenthaltsdauer des Störteilchens im Bereich des Coulombfel

mit 1/v und dann wird bei dem gleichen seitlichen Impulsübertrag die Ablenkung um so k

ner, je größer der Anfangsimpuls ist.Die Stoßfrequenz geht mit in einem thνc = vσ ∼ 1v3

mischen Plasma mit geht. .12

mv2 = kT νc ∼ T−3/2

b) Stöße mit schwacher Ablenkung

Es zeigt sich, daß die obige Abschätzung zwar die Abhängigkeit der Stoßzahl von T un

korrekt wiedergibt, auch die Größen im Vorfaktor richtig beschreibt - dies kann wichtig s

wenn man Angaben aus der Literatur, die in fremden Einheiten angegeben sind, auf die

bräuchlichen SI-Einheiten umrechnen will - aber den Absolutwert falsch angibt. Der Gru

hierfür liegt daran, daß die Annahme, 90° Stöße seien die wichtigsten im Plasma, nicht zutr

Die Stöße mit großen Stoßparametern bewirken zwar kleine Impulsänderungen, aber da

sind sie häufiger. Im folgenden wird daher die Auswirkung der Kleinwinkelstöße untersucht

Zur Definition des Stoßquerschnitts, in diesem Fall gehen wir vom Billardkugelmodell aus

(E.1) aus:

dN = −Nnσdx

112

und ersetzen N durch den Impuls parallel zur Bahn

(E.4)d(mv//) = −(mv//)nσdx

Zur Berechnung des Impulsübertrages senkrecht zur Bahn kann mit guter Näherung von ein

geraden Bahn ausgegangen werden.

Abb. E.5: Berechnung der seitlich wirkenden Kraft

Nach Abb. E.5 ist , mit ergibt sich F⊥F

= r0r F = Ze2

4πε0r2

F⊥ = Ze2

4πε0

r0

r3

und mit r = r02 + v2t2 = r0

1 +

vtr0

2

1/2

F⊥ = Ze2

4πε0r0

1

1 + ( vt

r0 )2

3/2

Die seitliche Impulsänderung ergibt sich hieraus:

∆(mv⊥ ) = ∫−∞

+∞F⊥ dt = 2 ∫0

∞F⊥ dt

= 2Ze2

4πε0r02 ∫0

∞ dt

1 +( vtr0 )

2 3/2

Das Integral kann mit der Substitution

vtr0

= ξ, dt = r0v dξ

dimensionslos gemacht werden.

113

(E.5)∆v⊥ = Ze2

2πε0mr0v ∫0

∞ dξ

(1 + ξ 2)3/2

Das Integral ergibt 1.

Abb. E.6: Es kommt letztenendes auf die Änderung des

Impulses in Bewegungsrichtung an.

Benötigt wird . Hierzu beachten wir, daß wegen des Energieerhaltungssatzes nach d∆v//

Vorbeiflug die Bahngeschwindigkeit v gleich der Anfangsgeschwindigkeit ist. Nach Abb.

ergibt sich

∆v// = v - v// = v− v − ∆v⊥2 ≈ v − v

1 − 1

2∆v⊥

v

2

Dies in Gl. E.4 eingesetzt, ergibt:

(E.6)∆v// =

Ze2

πε0m

21

8v3r02

Um beim Vorbeiflug an vielen Teilchen zu berechnen, wird ∆v mit der Wahrscheinlichkv//

dW multipliziert, mit der bei n Feldteilchen pro Volumen ein Vorbeiflug zwischen r und r +

vorkommt. Diese ist gleich dem Produkt der Gesamtzahl der Teilchen in dem betrachteten V

lumen nAdx (A = Querschnittsfläche des Volumens), und dem Flächenverhältnis rdrdϕ und

dW =nAdxrdrdϕ

A

Abb. E.7: Die Wahrscheinlichkeit, genau in dieses F

chenelement zu treffen, berechnet sich aus dem Fläche

verhältnis rdrdϕ zur Gesamtfläche.

Damit wird Gl. E.6

114

dv// = −∫rmin

rmax

∆v//dW = ndx2π

Ze2

πε0m

21

8v3 ∫rmin

rmax 1r dr

Dies ist bis auf den Faktor der in Gl. E.4 definierte Stoßquerschnitt.nv//dx = nvdx

(E.7)σ =

Ze2

ε0m

2

14πv4

lnΛ

Gl. E.7 beschreibt im wesentlichen den Stoßquerschnitt für Coulombstöße nach Spitzer.

lnΛ = lnrmax/rmin ist der Coulomblogarithmus. Für divergiert das Ergrmax → ∞ und rmin → 0

nis. Man nimmt zum Abschneiden des Integrales für rmin den Abstand kleinster Annäheru

wenn die gesamte Energie in potentielle Energie umgesetzt worden ist und für rmax

Debyelänge:

rmin : 12

mv2 = Ze2

4πε0rmin

rmax : λD = rmax = ε0kTne2

Wie Tabelle I zeigt, ist lnΛ nicht sehr empfindlich von den Plasmaparametern abhängig,

daß man für Abschätzungen häufig lnΛ =10 setzt.

Tabelle I

T/eV n/m-3 lnΛ typisch für

0,2 1015 9,1 Q - Maschine

2 1017 10,2

100 1019 13,7 vollionisiertes Laborplasma

104 1021 16 Fusionsrektor

103 1027 6,8 Laserplasma

Für die freie Weglänge erhält man damit

λ = 4πv4

nε0m

2

21

ln Λ

115

und für die Stoßfrequenz

(E.8)νc = vλ = n

4πv3

Ze2

ε0m

2

lnΛ

Dieser Ausdruck ist bis auf den dimensionslosen Faktor lnΛ identisch mit dem in nullter Näh

rung gewonnen.

4. Anwendungen

a) Runaway Elektronen

Liegt an einem Plasma ein elektrisches Feld E, so bewegen sich die Elektronen mit einer Dr

geschwindigkeit vD gegenüber den Ionen. Im Gleichgewichtsfall ist die Reibungskraft fR gle

der antreibenden Kraft -eE. Die Reibungskraft ist durch den Impulsverlust pro Zeit gegeb

d.h.

fR = νcemevD

Um die Elektronen-Ionen Stoßfrequenz nach Gl. E.8 νce zu berechnen, muß man die Rela

geschwindigkeit zwischen Elektronen und Ionen vc kennen. Hier unterscheiden sich 2 Fälle:

Ist die Driftgeschwindigkeit vD sehr viel kleiner als die thermische Geschwindigkeit

Elektronen

vD<<vth,

ist die Relativgeschwindigkeit praktisch durch die thermische Geschwindigkeit der Elektro

bestimmt vc = vth. Damit ist νce = const und fR =νce mevD proportional zur Driftgeschwindigk

Im andern Extremfall vD >> vth ist die Relativgeschwindigkeit durch die Driftgeschwindigk

bestimmt

vc = vD

νc ~ 1/vD3

und die Reibungskraft nimmt mit 1/vD2 ab. Insgesamt ergibt sich für die Reibungskraft ein V

halten wie in Abb. E.8.

116

Abb. E.8: Der Reibungswiderstand nimmt bei hohen

Driftgeschwindigkeiten ab, so daß eine instabile Situati-

on entsteht: Die Elektronen werden im elektrischen

Feld kontinuierlich beschleunigt.

Für vD >> vth liegt ein instabiles Verhalten vor: je größer die Geschwindigkeit wird, desto k

ner wird die Reibungskraft, wodurch ein weiterer Geschwindigkeitszuwachs begünstigt w

In einem realen Plasma wird die Geschwindigkeit durch einen Prozeß, der durch die insta

Situation entsteht, begrenzt. Hier ist es die Anfachung von elektrostatischen Fluktuation

Man kann sich diesen Prozeß als die Umkehrung der Teilchenbeschleunigung durch We

vorstellen: Energie geht aus gerichteter Energie eines Teilchenstrahls in Wellenenergie über

b) Relaxationszeiten

Schießt man einen Teilchenstrahl in ein Plasma, so wird er durch Stöße abgebremst und e

lich thermalisiert. Bei konstanter Reibungskraft wird sich für die Relativgeschwindigkeit e

abfallende e-Funktion ergeben. Die Zeitkonstante dieser e-Funktion ist die Relaxationsz

Allgemeiner gesprochen, ist die Relaxationszeit die Zeit, die ein System braucht, um aus ei

kleinen Abweichung aus dem Gleichgewicht in die Gleichgewichtssituation zurückzukehr

Die Abweichung vom Gleichgewicht kann eine Ausbeulung der Verteilungsfunktion sein,

im obigen Fall, eine Abweichung der Maxwellverteilungen parallel und senkrecht zum M

gnetfeld oder zwischen den Temperaturen verschiedener Teilchensorten. Im folgenden wo

wir die Relaxationszeiten für die Einstellung einer Maxwellverteilung einer Teilchensorte o

zwischen Elektronen und Ionen abschätzen, indem wir annehmen, hierfür sei der Coulom

Stoßquerschnitt maßgeblich. Wir haben bisher Stöße der Elektronen mit räumlich festlieg

den Ionen betrachtet. Um die Ergebnisse auf Stöße zwischen Teilchen der Sorte a mit Teilc

der Sorte b zu verallgemeinern, gehen wir von dem Stoßquerschnitt Gl. E.8 aus

σab =

Ze2

ε0ma

21

4πva4

ln Λ

und ersetzen ma durch die reduzierte Masse

117

mab = mamb

ma + mb

Für va wird die relevante Relativgeschwindigkeit vrel eingesetzt. Zur Vereinfachung wird v

dem Fall Ta = Tb = T, d.h. ½ mava2 = ½ mbvb

2 = kT ausgegangen. Da hier nur die Verhältnisse

verschiedenen Relaxationszeiten interessieren, werden alle Faktoren außer der Masse und

Geschwindigkeit in einer Proportionalitätskonstante C zusammengefaßt. Der Stoßquersch

ist dann

σ ∼ 1µ2vrel

4

Für die Relaxationszeiten ist der Bruchteil der bei einem Stoß übertragenen Energie wichtig

K = Eubertr

E= 2mamb

(ma + mb)2=

2µ2

mamb

Die freie Flugzeit ist dann

tab = 1νab

= 1nσabvrel

= C1µ2vrel3

Die Zeit für Energieübertragung

τ ab = tab

K= C2mambvrel

3

Daraus erhält man für Elektronen-Elektronenstöße mit ma = mb = me und vrel = vc = C3/me1/2

τ ee = Cme

2

me3/2

= Cme1/2

für Ionen-Ionen Stöße mit ma = mb = mi und vrel = vi = C3/mi1/2

τ ii = Cmi1/2

für Elektronen-Ionen Stöße mit ma = me und mb = mi und vrel = ve = C3/me1/2

τ ei = Cmemi

me3/2

= Cmi

me1/2

118

für Ionen-Elektronen Stöße mit ma = mi und mb = me und vrel = ve

τ ie = τei

Hieraus ergibt sich für ein H-Plasma

τ iiτ ee

= mime

= 40

τ eiτ ee

= mime

= 1840

Man erkennt, daß die Elektronen am wenigsten Zeit benötigen, um eine Maxwellsche G

schwindigkeitsverteilung aufzubauen, es folgen die Ionen, wohingegen die Zeit für die Eins

lung gleicher Elektronen- und Ionentemperatur deutlich länger ist. Dies ist der Grund da

daß man häufig zwar den einzelnen Teilchensorten eine Temperatur zuordnen kann, die d

allerdings für Elektronen und Ionen unterschiedlich ausfällt. Der Unterschied ist um so klei

je größer der Druck ist, da häufige Stöße den Temperaturausgleich fördern.

In Gasentladungen (s. folgendes Kapitel), besonders bei niedrigen Drucken wird die Ener

aus dem äußeren Feld meist zunächst auf die Elektronen übertragen. Daher findet man h

häufig Te > Ti . Es gibt Experimente, bei denen die Energie primär auf die Ionen übertra

wird, z.B. bei Heizung mit Alfvénwellen, da hier die kinetische Energie im wesentlichen

Schwingungsenergie der Ionen ist. Dann kann T i> Te gelten. Wegen der langsamen Relax

onszeiten der Ionen untereinander stellt sich häufig nur für kleine Geschwindigkeiten e

Maxwellverteilung ein. Zuweilen wird beobachtet, daß bei hohen Energien (im „Maxwellsc

Schwanz“) zu viele Teilchen vorliegen.

c) Elektrische Leitfähigkeit

Die elektrische Leitfähigkeit σ = 1/ρ wird aus der oben berechneten Stoßfrequenz abgelei

indem die Bewegung eines Elektrons im elektrischen Feld unter dem Einfluß von Stößen

trachtet wird.

Zwischen den Stößen gilt die Bewegungsgleichung

medve

dt= qeE

ve =ve0 + qeEme

t

119

Bei der Mittelung über viele Stöße wird die Anfangsgeschwindigkeit nach dem Stoß

⟨ve0⟩ = 0

und die freie Flugzeit durch die Stoßfrequenz gegeben

⟨t⟩ = 1νce

Damit erhält man für die Driftgeschwindigkeit

.vD = ⟨ve⟩ = qe

νcemeE

µa = qa

ν m

nennt man die Beweglichkeit der Teilchensorte a. Wegen der Massenabhängigkeit ist die B

weglichkeit der Ionen im allgemeinen kleiner als die der Elektronen. Durch Vergleich mit

Definition des spezifischen Widerstandes und der Stromdichte , ergibt sj = 1ρE j = nqe⟨ve⟩

für ρ

ρ = νceme

ne2= vmeσ

e2

wenn σ der Stoßquerschnitt für Elektronen-Ionen Stöße ist. Mit Gl. E.7 erhält man die

Spitzer-Formel

(E.9)ρ = Z2e2me1/2lnΛ

ε024π(2kT)3/2

d) Allgemeine Transportgleichung

α) Grundbegriffe

Über die Vorstellung, daß mit Stößen gewisse physikalische Größen übertragen werden,

sen sich Transportvorgänge wie Wärmeleitung, Viskosität und Diffusion in gleicher Weise

handeln. Wir betrachten dazu eine physikalische Größe G, die an die Teilchen gebunden

wie innere Energie, Teilchenzahl oder Impuls. Sie soll sich in einer Dimension x ändern, so d

120

G = G(x) ist. Die Volumendichte dieser Größe wird g genannt: g = G/V, die Größe pro T

chen g: γ = g/n, der Fluß der Größe in Richtung xG : .ΦG = ∂GA∂t

Nimmt man G = 3/2 NkT, so wird g = 3/2 nkT, γ = 3/2 kT und ΦW ist der Wärmestrom

Fläche.

Nimmt man für G die Teilchenzahl G = N, so wird g = n, γ = 1, ΦD = nv ist

Diffusionsstrom.

Nimmt man für G = Nmvz den Gesamtimpuls senkrecht zur Richtung, in der sich vz ändert,

wird g = nmvz, γ = mvz

Φp = Fz

A=

∂pz

A∂x

Fz/A ist die Scherspannung senkrecht zu x. Obige Gleichung ist identisch mit dem Newt

schen Ansatz der Viskosität.

β) Transportgleichung

Der Transport der Größe G erfolgt über Stöße. Z.B. dadurch, daß Teilchen in einem Geb

mit hoher Temperatur stoßen, besitzen sie im Mittel die Energie, die dieser hohen Tempera

entspricht. Kommen sie nun in ein Gebiet mit kleinerer Temperatur, können sie durch Stö

ihre höhere Energie an Teilchen mit kleinerer Energie übertragen. Dadurch wandert ther

sche Energie von einer Stelle zur anderen. Wenn Teilchen in einem Raumbereich überha

nicht stoßen, kann es nach diesem Bild keinen Temperaturgradienten geben.

Abb. E.9: Das Teilchen befindet sich bei x = 0 brin

aber die Transportgrößen bei x = λ, bzw bei x = -λ mit.

Ein Teilchen überträgt bei einem Stoß bei x = 0 die Größe G, die es im letzten Stoß aufgeno

men hat, also im Abstand der freien Weglänge λ. Entwickelt man γ(x) um x = 0 mit dx = λ,

hält man

γ(−λ) = γ(0) − λ∂γ∂x

γ(+λ) = γ(0) + λ∂γ∂

121

In einem isotropen Gas ist der Teilchenstrom der Teilchen, die von links kommen, dem Bet

ge nach 1/6 nvth ebenso derjenige, der von rechts kommenden Teilchen. Diese bringen un

schiedlich viel der Größe γ mit, wodurch bei x = 0 ein Gesamtstrom in x-Richtung resultiert

ΦG(0) = 16

nvthγ(−λ) − 16

nvthγ(+λ) = 13

λnvth∂γ∂x

Damit wird die Transportgleichung

(E.10)ΦG = −13

λvth∂g∂x

Bei Abhängigkeit von mehreren Ortsvariablen muß durch ersetzt werden. Die freie∂g∂x

∇ g

Weglänge λ wird durch den Stoßquerschnitt ausgedrückt:

λ = 1/nσ,

wobei man im vollionisierten Plasma den Coulombquerschnitt (Gl. E.7) einsetzt, im Gasen

dungsplasma ist meist der Stoßquerschnitt für Stöße mit dem Hintergrundgas maßgeblich.

Um den Wärmeleitungskoeffizienten zu berechnen, setzt man g = 3/2 nkT, damit wird Gl.

E.10:

ΦW = −13

vλn32

∂kT∂x

mit κ = 12

vλn

für ein vollionisiertes Plasma ergibt sich mit Gl. E.7 unabhängig von n.κ ∼ v5 ∼ T5/2

e) Diffusion

Die Plasmaparameter in einer Entladung werden primär durch das Gleichgewicht von T

chen- (und damit Energie-)verlusten und -nachlieferungen bestimmt. Die Teilchenverluste

folgen meist durch Diffusion. Daher ist Diffusion eines der zentralen Themen

Plasmaphysik.

122

Die Diffusionsformel aus dem letzten Abschnitt beschreibt das Verhalten neutraler Teilch

Im Plasma kommt durch die unterschiedliche Beweglichkeit der Ladungsträger mit entgeg

gesetztem Ladungsvorzeichen eine Kopplung der Teilchen durch elektrische Felder hin

Durch die Anwesenheit von Magnetfeldern ändert sich die Diffusionsgeschwindigkeit we

drastisch. Wir behandeln im folgenden zunächst den einfachsten, allerdings auch in

Plasmaphysik am wenigsten relevanten Fall: ungeladene Teilchen.

α) Eine Teilchensorte ohne Ladung

In der allgemeinen Transportgleichung wird g = n gesetzt. Aus Gl. E.10 ergibt sich dann

den Teilchenstrom

(E.11) (1. Ficksches Gesetz)ΦD = −13

λv∇ n = −D∇ n

Mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung

∂n∂t

+ ∇ (nv) = 0

und läßt sich hieraus eine Diffusionsgleichung für n alleine herleiten:ΦD = nv

(E.12) (2. Ficksches Gesetz)∂n∂t

= D∇ 2n

Diese Diffusionsgleichung haben wir bei der Magnetfelddiffusion (Kap. C.3) kennengele

Das Skalierungsgesetz der Lösungen wird wie dort

l2 = Dt (E.13)

Die Diffusionskonstante erhält man aus Gl. E.11

D = 1/3 λv

Ersetzt man und wird hieraus:λ = vν

12

mav2 = kT

123

D = 23

kTmaνca

Mit der Definition der Beweglichkeit

µa = qa

ν m

erhält man

(E.14)D = 23

kTqaµa

und die Einsteinsche Beziehung Daµa

= kTqa

β) Die Ambipolare Diffusion

Im Niedertemperaturplasma ist die Stoßfrequenz νca im wesentlichen durch das Hintergru

gas bestimmt und damit konstant. Im vollionisierten Plasma ist

νei ~ me-1/2 µe = e

νceme∼ 1

m1/2

In jedem Fall haben die Elektronen die größere Beweglichkeit und verlassen das Plasma

erst. Es baut sich ein elektrisches Feld auf, das die Elektronen zurückhält und die Ionen

schleunigt. Im stationären Zustand verlassen gleich viele positive und negative Teilchen

Zeit das Plasma. Die Diffusionsgeschwindigkeit ist dann im wesentlichen durch die schwere

Ionen bestimmt. Dieser Mechanismus heißt ambipolare Diffusion.

Um den effektiven Diffusionskoeffizienten zu berechnen, gehen wir davon aus, daß der T

chenstrom einer Sorte sowohl vom elektrischen Feld wie durch den Dichtegradient anget

ben wird. Da nach Definition der Beweglichkeit , ist der Anteil des durch va = εa µa E

elektrische Feld angetriebenen Teilchenstroms

nva = nεa µa E

d.h. insgesamt

Φ i = µ inE − Di∇ nΦe = −µenE − De∇ n

124

mit Φi = Φe kann man E eliminieren

E = Di − De

µ i +µe

∇ nn

In die Gleichung für Φi eingesetzt, ergibt sich

Φ i = µiDi − De

µ i + µe∇ n − Di∇ n = −DA∇ n

mit DA =µ iDe + µeDi

µ i + µe

für µe >> µi wird hieraus und wegen DA =µ i

µeDe + Di

Deµe

= Diµ i

DA = 2Di

DA ist der Koeffizient für ambipolare Diffusion. Er ist etwa doppelt so groß wie der einfa

Diffusionskoeffizient für Ionen.

γ) Diffusion von Elektronen im homogenen Magnetfeld

Einteilchenbetrachtung

Im homogenen Magnetfeld vollführen die Elektronen eine Gyrationsbewegung. Durch ei

Stoß springt das Gyrationszentrum an einen Ort, der im Mittel vom ursprünglichen Ort

Entfernung des Gyrationsradius hat.

s = rce = vme

eB

Abb. E.10: Bei einem Stoß wird das Gyrationszentrum

versetzt.

Bei vielen Stößen vollführt das Gyrationszentrum einen ‘random walk’ mit der Schrittweit

Bei 2 Schritten ist der zurückgelegte Weg nach dem Kosinussatz

125

s2 = s2 + s2 + 2s2cosϕ = 2s2(1 + cosϕ)

Abb. E.11: Zwei Schritte der Schrittweite s bringen den

random walker um l weiter.

im Mittel , bei N Schritten l2 = Ns2. Die Anzahl der Schritte N ist durch die Stoß⟨l2⟩ = 2s2

quenz gegeben N = νcet. Damit erhält man für den zurückgelegten Weg

l2 =

vme

eB

2

νcet

Vergleich mit der Diffusionsgleichung in der einfachsten Form zeigt, daß

D = v2me2

e2B2νce = 2kTme

e2B2νce

der Diffusionskoeffizient ist.

Flüssigkeitsbetrachtung

Abb. E.12: Im Flüssigkeitsmodell wird der azimutale

Strom durch die Teilchen, die das axiale Feld kreuzen,

angetrieben

Zu praktisch dem gleichen Ergebnis kommt man mit einer Flüssigkeitsbetrachtung. Wir stell

uns ein in zylindrischer Geometrie eingeschlossenes Plasma vor.

Die Gleichung für das Druckgleichgewicht besagt dann

in Komponenten: j × B = ∇ p j ⋅ B = ∂∂

nkT

126

Das Ohmsche Gesetz

in Komponenten: j = σv × B j = −σv⋅B

Wegen der Zylindersymmetrie kann es in azimuthaler Richtung kein elektrisches Feld geben

ist die radiale Geschwindigkeit der Elektronen. Elimination von j führt zu

−σnB2 = kT ∂∂ n

nv = Φ = −nkTσ 2

∂∂r

n

Damit wird der Diffusionskoeffizient D = nkTσ 2

Führt man die Leitfähigkeit σ auf die Stoßfrequenz zurück

σ = ne2

νceme

so ergibt sich für D bis auf einen Faktor 2 der obige für die Einteilchenbewegung abgeleit

Wert:

D = kTme2 2

νce

Während bei neutralen Teilchen (oder geladenen Teilchen, die sich parallel zum Magnetf

bewegen,) die Diffusion durch Stöße behindert wird, wird sie bei geladenen Teilchen im M

gnetfeld senkrecht zur Magnetfeldrichtung gefördert. Das Bild des „random walk“ läßt erk

nen, daß die Diffusion mit der Schrittweite wächst. Senkrecht zum Magnetfeld diffundieren

schwereren Teilchen wegen ihres größeren Gyrationsradius daher schneller als die leichten.

Tokamak ist die Schrittweite durch die charakteristische Dicke einer Bananenbahn gegeb

Man spricht dann von neoklassischer Diffusion (Pfirsch-Schlüter-Bereich)

δ) Bohmdiffusion

Nach der klassischen Theorie würde man eine Diffusion von ~ 1/B2 erwarten. Es gibt exp

mentelle Beobachtungen, daß häufig statt dessen D wie 1/B skaliert. Eine solche Skalieru

127

hätte katastrophale Folgen für die Fusionsforschung, da eine Erhöhung des Magnetfeldes ni

den erwarteten Fortschritt im Einschluß bringt: Erste Beobachtungen stammen von Boh

Massey und Burhop am Lichtbogen. Sie leiteten aus ihren Messungen für D ab:

D ⊥ = 116

kTeB

Diffusion mit dieser Diffusionskonstanten ist die sogenannte Bohmdiffusion. Man kommt zu

einer Formel vom Typ der Bohmdiffusion, wenn durch Feldfluktuationen eine E×B Drift er-

folgt. Der Teilchenfluß ist dann

Φ⊥ = nEB

Die typische Feldstärke E ∼eϕR

∼ kTR

Φ⊥ ∼ nR

kTeB

≈ ∇ nkTeB

In den heutigen Großexperimenten werden Einschlußzeiten beobachtet, die bis zu 100 Boh

zeiten betragen.

5. Diagnostik durch Stoßprozessea) Einleitung

Bei Gasen nutzt man die Abhängigkeit der Wärmeleitfähigkeit und der Viskosität bei ge

gend kleinen Drucken aus, um den Gasdruck zu messen. Im vollionisierten Plasma ist κ und

proportional T5/2 und σ ~ T3/2. Es liegt also nahe, auch Plasmadaten über Transporteigensch

ten zu messen. Dem steht entgegen, daß die Stoßfrequenzen sehr empfindlich von Fluktua

nen abhängen, deren Größe man schwer abschätzen kann. Sehr gute Ergebnisse erhält m

über Stöße mit strahlenden Atomen, die zu einer Verbreiterung der Spektrallinien führen.

Dichtemessung aus der Breite von Spektrallinien ist eine der Standard Diagnostiken.

b) Strom- Spannungscharakteristik

Man könnte vermuten, daß sich die Leitfähigkeit σ über die Messung einer Strom -

Spannungscharakteristik des Plasmas bestimmen ließe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Legt m

nämlich zwischen zwei Elektroden, die in ein Plasma eintauchen, eine Spannung, so fällt die

gesamte Spannung an der Schicht in unmittelbarer Umgebung der Elektroden ab, während d

größte Teil des Plasmakörpers feldfrei bleibt. Die Schicht hat eine typische Dicke der Debye

länge λD. Da in vielen Plasmen die freie Weglänge größer als die Debyelänge ist, spielen Stö

128

für den Vorgang praktisch keine Rolle und man kann aus solchen Messungen daher keine A

sagen über Stoßzeiten erwarten.

Die Strecke Plasma - Elektrode wirkt statt dessen wie ein Gegenfeld-Spektrometer, das es e

laubt, Verteilungsfunktionen zu messen. Hierfür werden Messungen der Strom-Spannungsc

rakteristik verwendet. Die entsprechende Anordnung heißt Langmuirsonde.

Abb. E.13: Langmuirsonde in einer Entladungsröhre

Die übliche Anordnung besteht aus einer Sonde in Form einer feinen Drahtspitze, die ins P

ma eingeführt wird. Die andere Elektrode ist entweder eine Elektrode der plasmaerzeugend

Entladung oder das metallische Entladungsgefäß. Die äußere Spannung U setzt sich aus ein

nicht sehr gut vorhersagbaren Teil VP, dem Plasmapotential in unmittelbarer Umgebung

Sonde und dem Potentialabfall über der Schicht VS zusammen: U = VP + VS

Abb. E.14: Die Sondencharakteristik. I0e, I0i, Elektronen

und Ionen Sättigungsstrom, Vp Plasmapotential, Vfl Floa

ting Potential. Der Lineare Anstieg unterhalb von Vp is

das Elektronen Anlaufgebiet.

Wählt man U so, daß der Gesamtstrom verschwindet (I = 0), so laden wegen ihrer größe

Mobilität die Elektronen die Sonde negativ auf. Im stationären Zustand verlassen gleich v

Elektronen und Ionen das Plasma in Richtung Sonde. Das entstehende Potential heißt

Floating Potential. Das Floating Potential ist das Potential, das ein Metallstückchen annim

das frei in das Plasma gelegt wird. Es behindert den Elektronenfluß zur Sonde. Zwischen S

de und Plasma entsteht ein Gebiet mit positiver Raumladung. Diese Raumladungsschicht

eine Dicke von der Größenordnung der Debyelänge. Wir nehmen an, daß es eine Schichtgr

ze gibt, an der das neutrale Plasma beginnt. Beim Floating Potential verläßt ein Ionenstrom

I0i = 14

nevthA

129

das Plasma (A = Sondenfläche), d.h. alle Ionen, die den Plasmarand verlassen, tragen mit ih

thermischen Geschwindigkeit zu diesem Strom bei. Der Faktor ¼ stammt aus der Integrat

über die Maxwellverteilung. Der Elektronenstrom ist gleich groß und entgegengesetzt. Erni

rigt man U weiter, so behindert man die Elektronen mehr und mehr, bis bei genügend klei

Spannung nur noch die Ionen die Sonde erreichen. Der Strom ist dann der Ionensä

gungsstrom I0i. Entsprechend gibt es bei positiven Spannungen den Elektronensättigungstro

I0e = −14

envtheA

Im Zwischengebiet, dem Elektronenanlaufgebiet, wird von Vfl ausgehend die Gegenspannu

für Elektronen mehr und mehr abgebaut. Bei VP hat die Sonde das gleiche Potential wie

umgebende Plasma. Dann ist VS = 0. Bei weiterer Erhöhung von U kehrt VS das Vorzeic

um, und der Ionenstrom in Richtung Sonde wird behindert. Wenn praktisch keine Ionen m

die Sonde erreichen, fließt der Elektronensättigungsstrom. Der Elektronensättigungsstrom

laubt, bei bekannter Temperatur, ne zu bestimmen. Im Elektronenanlaufgebiet ist der Elekt

nenstrom bei Vorliegen einer Maxwellverteilung

Ie = I0eeeVs/kT

und der Sondenstrom

I = Ioi + I0eeeVs/kT

Man kann also durch Anpassen der Charakteristik an die Meßwerte Te bestimmen. Bei Nic

vorliegen einer Maxwellverteilung kann man die Verteilungsfunktion ermitteln.

6. Das Ionisationsgleichgewicht

a) Die Sahagleichung

α) Boltzmannformel

Die Formel für das Ionisationsgleichgewicht wurde unabhängig voneinander von Mech N

Saha (1920) und Eggert (1919) entdeckt. Saha wandte die Formel erstmals bei der Sterna

lyse an. Es gibt zwei Möglichkeiten, sich der Saha-Formel zu nähern: über die Boltzmann S

tistik und über die Gibbsfunktion. Wir beschreiten den einfachen Weg über

Boltzmannstatistik.

130

Für nicht entartete Zustände der Energie En, Em ergibt sich nach Boltzmann für das Verhäl

der Besetzungszahlen im thermischen Gleichgewicht

Nn

Nm= e−En/kT

e−Em/kT

Bezieht man Nn auf die Gesamtzahl der Teilchen in den verschiedenen Energiezuständen

N = Σm=1

∞Nm

erhält man

Nn

N= e−En/kT

Σ =∞ e−Em/kT

Bei g-fach entarteten Zuständen

Nn

N=

gne−En/kT

Σgme−Em/kT=

gne−En/kT

Z(T) ,

wobei Z(T) die Zustandssumme des Atoms ist (partition function). Zu ihrer Berechnung m

sen alle Zustände des Atoms bekannt sein und eine geeignete Abbruchbedingung für die

endliche Reihe eingeführt werden, da diese im allgemeinen divergiert. Das statistische Gewi

gn ist in den meisten Atomen durch die Anzahl der Drehimpulszustände gegeben

gn = 2Jn + 1

bei Wasserstoff durch gn = 2n2.

β) Anwendung der Boltzmannformel auf das Ionisationsgleichgewicht

Abb. E.15: Wie man die Boltzmannformel auf freie Elektronen anwendet

131

Um den Ionisationsgrad zu bestimmen, wendet man die Boltzmannformel auf ein Elektron

das so weit angeregt worden ist, daß es eine positive Energie ½ mv2 relativ zur Ionisierun

grenze hat

dnen0

=ge

g0e−E/kT

ge ist die Anzahl der Zustände des freien Elektrons zwischen E und E + dE. Wir setzen

gleich der Anzahl der Zellen von der Größe h3 im Phasenvolumen dp3 dV.

ge = 2dp3dV

h3= 2

dpxdpydpzdV

h3

Der Faktor 2 berücksichtigt die beiden Spinzustände des Elektrons. Da über dp3 dV integr

werden soll, muß E durch p ausgedrückt werden:

E = Ei + 12m(px

2 + py2 + pz

2)dnen0

= 2g0h3

e−

Ei+ 1

2m px

2+py2+pz

2

/kT

dpxdpydpz∆V

Zuerst wird über die pi integriert mit der Substitution

x2 =px

2

2kTm, 2xdx =

2pxdpx

2kTm, dx =

dpx

2kTm

Berücksichtigt man daß wird∫−∞

+∞e−x2

dx = π ,

nen0

= 2g0h3

(2πmkT)3/2e−Ei/kT∆V

Das Volumen V muß so groß gewählt werden, daß es gerade ein Ion enthält. Wählt man

größer, überlappen sich die Bereiche von Elektronen, die von verschiedenen Ionen stamm

und man zählt Zustände mehrfach, um umgekehrten Fall werden bestimmte Zustände ni

mitgezählt.

ni∆V = 1

132

Damit ergibt sich die Gleichgewichtsformel für ein Ion mit einem gi-fach entarte

Grundzustand:

nenin0

= 2gi

g0

(2πmkT)3/2

h3e−Ei/kT

Zählt man alle Zustände des r- und r + 1 fach ionisierten Atoms, so müssen die statistisc

Gewichte durch die Zustandssummen ersetzt werden. Damit ergibt sich die allgemeine Fo

der Sahagleichung:

nenr+1nr

= 2Zr+1

Zr

(2πmkT)3/2

h3e−Er/kT

Die Ionisierungsenergie des r-fach ionisierten Atoms Er ist im Plasma gegenüber dem Wert

Einzelatoms erniedrigt.

Er = Er0 − ∆Er

Dies liegt daran, daß ein Einzelatom bei der Ionisierungsenergie einen unendlich großen Ra

us hat. Im Plasma ist der Radius auf den Debyeradius beschränkt. Die Bedingung re = λD

gibt den Wert der Ionisierungsenergie für ein Atom im Plasma. (re ist hier der Radius der El

tronenbahn im Atom, bei dem das Elektron gerade noch als gebunden betrachtet wer

kann.)

b) Gleichgewichtsbegriffe

α) Vollständiges thermisches Gleichgewicht (CTE complete thermodynamic equilibrium)

Eine Temperatur ist zunächst nur für das thermische Gleichgewicht definiert. Im thermisc

Gleichgewicht haben die Teilchen eine Maxwellverteilung, die für alle Teilchensorten du

die gleiche Temperatur gekennzeichnet ist. Die Niveaus der Atome sind nach der Boltzma

formel besetzt, der Ionisierungsgrad wird durch die Sahagleichung beschrieben. Die Strahlu

folgt dem Planckschen Strahlungsgesetz. Das Plasma muß bis zur Wand konstante Tempera

haben. Plasma und Wandtemperatur sind gleich.

133

Im thermischen Gleichgewicht herrscht detailliertes Gleichgewicht, d.h. jeder Prozeß ist

häufig wie sein Umkehrprozeß, z.B. wird die Stoßionisation

e + A → A+ + 2e

durch die Dreierstoßrekombination

2e + A+ → e + A

aufgewogen, die Photoionisation durch die Photorekombination

hν←→ A + e

Wenn dies nicht immer der Fall wäre, so daß z.B. ein Atom im thermischen Gleichgewi

hauptsächlich durch Stöße ionisiert wird und durch Photoprozesse rekombiniert, könnte m

sich ein System denken, bei dem die Querschnitte für Ionisation oder Photorekombination

abhängig voneinander verändert werden können. Stellen wir uns vor, der Photorekombin

onsquerschnitt würde reduziert. Dann hätte man mehr Ionisation als Rekombination und m

würde Energie in die Ionisation pumpen, was nach dem 2. Hauptsatz nicht möglich ist, w

man vom Gleichgewicht ausgeht.

Im realen Plasma liegt eher in seltenen Ausnahmefällen das Plancksche Strahlungsgesetz v

Unterschiedliche Teilchensorten haben häufig unterschiedliche Temperatur, das Plasma ist

homogen und häufig beobachtet man Abweichungen von der Boltzmannformel oder der

hagleichung. Es werden daher Gleichgewichtsbegriffe eingeführt, die den Grad der Abw

chung vom thermischen Gleichgewicht charakterisieren.

β) Lokales thermisches Gleichgewicht (LTE)

Lokales thermisches Gleichgewicht liegt vor, wenn die Besetzung der Energieniveaus nach

Boltzmannformel erfolgt, der Ionisierungsgrad durch die Sahagleichung, aber das Strahlun

feld nicht durch die Planckformel beschrieben wird und das Plasma nicht homogen ist. Di

Bedingungen können vorliegen, wenn die Übergangsraten durch Strahlung sehr viel selte

sind als die durch Stöße. Innerhalb der Stoßprozesse gilt dann das detaillierte Gleichgewi

wie im thermischen Gleichgewicht. Die Stoßprozesse sorgen daher für Besetzungszahlen u

134

einen Ionisationsgrad wie im thermischen Gleichgewicht. Wegen der Inhomogenität des P

mas muß man voraussetzen, daß die Äquipartitionszeiten sehr viel kürzer sind als typische D

fusionszeiten, damit sich bei der Diffusion der Teilchen genügend rasch die lokale Tempera

einstellt.

γ) Partielles lokales thermisches Gleichgewicht (PLTE)

Die Bedingungen sind wie im LTE, aber die Boltzmannformel gilt nicht für alle Niveaus.

für die höheren Niveaus die Stoßquerschnitte größer sind als für die tiefer gelegenen, werd

die höheren nach wie vor durch Stöße bestimmt, und hier gilt die Boltzmannformel. U.U. k

man eine Hauptquantenzahl n = nc angeben, ab der mit Boltzmannverteilung zu rechnen

Bei den niedrigeren Niveaus hingegen sind Strahlungsübergänge nicht zu vernachlässigen.

Sahaformel wird als gültig vorausgesetzt.

δ) Coronagleichgewicht

Bei kleiner werdender Teilchendichte wird zunächst das Gleichgewicht zwischen Elektron

stoß, Ionisation und Dreierstoßrekombination gestört, da bei der Dreierstoßrekombination d

Teilchen zusammentreffen müssen, was bei kleineren Dichten schneller unwahrscheinlich w

Im Extremfall geschieht die Ionisation durch Elektronenstoß, die Rekombination durch Pho

nenprozesse. Dieser Zustand ist typisch für die Sonnencorona und wird deshalb Coronaglei

gewicht genannt. Für eine bestimmte Teilchensorte läßt sich der Ionisationsgrad hinschreibe

nin0

= S(T)

S(T) ist von der Teilchenart abhängig. Für alle Situationen, die nicht den Extremfällen v

LTE und Coronagleichgewicht angehören, wendet man Stoß-Strahlungsmodelle an, d.h. m

schreibt für vorgegebene Elektronentemperatur alle Ratengleichungen für Strahlungs- u

Stoßübergänge hin. Dafür müssen die Querschnitte σik(Te) bekannt sein. Man löst nach

Unbekannten auf.

c) Anwendungen

Die Bestimmung von ne und Te aus der Absolutmessung der Linienintensität bei Vorliegen v

LTE.

135

Man mißt die gesamte Leistung, die innerhalb einer Spektrallinie von allen Atomen in ein

Volumen nach allen Seiten ausgestrahlt wird

I = ∫−∞

+∞IνdνdΩ

in Watt. Dies ist möglich, indem man die Intensität mit der eines Strahlers bekannter Intens

wie Kohlebogen oder Hohlraum bekannter Temperatur vergleicht. Bei Vorhandensein v

LTE gelten dann folgende Gleichungen

I = N1A12hν = n1A12hνV

n1 ist die Teilchendichte für Teilchen im oberen Niveau, A12 ist die Einsteinsche Übergan

wahrscheinlichkeit und muß bekannt sein. (Wenn alles übrige bekannt ist, kann man

bestimmen.)

Die Boltzmanngleichungn1n0

= g1

Z0e−E1/kT

Die Sahaformelne

2

n0= S(T)

Man benötigt eine weitere Gleichung. In einer Entladung bei Atmosphärendruck ist dies

Zustandsgleichung

p = (ne + ni + n0)kT

Da ni = ne, hat man 4 Unbekannte T, ne, n0, n1, die sich aus den 4 Gleichungen ermitt

lassen.

Im allgemeineren Fall, in dem die Erniedrigung der Ionisierungsenergie E mit berücksich

werden muß, löst man in einem ersten Iterationsschritt das Gleichungssystem für ∆E = 0,

mittelt hieraus ne und kann dann in einem zweiten Schritt die Korrektur ∆E(ne) der Ioni

rungsenergie mit berücksichtigen.

136

KAPITEL F

Niedertemperaturplasmen

1. Einleitung

a) Was sind Niedertemperaturplasmen?

Niedertemperaturplasmen haben Temperaturen T < 5eV, typischerweise von der Größenord-

nung 1eV. In der Mehrzahl der Fälle liegt nur ein geringer Ionisationsgrad vor, d.h. die Bewe-

gung der Teilchen wird durch Stöße mit dem Hintergrundgas bestimmt. Für die Dynamik

spielt eine große Zahl von atomaren Stoßprozessen wie Dissoziation, Ionisation, Anregung

und die entsprechenden Umkehrprozesse eine entscheidende Rolle. Diese Plasmen werden

auch als technische Plasmen oder Gasentladungen bezeichnet, ihre Physik als Gaselektronik.

Grundlegende zusammenfassende Arbeiten findet man im Handbuch der Physik (Hrg. Flügge)

in den Bänden XXI und XXII.

Die Niedertemperaturplasmen sind für die gesamte Plasmaphysik wichtig, da sie naturgemäß

geschichtlich zuerst bekannt und untersucht wurden und sich daher viele Begriffe an ihnen ge-

bildet haben. Die ersten Beobachtungen über eine endliche Leitfähigkeit der Luft wurden im

Zusammenhang mit den elektrostatischen Versuchen, die im 17. und 18. Jahrhundert in Mode

waren, berichtet. Der erste kontinuierliche Lichtbogen wurde 1808 von Ritter betrieben. In der

Folgezeit entwickelten sich zahllose Anwendungen. Der Lichtbogen wurde als lichtstarke

Quelle für Beleuchtung entdeckt. Das Ende dieser Entwicklung ist vielleicht der Beck-Bogen,

der mit Stromstärken bis 1500 A und Lichtleistungen bis 2 · 105 cd/cm2 für die Flugabwehr

eingesetzt wurde. Lichttechnik ist ein klassischer Bereich der Gasentladungsphysik. Mit ihrer

Hilfe wurden Neonröhren, Quecksilberdampflampen, Hochdrucklampen entwickelt. Heute

kommen Entladungen in Lasern hinzu.

In der chemischen Industrie werden Gasentladungen im großen Umfang zur Realisierung che-

mischer Prozesse eingesetzt, z.B. Lichtbögen in der Azethylenherstellung oder der Entsorgung

von chemischem Müll. Auch in der Fusionsforschung spielen Niedertemperaturplasmen eine

Rolle, z.B. bei der Beschreibung der Anfangsphase (Zündung des Plasmas), bei Entladungen,

zur Reinigung der Wand und in der Plasma-Wand-Schicht. Ein Beispiel sind die unipolaren

Bögen (Abschnitt 4f).

137

Harald Schüler

In neuerer Zeit gewinnt die Niedertemperaturplasmaphysik einen ungeahnten Aufschwung

durch neuartige Möglichkeiten der Oberflächenbehandlung wie Ätzen, Beschichten, Härten

mit Hilfe von Plasmen.

b) Klassifikation

Man klassifiziert Entladungen nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. In thermischen Entla-

dungen zeigen die Plasmen lokales thermisches Gleichgewicht oder partielles lokales thermi-

sches Gleichgewicht. Zu ihnen gehört der Lichtbogen, bei und das Plasma von spezi-p ≥ 1bar

ellen Hochfrequenzentladungen (z.B. der Helikonentladung). Nichtthermische Plasmen haben

meist eine deutlich höhere Elektronentemperatur als Temperatur der schweren Teilchen. Au-

ßerdem kann die Verteilungsfunktion nichtmaxwellsche Anteile enthalten. Typische Vertreter

sind Glimmentladungen und Lichtbögen bei kleinem Druck.

Entladungen können stationär oder nichtstationär brennen. Bei Wechselstromentladungen und

manchen Funken entsteht die Nichtstationarität durch das Zeitverhalten der Spannungsquelle.

Wechselstromentladungen sehr hoher Frequenz, die man Hochfrequenz-, Radiofrequenz- oder

Mikrowellenentladungen nennt (HF, RF, MW), werden als stationär betrachtet. Andere Entla-

dungen sind vom Mechanismus her instationär. Ein Beispiel ist der Kathodenfleck des

Vakuumbogens.

Ein wichtiges Unterscheidungskriterium für Gasentladungen besteht in dem Mechanismus, der

für die Nachlieferung der Ladungsträgers sorgt, die laufend der Entladung verloren gehen. La-

dungsträger können durch eine äußere Energiequelle erzeugt werden, z.B. durch Bestrahlung

wie in Zählrohren und Ionisationskammern oder durch die Entladung selbst. Im ersten Fall

spricht man von unselbständiger Entladung, im zweiten von selbständiger Entladung. Bei der

selbständigen Entladung kann Elektronenauslösung durch Teilchenbeschuß der Elektrode wie

bei der selbständigen Townsendentladung oder zusätzlich durch Photonen wie bei der Glim-

mentladung oder Thermoemission wie beim Lichtbogen der wesentliche Mechanismus sein.

Unsere Haupteinteilung der verschiedenen Entladungen erfolgt nach dem Verlauf der Strom -

Spannungscharakteristik. Wir stellen uns dazu eine stationäre Gleichstromentladung in einem

Glasrohr von etwa 2 cm Durchmesser und 50 cm Länge vor. Das Gefäß soll mit einigen mb

Argon gefüllt sein.

Abb. F.1: Aufbau für eine Entladung. Die im nächsten

Bild gezeigte Charakteristik könnte mit einer derartigen

138

In unserem Gedankenexperiment erlaubt es die Energieversorgung, einen bestimmten Strom

im Bereich von 10-20 - 104 A einzustellen. Die sich dann in Abhängigkeit vom Strom einstellen-

de Spannung ist in Abb. F.2 skizziert. Es zeichnen sich deutlich drei Plateaus ab, die die drei

Hauptentladungstypen kennzeichnen: die Townsendentladung, die Glimmentladung und die

Bogenentladung. Die Übergangsgebiete zwischen den Plateaus werden als Sonderformen die-

sen drei Haupttypen zugeschlagen, die wir im folgenden behandeln.

Abb. F.2: Einteilung der verschiedenen Entladun-

gen nach ihrer Charakteristik

2. Die Townsendentladung

a) Einleitung

Die Townsendentladung ist eine Dunkelentladung, im Strombereich unter 10-4 A. Bei kleinen

Strömen (I 10-8 A) ist sie unselbständig, d.h. man muß Ladungsträger z.B. durch Bestrah-≤lung der Kathode erzeugen. Im höheren Druckbereich ist sie selbständig. Ladungsträger wer-

den im Volumen durch Stoß von Elektronen (α- Prozeß) oder Ionen (β-Prozeß) mit Neu-

tralteilchen erzeugt, oder durch Stoß von Ionen mit der Kathode (γ-Prozeß). Die Townsen-

dentladung bestimmt das Verhalten von Ionisationskammern und ähnlichen Detektoren für

Strahlung und das Verhalten der meisten Entladungen in der Anfangsphase. Die Bedeutung für

die Gasentladungsphysik liegt darin, daß man mit ihrer Hilfe das Ionisierungsvermögen, d.h.

die Townsendkoeffizienten α, β, γ bestimmen kann.

b) Die Charakteristik

Die Townsendentladung unterscheidet sich von der Glimmentladung dadurch, daß bei ihr

Raumladungen keine Rolle spielen, d.h. das Potential steigt linear mit der axialen Koordinate

(x): ϕ(x) = Ex.

139

Wir setzen voraus, die Elektronenemission der Kathode sei von außen, etwa durch Bestrah-

lung, vorgegeben

jem = eγpS

(S sei der Strahlungsstrom des eingestrahlten Lichtes)

Ein Teil der freigesetzten Elektronen diffundiert zurück zur Kathode

jdiff = −14

nevth

Der Faktor ¼ stammt von Integration über die Winkelkoordinaten

d.h. j = jem + jdiff = eγpS − 14

nevth

n läßt sich über die Beweglichkeit eliminieren

j = envD = enµE

j = eγpS − 14

jµE

vth

j =eγpSE

E + vth

für E << vth /4µ, d.h. vth /4 >> vD wird j ~ E für E >> vth /4 wird j konstant. Dies ist der Sätti-

gungsbereich. In ihm ist die Stromstärke proportional zur Lichtintensität. Oberhalb des Sätti-

gungsbereiches geht die Entladung in eine selbständige Entladung über. Der Strom muß durch

den äußeren Kreis vorgegeben werden.

Abb. F.3: Charakteristik der Townsend Entladung

c) Die Ladungsträgerbilanz

140

Bei der selbständigen Entladung müssen die der Entladung verlorengehenden Elektronen

durch die Entladung nachgeliefert werden. Wenn man von den Verlusten durch radiale Ab-

wanderung von Ladungsträgern absieht, muß jedes Elektron, daß an der Kathode austritt, da-

für sorgen, daß während der Zeit, in der es zur Anode wandert, genau ein Elektron an der Ka-

thode ausgelöst wird. Primär erzeugt jedes Elektron auf der Strecke dx αdx Elektronen-Ionen

Paare durch Stoß mit neutralen Atomen (α-Prozeß). Jedes Ion erzeugt β Elektronen - Ionen

Paare, wobei β oft gegenüber α vernachlässigt werden kann. An der Kathode werden dann im

wesentlichen durch Ionenstoß pro Ion γi Elektronen ausgelöst.

dne = neαdx

dni = niβdx (F.1)

dne/ = niγι

α, β, γ heißen die Townsendkoeffizienten, α, β das differentielle Ionisierungsvermögen von

Elektronen und Ionen.

Jedes Elektron, das an der Kathode startet, führt nach Gl. (F1) - wenn man nur den α-Prozeß

berücksichtigt - zu eαd Elektronen an der Anode (d: Abstand Kathode - Anode). Da an der

Anode nur Elektronen eintreten, ist dies mal e0 die Stromstärke der Entladung.

ii0

= eαd

Über Messung der Stromstärke in Abhängigkeit von der Länge der Entladungsstrecke läßt

sich also α bestimmen. Die Stromstärke ist nach den Kirchhoffschen Gesetzen über die ganze

Entladungsstrecke gleich groß, d.h. an der Anode tragen die Elektronen den ganzen Strom, an

der Kathode Elektronen und Ionen.

Die Anzahl der auf der Strecke d erzeugten Elektronen - Ionen Paare ist ed - 1. (Das erste

Elektron wird nicht mitgezählt). Diese lösen Sekundärelektronen an der Kathodeγi(eαd − 1)aus. Im Gleichgewicht muß also gelten:

γi(eαd − 1) = 1

Primäreffekte nennt man die Ladungsträgererzeugung durch die Elektronen auf ihrem Weg

durch die Entladung. Auslösung durch andere Teilchen sind Sekundäreffekte. Dazu gehören:

141

Auslösung von Elektronen durch

metastabile Atome (γm ) , Photonen (γp ), Neutrale (γn ),

Desorption, d.h. Ablösung von Oberflächenbelegungen,

Chemische Erosion,

Zerstäubung (sputtering),

Rückstreuung.

Teilchen können auch in das Kristallgitter einer Wand eingefügt werden.

d) Das U3/2 - Gesetz

Bei Stromstärken im Bereich von 1 mA ändert sich die Entladungsform, was sich in einem Ab-

knicken der Charakteristik bemerkbar macht. Im Unterschied zur Townsendentladung spielen

jetzt Raumladungen eine Rolle. Um das Entstehen der Raumladung zu illustrieren, wird im fol-

genden der einfachste Fall berechnet: die stoßfreie Bewegung von Elektronen in ihrem selbst-

konsistenten Feld.

Wir nehmen an, die Teilchen starten bei x = 0 mit v = 0 und bei x = 0 sei . Diese Bedin-∂ϕ∂x

= 0

gungen dienen nur der Vereinfachung und können auch fallengelassen werden. Die Poisson-

Gleichung, die Definition von j und der Energiesatz ergeben

∇ 2ϕ = −neε0

, j = −nev, − eϕ + 12

mv2 = 0

Man eliminiert n mit der zweiten Gleichung v mit dem Energiesatzd2ϕdx2

= jvε0

= j

ε0 2eϕ/m= jϕ−1/2 ⋅ C

Durch Multiplikation mit erhält mandϕdx

(F.2)dϕdx

d2ϕ2

= Cjϕ−1/2 dϕdx

Man beachte, daß und ddx

dϕdx

2

= 2dϕdx

d2ϕdx2

ddx

ϕ 1/2 = 12

ϕ−1/2 dϕdx

Damit wird (F.2):

142

ddx

12

dϕdx

2

= 2Cj ddx

ϕ 1/2

Man kann sofort einmal integrieren. Mit der Vereinfachung erhält man

dϕdx

=

= 0

dϕdx

2

= 4Cjϕ 1/2 + C

mit der Voraussetzung wird .

dϕdx

=

= 0 C = 0

dϕdx

= ± 4Cj ϕ 1/4

∫0

U dϕϕ 1/4

= 4Cj d

43

U3/4 = 4Cj d

j ∼ U3/2

Abb. F.4: Charakteristik einer Elektronenröhre

Eine Charakteristik mit I ~ U3/2 ist typisch für Elektronenröhren bei kleineren Stromstärken.

3. Die Glimmentladung

a) Phänomenologie

Die Entladungsform mit Stromstärken im Bereich von mA, in dem die Spannung unabhängig

von der Stromstärke ist (s. Abb. F.2) nennt man Glimmentladung. Die angrenzenden Bereiche

mit kleinerer Stromstärke und fallender Charakteristik nennt man subnormale Glimmentladung

mit größeren Stromstärken und steigender Charakteristik die anomale Glimmentladung.

Die Entladungsstrecke der Glimmentladung gliedert sich in mehrere dunkle und leuchtende

Zonen (Abb. F.5), mit einem typischen Verhalten der Feldstärke und damit der Raumladung

b) Mechanismus

143

Abb. F.5: Die verschiedenen Zonen in einer

Glimmentladung: (1): Astonscher Dunkelraum,

(2): Kathodisches Glimmlicht, (3): Hittorfscher

D.R., (4): Glimmsaum, (5): Faradayscher D.R.,

(6): positive Säule, (7): anodischer D.R., (8):

Abb. F.6: Potential-, Feldstärke-, Teilchendichte-,

Stromdichteverteilungen in der Glimmentladung

Um die Entstehung der Dunkelräume zu verstehen, betrachten wir die Abhängigkeit des Wir-

kungsquerschnittes für Elektronenstoßanregung in Abhängigkeit von der Energie Abb. F.7

Oberhalb einer Energie Wan steigt der Querschnitt steil an und nimmt nach einem Maximum bei

Wmax wieder ab. Ähnlich ist der Verlauf des Ionisationsquerschnittes, meistens etwas flacher

zu höheren Energien abfallend. Ein Dunkelraum liegt vor, wenn die Elektronenenergie Wel <

Wmax oder Wel > Wmax ist.

Abb. F.7: Abhängigkeit der Wirkungsquerschnitte für

Ionisation (Wion ) und Anregung (Wan ) von der Energie

des stoßenden Elektrons

Die Elektronen werden an der Kathode durch Sekundärionenemission oder Photoemission

ausgelöst. Sie werden in dem der Kathode vorgelagerten Raumladungsfeld sehr stark be-

schleunigt. Im Astonschen Dunkelraum (1) reicht ihre Energie noch nicht zur Anregung aus

(Wel < Wan). An der Stelle, an der Wan erreicht wird, beginnt das kathodische Glimmlicht (2).

144

Es kann vorkommen, daß sich der Dunkelraum und das kathodische Glimmlicht schwächer

werdend wiederholen. Diese Wiederholung wird von Elektronen hervorgerufen, die bei der er-

sten Anregung ihre Energie verloren haben. Wenn die Elektronen das Optimum der Anregung

verlassen, weil sie zu schnell werden, nimmt das Leuchten wieder ab, und es folgt der kathodi-

sche oder Hittorfsche Dunkelraum. In ihm hat man aber günstige Verhältnisse für Ionisierung.

Es werden Elektronen-Ionen Paare erzeugt. Die Ionen wandern aufgrund ihrer kleineren Be-

weglichkeit langsam zur Kathode hin ab und bilden dort eine positive Raumladungszone, die

zusammen mit der Elektronendichte für die Feldstärke vor der Kathode und damit für die Be-

schleunigung der Elektronen sorgt. Die Elektronendichte nimmt zum Ende des Hittorfschen

Dunkelraums zu, die Feldstärken ab, so daß die Elektronen durch Stöße allmählich langsamer

werden. Wenn Wel ≈ Wmax erreicht wird, entsteht der Glimmsaum (4). Im Glimmsaum leuchtet

die Entladung am hellsten und hier liegt die höchste Elektronentemperatur vor. Daß die Elek-

tronen im Glimmsaum abgebremst werden, erkennt man daran, daß die Linien, die höheren

Anregungsenergien entsprechen, näher an der Kathode liegen als die mit niedrigeren Anre-

gungsenergien. Am Ende des nächsten Dunkelraums, des Faraday-Dunkelraums ist es umge-

kehrt, d.h. die Elektronen werden erneut beschleunigt. Allerdings gewinnen sie jetzt aufgrund

der vielen Stöße Energie der statistischen Bewegung. Im Faradayschen Dunkelraum (5) ist al-

so wieder Wel < Wan.

Am Ende des Faradayschen Dunkelraums beginnt die positive Säule (6), die sich durch kon-

stante Feldstärke, Leuchtdichte und Temperatur auszeichnet. Die positive Säule kann peri-

odisch gestreift sein. Die Streifen wandern häufig schnell. Die Elektronendichte ist gleich der

Ionendichte, so daß hier typische Plasmaeigenschaften zu erwarten sind. Direkt vor der Anode

sammeln sich die Elektronen und ihre Raumladungsschicht verursacht den Anodenfall mit dem

anodischen Dunkelraum (7), der häufig durch das anodische Glimmlicht begrenzt wird.

Die Glimmentladung hat eine konstante Spannung bei sich ändernder Stromstärke. Bei Erhö-

hung der Stromstärke erhöht sich die Fläche des Ansatzpunktes auf der Elektrode, die Strom-

dichte bleibt konstant. Dies liegt daran, daß die Stromdichte für die Elektronenreproduktion

maßgeblich ist. Sie pendelt sich so ein, daß die Elektronenproduktion optimal ist. Wenn dann

der Strom erhöht wird, erhöht sie sich in den Außenbezirken, wo j bisher unter dem für die

Entladung optimalen Wert lag. Dadurch kommt j in dieser Zone in den optimalen Bereich. Die

Außenzonen übernehmen also den zusätzlich benötigten Strom und die übrigen Gebiete brau-

chen den optimalen Bereich nicht zu verlassen.

c) Teilchenbilanzen

145

Wie in der Townsendentladung muß jedes an der Kathode startende Elektron für einen Nach-

folger sorgen. Wie in der Townsendentladung geschieht dies über die Ionen, die auf die Ka-

thode prallen. Im Gegensatz zur Townsendentladung spielt aber außerdem der äußere Pho-

toeffekt eine dominierende Rolle. Die Ionisation in der positiven Säule kompensiert die radia-

len Teilchenverluste durch ambipolare Diffusion. Die Ionisation im Anodenfall kompensiert die

Abwanderung der Ionen zur Kathode. Die Glimmentladung wurde theoretisch von Schottky

beschrieben.

d) Änderung der Parameter

Bei Verringerung des Druckes wächst die Ausdehnung des Hittorfschen Dunkelraums d.

Wenn die Grenze des Glimmsaumes die Anode erreicht, erlischt die Entladung oder läßt sich

nur mit sehr stark erhöhter Spannung weiter betreiben. Dieser Zustand der Entladung ist die

behinderte Entladung. Umgekehrt wird d bei Druckerhöhung kleiner. Bei Drucken über 100

mbar kontrahiert die Säule.

Bei Verlängerung oder Verkürzung der Entladungsstrecke ändert sich nur die positive Säule

entsprechend. Auch hier kann die Entladung bestehen, solange der Hittorfsche Dunkelraum

vollständig vorhanden ist. Bei Verlängerung der Säule benötigt man eine geringfügig höhere

Spannung. Im übrigen ist der Verlängerung keine Grenze gesetzt.

e) Ähnlichkeitsgesetze

Die Beobachtung, daß p•d etwa konstant ist, läßt vermuten, daß es für den Vergleich von un-

terschiedlichen Anordnungen günstig ist, p•d als Variable einzuführen. Die Begründung hierfür

und für weitere reduzierte Variable liefern Ähnlichkeitsbetrachtungen.

Zwei Anordnungen sind geometrisch ähnlich, wenn alle Längen der einen durch Multiplikation

der Längen der entsprechenden anderen Anordnung mit einem mit einem konstanten Faktor

hervorgehen L2 = aL1

Abb. F.8: Zwei geometrisch ähnliche Entladungen

Neben der Ähnlichkeit der Ausmaße der Apparatur wird man die Ähnlichkeit der für die Entla-

dung relevanten Längen fordern. Dies sind bei Gasentladungen die freie Weglänge λ2 = aλ in

der Hochtemperaturplasmaphysik die Debyelänge und der Gyrationsradius.

146

Die Transformation der übrigen Plasmaparameter ergibt sich daraus mehr oder weniger

zwangsläufig oder aus der Gültigkeit gewisser Gesetzmäßigkeiten, die für diese Entladung re-

levant sind. U.U. kann man Parameter auch konstant lassen. In Gasentladungen wird meistens

die Spannung, die Temperatur und der Strom konstant gelassen. Die Konstanz der Spannung

ergibt sich aus der Konstanz der Ionisierungspotentiale, da man an den Atomdaten wenig ver-

ändern kann. Mit den Energien ist zweckmäßigerweise auch die Temperatur konstant. Die

Konstanz des Stroms ergibt sich dann für Gasentladungen aus der Transformation der freien

Weglänge λ ∼ d ergibt λ = 1/nσ

n ∼ 1d

und über p ~ nT p ∼ 1d

d.h p • d = const

wie aus den Beobachtungen abgeleitet. Da V = const und V/d = E folgt E ~ 1/d und E ~ p

Ep = const

Da j ~ I/d2 ~ Ip2 , ist

j

p2= const

p d, E/p und j/p2 sind daher häufig benutzte Parameter in Gasentladungen. •

Ein Beispiel zeigt Abb. F.9 in der die Zündspannung eines Gases in Abhängigkeit vom Druck

dargestellt ist.

Man erkennt, daß es für die Zündspannung ein Optimum in der Teilchendichte gibt. Für klei-

nere Dichten als das Optimum sind Stöße zu selten, für größere Dichten erreichen die Teilchen

nicht genügend Energie, um ionisieren zu können.

147

Abb. F.9: Die Darstellung der Zündspannung in Abhän-

gigkeit vom Druck in Parametern, die unabhängig von in-

dividuellen Eigenschaften der Entladung sind.

Spielt das Magnetfeld für den Mechanismus eine Rolle, wird man fordern, daß der Gyrations-

radius rc ~ d ist, d.h. da rc ~ 1/B, B d = const.•Bei einer Übertragung der Wechselwirkung des Sonnenwindes mit dem Erdmagnetfeld auf La-

bormaßstab müßte d um den Faktor 107 verkleinert werden, d.h. B von ungefähr 10-5 Ta auf

102 - 103 Ta erhöht werden!

Fordert man zusätzlich, daß die Debye-Länge wie d skaliert, so gilt nach der Definition der

Debyelänge

λD ∼ Tn ∼ d, n ∼ 1

d, → T ∼ d

d.h. man kommt in einen Widerspruch zu der anfänglichen Forderung T = const. Derartige Wi-

dersprüche sind typisch für Ähnlichkeitsbetrachtungen. In solchen Fällen muß man dann über-

legen, welcher Forderung man mehr Gewicht beilegen möchte. Gewisse Situationen bleiben

auch nichttransformierbar.

f) Modifizierte Glimmentladungen

α) Behinderte Entladung

Wie bereits besprochen, geht die normale Glimmentladung in die behinderte Entladung über,

wenn der Hittorfsche Dunkelraum die Länge der gesamten Entladungsstrecke erreicht. Die be-

hinderte Entladung benötigt höhere Feldstärken, ist daher besonders geeignet für Situationen,

in denen höhere Feldstärken erwünscht sind, etwa zur Erzeugung des Starkeffektes. Da die

Länge des Hittorfschen Dunkelraums von der Größenordnung der freien Weglänge ist, eignet

sich die behinderte Entladung zur Erzeugung von Teilchenstrahlen. Historisch sind die Eigen-

schaften von Elektronen und Ionen an solchen Strahlen untersucht worden. Dabei bezeichnen

Kathodenstrahlen Elektronen, Kanalstrahlen Ionen.

β) Entladungen, die durch enge Röhren brennen, werden durch Oberflächeneffekte dominiert.

Die intensive Kühlung an der Außenfläche bewirkt, daß die Energiedichte im Innern

148

vergrößert werden kann. Dies wird für Spektrallampen ausgenutzt. Typische Vertreter sind

Geißlerrohre.

Abb. F.10: Aufbau und Funktionsprinzip einer Hohlka-

thodenentladung

γ) Eine für die Spektroskopie wichtige Abwandlung der Glimmentladung ist die Hohlkatho-

denentladung nach Schueler. Ihr Prinzip wird an Abb. F.10 erläutert. Da bei Kippung der Ka-

thode die Kathodenphänomene mit der Kathode fest verbunden sind, kann man bei einer An-

ordnung mit 2 Kathoden, die sich gegenüberstehen, erreichen, daß die Glimmsäume der beiden

Kathoden räumlich zusammenfallen. Bei der Hohlkathode ist die Kathode zylinderförmig und

der Glimmsaum liegt in der Achse des Zylinders. Da der Beitrag aller Teilflächen der Kathode

in der Achse zusammenfällt, ist die Stromdichte hier maximal und damit die Leuchterschei-

nung besonders hell. Die Hohlkathode wird als Spektrallampe für schwer verdampfbare Metal-

le gebaut, wobei das gewünschte Metall als Kathodenmaterial verwendet wird. Durch Sekun-

däreffekte werden bei der Hohlkathode nicht nur Elektronen, sondern auch Ionen aus der Ka-

thodenoberfläche ausgelöst.

δ) In der Sprayentladung oder dielektrisch behinderten Entladung ist die Kathode mit einem

Isolationsmaterial überzogen. Sie wird z.B. zur Ozonerzeugung eingesetzt.

4. Der Lichtbogen

a) Charakterisierung

In der allgemeinen Charakteristik (Abb. F.2) schließt sich an den Bereich der anomalen Glim-

mentladung bei Stromstärken von Ampère oder mehr ein Bereich mit fallender Charakteristik

an. Die benötigte Spannung wird deutlich kleiner als in Glimmentladungen. Der dazugehörige

Entladungstyp ist die Bogenentladung. Das Absinken der Spannung deutet darauf hin, daß

jetzt ein effektiverer Mechanismus der Ladungsträgererzeugung einsetzt. Die auf die Kathode

auftreffenden Ionen deponieren so viel Energie, daß die Kathode bis zum Glühen oder bis zur

lokalen Verflüssigung und Verdampfung aufgeheizt wird und Elektronen thermisch emittiert.

149

Neben der Thermoemission spielt die Feldemission eine wichtige Rolle. Das Hintergrundgas

kann Elektronentemperatur erreichen. Man kann häufig mit lokalem oder partiellem lokalen

Gleichgewicht rechnen. Gasströmungen werden wichtig. Die nach oben gekrümmte Säule des

zwischen zwei waagerechten Elektroden brennenden Lichtbogens entsteht durch eine durch

die Erwärmung des Gases im Bogen angetriebene Konvektionsströmung. Übliche Spannungen

liegen bei 5 - 50 V Ströme bei einigen Ampère. Es werden Lichtbögen mit Strömen bis einigen

kA betrieben.

Abb. F.11: Der Ausdruck "Bogen" stammt von der durch

Konvektion nach oben gebogenen Plasmasäule

b) Bogentypen

Bögen unterscheidet man nach dem Elektrodenmaterial in Kohlebögen und Metallbögen, wo-

bei der Quecksilberbogen eine Sonderstellung einnimmt. Die Bogensäule kann freibrennend

sein oder stabilisiert werden, z.B. wandstabilisiert, wenn der Bogen gezwungen wird, durch ei-

nen Kanal zu brennen oder wirbelstabilisiert, wenn die Säule von einem Gas oder Flüssigkeits-

wirbel umgeben ist. Das Medium, in dem der Bogen brennt, kann ein Fremdgas sein oder der

Dampf aus den Elektroden. Eine Sonderform des Metalldampfbogens ist der Vakuumbogen,

der im Vakuum gezündet wird, aber im Metalldampf brennt. Hierzu gehört auch der unipolare

Bogen (s. Abschn. f). Wie bei der Glimmentladung gibt es Bögen, die wegen einer instationä-

ren Energieversorgung, z.B. einer Kondensatorentladung instationär brennen und solche, die

vom Mechanismus her instationär sind, wie z.B. Abreißbogen, bei denen der Bogenansatz auf

den Elektroden bis zum Abreißen des Bogens läuft, um lokale Erosionen zu vermeiden.

c) Spezielle Bögen

α) Der frei brennende Niederstrom Kohlebogen

Dieser Bogen wird noch häufig für Beleuchtung bei Demonstrationen eingesetzt. Er brennt ty-

pischerweise bei 10 A, 50 V. Der Kathodenkrater des Kohlebogens ist sehr genau vermessen

und wird als Normalstrahler benutzt. Bei einer Stromstärke von 7 - 8 A strahlt er wie ein

schwarzer Körper der Temperatur T = 3900 K und eines Emissionsgrades 0,8 im sichtbaren

Spektralbereich. Die Säulentemperatur beträgt etwa 6000 K. Die Elektroden werden durch

chemische Prozesse, z.B. die Bildung von CO2 und CN2 chemisch abgetragen.

150

Für große Lichtausbeute werden frei brennende Kohlebögen mit Stromstärken von 1000 -

2000 A betrieben. Der Bogen mit der größten Lichtausbeute (73 %, bei 2 . 105 cd/cm2) ist der

Beckbogen. Bei ihm sind die Elektroden mit einem Docht aus Oxyden der seltenen Erden, z.B.

Cer, versehen.

β) Wandstabilisierte Kohlebogen

Der Kaskadenbogen nach Maecker brennt durch einen Kanal, von 3 - 10 mm Durchmesser

und 5 - 10 cm Länge, der aus wassergekühlten Kupferplatten gebildet wird. Um Stromtrans-

port neben dem Kanal durch die Kupferplatten zu unterbinden, sind diese gegeneinander

isoliert.

Abb. F.12: Der Kaskadenbogen

Durch die Kühlung der Außenzonen erreicht man dort eine Herabsetzung der elektrischen

Leitfähigkeit, so daß sich der Strom auf die Kanalachse konzentriert. Im Gegensatz zum frei

brennenden Bogen, bei dem eine Stromerhöhung zu einer Aufweitung der Säule führt, ergibt

sich hier eine Temperaturerhöhung. Man erreicht Temperaturen bis 25 000 K, die nur durch

die Kühlmöglichkeit des Kanals begrenzt sind. Typische Stromstärken sind 100 - 500 A. Der

Bogen eignet sich besonders zur Untersuchung von Gasen bei diesen Temperaturen. Das Gas

wird meistens tangential in der Mitte des Kanals eingeblasen und verläßt den Kanal frei strö-

mend bei den Elektroden. Durch das Gas kann eine Wirbelstabilisierung erreicht werden.

Eine effektivere Kühlung und damit höhere Achsentemperaturen erzielt man im Gerdien-Bo-

gen. Hier wird in einem Quarzrohr ein Wasserwirbel erzeugt, mit einem Wirbelkanal in der

Mitte, durch den der Bogen brennt. Medium sind die Dissoziationsprodukte von Wasser. In

einem solchen Bogen wurde bisher die höchste überhaupt in einem Lichtbogen erzeugte Tem-

peratur gemessen (50 000 K).

Der Wälzbogen brennt in einem Rohr, das während des Betriebes um seine Achse gedreht

wird. Mit dieser Methode lassen sich sehr lange zylindrische Bogensäulen von bis 1 m Länge

151

herstellen, die gewisse Bedeutung bei Untersuchungen zur Physik des Bogenmechanismus

hatten.

Abb. F.13: Der Gerdien Bogen

γ) Frei brennende Metallbögen

Abb. F.14: Der Pfundbogen

Der Pfundbogen ist ein frei brennender Eisenbogen, der zwischen senkrecht sehenden Elektro-

den brennt (Abb. F.14). In einer Vertiefung der Kathode liegt ein Eisenstückchen, das beim

Betrieb des Bogens zu einer Kugel schmilzt und verdampft. Typische Stromstärken sind 6 A,

Spannungen 80 V. Da das Eisenspektrum sehr viele Linien besitzt, die sich gleichmäßig über

den sichtbaren Spektralbereich und die Nachbarbereiche erstrecken, eignet es sich als

Wellenlängenstandard.

Ein für die Anwendung wichtiger Vertreter des frei brennenden Metallbogens ist der Schweiß-

bogen für das Elektroschweißen. Bezüglich der Anode ist es ein Metalldampfbogen, der in

dem Dampf des zu bearbeitenden Metalls brennt, bezüglich der Kathode ein Gasbogen. Man

verwendet ein Edelgas (meist das Billige Argon), um chemische Prozesse mit dem Oxyd der

Luft zu vermeiden.

δ) Eingeschlossene Metallbögen

Eingeschlossene Bögen werden als Lampen eingesetzt. Diese verwenden meist Netzspannung

und können von Watt bis Kilowatt Leistung aufweisen. Häufig wird der Bogen in einem Edel-

gas zur Vermeidung von Erosion betrieben. Vertreter sind die Höhensonne (Hg-Bogen), Hg

Höchstdrucklampe (30 - 40 bar Hg) und die Xe Hochdrucklampe.

d) Elektrische Stabilisierung

152

Da ein Lichtbogen eine fallende Charakteristik hat, ist er, wie jedes andere Bauelement mit fal-

lender Charakteristik instabil. Daß dem so ist und man durch Vorschaltung eines Widerstandes

Stabilität erzwingen kann, wird im folgenden gezeigt:

Abb. F.15: Ersatzschaltbild zur Be-

trachtung der Stabilität des Ar-

beitspunktes. Ohne Streuinduktivität ist

die Diskussion nicht möglich.

Wir gehen vom Ersatzschaltbild Abb. F.15 aus. UQ ist eine ideale Spannungsquelle, R der In-

nenwiderstand und ein im Kreis zugeschalteter Vorwiderstand. L die Streuinduktivität des

Kreises. Das Strom- Spannungsverhalten des Bogens wird durch die Charakteristik UB(I)

beschrieben.

Im Gleichgewichtsfall ( ) gilt•I= 0

UQ = IR + UB(I)UB(I) = UQ − IR

Die Funktion der rechten Seite ist die Arbeitsgerade, die in das U/I Diagramm Abb. F.15 ein-

getragen ist. Ihr Schnittpunkt mit der Charakteristik UB(I) ergibt den Arbeitspunkt

U0 = Ua - I0R (F.3)

Um das Zeitverhalten bei einer Störung am Arbeitspunkt zu berechnen, wird die Charakteristik

um U0, I0 linearisiert.

UB(I) = U0 + U∆I

mit und U =

dUB

dI

I0

I = I0 + ∆I

Die Maschengleichung des vollständigen Kreises ergibt dann

153

UQ = (I0 + ∆I)R + L∆•I +U0 + U∆I

Man erkennt, daß die Einführung einer Induktivität notwendig ist, um überhaupt eine Zeitab-

hängigkeit der Störung I in die Gleichung zu bekommen. Berücksichtigung von (F.3) verein-

facht zu

0 = ∆IR + L∆•I +U0 + U∆I

∆•I = −R + U

L∆I

∆I = ∆I0e−(R+U)/Lt

Der Kreis ist stabil, wenn eine Störung wieder von selbst verschwindet, also wenn R + U > 0

Der Vorwiderstand muß also so groß sein, daß er den Abfall der Charakteristik überkompen-

siert. Diese Verhältnisse sind in Abb. F.16 dargestellt.

Abb. F.16: Die Gesamtspannung ergibt sich aus Span-

nung über dem Bogen und über dem Vorwiderstand

Der Bogen ist stabil, wenn die Gesamtspannung Uges= IR + UB(I) eine steigende Charakteristik

wie ein Ohmscher Widerstand hat. Oder anders ausgedrückt, wenn die Arbeitsgerade stärker

fällt als die Charakteristik (Abb. F.17)

Abb. F.17: Wenn die Arbeitsgerade stärker fällt als

die Charakteristik, brennt der Bogen stabil

154

Abb. F.18: Die Potentialverteilung über die Bogenachse

legt die Unterteilung der Säule in drei Abschnitte nahe

e) Bogentheorie

α) Einleitung

Der Potentialverlauf über die Entladungsstrecke eines Bogens zeigt typischerweise den in Abb.

F.18 gezeigten Verlauf mit einem Kathodenfall, Anodenfall und einem schwächeren Anstieg

in der Säule. Der unterschiedliche Anstieg des Potentials wird durch unterschiedliche Mecha-

nismen verursacht. Es gibt demgemäß eine Theorie des Kathodenfalls, des Anodenfalls und

der Säule. Die Theorie der Säule liefert die besten Vergleiche mit Experimenten. Deshalb wird

im folgenden einiges dazu gesagt. Kernsätze der Theorie sind das Steenbecksche Minimalprin-

zip und die Elenbaas-Hellerschen Differenzialgleichungen.

β) Steenbecksches Minimalprinzip

Abb. F.19: Beim Steenbeckschen Minimalprinzip wird

angenommen, daß der Strom und die Temperatur am

Rand konstant bleiben.

Das Steenbecksche Minimalprinzip sagt aus, daß ein Lichtbogen bei konstantem Strom und

konstanter Temperatur am Rand, denjenigen Zustand einnehmen wird, bei dem die Spannung

minimal ist. Wenn also nach einer Theorie verschiedene Moden vorhergesagt werden, die sich

in der Spannung unterscheiden, wird die Mode der Realität entsprechen, bei der die Spannung

minimal ist. Dieser Satz ist zunächst als Erfahrungssatz anzusehen. Er hängt aber zusammen

mit einem allgemeineren Satz der Thermodynamik der irreversiblen Prozesse, der besagt, daß

ein offenes System, d.h. ein System, in dem dauernd Energie zugeführt und gleich viel abge-

führt wird, den Zustand einnimmt, bei dem die Entropieerzeugung minimal ist.

Nach der Definition der Entropie ist

TdS = dQ

155

Die Leistung der erzeugten Wärme ist aber durch UI gegeben

dQdt

= UI

Damit wird der Entropiestrom Θ S durch die Oberfläche des Bogens bei R

ΘS = UITR

wo TR die als konstant angenommene Temperatur der Oberfläche der Bogensäule bei r = R ist.

Man erkennt, daß für I und TR = const aus δU = 0, δΘS = 0 folgt und umgekehrt.

γ) Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung

Die Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung beschreibt die Energiebilanz der Säule in radia-

ler Richtung. Die im Zentrum sekündlich erzeugte Energie ist UI. Diese wird im einfachsten

Fall durch Wärmeleitung abgeführt, wobei der Wärmestrom gegeben ist durch die

Wärmeleitungsgleichung

(κ ist der Wärmeleitungskoeffizient)ΦW = −κdTdr

d.h. IU = −2πrlκ dTdr

IE = −2πrκ dTdr

Wird die Energie nur im Zentrum zugeführt, so ergibt sich aus einem gemessenen Temperatur-

verlauf sofort κ(T)

Abb. F. 20: Das radiale Temperaturprofil der Bogensäu-

le bei einem Edelgas und einem dissoziierendem Gas

Bei einem Edelgas ist κ(T) monoton, da Dissoziation keine Rolle spielt. T(r) hat dann etwa

den in Abb. 20 skizzierten Verlauf. Da wo T(r) steil ist, ist κ(T) klein, wo T(r) flach ist, groß.

156

Durch Dissoziation erhöht sich κ drastisch. Daher zeigen Schultern im T(r)-Profil eines zweia-

tomigen Moleküls an, wo die Dissoziation bevorzugt stattfindet.

In einer allgemeineren Form heißt die Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung

div[κ(T)gradT] − S(T) + Ej = 0

Man erkennt durch Integration über das gesamte Volumen, daß für S(T) = 0 das frühere Er-

gebnis reprodziert wird. S(T) bezeichnet die Strahlungsverluste. Im allgemeinsten Fall müssen

auch Verluste durch Strömungen berücksichtigt werden.

Abb. F.21: Das Kanalmodell

Die Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung und das Steenbecksche Prinzip finden eine ein-

fache Anwendung im Kanalmodell. Hier nimmt man an, es existiere ein homogener innerer Be-

zirk, der Kanal mit konstanter Temperatur TK und damit konstanter Leitfähigkeit σ(TK). Sein

Radius ρ wird als freier Parameter gelassen Außerhalb ist σ = 0 und die gesamte im Kanal

deponierte Leistung wird durch Wärmeleitung abgeführt. Das System wird also durch die

Gleichungen beschrieben

I = πρ2j = πρ2σ(TK)EIE = −2πrκ(T)dT

dr

d.h. ∫R

ρIEdr

r = −∫T

TK2πκ(T)dT

I, κ(T) und σ(T) werden als bekannt vorausgesetzt. Um die unbekannten E, TK und ρ zu be-

rechnen, benötigt man noch eine dritte Gleichung. Hierfür verwendet man das Steenbecksche

Minimalprinzip in der Form

∂E∂ρ

= 0

157

Damit lassen sich die unbekannten ausrechnen.

f. Der unipolare Bogen

Abb. F.22: Der Unipolarbogen ist ein Stromwirbel in der

Nähe einer Wand

α) Was ist der unipolare Bogen?

Die Bezeichnung „unipolarer“ Bogen ist etwas provokativ. Selbstverständlich hat der „unipo-

lare“ Bogen zwei Pole wie jeder elektrische Verbraucher. Es gibt zwar elektrische Entladun-

gen, bei denen nur ein Pol bekannt ist, wie etwa beim Elmsfeuer. Dies ist hier aber nicht ge-

meint. Beim unipolaren Bogen liegen lediglich Kathode und Anode auf dem gleichen metalli-

schen Wandelement: Aus einem winzigen Kathodenfleck treten Elektronen aus der Wand aus

und kehren in seiner Umgebung auf die Wand zurück. Die Energie stammt aus einem Hinter-

grundplasma, das im Kontakt mit dem Wandelement steht.

Die Vermutung, daß dieser Prozeß eine ganz normale Erscheinungsform ist, stammt von Rob-

son und Thonemann, die damit Erosionsspuren auf der Wand des Fusionsexperimentes Zeta

erklärten. Robson und Thonemann (1956) gaben einen Mechanismus für Unipolarbögen an

und führten die ersten Simulationsversuche durch. Aus diesen Untersuchungen weiß man, daß

Unipolarbögen zu einer erheblichen Wanderosion in Fusionsmaschinen führen können.

Zur Erklärung der Funktionsweise des Unipolarbogens benötigt man zwei Grundkonzepte der

Plasmaphysik: Die Langmuirschicht und den Vakuumbogen.

β) Was treibt den Unipolarbogen?

Tritt ein metallisches Wandelement, das mit keinem anderen Bauteil elektrisch verbunden ist,

mit einem Plasma in Wechselwirkung, so wird es wegen der größeren Beweglichkeit der Elek-

tronen gegenüber den Ionen negativ gegenüber dem Plasma aufgeladen. Das negative Potenti-

al stellt sich so ein, daß so viele Elektronen zurückgehalten werden, das gleich viel negative

und positive Ladungen pro Zeitintervall auf die Wand treffen. Dieses Potential heißt Floating

Potential ϕfl. Die Stromdichte der Ionen erreicht den Sättigungswert, d.h. alle Ionen, die ther-

misch aus der Plasmaoberfläche austreten, erreichen die Wand:

ji = nevith = ne kTmi

158

Die Anzahl der Elektronen, die das Gegenfeld überwinden können, wird durch einen Boltz-

mannfaktor gegeben. Der Elektronenstrom ist deswegen

je = je0 = −nevethe−eϕ fl/kT

Aus der Gleichgewichtsbedingung je + ji = 0 erhält man die Größe des Floating Potentials.

ϕ fl = kTe ln

mime

Eine genauere Betrachtung führt zu

ϕ fl = kTe ln

mi

2πm

Im Wasserstoff ergibt sich ein Floating Potential , das in Volt etwa dem Dreifachen der Tem-

peratur in eV entspricht. Bei genügend hoher Temperatur wird die Potentialdifferenz größer

als die zur Zündung eines Vakuumbogens erforderliche Spannung. Der eigentliche Zündme-

chanismus ist nicht sehr gut bekannt. Man vermutet eine Vorentladung an Mikrospitzen.

Experimente sprechen für die Beteiligung dielektrischer Schichten. Die Bogenspannung ist

kleiner als das Floating Potential. Daher wird in der Umgebung des Bogenansatzes das Poten-

tial des Plasmas gegenüber der Wand abgesenkt, was dazu führt, daß in der Umgebung mehr

Elektronen auf die Wand fallen, als dem Gleichgewichtzustand entspricht. Der Teilchenstrom

bei einem Potential ϕ ist dort

ie = nvthee−eϕ/kT

Der Gesamtstrom

(F.4)I = A(ji + je) = A(je0 + je) = Anevthe(e−eϕ fl/kT − e−eϕ/kT)

Die Verhältnisse sind qualitativ in Abb. F.23 dargestellt.

159

Abb. F.23: Potentialabsenkung (oberste Spur), Strom-

dichte der Elektronen und Ionen (Mitte), und Ge-

samtstrom (unten) in der Umgebung des Kathoden-

flecks des Unipolarbogens.

Spur b) zeigt die erhöhte Elektronenemission im Bereich des Kathodenflecks (jew). Der Ionen-

strom bleibt praktisch ungestört (jip). a) Zeigt die Absenkung des Potentials der Schichtgrenze

gegenüber dem Gleichgewichtswert ϕfl. Diesem Verlauf folgt in etwa der Elektronenstrom aus

dem Plasma (mit negativem Vorzeichen). Der Gesamtstrom jeW + jip + jep (Spur d) zeigt das

in Abb. F.22 geforderte Muster eines Stromwirbels, d.h. einen negativen Strom - vom Plasma

zur Wand gerechnet - in den Außenbezirken und einen positiven Strom im Innern.

Damit ein solcher Bogen also existieren kann, muß das Floating Potential und deshalb die

Temperatur noch hoch genug sein, um Zündung zu ermöglichen. Die Zündspannung hängt

vom Wandmaterial und seiner Oberflächenbeschaffenheit ab, und liegt im Bereich von 50 V.

Außerdem muß nach Gl. (F4) ein genügend großes Produkt An vth vorliegen. Gl. (F.4) gibt

auch die U/I Charakteristik der effektiven Spannungsquelle an. Man erkennt, daß es sich um

eine fallende Charakteristik handelt ähnlich wie bei einer Spannungsquelle mit

Innenwiderstand.

γ) Der Kathodenfleck

Der Mechanismus des Kathodenflecks ist der gleiche wie beim Vakuumbogen: Dicht über der

Kathode liegt ein winziger Plasmaball, der aus dem Dampf der Kathode besteht. Dieser hat ei-

nen oder mehrere Fußpunkte, die in einem Krater auf der Kathode enden. Der Krater wird mit

Teilchen bombardiert, so daß hier das Material geschmolzen ist. Wenn der Krater eine gewisse

Größe erreicht hat, erlischt der Fußpunkt und ein neuer Kanal zündet vom Plasmaball zur Ka-

thode. In einem parallel zur Oberfläche ausgerichteten Magnetfeld wandert der Plasmaball um-

gekehrt zur - Richtung (retrogerade Bewegung). j × B

160

Im Krater herrschen exotische Bedingungen:

Radius: 1µm

Dichte des Plasmas: ne = 1018cm-3

Temperatur: Te = 1 eV

Energieumsatz: P/V = 1012 W/cm3

Feldstärke: E = 106 V/cm

Stromdichte: j = 108 A/cm2

Lebensdauer: te = 10 ns

161

5. Hochfrequenzplasmen

a) Einleitung

Benutzt man für die Energieversorgung einer Entladung eine Wechselspannung, so wird sich

die Entladung bei Frequenzen, die wesentlich kleiner sind als die typischen reziproken Einstell-

zeiten, nicht wesentlich von der entsprechenden Gleichstromentladung unterscheiden. Bei sehr

hohen Frequenzen beobachtet man neue Entladungstypen. Man spricht dann von Hochfre-

quenz - (HF), Radiofrequenz - (RF), oder Mikrowellenentladungen (MW). Die anwendbaren

Frequenzen liegen bei den RF Entladungen im Prinzip zwischen 10 kHz und 100 MHz, bei den

Mikrowellenentladungen zwischen 1GHz und 300 GHz. Durch die Bedürfnisse der Kommuni-

kationstechnik sind die tatsächlich zur Verfügung stehenden Frequenzen allerdings stark

eingeschränkt. Für RF - Plasmen ist die am häufigsten verwandte Frequenz 13,56 MHz, im

Bereich der Mikrowellenplasmen 2,45 GHz.

Nach der Technik der Energieeinkopplung unterscheidet man zwischen induktiven, kapaziti-

ven und quasioptischen Entladungen (Abb. F.24).

Abb. F.24: Induktive, kapazitive und

quasioptische HF - Entladungen

Der Aufbau einer induktiven Entladung entspricht dem eines Transformators: Die Hochfre-

quenzquelle speist die Primärwicklung, das Plasma übernimmt die Funktion der Sekundär-

wicklung. Wir haben dieses Prinzip schon im Thetapinch und bei der Einkopplung des toroida-

len Stromes im Tokamak kennengelernt. Der Grundtypus der kapazitiven Entladung ist ein

Kondensator, dessen Platten mit einer Hochfrequenzspannung gespeist werden. Die Geometrie

entspricht also im Prinzip der einer Glimmentladung. Der Grundtyp einer quasioptischen Ent-

ladung ist die Mikrowellenentladung.

In allen drei Fällen kann man ohne Kontakt zwischen Plasma und Elektroden oder zumindest

mit einem stark reduzierten Kontakt auskommen. Bei der induktiven und der quasioptischen

Entladung ist diese Aussage evident. Sie können in Glas- oder Quarzgefäßen ohne Elektroden

betrieben werden. Bei der kapazitiven Entladung werden im stoßfreien, stationären Fall alle

geladenen Teilchen eine sinusförmige Schwingung vollführen. In einer Anfangsphase werden

Teilchen, die die Wand berühren, aus dem Plasma entfernt, so daß die Teilchen, die keinen

Wandkontakt hatten, auch in Zukunft keinen haben werden. Bei Anwesenheit von Stößen

162

werden Teilchen zu den Elektroden diffundieren. Der Kontakt des Plasmas mit den Elektroden

entspricht also dem Plasma - Wand Kontakt in den anderen Entladungen. Dadurch, daß γ -

Prozesse (s. Kap. F.2) für die Aufrechterhaltung der Entladung nicht erforderlich sind, können

in Hochfrequenzentladungen Elektrodenerosion und die damit verbundene Verunreinigung des

Plasmas gegenüber Gleichspannungsentladungen deutlich reduziert werden. Diese Tatsache

rechtfertigt bei industriellen Verfahren den zusätzlichen Aufwand der Hochfrequenzentladun-

gen gegen über Gleichspannungsentladungen. Zu dem höheren apparativen Aufwand kommt

noch die i.a. geringere Effektivität: Auch HF - Generatoren benötigen ja zunächst eine Gleich-

stromversorgung. D.h. zu den Verlusten in der Gleichstromversorgung treten bei HF - Entla-

dungen die Verluste des Oszillators hinzu.

Die Leistung, die der Oszillator bereitstellt, soll möglichst effektiv auf die geladenen Teilchen

übertragen werden. Mit diesem Problem der Ankopplung befaßt sich der nächste Abschnitt.

Die Energie im Plasma liegt dann zunächst in Form gerichteter kinetischer Energie der Teil-

chen vor. Um eine Temperaturerhöhung zu bewirken, muß die gerichtete Energie etwa durch

Stöße dissipiert werden, d.h. in eine mehr oder weniger isotrope Maxwellverteilung überführt

werden. In manchen Anwendungen wie der Beschichtung von Oberflächen benötigt man hohe

gerichtete Energien.

b) Das Problem der Energieeinkopplung

α) Anpassung des Senders

Die optimale Energieeinkopplung ist zunächst ein elektrotechnisches Problem. Jeder Oszillator

benötigt einen ganz bestimmten Arbeitswiderstand Rs um seine maximale Leistung abgeben zu

können. Stellt man den Oszillator als ideale Spannungsquelle mit in Serie geschaltetem Innen-

widerstand Ri dar, so ist Rs = Ri. Die Leistung wird letztendlich durch eine Antenne an das

Plasma übertragen, wobei die Antenne je nach Entladungstypus eine Spule, ein Kondensator

oder ein Mikrowellenhorn sein kann. Wenn die Impedanz der Antenne mit Plasma, Zp bekannt

ist, kann ein Anpassungsglied konstruiert werden, das für die gegebene Frequenz Zp auf den

Arbeitswiderstand des Osszillators anpaßt.

Abb. F.25: Ein Anpassungsnetzwerk, um die Plasmaimpe-

danz Zp an den Arbeitswiderstand des Senders anzupassen

163

Abb. F.25 zeigt ein typisches Beispiel eines Anpassungsgliedes für den Radiofrequenzbereich.

In diesem Fall wird der ohmsche Anteil von Zp hochtransformiert. Man versteht die Funktion

sofort über das Verhalten eines Parallelschwingkreises in Resonanz mit Verlustwiderstand

Re(Zp). Im Mikrowellenbereich benutzt man Hohlleiterelemente, die die Funktion von C und L

haben. Das Anpassungsglied kann stets aus Blindelementen gebildet werden. Falls man

voraussetzt, daß L und C reine Blindelemente sind, folgt, daß die gesamte vom Sender abge-

gebene Leistung im Plasma verbraucht wird. Das Problem der Anpassung von Sender und Zp

besteht darin, daß die Komponenten des Anpassungsgliedes nicht verlustfrei sind, und man da-

her den Anteil der Blindleistung im Anpassungsglied und in der Antenne mit Plasma möglichst

gering halten muß. Ideal ist also ein reelles Zp mit Zp = Rs.

β) Die Einkopplung ins Plasma

Ein Maß für die Güte der Übertragung der von der Antenne angebotenen Energiedichte u in

das Plasma ist die Energieübertragungsfrequenz ν*, definiert durch

P = umax ν*

Wobei P die ans Plasma abgegebene Leistungsdichte und umax die Amplitude der Energiedichte

in der Antenne ist. Im Einteilchenmodell ist die Leistung, die ein Teilchen der Ladung e im sta-

tionären Fall im Mittel aus einem elektrostatischen Feld E0 aufnimmt

p1 = eE0vd

wobei vd die Driftgeschwindigkeit des Teilchens ist. Setzt man die Driftgeschwindigkeit ein

vd = eE0ν m

(s. Kap. E.4.c), und rechnet auf alle Teilchen pro Volumen um, so erhält man

P = nep1 =nee2E0

2

νcme

Mit der Energiedichte und der Elektronenplasmafrequenz erhältumax = 12

ε0E02 ωpe

2 = nee2

ε m

man

oder P = umax2ωpe

2

ν P = umaxν∗

164

Die Energieübertragungsfrequenz ist

(F.5)ν∗=2ωpe

2

νc

ν* ist interessanterweise hier umgekehrt proportional zur Stoßfrequenz.

Im allgemeinen Fall, d.h. bei Berücksichtigung von kollektiven Effekten, der Bewegung im

Magnetfeld u.Ä. ist ν* besonders groß, wenn die Frequenz des äußeren Kreises mit charakteri-

stischen Frequenzen des Plasmas in Resonanz tritt. Es kann sich dabei um charakteristische

Frequenzen handeln, die mit den Plasmaparametern verbunden sind, wie der Elektronen- oder

Ionenzyklotronfrequenz der unteren oder oberen Hybridfrequenz. Die Heizmethoden heißen

dann entsprechend Elektronen - oder Ionenzyklotronheizung (ECRH, ICRH) oder untere Hy-

bridheizung (UHH). Es kann sich aber auch um Eigenresonanzen der Plasmasäule bezüglich

bestimmter Plasmawellen handeln. Man spricht dann von geometrischen Resonanzen. Geome-

trische Resonanzen können Plasmaresonanzen völlig überdecken.

Für ein unmagnetisiertes Plasma mit ωpi << ω << ωpe lassen sich die kollektiven Effekte in er-

ster Näherung über das Flüssigkeitsmodell berücksichtigen. Bei genügend kleiner Leitfähigkeit

dringt das Feld vollkommen ein aber es wird wenig Energie dissipiert. Bei hoher Leitfähigkeit

ist die Energiedissipation pro Volumen groß, aber der Skineffekt sorgt dafür, daß das Volu-

men, in dem Energie dissipiert wird, mit steigender Leitfähigkeit abnimmt, so daß insgesamt

die Energiedeposition im Plasma wieder abnimmt. Es gibt ein Optimum der Leitfähigkeit, bei

der die Skintiefe etwa gleich dem Plasmaradius ist. Bei Abschätzungen dieser Art ist Vorsicht

geboten, da wie oben ausgeführt für die gesamte Energieübertragung vom Sender zum Plasma

die Eigenschaften des Senders wie sein Innenwiderstand entscheidend eingehen.

c) Induktive Plasmaquellen

Unter den industriell genutzten induktiven Plasmaquellen sollen zwei hervorgehoben werden:

Die induktive Fackelentladung und der induktive Parallelplattenreaktor.

α) Die Fackelentladung

Abb. F.26 zeigt einen typischen Aufbau. Fackelentladungen werden mit Leistungen bis in den

100kW Bereich betrieben. Sie können bei 10 mbar bis 10 bar arbeiten. Häufig angewandter

Arbeitsdruck ist Atmosphärendruck. Gastemperaturen bis 2 eV sind üblich. Die Plasmadaten

165

Abb. E.26: Aufbau einer

Fackelentladung

sind also vergleichbar mit denen in Lichtbögen. Dadurch, daß keine Elektroden benötigt wer-

den, erreicht man längere Standzeiten und geringere Plasmaverunreinigung. Unbequem ist die

Tatsache, daß Fackelentladungen i.a. nicht selbst zünden und daher eine besondere Zündmaß-

nahme benötigen. Fackelentladungen sind in der Industrie beliebt, da die technische Ausrü-

stung von Induktionsöfen her bekannt ist.

β) Der induktive Parallelplattenreaktor

Der Aufbau des induktiven Parallelplattenreaktrors ist in Abb. F.27 skizziert.

Abb. F.27: Aufbau eines induktiven Parallelplattenreak-

tors. Die Spule ist schneckenförmig auf der Oberseite

des Entladungsgefäßes angeordnet

Die Geometrie des Plasmas ist der des kapazitiven Parallelplattenreaktors angenähert, um über

eine große Fläche möglichst homogene Plasmaparameter zu erhalten. Leistungen bis 2kW wer-

den Angewandt. Bei kleineren Gasdichten als in der kapazitiven Quelle erzielt man höhere

Elektronendichten.

d) Kapazitive RF Plasmaquellen

α) Einleitung

Die am häufigsten industriell genutzte kapazitive RF Plasmaquelle ist der Parallelplattenreak-

tor (Abb. F.28).

Abb. F.28: Anordnung für den kapazitiven Parallelplatten

reaktor

166

Um an dieser Apparatur gewonnene Erkenntnisse vergleichen zu können, wurde auf einer der

jährlich von der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft abgehaltenen Konferenzen für

Gaselektronik (Gaseous Electronics Conference, GEC) eine gewisse Normung dieser Plas-

maquelle vorgenommen. Die genormte Zelle, die in vielen Labors untersucht wird, wird GEC

Referenzzelle genannt. Die folgenden Erörterungen beziehen sich im wesentlichen auf die Ver-

hältnisse in der GEC Zelle, d.h. auf ein relativ homogenes Plasma ohne Magnetfeld bei Fre-

quenzen unterhalb der Elektronenplasmafrequenz und einer Skintiefe, die größer als die Plas-

madicke ist.

Es gibt eine Reihe von Abwandlungen dieser Quelle. Z.B. kann ein Magnetfeld angewandt

werden, etwa ein rotierendes Magnetfeld, um das Plasma in Rotation zu versetzen und so die

mittlere Homogenität zu verbessern. Ein Magnetfeld von Festmagneten am Kondensatorrand

kann den Einschluß positiv beeinflussen. Im Extremfall kann ein statisches homogenes Ma-

gnetfeld überlagert werden, um die Zyklotronresonanz einer Teilchensorte zur Heizung aus-

zunutzen. Neben der Parallelplattengeometrie werden auch alle möglichen anderen Elektro-

denanordnungen eingesetzt.

β) Die Potentialverhältnisse

Gehen wir von einer völlig symmetrischen Anordnung mit gleich großen Elektroden und Mit-

telerdung der Stromversorgung aus (Abb. F.29), so wird das Plasma im Plasmakörper (bulk)

Abb. F.29: Die Potentialverteilung einer

völlig symmetrischen Anordnung

das Potential 0 besitzen. In den Schichten vor den Elektroden geht dann das Potential auf den

Wert, den der Sender vorgibt. D.h. die in Abb. F.29 durchgezogene Potentialverteilung gilt für

das maximale positive Potential an der linken Elektrode, die gestrichelte Kurve für eine Situa-

tion mit einer Phasenverschiebung π d.h. zu einem Zeitpunkt, bei dem die rechte Elektrode das

maximale Potential besitzt. Eine Erdung an einer anderen Stelle, etwa an einer Elektrode än-

dert an dem relativen Verlauf des Potentials im Prinzip nichts, sondern legt nur den Nullpunkt

anders fest. In praxi ist es nicht gleichgültig, wo die Erdung vorgenommen wird, da das Vaku-

umgefäß aus verschiedenen Gründen im allgemeinen geerdet wird. Die zusätzliche Fläche des

Vakuumgefäßes wirkt wie eine Vergrößerung der Fläche der geerdeten Elektrode. Als Modell

zur Beschreibung der Potentialverteilung wird auf den Mechanismus der Langmuirschicht

167

zurückgegriffen (s. Kap. E.5.b). Die symmetrische Situation entspricht einer Doppelsonde. Die

Strom - Spannungscharakteristik läßt sich ermitteln, indem man zwei Schichten der Langmuir-

sonde mit umgekehrter Polarität hintereinanderschaltet. Das Ergebnis ist in Abb. F.30 skiz-

ziert. Die Charakteristik ist symmetrisch. Der Sättigungsstrom ist jetzt für beide Stromrichtun-

gen durch den Ionensättigungsstrom gegeben. . Bei ungleichen Flächen A2 > A1 Is = 14

Anevthi

Abb. 30: Die Strom - Spannungscharakteristik eines völ-

lig symmetrisch betriebenen Kondensators ist die einer

symmetrischen Doppelsonde

wird auch der Ionensättigungsstrom, der durch die Fläche A2 begrenzt wird, größer. Für

erreicht man an A2 den Elektronensättigungsstrom und die Charakteristik geht in dieA2

A1= vthe

vthi

der Langmuirsonde über. Koppelt man einen Entladungskondensator mit ungleichen Flächen

kapazitiv an die RF Versorgung an, so müssen sich die Potentialverhältnisse so einstellen, daß

der Strom im zeitlichen Mittel verschwindet, da der Koppelkondensator für Gleichstromanteile

undurchlässig ist. Die Form des Stromsignals läßt sich aus dem bekannten (z.B. sinusförmi-

gen) Spannungssignal mit Hilfe der U/I Charakteristik konstruieren (Abb. F.31). Wegen der

jetzt unsymmetrischen Charakteristik ist das Stromsignal nicht mehr sinusförmig.

Abb. F.30: Aus dem Spannungsverlauf am Kondensator,

hier mit der Zeitachse nach unten, läßt sich mit Hilfe der

Strom - Spannungscharakteristik der Stromverlauf kon-

struieren. Die Potentialverhältnisse am Kondensator stel-

len sich bei kapazitiver Ankopplung so ein, daß die Ge-

samtfläche zwischen Ic(t) und der t - Achse über eine Peri-

ode verschwindet.

Der Entladungskondensator wird sich in einer Einschwingzeit solange aufladen, d.h. die Cha-

rakteristik wird sich in Abb. F.31 solange in Richtung der U - Achse verschieben, bis im statio-

nären Zustand <I> = 0 erfüllt ist. D.h. es entsteht eine Gleichspannung am

168

Entladungskondensator und damit am Plasma gegenüber Erde. Dieser Mechanismus ist als au-

tomatische Vorspannungseinstellung (Bias) von nichtlinearen elektronischen Bauelementen

wie Elektronenröhren her bekannt. Der Bias hat für die Anwendung der RF - Plasmen zur

Oberflächenbehandlung eine überragende Bedeutung, da hierdurch den Teilchen, die auf die

Oberfläche auftreffen, eine gerichtete Energie erteilt wird. Dadurch haften Schichten fester

und geätzte Kanäle können steilere Wände erhalten.

γ) Heizung

Bei der Heizung der kapazitiven Entladung unterscheidet man zwischen zwei Mechanismen:

Der ohmschen Heizung und der Schichtheizung. Die ohmsche Heizung ist im wesentlichen im

Plasmakörper (bulk) maßgeblich. Hier kann man von einem räumlich konstanten, zeitlich oszil-

lierenden E - Feld kleiner Feldstärke ausgehen. Unter den hier vorausgesetzten Bedingungen

eines magnetfeldfreien Plasmas geringer Dichte und großer Eindringtiefe bei Frequenzen ωpi <

ω < ωpe kann man sich mit einem eindimensionalen Einteilchenmodell einen Überblick über

den Mechanismus verschaffen.

Die Bewegungsgleichung eines Elektrons in Feldrichtung lautet dann

med2x

2+ meνc

dxdt

= eE0eiωt

νc ist die Elektronen Stoßfrequenz, unter den betrachteten Bedingungen also die Frequenz der

Stöße der Elektronen mit dem Neutralteilchenhintergrund. Die stationäre Lösung ergibt sich

durch den Ansatz

x∼ = a∼ e iωt

x∼ = eEme

1−ω2 + iων

eiωt

und v∼ =•x∼ = eE

me

iω−ω2 + iωνc

eiωt

wobei die Tilde andeutet, daß man es mit komplexen Größen zu tun hat. Die mittlere Leistung,

die auf ein Elektron übertragen wird, ergibt sich aus

12

Re(v∼ ) ⋅ Re F∼

= 12

Re v∼ ∗ F

169

mit der Kraft pro Elektron . Diese Beziehung läßt sich leicht durch AusschreibenF∼ = eE0eiωt

der komplexen Größen verifizieren, etwa , usw. Die mittlere Lei-v∼ = (vr + ivi)(cosωt + i sin ωt)stung auf ne Elektronen pro Volumen ist dann

⟨P ⟩ = ne2E02

2me

νc

(ω2 + νc2)

In der Schicht ist die Feldstärke sehr viel größer als im Plasmakörper und auf einen kleinen

Volumenbereich beschränkt. Hier ist die oben angewandte Näherung, insbesondere die Annah-

me eines homogenen E - Feldes, nicht gerechtfertigt. Adäquater ist eine Wellennäherung. Ein

Teilchen, das aus dem Plasma in die solitäre Welle gelangt, erleidet einen Stoß. Da die Schicht

eine positive Raumladung enthält, wird ein Elektron in das Plasma zurückreflektiert. Bei der

Reflexion gewinnt das Teilchen Energie, wenn die Welle auf das Teilchen zu läuft und verliert

Energie, wenn die Welle die gleiche Bewegungsrichtung wie das Teilchen hat. Die Anzahl der

Teilchen, die mit der Welle wechselwirken, ist allerdings für beide Fälle unterschiedlich: Wenn

die Welle auf die Teilchen zu läuft, trifft sie mehr Teilchen als im umgekehrten Fall, wodurch

insgesamt ein Energiegewinn zu verzeichnen ist. Eine ähnliche Diskussion wird bei der

Landaudämpfung geführt (Kap. G.4.f). Die Schichtheizung führt zu einer Elektronenpopulati-

on mit einer höheren Energie als die ohmsche Heizung. Wegen der kleinen Teilchendichten

stellt sich keine Maxwellverteilung ein. Das Vorliegen einer nicht maxwellschen Elektronen-

verteilungsfunktion ist typisch für kapazitive RF - Entladungen.

e) Mikrowellenentladung

Mikrowellen sind elektromagnetische Wellen mit Wellenlängen zwischen 1mm und 30cm. Die

für technische Plasmaquellen am häufigsten verwandte Frequenz ist 2,45 GHz (λ = 12,24cm).

Da diese Frequenz auch für Mikrowellenherde benutzt wird, sind Komponenten billig verfüg-

bar. Die Wellenlängen liegen im Bereich der Abmessungen typischer Plasmagefäße, daher

kann man geometrische Resonanzen zur effektiveren Einkopplung der Energie ausnutzen.

Wird ein homogenes Plasma benötigt, sind Eigenresonanzen eher unerwünscht und erfordern

u. U. zusätzliche Maßnahmen, um zu erreichen, daß das zu bearbeitende Material dem Plasma

gleichmäßig ausgesetzt wird. Typische Leistungen liegen im Bereich von 100W bis einigen Ki-

lowatt, typische Gasdrucke zwischen 1Pa und Atmosphärendruck. Bei Überlagerung eines

Magnetfeldes und Ausnutzung der Elektronenzyklotronresonanz kann Zündung bei extrem

niedrigen Drucken (10-6 Pa) erreicht werden. Die Temperaturen und Elektronendichten sind

i.a. höher als in RF - Entladungen (Te bis 15 eV, ne bis 1018 m-3 ).

170

Die einfachste Methode zur Einkopplung der Mikrowellenleistung besteht darin, das Plasma-

gefäß durch den Hohlleiter zu führen. Meistens liegt dann die Welle in der Grundmode vor

und die Anpassung regelt sich i.a. automatisch. Es ist allerdings auch möglich, über Fenster

aus Quarz oder Keramik die Mikrowellen einzustrahlen und höhere Moden des Resonators

auszunutzen. Die Zündbedingungen kann man ähnlich wie bei den Gleichstromentladungen in

einem E - p Diagramm darstellen. Man erhält in Abhängigkeit von der Diffusionskonstanten

als Parameter Kurven, die der Paschenkurve (Abb. F.9) ähneln, d.h. die bei einem bestimmten

Druck ein Minimum der Zündfeldstärke besitzen. Die Situation ohne Magnetfeld wird durch

drei dimensionslose Parameter charakterisiert:

E/p, pλ, λ/Λ

wobei Λ die charakteristische Diffusionslänge und λ die Vakuumwellenlänge der Mikrowellen-

strahlung ist.

Die Energieaufnahme kann nicht mehr wie bei den RF - Plasmen mit der Einteilchennäherung

behandelt werden. Man verwendet das Modell des kalten Plasmas wie in Kap. D, und berück-

sichtigt zusätzlich Stöße. Im Bereich der Mikrowellenentladungen werden Fragen der Wellen-

ausbreitung wichtig. Der Wellenpfad kann gekrümmt verlaufen, bestimmte Plasmabereiche

sind u.U. für einen Wellentyp nicht erreichbar, es gibt die Möglichkeit Oberflächenwellen an-

zuregen und so das Plasma nur in den Randzonen zu heizen, Wellentypen können ineinander

umgewandelt werden, usw.. Die entsprechenen Techniken und Modelle sind im wesentlichen

in der Fusionsforschung entwickelt worden.

171

KAPITEL G

Kinetische Theorie

1. Verteilungsfunktion

Bisher wurde die thermische Bewegung der Teilchen nur sehr pauschal berücksichtigt, indem

etwa allen Teilchen einer Sorte die gleiche Geschwindigkeit vth zugeordnet wurde. In der kal-

ten Theorie war der thermische Anteil dieser Geschwindigkeit sogar Null. Im folgenden geht

es darum, die detaillierte Form der Verteilungsfunktion zu berücksichtigen. In vielen Fällen

wird man eine Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung voraussetzen dürfen. Eine Aufgabe

der kinetischen Theorie wäre zu zeigen, daß sich im thermischen Gleichgewicht eine Maxwell-

verteilung ausbildet. Interessant sind aber auch Verteilungsfunktionen, die von der maxwell-

schen abweichen, wie etwa die in Abb. G.1 dargestellte. Wenn wir uns vorstellen, dies sei die

Verteilungsfunktion für die Geschwindigkeiten von Kraftfahrzeugen auf einer Autobahn, kön-

nen wir katastrophale Folgen vorhersehen. In einem Plasma wäre eine Situation mit einer Ver-

teilungsfunktion wie in Abb G.1, d.h. ein Strom von Teilchen in einem ruhenden Plasma insta-

bil. Die kinetische Theorie berechnet die zeitliche Entwicklung von Verteilungsfunktionen.

Abb. G.1: Diese Verteilungsfunktion beschreibt einen

Teilchenstrahl in einem Hintergrund von ruhenden

Teilchen

a) Definitionen

Abb. G.2: Die Verteilungsfunktion gibt die Anzahl der

Teilchen in einem Volumenelement des Phasenraumes an.

In der Umgebung eines Punktes r im Plasma sei ein Volumenelement dxdydz = d3r definiert,

das genügend Teilchen enthält, so daß man diese nach Geschwindigkeiten sortieren kann. Die

Gesamtzahl der Teilchen der Sorte a, die sich innerhalb x und x + dx, y und y + dy und z und z

172

Harald Schüler

+ dz aufhalten und deren Geschwindigkeit zwischen vx und vx + dvx usw. liegt, nennt man die

Verteilungsfunktion f. Sie hängt von den drei Ortskoordinaten, den drei Geschwindigkeitsko-

ordinaten und der Zeit ab. Der sechsdimensionale Raum d3rd3v heißt der Phasenraum (µ -

Raum)

dna(r, v, t) = fa(r, v, t)d3vd3r

b) Momente der Verteilungsfunktion

Die kinetische Theorie liefert eine Differentialgleichung für das Verhalten der Verteilungsfunk-

tion, die Boltzmannfunktion. Um aus dieser auf das makroskopische Verhalten des Plasmas

rückschließen zu können, müssen Mittelwerte bestimmter Größen bezüglich der Verteilungs-

funktion gebildet werden. So ergibt sich z.B. die räumliche Anzahldichte durch Integration

über den gesamten Geschwindigkeitsraum

(G.1)na(r, t) = ∫ fa(r, v, t)d3v

und damit die elektrische Ladungsdichte

(G.2)ρel(r, t) = Σa

qana(r, t) = Σ qa∫ fa(r, v, t)d3v

Die relative Häufigkeit der Teilchen in d3v mit einer Geschwindigkeit bei v bezogen auf die ge-

samte Teilchenzahl ist

(G.3)fa(r, v, t)d3rd3v

d3r ∫ fa(r, v, t)d3v= 1

na(r, t)fa(r, v, t)d3v

Hiermit wird die mittlere Geschwindigkeit

(G.4)va(r, t) = 1na(r, t) ∫ vfa(r, v, t)d3v

Der Beitrag der Teilchen der Sorte a mit Geschwindigkeiten in d3v bei v zur Stromdichte ist

dja(r, t) =qafa(r, v, t)d3vAv∆t

∆tA= qavfa(r, v, t)d3v

173

Abb. G.3: Zur Berechnung der Stromdichte

Damit wird die Stromdichte, die die Teilchen der Sorte a erzeugen

ja(r, t) = qa∫ vfa(r, v, t)d3v

Und die gesamte Stromdichte durch alle Teilchen mit Gleichung (G.4):

(G.5)j(r, t) = Σa

qana(r, t)va(r, t) = Σa

qa∫ vfa(r, v, t)d3v

Die Strömungsgeschwindigkeit, d.h. die die Geschwindigkeit des Schwerpunktes wird

v = Σa ma∫ vfa(r, v, t)d3v

Σa ma∫ fa(r, v, t)d3v

Die Integrale in den Gleichungen (G.1) bis (G.5), die Mittelwerte verschiedener Größen be-

züglich der Verteilungsfunktion angeben, nennt man die Momente der Verteilungsfunktion.

Der Druck auf eine Fläche dA ist gleich dem Impulsfluß durch diese Fläche. Für den thermi-

schen Druck interessiert dabei nur der Impulsfluß, der durch die Bewegung im Schwerpunkt-

system einer Flüssigkeit herrscht

ma(v − va(r, t)) i

(i,j bezeichnen die Koordinaten z.B. x,y,z) Der übertragene Impuls braucht dabei nicht die

Richtung der Geschwindigkeit zu haben, die den Teilchenfluß bestimmt. Z.B. wird bei viskoser

Strömung in einem Strömungsfeld mit einer Geschwindigkeit in y - Richtung, die sich entlang

x ändert, durch die thermische Bewegung in x - Richtung ein Impuls übertragen, der in y -

Richtung zeigt. Der Impulsfluß des statistischen Anteils der Bewegung hat die Form:

(G.6)Pa,ij(r, t) = ma∫ (v − va(r, t)) i(v − va(r, t)) jfa(r, v, t)d3v

174

Der Druck wird also durch einen Tensor dargestellt

=Pa =

Pa,xx Pa,xy Pa,xz

Pa,yx Pa,yy Pa,yz

Pa,zx Pa,zy Pa,zz

Die Kraft erhält man durch skalare Multiplikation mit dem Flächenelement

dF ==P •dA

Bei einem isotropen Druck hat der Tensor nur untereinander gleiche Diagonalelemente. Die

Kraft steht in diesem Fall immer senkrecht zu dA. Die Elemente außerhalb der Diagonalen ge-

ben die Scherkräfte an. Die Kraft, die durch die Umgebung auf ein Volumenelement ausgeübt

wird, ist dann

Fp = −∫=P •dA

Auf jede Zeile dieser Vektorgleichung läßt sich der Gaußsche Satz anwenden

Fp = −∫ div=P dV

Die Kraftdichte ist also

fp = −∇=P = −

∂∂xPxx + ∂

∂yPyx + ∂∂zPzx

∂∂x

Pxy + ∂∂y

Pyy + ∂∂z

Pzy

∂∂xPxz + ∂

∂yPyz + ∂∂zPzz

Der Drucktensor ist nach Definition symmetrisch, d.h. Pxy = Pyx. Um einen Zusammenhang mit

der Temperatur herzustellen, bildet man seine Spur

Pa,xx + Pa,yy + Pa,zz = ma∫ (v − va(r, t))2fa(r, v, t)d3v

= 2na(r, t)

1na(r, t) ∫ ma

2(v − va(r, t))2fa(r, v, t)d3v

175

Der Ausdruck in eckigen Klammern ist der Mittelwert der Energie des statistischen Anteils der

Teilchenbewegung der Teilchen a. Dieser kann im Gleichgewicht gesetzt werden.32

kTa(r, t)

Im Nichtgleichgewicht wird die kinetische Temperatur der Komponente a über diese Bezie-

hung definiert.

(G.7)32

na(r, t)kTa(r, t) = ∫ ma

2(v − va(r, t))2fa(r, v, t)d3v

Nach der Definition ist also

13

(Pa,xx + Pa,yy + Pa,zz) = na(r, t)kTa(r, t) = pa(r, t)

wobei pa(r,t) der Partialdruck der Teilchensorte a ist.

c) Beispiel: Drucktensor bei Vorliegen einer Maxwellverteilung

In einem homogenen, ruhenden Gleichgewichtsplasma liegt eine Maxwellverteilung vor.

(G.8)faM(v) = na

π3/2Va3

e−v2/Va2

mit .Va2 = 2kTa

ma

Da das Plasma ruhen soll, ist va = 0.

Pa,xx = ma∫vxvxna

π3/2V3e

− vx

2+vy2+vz

2 /Va

2

d3v

= nama

π3/2V3 ∫−∞

+∞vx

2e−vx2/Va

2dvx∫−∞

+∞vx

2e−vy2/Va

2dvy∫−∞

+∞vx

2e−vz2/Va

2dvz

Unter Benutzung der bekannten Integralformeln

∫−∞

+∞e−γx2

dx = πγ

∫−∞

+∞x2e−γx2

dx = − ddγ ∫−∞

+∞e−γx2

dx = − ddγ

πγ = 1

γ3/2

wird daraus

176

Pa,xx = nama

π3/2V312

πVa3 πVa πVa = 1

2namaVa

2 = nakTa = Pa,yy = Pa,zz

Pa,xy = nama

π3/2Va3 ∫−∞

+∞vxe−vx

2/Va2dvx(...) = 0 = Pa.xz = Pa,yz

Der Drucktensor hat also nur gleiche Diagonalelemente:

(G.9)=Pa = nakTa

=1

wobei die Einheitsmatrix ist.

=1

2. Kinetische Gleichungen

a) Die Teilchenbilanz

Abb. G.4: Die Bewegung eines Volumenelementes im

Phasenraum in der Zeit dt unter dem Einfluß einer Kraft

Wir betrachten ein Volumenelement d3rd3v im Phasenraum in der Umgebung r, v. Die Teil-

chen in diesem Volumenelement werden sich in der Zeit dt an eine andere Stelle (r/,v /) bewe-

gen. wenn keine äußeren Kräfte vorliegen, wird sich jedes Teilchen in Abb. G.4 waagerecht

bewegen, und wenn dt nicht zu groß ist,wird sich ein neues Volumenelement d3r´d3v´ in der

Umgebung von r´v´ ergeben, in dem alle Teilchen enthalten sind. Bei Vorliegen einer Kraft

werden alle Teilchen in d3rd3v eine etwa gleiche Beschleunigung erfahren, so daß man eben-

falls erwarten kann, daß es ein neues Volumenelement d3r´d3v´ gibt, das genau die ursprüngli-

chen Teilchen enthält. Diese Überlegung ist nur richtig, solange die Kräfte einigermaßen glatt

verlaufen. Stöße können Teilchen aus dem Volumen herausbefördern. Stöße müssen also ge-

sondert betrachtet werden.

Die Teilchenbilanz für die Volumina d3rd3v und d3r´d3v´ schreibt sich also

fa(r/, v /, t /)d6(r/, v/) = fa(r, v, t)d6(r, v) + dNa,coll

Für den Stoßterm macht man den Ansatz

177

dNa,coll = d6(r, v)dt∂fa

∂t

coll

So daß die Teilchenbilanz die Form hat

(G.10)fa(r/, v /, t /)d6(r/, v/) − fa(r, v, t)d6(r, v) = d6(r, v)dt∂fa

∂t

coll

b) Satz von Liouville

Der Übergang von (r,v) nach (r´,v´) läßt sich als Substitution auffassen. Dafür gilt die für Inte-

grale von mehreren Variablen übliche Substitutionsregel.

d6(r/, v/) =∂(r/, v /)∂(r, v) d6(r, v)

Wobei die Jakobideterminante die Form hat

∂(r/, v /)∂(r, v) =

∂x /

∂x∂x /

∂y ... ∂x /

∂vz

∂y /

∂x

∂y /

∂y ...∂y /

∂vz

... ... ... ...∂vz

/

∂x

∂vz/

∂y ...∂vz

/

∂vz

=

∂xi/

∂xj

∂xi/

∂vj

∂vi/

∂xj

∂vi/

∂vj

Der Zusammenhang zwischen r´ und r (b.z.w. zwischen v´ und v) wird hier durch die zeitliche

Entwicklung von r b.z.w. v gegeben

r/ = r + vdt, d.h. xi/ = xi+vidt

v / = v + 1ma

Fa(r, v, )dt, d.h. vi/ = vi + 1

maFaidt

wobei Fa die Kräfte auf Teilchen a beschreibt. Wir berücksichtigen, daß r und v unabhängige

Variable sind.

∂xi/

∂xj= δij,

∂xi/

∂vj= δijdt

∂vi/

∂xj= 1

ma

∂Fai

∂xjdt,

∂vi/

∂vj= δij + 1

ma

∂Fai

∂vjdt

178

Für Kräfte auf geladene Teilchen gilt dabei

∂Fai

∂v= 0

z.B. ∂Fax

∂v= ∂

∂vqa(Ex(r, t) + [v × B(r, t)] x) = 0

Damit hat die Jakobideterminante die Form

∂(r/, v /)∂(r, v) =

1 0 0 dt 0 00 1 0 0 dt 00 0 1 0 0 dt∗ ∗ ∗ 1 ∗ ∗∗ ∗ ∗ ∗ 1 ∗∗ ∗ ∗ ∗ ∗ 1

=

11 dt

11

dt 11

wobei * einen Term von der Größenordnung dt symbolisiert. Nach dem Entwicklungssatz er-

gibt sich die Determinante als Summe von Termen aikalm...anv, wobei alle Permutationen mit

unterschiedlichem ersten Index (ebenso solche mit unterschiedlichem zweiten Index) durchlau-

fen werden. Unter diesen Permutationen ist die Hauptdiagonale, die 1 ergibt. Sobald man zwei

Zeilen oder Spalten vertauscht,verschwinden zwei Einsen und zwei Terme der Größenordnung

dt kommen in das Produkt. Man erhält also insgesamt

∂(r/, v /)∂(r, v) = 1 +

Glieder ∼ (dt)2

d.h. in linearer Ordnung ist die Jakobideterminante 1: . Die Punkte im Pha-d6(r/, v/) = d6(r, v)senraum verhalten sich wie eine inkompressibele Flüssigkeit.

c) Boltzmann - und Vlasov - Gleichung

α) Die Boltzmann - Gleichung

Mit Gleichung (G.10) und dem Liouvilleschen Satz gilt

fa(r/, v /, t /) − fa(r, v, t) = ∂fa

∂t

coll

Durch lineare Entwicklung von fa(r´,v´,t´) um t erhält man

fa(r/, v /, t /) = fa r + vdt, v + 1

maFadt, t + dt

179

= fa(r, v, t) +Σi=1

3 ∂fa∂xi

vidt +Σi=1

3 ∂fa

∂vi

1ma

Faidt +∂fa

∂tdt

d.h.∂fa

∂t+Σ

i=1

3

vi∂fa

∂xi+ 1

ma Σi=1

3

Fai∂fa

∂vi=

∂fa

∂t

coll

Zur Abkürzung setzt man

∂/∂x∂/∂y∂/∂z

= ∇ r = ∂∂r

,

∂/∂vx

∂/∂vy

∂/∂vz

= ∇ v = ∂∂v

Die Kräfte werden auf die selbstkonsistenten Felder zurückgeführt:

Fa = qa(E + v × B)

Damit erhält man die Boltzmann - Gleichung

(G.11)∂fa

∂t+ v • ∂fa

∂r+ qa

ma(E(r, t) + v × B(r, t)) • ∂fa

∂v=

∂fa

∂t

coll

Die eigentlichen Probleme bietet der Stoßterm.

β) Die Vlasov - Gleichung

Vernachlässigt man in der Boltzmann - Gleichung (G.11) die Stöße, erhält man als Sonderfall

die Vlasov - Gleichung.

(G.12)∂fa

∂t+ v •

∂fa

∂r+

qa

ma(E(r, t) + v × B(r, t)) •

∂fa

∂v= 0

γ) Die Fokker - Planck - (b.z.w. Landau -) Gleichung

Die Focker - Planck Form des Stoßtermes geht auf den Boltzmannschen Stoßterm zurück,

der für die Verhältnisse in einem einkomponentigen Gas entwickelt wurde:

∂f∂t

= ∫ d3v/∫ dΩσdiff(Ω) v − v / (f(v1)f(v1

/ ) − f(v)f(v /))

Hierin sind: v, v´ die Geschwindigkeiten der Stoßpartner vor dem Stoß,

180

v1, v1´ die Geschwindigkeiten der Stoßpartner nach dem Stoß,

dΩ der Raumwinkel, in den gestreut wird,

σdiff der differentielle Wirkungsquerschnitt für den Stoß,

Um zum Landau - Stoßterm zu gelangen, wird der Boltzmann - Stoßterm mit Hilfe des diffe-

rentiellen Wirkungsquerschnittes für Coulombstöße hingeschrieben. Wegen der Divergenz des

Integrals wird dieses wie im Kapitel E.3 bei r = λD abgeschnitten. Als Erleichterung gegenüber

den Voraussetzungen für den Boltzmannterm ergibt sich, daß die Teichen bei Coulombstößen

in der überwiegenden Zahl kleine Ablenkungswinkel erfahren. Dies ermöglicht eine Entwick-

lung der Verteilungsfunktionen der beiden Stoßpartner a und b. Die Rechnung wird hier nicht

vorgeführt, sondern nur das Ergebnis angegeben:

(G.13)∂fa

∂t

coll

= 1ma Σ

bCab

∂∂v ∫ d3v/ ∂

2 v − v /

∂v∂v•

1

ma

∂fa(v)∂v

fb(v/) − 1mb

fa(v)∂fb(v /)∂v /

mit Cab = 2π

qaqb

4πε0

2

lnΛab

Λab = λD4πε0

qaqb

mamb

ma + mb

1nanb ∫ ∫ (v − v /)faM(v)fbM(v /)d3vd3v/

Man erkennt, daß Λab = Λba und damit Cab = Cba

Der Ausdruck in Gleichung (G.13) hat explizit die Form∂2 v − v /

∂v∂v /

∂∂vi

v − v / = ∂∂vi

Σk=1

3

(vk − vk/ )

2 = 12

2(vi − vi/)

v − v /=

vi − vi/

v − v /

∂2

∂vi∂vjv − v / =

δij v − v / − vi−vi/

v−v / (vi − vi/)

v − v / 2

(G.14)∂2 v − v /

∂v∂v

ij

=v − v / 2δij − (vi − vi

/)(vj − vj/ )v − v/ 3

Das System der Landaugleichungen wird durch Maxwellverteilungen mit Ta = Tb = T gelöst,

wie im folgenden gezeigt wird. Die Klammer im Integranden von Gl. (G.13) ist dann

181

1ma

∂faM(v)∂v

fbM(v /) − 1mb

faM(v)∂fbM(v/)

∂v /

= 1ma

−2v

Va2

faM(v)fbM(v /) + 1

mb

2v /

Vb2

faM(v)fbM(v /)

= 1kT

(v − v /)faM(v)fbM(v /)

Der Integrand von G.13 enthält also mit (G.14) den Term

∂2 v − v /

∂v∂v /• (v − v /)

i

= Σi=1

3

e iΣj=1

3 v − v / 2δij − (vi − vi/) vj − vj

/

v − v / 3 vj − vj

/

= Σi=1

3

e i

v − v / 2 vi − vj

/ − (vi − vi

/) v − v / 2

v − v/ 3

= 0

Das Integral in (G.13) verschwindet also, und damit der Stoßterm. Die linke Seite von Glei-

chung (G.11) geht für E = 0 und B = B0 = const über in

qa

ma(v × B0) •

∂faM

∂v=

qa

ma(v × B0) •

−2vVa

2

faM(v) = 0

Die Maxwellverteilungen mit T = Ta lösen also das System der Landaugleichungen.faM(v)Eine Ableitung der Landauformel findet sich in: Kerson, Huang: Statistische Mechanik, Kap.

III, oder S. Chapman, T.G. Cowling: The Mathematical Theory of Nonuniform Gases, 1939.

Kap. III. Eine Schwäche dieser Theorie für ihre Anwendung auf Plasmen besteht darin, daß sie

auf der Näherung von Zweierstößen beruht. Eine Verallgemeinerung stellt die BBGKY -

Theorie dar, (nach Bogoliubov, Born, Green, Kirkwood, Yvon), die auf einer Statistik im 6N -

dimensionalen Phasenraum beruht. (s. Ta - Youm Wu: Kinetic Equations of Gas and Plasmas,

1966)

3. Die Momentengleichungen

Die interessierenden makroskopischen Variablen wie Dichte, mittlere Geschwindigkeit und

Temperatur können aus den Momenten der Verteilungsfunktion ausgerechnet werden, wenn

diese bekannt ist.

Die ersten Momente der Verteilungsfunktion sind

na(r, t) = ∫ fa(r, v, t)d3v

182

va = 1na(r, t) ∫vifa(r, v, t)d3v

Pa,ij = ρa,m⟨vivj⟩ a = ma∫vivjfa(r, v, t)d3v

Ea,ijk(r, t) = ρa,m⟨vi, vj, vk⟩ = ma∫vivjvkfa(r, v, t)d3v

Im Prinzip ergibt sich die Verteilungsfunktion aus der Boltzmann - Gleichung (G.11), aller-

dings ist die Lösung der Boltzmanngleichung nicht allgemein möglich und in jedem konkreten

Fall schwierig. Es ist auch nicht unbedingt notwendig, sie zu lösen, da man durch Multiplikati-

on der Boltzmann - Gleichung mit v, vv,.. u.s.w. direkt Differentialgleichungen für die Mo-

mente erhält, wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird. Diese Differentialgleichungen entspre-

chen den Grundgleichungen der Flüssigkeitstheorie.

a) Kontinuitätsgleichung

Die Kontinuitätsgleichung ergibt sich aus der direkten Integration der kinetischen Gleichung

(G.11) über d3v

∫ ∂fa

∂t+ v • ∂fa

∂r+ qa

ma(E + v × B) • ∂fa

∂vd3v=∫

∂fa

∂t

coll

d3v

ist die Teilchendichte, so daß die rechte Seite die Änderung der Teilchendichte durch∫ fad3v

Stöße ist. Stöße ändern aber den Ort der Teilchen nicht, so daß die rechte Seite verschwindet.

∫ ∂fa

∂t

coll

d3v

Diese Bedingung wird z.B. vom Landau - Stoßterm (G.13)erfüllt. Die linke Seite wird Term

für Term untersucht:

* (s. (G.1))∫∂fa

∂td3v = ∂

∂t ∫ fa(r, v, t)d3v = ∂∂t

na(r, t)

* ∫ v •∂fa

∂rd3v = Σ

j

∂∂xj

vjfad3v = ∂∂r

• ∫ v fa(r, v, t)d3v = ∂∂r

• (na(r, t)va(r, t))

* ∫ (E + v × B) • ∂fa

∂vd3v = Σ

j=1

3

∫ Ej +(v × B) j

∂fa

∂vjd3v

183

= Σj=1

3

∫ ∂∂vj

Ej + (v × B) j

fa

d3v = 0

da für . Damit erhält man die Kontinuitätsgleichung in der Formfa → 0 v → ∞

(G.15)∂∂t

na(r, t) + ∂∂r

• (na(r, t)va(r, t)) = 0

Eine andere Form ergibt sich, indem man auf den zweiten Term die Produktregel anwendet.

∂na

∂t+

∂na

∂r • va + na

∂∂r

• va = 0

∂∂t

+ va(r, t) • ∂∂r

na(r, t) + na(r, t) ∂

∂r• va(r, t) = 0

Die Kontinuitätsgleichung für die elektrische Ladung ergibt sich aus Multiplikation von Gl

(G.15) mit qa.

∂∂t

ρel(r, t) + ∂∂r

• j(r, t) = 0

b) Bewegungsgleichung

Die Bewegungsgleichung ist die Transportgleichung für den Impuls. Sie ergibt sich also aus

Multiplikation der kinetischen Gleichung (G.11) mit v und Integration über v.

∫ v∂fa

∂t+ v •

∂fa

∂r+

qa

ma(E + v × B) •

∂fa

∂vd3v = ∫ v

∂fa

∂t

coll

d3v

Die Summanden werden wieder einzeln betrachtet.

*∫ v∂fa

∂td3v = ∂

∂t ∫ vfad3v = ∂∂t

(nav) = va∂na

∂t+ na

∂va

∂t

* ∫ vv •∂fa

∂rd3v = Σ

j∫ e ivivj

∂fa

∂xjd3v = Σ

i,je i

∂∂xj

∫vivjfad3v

= Σi,j

e ∂∂xj

∫ [(vi − vai)(vj − vaj) + vivaj + vjvai − vaivaj]fad3v

= Σi,j

e i∂

∂xj

1ma

Pa,ij + nava,iva.j + nava,jva.i − navaivaj

184

= Σi,j

e ∂∂xj

1ma

Pa.ij + nava,iva,j

= Σi,j

e i 1

ma

∂∂xj

Pa.ij + vai∂

∂xj(nava,j) + nava,j

∂∂xj

va.i

= 1ma

∂∂r

•=Pa + va

∂∂r

• (nava) + na va • ∂

∂r va

*∫ v • (E + v × B)∂fa

∂vd3v = Σ

i,je ∫vi

Ej + (v × B) j

∂fa

∂vjd3v

= Σi,j

e i∫vi∂

∂vi

Ej +(v × B) j

fa

d3v

= Σi,j

e i∫

∂∂vj

vi

Ej +(v × B) j

fa

− δij

Ej +(v × B) j

fa

d3v

= Σij

e iδij∫ Ej + (v × B) j

fad3v = −Σ

je j

naEj + na(v × B) j

= −(naE + na(va × B))

Insgesamt hat diese Momentengleichung damit die Form

va∂na

∂t+ na

∂va

∂t+ 1

ma

∂∂r

•=Pa + va

∂∂r

• (nava) + na v • ∂

∂r va − na

qa

ma(E + v × B)

= ∫ v∂fa

∂t

coll

d3v

Nach Multiplikation mit ma unter Berücksichtigung von Gl (G.15) erhält man die Bewegungs-

gleichung einer Teilchensorte

(G.16)mana

∂∂t

+ va • ∂∂r

va = − ∂

∂r•

=Pa + qana(E + va × B) + ma∫ v

∂fa

∂t

coll

d3v

Der erste Term beschreibt Massendichte mal Beschleunigung, der zweite die Dichte der

Druckkraft, der dritte die Dichte der elektromagnetischen Kraft, der fünfte die Reibungskraft,

alles zunächst für eine Teilchensorte a. Die Bewegungsgleichung für das gesamte Plasma er-

hält man durch Summation über alle Teilchensorten. Dabei fällt der Reibungsterm wegen actio

= reactio heraus.

Σa

mana

∂∂t

+ va • ∂∂r

va = − ∂

∂r•

=P +ρelE + j × B

c) Der 5 - und der 13 - Momenteansatz

Das Problem bei der Bildung der Momente der Boltzmann - Gleichung besteht darin, daß das

System der Gleichungen der makroskopischen Größen nicht abgeschlossen ist. D.h. jede der

185

Gleichungen, die man durch Multiplikation von (G.11) mit v, vv, u.s.w. erhält, enthält wegen

des Terms in der Boltzmann - Gleichung ein Moment, das in dem bis dahin gewonne-v • ∂fa

∂rnen Satz von Gleichungen noch nicht auftauchte. Man muß daher die Hierarchie dieser Glei-

chungen abbrechen, indem man eine vereinfachende Annahme über das höchste Moment

macht. Es gibt im wesentlichen zwei Näherungsansätze: die 5 und die 13 Momentenmethode.

α) Die 5 - Momentenmethode

Bei der 5 - Momentenmethode nimmt man an, daß die Stöße so zahlreich sind, daß die Vertei-

lungsfunktion näherungsweise maxwellsch ist.

fa(r, v, t) = na(r, t)π3/2V3(r, t)

e−(v−va(r,t))/Va2(r,t)

Damit wird Gl. (G.16)

(G.18)mana

∂∂t

+ v • ∂∂r

va = − ∂

∂r(nakTa) + qana(E + va × B) + fa,R

Man erhält mit der Temperatur - Transportgleichung ein abgeschlossenen System von Glei-

chungen für . Insgesamt ergeben sich pro Teilchensorte 5 Glei-na(r, t), va(r, t), Ta(r, t)chungen, die über Reibungsterme gekoppelt sind. Man kann aus diesen die Bewegungsglei-

chung und das Ohmsche Gesetz in der MHD - Näherung ableiten.

β) Die 13 - Momentenmethode

Bei dieser Methode soll die Anisotropie von fa im Geschwindigkeitsraum mitberücksichtigt

werden. Man macht den Ansatz

fa(r, v, t) = na

π3/2Va3e−Wa

2/Va2 1 + da • Wa

Wa

2 − 52

Va2 +Σ

i,jΠa,ijWa,iWa,j

mit Wa = v − va(r, t)

Nach Grad (1949) ergibt sich

, ( istΠ a = 1Va

2pa

=Pa − pa

=1

(pa = nakTa) da = 45

1paVa

4qa qa = ∫ Wa

ma

2Wa

2fad3v

die Wärmestromdichte.)

186

4. Die Linearisierte Vlasov - Gleichung

Als Anwendungsbeispiel der Vlasov - Gleichung wird der Einfluß einer endlichen Temperatur

auf die Ausbreitung elektrostatischer Wellen im homogenen, magnetfeldfreien Plasma betrach-

tet. Ausgangspunkt für die Betrachtungen ist die Vlasov - Gleichung ( G.12). Die Verteilungs-

funktion soll von r, v, t abhängen.

∂fa

∂t+ v • ∂fa

∂r+ qa

ma(E(r, t) + v × B(r, t)) • ∂fa

∂v= 0

a) Zeitunabhängige Vlasov - Gleichung

Um die Welle beschreiben zu können, muß zunächst die Gleichgewichtssituation beschrieben

werden. Hier soll das Plasma räumlch homogen sein, ruhen und die Verteilungsfunktion nicht

von der Zeit abhängen. Die Vlasov - Gleichung für diese Verteilungsfunktion fa0(r, v) lautet

dann

v • ∂fa0

∂r+ qa

ma(E0(r) + v × B0(r)) • ∂fa0

∂v= 0

Weil das Plasma räumlich homogen und ruhend sein soll, gilt hier speziell

∂fa0

∂r= 0, E0 = 0

Das statische Magnetfeld B0 wird vorläufig noch mitgenommen. Es bleibt von der Vlasov -

Gleichung

.v × B0 •∂fa0

∂= 0

Die allgemeine Lösung ist eine beliebige Funktion g, die von den Geschwindigkeitskomponen-

ten parallel und senkrecht zum Magnetfeld abhängt.

fa0(v) = g(v⊥ , v//)

Der Gradient ist eine Linearkombination von einem Vektor senkrecht, und einem parallel zu B

187

∂fa0

∂v= ∂g

∂v⊥

v ⊥v⊥

+ ∂g∂v

e //

außerdem steht er senkrecht zu .v ⊥ × B0 = v × B0

Im magnetfeldfreien Fall ist fao(v) sogar eine beliebige Funktion. Stöße erzwingen eine

Maxwellverteilung.

b) Die linearisierte Vlasov - Gleichung mit B0 = 0

Wie in der Theorie der Plasmawellen (Kapitel D) soll die Welle eine kleine Störung an der

Gleichgewichtssituation verursachen, d.h. für die Verteilungsfunktion wird ein Störungsansatz

gemacht:

f(r, v, t) = fa0(v) + fa1(r, v, t)

wobei fa1, ebenso E(r,t) und B(r,t) klein von erster Ordnung sein sollen. Geht man mit diesem

Ansatz in die Vlasov - Gleichung ein, so wird daraus

∂fa1

∂t+ v • ∂fa1

∂r+ qa

ma(E(r, t) + v × B(r, t)) • ∂fa0

∂v+ qa

ma(E(r, t) + v × B(r, t)) • ∂fa0

∂v= 0

Der letzte additive Term auf der linken Seite ist von zweiter Ordnung und wird daher vernach-

lässigt. Die linearisierte Gleichung hat also die Gestalt.

(G.18)∂fa1

∂t+ v •

∂fa1

∂r= −

qa

ma(E(r, t) + v × B(r, t)) •

∂fa0

∂v

c) Exponentialansatz

Im folgenden schränken wir uns auf die Geometrie elektrostatischer Wellen ein, d.h. E liegt in

Richtung von k. In der Welle wird kein Magnetfeld erzeugt. Für die Störungen wird ein Expo-

nentialansatz gemacht.

E(r, t) = Eei(k•r−ωt)

ρel(r, t) = ρ0ei(k•r−ωt)

fa1(r, v, t) = fa1(v)ei(k•r−ωt)

188

Geht man mit diesem Ansatz in die linearisierte Gleichung (G.18) ein, ergibt sich

(−iω +ik • v)fa1(v) = −qa

maE • ∂fa0

∂vfa1(v) = i

qa

ma

1k • v − ω

E • ∂fa0

∂v

Diese Lösung ist nicht ganz unproblematisch, da fa1 eine kleine Größe sein soll, der Nenner auf

der rechten Seite aber unter Umständen gegen Null geht, so daß man Zweifel hegen kann, ob

die rechte Seite ebenfalls immer klein bleibt. Die Ladungsdichte des Hintergrundplasmas ver-

schwindet, die in der Welle ergibt sich aus Mittelung über die Verteilungsfunktion.

ρel = Σa

qa∫ fa1(v)d3v = iΣa

qa2

ma ∫ 1k • v − ω

E • ∂fa0

∂vd3v

Das Koordinatensystem wird so gelegt, daß die x - Richtung mit der Richtung der Wellenaus-

breitung zusammenfällt. Dann ist k = kex und E = Eex

ρel = i Σa

qa2

ma ∫ 1kvx − ω

E∂fa0

∂vxd3v = iE

k Σa

qa2

ma ∫ 1vx − ω/k

∂fa0

∂vxd3v

Die Integration über vy und vz ist sofort durchführbar. Zur Vereinfachung der Schreibweise de-

finiert man ein Fa0(vx):

(G.19)∫−∞

+∞

∫−∞

+∞fa0(vx, vy, vz)dvydvz = na0Fa0(vx)

Die Definition ist so, daß . Für die Ladungsdichte erhält man damit∫ Fa0(vx)dvx = 1

(G.20)ρel = iEk Σ

a

na0qa2

ma ∫−∞

+∞ Fa0/ (vx)

vx − ω/kdvx

Man beachte, daß das Integral divergiert, wenn ω reell ist. Daher wird ein komplexes ω

angenommen

ω = ωr + iγγ soll genügend klein sein. Es zeigt sich, daß man nur vernünftige Ergebnisse erhält, wenn

γ > 0. Der Exponentialansatz führt dann zu einer exponentiell anwachsenden Welle. Eine sol-

che Situation nennt man eine Mikroinstabilität.

189

d) Die Dispersionsrelation

Gleichung (G.20) beschreibt die Ladungsdichte, die eine elektrostatische Welle erzeugt. Ande-

rerseits erzeugen Ladungsdichten wiederum E - Felder. Diese Felder, die aus der Poissonglei-

chung folgen, müssen mit den ursprünglichen Feldern der Welle identisch sein (Selbstkonsi-

stenzbedingung). Die Poisson - Gleichung lautet:

divE(r, t) = 1ε0

ρel(r, t)

Für die Amplituden folgt daraus

ikE = 1ε0

ρel = iEk Σ

a

qana0

ε0ma ∫−∞

+∞ Fa0/ (vx)

vx − ω/kdvx

E1 −Σ

a

ωpa2

k2 ∫−∞

+∞ Fa0/ (vx)

vx − ω/kdvx

= 0

Man definiert die Dielektrizitätsfunktion

(G.21)ε(ω, k) = 1 −Σ

a

ωpa2

k2 ∫−∞

+∞ Fa0/ (vx)

vx − ω/kdvx

mit der Nebenbedingung Im(ω) > 0. Da in der Welle gelten soll, folgt dieE ≠ 0

Dispersionsrelation

(G.22)ε(ω, k) = 0

e) Lösung von Gleichung (G.22)

α) Diskussion von Fa0(vx)

Nach Gleichg. (G.19) gilt ∫ fa0(v)d3v = na0∫−∞

+∞Fa0(vx)dvx = nao

und damit ∫−∞

+∞Fa0(vx)dvx = 1

∫−∞

+∞vxfa0(v)d3v = na0∫−∞

+∞vxFa0(vx)dvx = 0

190

Da die mittlere Geschwindigkeit als 0 vorausgesetzt wurde

∫−∞

+∞ 12

mavx2fa0(v)d3v = na0∫−∞

+∞ 12

mavx2Fa0(vx)dvx = 1

2na0kTa

∫−∞

+∞vx

2Fa0(vx)dvx = kTama

= 12

Va2

β) Die Berechnung des Integrals in Gleichg. (G.21)

Es wird eine Lösung in der Nähe der Lösung der kalten Theorie gesucht, d.h. zur Vereinfa-

chung wird angenommen

ωr

k>> Va, 0 < γ < ωr

Die Situation ist in Abb. G.5 dargestellt.

Abb. G.5: Bereiche, die zum Integral beitragen

Die Hauptbeiträge zum Integral in Gl. (G.21) werden aus den Bereichen in der Umgebung von

|vx| < Va und vx ~ ωr/k stammen:

(G.23)∫−∞

+∞ Fa0/ (vx)

vx − ω/kdvx ≈ ∫−3Va

+3Va Fa0/ (vx)

vx − ω/kdvx + ∫−ωr/k−δ

+ωr/k+δ Fa0/ (vx)

vx − ω/kdvx

Die Zahl 3 in den Grenzen des ersten Integrals ist zunächst willkürlich. Es soll nur angedeutet

werden, daß ein Bereich erfaßt werden soll, in dem der Integrand deutlich von null verschie-

den ist. Im ersten Integral auf der rechten Seite wird zunächst der Faktor -k/ω vor das Integral

gezogen, der Nenner einer Taylorentwicklung unterzogen und dann partiell integriert

∫−3Va

+3Va Fa0/ (vx)

vx − ω/kdvx = −k

ω ∫−3Va

+3Va Fa0/ (vx)

1 − kvx/ωdvx

191

≈ − kω ∫−3Va

+3VaFa0(vx)

1 + kvx

ω + k2vx2

ω2+ k3vx

3

ω3 dvx

≈ − kω ∫−∞

+∞Fa0(vx)

kω + 2 k2

ω2vx + 3 k3

ω3vx

2 dvx

= −k2

ω2 1 + 3

2k2Va

2

ω2

Für den Schritt von der vorletzten zur letzten Zeile wurden die Formeln aus dem letzten Ab-

schnitt verwendet.

Zur Berechnung des zweiten Integrals nutzt man die Tatsache aus, daß sich Fa0 und damit sei-

ne Ableitung über den Bereich des Integrals wenig ändern, so daß man Fa0/ als Konstante vor

das Integral ziehen kann.

∫−ωr/k−δ

+ωr/k+δ Fa0/ (vx)

vx − ω/kdvx = Fa0

/ ωr

k ∫−ωr/k−δ

+ωr/k+δ 1vx − ω/k

dvx

Durch die Substitution erhält manvx − ωr/k = u

Fa0/ ∫−δ

+δ 1u − iγ/k

du = Fa0/ ∫−δ

−δ u + iγ/k

u2 + γ2/k2du

= iFao/ ∫−δ

+δ γ/k

u2 +γ2/k2du

Der Realteil fällt weg, da er ungerade ist. Durch die Substitution und der Bedingung,kuγ = w

daß γ > 0 und klein ist, folgt

iFa0/ ∫−∞

+∞ dw+ 2

= iπFao/

ωr

k

Das gesamte Integral hat also die Gestalt

∫−∞

+∞ Fa0/ (vx)

vx − ω/kdvx = −k2

ω2 1 + 3

2k2Va

2

ω2 + iπFao

/ ωr

k

γ) Berechnung von ω

Die Dispersionsrelation Gleichg. (G.22) hat also die Gestalt

192

ε(k, ω) ≈ 1 −Σa

ωpa2

k2 k2

ω2 1 + 3

2k2 Va

2

ω2 + iπFa0

/ ωr

k

= 0

= 1 −Σa

ωpa2

ω2 1 + 3

2k2Va

2

ω2 + iπω2

k2Fa0

/ ωk

Man erkennt, daß in nullter Näherung, d.h. für Va = 0 das Ergebnis der kalten Theorie repro-

duziert wird.

Die Auflösung der Dispersionsrelation nach ω erfolgt mit einem Störungsansatz. Die Korrek-

turen der kalten Theorie werden als klein vorausgesetzt. Das bedeutet, daß man in ihnen das ω

durch das der kalten Theorie ersetzen kann: ω = ωp . Außerdem wird der Ionenterm, der we-

gen ωpe2 >> ωpi

2 viel kleiner als der Elektronenterm ist, vernachlässigt.

ω2 = ωp2

1 + 3

2k2Ve

2

ωp2

+ iπωp

2

k2Fe0

/ ωp

k

(G.24)ω = ωp

1 + 3

4k2Ve

2

ωp2

+ iπ2

ωp2

k2Feo

/ ωp

k

Im Gegensatz zur kalten Theorie zeigt die Welle hier Dispersion. Man beachte, daß der Imagi-

närteil explizit abzulesen ist. Wegen der Forderung Im(ω) > 0 muß gefordertFe0/

ωp

k > 0

werden. Die gesamte Verteilungsfunktion muß also im Flügel einen Bereich mit positiver Stei-

gung besitzen. Da sie im Unendlichen verschwinden muß, hat die Verteilungsfunktion qualita-

tiv die in Abb. G.6 dargestellte Gestalt. Wegen des positiven Imaginärteils wächst die Wellen-

amplitude exponentiell an. Die Situation beschreibt also eine Mikroinstabilität. Man nennt sie

Bump on the tail instability oder Zweistrominstabilität.

193

f) Der Fall Im(ω) < 0 (Landaudämpfung)

Abb. G.6: Eine positive Steigung bei ωp /k bedeutet,

daß zwei Gruppen von Teilchen mit unterschiedlicher

mittlerer Geschwindigkeit vorliegen.

Würde man die selbe Rechnung wie oben mit γ < 0 durchführen, würde sich ergeben:

∫ωr/k−δ

ωr/k+δ Fao/

vx − ω/kdvx = −iπFao

/ ωr

k

Dann würde für die Dispersionsrelation folgen

ω = ωp

1 + 3

4k2Ve

2

ωp2

− iπ2

ωp2

k2Feo

/ ωp

k

Diese Gleichung wäre falsch, da aus γ < 0 auch hier folgern würde , im Wider-Fao/

ωp

k > 0

spruch zum obigen Ergebnis. Eine sorgfältigere Theorie ist die Landautheorie. Sie wird hier

nicht vorgeführt. In ihr führt man eine Laplace Transformation der Wellengleichung durch.

Dadurch transformiert man die Differentialgleichung in eine algebraische Gleichung, die sich

leicht lösen läßt. Bei der Rücktransformation in den t - Raum kommen funktionentheoretische

Argumente ins Spiel. Man benötigt die analytische Fortsetzung der Funktion ε(k,ω). Man be-

achte, daß die Funktionen

für Im(ω) > 0I+(ω) = ∫−∞

+∞ Fa0/

v − ω/kdv

und für Im(ω) < 0I−(ω) = ∫−∞

+∞ Fa0/

v − ω/kdv

analytische Funktionen in der oberen, bzw. unteren Halbebene sind, I- allerdings nicht die ana-

lytische Fortsetzung von I+ ist, denn

γ→0lim I±(ωp + iγ) = ±iπFa0

/ ωr

k

194

Es folgt, daß die analytische Fortsetzung von I+ (ω) in die untere ω - Hal-I−(ω) + 2πiFa0/

ωk

bebene ist, da sie analytisch ist und beide Funktionen auf der Grenzfläche gleich sind. Voraus-

setzung ist, daß die Verteilungsfunktion analytisch ist. Es folgt, daß Gleichg. (G.24) auch für

Im(ω) gültig bleibt. D.h. wenn , sind die Plasmawellen gedämpft mit derFeo/

ωp

k < 0

Dämpfungsrate

γ = ωpπ2

ωp2

k2Feo

/ ωp

k

Diese Dämpfung heißt Landaudämpfung. Die Welle wird also gedämpft, obwohl Stöße ver-

nachlässigt wurden. Bei Vorliegen einer Maxwellverteilung

Fe0(vx) = 1πVe

e−vx2/Ve

2

wird Fe0/ (vx) = − 2vx

πVe3e−vx

2/Ve2

mit vx = ωp/k erhält man für die Dämpfungskonstane

γωp

= π

ωp

kVe

3

e−(ωp/kVe)2

(Voraussetzung war )ωp

kVe>> 1

g) Interpretation

Zur Interpretation betrachten wir eine elektrostatische Welle mit der Phasengeschwindigkeit

ω/k. Ein Elektron möge sich in Richtung der Wellenausbreitung mit einer Geschwindigkeit be-

wegen, die in der Nähe der Phasengeschwindigkeit der Welle liegt (s. Abb. G.7).

Abb. G.7: Teilchen, die sich anfangs bei (1) aufhalten

und langsamer als die Welle sind, gelangen in den Be-

reich der Welle, in dem E nach links zeigt. Sie werden

beschleunigt.

195

Elektronen mit einer Geschwindigkeit dicht unter der Phasengeschwindigkeit gewin-v = ωk

− δ

nen Energie, wenn sie sich anfangs bei (1) Abb. G.7 aufhalten, da hier die Richtung von E zu

einer Beschleunigung führt. Elektronen, die sich anfangs bei (2) aufhalten verlieren Energie.

Die beschleunigten Teilchen sind allerdings der Beschleunigung länger ausgesetzt als die ge-

bremsten der Verzögerung ausgesetzt sind. Im Mittel leistet die Welle Arbeit an den Teilchen.

Die Teilchen gewinnen durch Wellenreiten Energie.

Teilchen mit einer Geschwindigkeit dicht über dir Phasengeschwindigkeit verlierenv = ωk

− δ

im Mittel nach der gleichen Argumentation Energie. Ob die Welle insgesamt gedämpft oder

angefacht wird, hängt davon ab, ob die Teilchen mit kleinerer oder die mit größerer Geschwin-

digkeit zahlreicher sind.

Aus folgt, daß . Die Welle leistet in diesem Falle ArbeitFe0ωk

− δ > Fe0

ωk

+ δ Fe0

/ ωk

< 0

und verliert damit Energie, d.h. sie wird gedämpft, während in dem umgekehrten Fall

folgt, daß . Hier wird die Welle angefacht. Der Imagi-Fe0ωk

− δ < Fe0

ωk

+ δ Fe0

/ ωk

> 0

närteil der Frequenz ist größer als Null. Diese Situation entspricht der Zweistrominstabilität.

h) Die Plasmadispersionsfunktion

Die Dispersionsrelation der elektrostatischen Welle Gleichg. (G.21) läßt sich einfacher schrei-

ben, wenn man die Plasmadispersionsfunktion einführt. Diese erhält man aus dem Integral in

Gleichg. (G.23), wenn man für die Verteilungsfunktion die Maxwellverteilung einführt. Durch

partielle Integration erhält man

I = ∫−∞

+∞ Fa0/ (v)

v-ω/kdv =

Fa0(v)v-ω/k

−∞

+∞+∫−∞

+∞ Fa0(v)(v-ω/k)2

dv

Der erste Term rechts verschwindet, da die Verteilungsfunktion im Unendlichen verschwinden

muß. Wählt man speziell als Verteilungsfunktion eine Maxwellverteilung

Fa0(v) = 1πVa

e−v2/Va2

I = 1πVa

∫−∞

+∞ e−v2/Va2

(v-ω/k)2dv

196

Zunächst wird v/Va = u substituiert

I = 1πVa

2 ∫−∞

+∞ e−u2

(u − ω/kVa)2du

dann , wobei z eine komplexe Variable ist, da ω komplex ist. ωkVa

= z

I = 1πVa

2 ∫−∞

+∞ e−u2

(u − z)2du = 1

Va2

ddz

1π ∫−∞

+∞ e−u2

u − zdu

Man nennt

Z(z) = 1π ∫−∞

+∞ e−u2

u − zdu

mit der Nebenbedingung Im(Z) > 0 die Plasmadispersionsfunktion oder die Funktion von

Fried und Conte. Nach Gleichg. (G.21) lautet dann die Dispersionsrelation der elektrostati-

schen Welle

ε(k, ω) = 1 −Σa

ωpe2

k2Va2Z /

ω

kVa

= 0

Für konkrete Rechnungen ist oft eine andere Form geeigneter:

Z(z) = −2e−z2∫z

et2dt + i πe−z2

197

KAPITEL H

Anhang

1. Eine analytische Lösung für eine Teilchenbahn im inhomogenen

Magnetfeld

Es gibt nur wenige Beispiele, in denen eine Teilchenbahn für ein geladenes Teilchen im inho-

mogenen Magnetfeld analytisch gelöst werden kann. Ein solches Beispiel wird im folgenden

durchgerechnet.

Das Magnetfeld soll in z - Richtung weisen und nur von der Koordinate x abhängen, und zwar

in folgender Form:

Bz(x) = B0ex/L

B(r) = Bz(x)ez

Abb. H.1: Verlauf des Magnetfeldes

B0 und L sind Konstanten. B läßt sich dann durch die y - Komponente des Vektorpotentials

ausdrücken.

Bz(x) = Ay/ (x)

mit Ay(x) = B0Lex/L

Das Teilchen möge auf der x - Achse mit einer Anfangsgeschwindigkeit in der y - Richtung

starten, d. h. die Teilchenbahn liegt in der xy - Ebene.

v0x = v0z = 0, x0 = y0 = 0. x0 wird später festgelegt. v0y = εav⊥ . Das Vorzeichen in der Anfangs-

geschwindigkeit sorgt dafür, daß sich die Bewegung in einem beschränkten Intervall in

198

Harald Schüler

Abb. H.2: Das Teilchen startet auf der x - Achse mit ei-

ner Geschwindigkeit v0y.

Richtung x abspielt. Wegen der Unabhängigkeit des Magnetfeldes von y ist die y - Komponen-

te des verallgemeinerten Impulses konstant.

mvy(t) + qAy(x(t)) = mv0y + qAy(x0)

Diese Gleichung wird nach vy aufgelöst, wobei v0y durch v⊥ ersetzt wird, das aufgrund des

Energieerhaltungssatzes konstant bleibt, und Ay(x) durch den expliziten Ausdruck.

vy(t) = εav⊥ + εaqmB0L(ex0/L − ex(t)/L)

vy(t) = εav⊥ 1 + ωc

v⊥L(ex0/L − ex(t)/L)

mit . Zur Abkürzung wird gesetzt. α ist das Verhältnis von Gyrationsradi-ωc = q B0m α = v⊥

ωcLus zu charakteristischer Länge für die Änderung des Magnetfeldes, L.

vy(t) = εv⊥ 1 + 1

α (ex0/L − ax(t)/L)

vy ergibt sich dann aus der Energieerhaltung

(H.1)vx2+vy

2 =v⊥2

vx2 =v⊥

2 1 − 1 + 1

α (ex0/L − ex/L)2

= v⊥2

α 2 [−2αex0/L − e2x0/L + (2α + 2ex0/L)ex/L − e2x/L]

Dieser Ausdruck läßt sich vereinfachen, indem man x0 so wählt, daß

e2x0/L + 2αex0/L = 1

199

d.h. ex0/L = −α + 1 + α2

Man verliert hierdurch nicht an Allgemeinheit. Da x0 von dem frei wählbaren Parameter v0y ab-

hängt, und die Wahl der Lage der y - Achse willkürlich ist, bleiben zwei Freiheitsgrade.

Damit wird

vx = ±v⊥α ex/L −e−2x/L + 2 1 + α2 e−x/L − 1

Durch Trennung der Variablen wird die Aufgabe auf eine Integration zurückgeführt:

∫0

x ex //Ldx /

−e−2x//L + 2 1 + α2 e−x//L − 1= ±v⊥

α t = ωcLt

Zur Vereinfachung des Integrals wird zunächst substituiert:

mit u = e−x/L e−x/Ldx = −Ldu

∫e−x0/L

e−x/L −Ldu

−u2 + 2 1 + α2 u − 1= ωcLt

In der Wurzel wird die quadratische Ergänzung gebildet, die untere Grenze wird mit der Defi-

nition von α umgeschrieben: , und die Grenzen werdene−x0/L = 1

−α + 1 + α2= α + 1 + α2

vertauscht

∫e−x/L

α+ 1+α2 du

− u − 1 + α2

2

+ 1 + α2 − 1

= ∫e−x/L

α+ 1+α2 1α du

1 −

u − 1 + α2

2= ωct

Mit der Substitution erhält das Integral die Formw = 1α

u − 1 + α2

∫ 1α

e−x/L− 1+α2

1 1

1 + w2dw = ωct

200

und läßt sich integrieren

−arcsin

e−x/L − 1 + α2

+ arcsin1 = ωct

arcsin

e−x/L − 1 + α2

= π2

− ωct

ex/L = 1

1 + α2 + α cos (ωct)

Aus dem Energiesatz (Gl (H.1)) läßt sich vy berechnen

vy(t) = εv⊥

1 + 1

α

−α + 1 + α2 − 1

1 + α2 + α cosωct

= εv⊥

1 + 1

α−α 1 + α2 + 1 + α2 − α2cosωct + α 1 + α2 cosωct − 1

1 + α2 + α cosωct

= εv⊥

1 +

− 1 + α2 + α − α cosωct + 1 + α2 cos ωct

1 + α2 + α cosωct

= εv⊥1 + α2 + α cosωct − 1 + α2 + α − α cosωct + 1 + α2 cos ωct

1 + α2 + α cosωct

= εv⊥α + 1 + α2 cosωct

1 + α2 + α cosωct

= εv⊥α

α 2 + 1 + α2 α cosωct + 1 + α2

− (1 + α2)

1 + α2 + α cosωct

vy(t) = εv⊥α

1 + α2 − 1

1 + α2 + α cosωct

Die Geschwindigkeit in y - Richtung unterscheidet sich von der in x - Richtung durch den kon-

stanten additiven Term. Dies hat zur Folge, daß, während die Bahn bezüglich der x - Richtung

periodisch, also geschlossen ist, sie in y - Richtung fortschreitet. In einer Periode hatTc = 2πω

das Teilchen die Strecke ∆y zurückgelegt.

201

Abb. H.3: Die Bahn hat Ähnlichkeit mit einer

Zykloide

∆y = ∫2π/ωc

vy(t)dt

= εv⊥α

1 + α2 2π

ωc− ∫0

2π/ωc 1

1 + α2 + α cos ωctdt

εv⊥α

2πωc

1 + α2 − 2ωc ∫0

π 1

1 + α2 + α cosϕdϕ

Das Integral ergibt genau π, ist also unabhängig von α. Insgesamt ergibt sich also

∆y = εv⊥α Tc

1 + α2 − 1

und die mittlere Geschwindigkeit in y - Richtung, d.h. die Driftgeschwindigkeit

uD =∆yTc

= εv⊥α

1 + α2 − 1

= εv⊥α

α 2

1 + 1 + α2

= εv⊥2

ωcL 1 + 1 + α2

für α2 << 1, d.h. rc << L wird hieraus

uD = 12

εvv⊥

2

ωcL

Diese Geschwindigkeit ergibt sich als gleich mit dem aus der Driftnäherung gewonnenen Wert.

Der recht verwickelte Rechengang bei diesem speziell wegen seiner Einfachheit bei der Bear-

beitung ausgesuchten Problem läßt erahnen, daß es völlig hoffnungslos ist, nach einer allge-

meinen Lösung für das inhomogene Problem zu suchen. Man ist daher auf Näherungsverfah-

ren wie z.B. die Driftnäherung angewiesen.

202

2. Kontrollierte Kernfusion

a) Einleitung

Das Ziel der Forschung zur kontrollierten Kernfusion ist der Bau eines Reaktors, in dem durch

Fusion der Wasserstoffisotope zu Helium Energie gewonnen wird. Dies ist möglich, da die

Bindungsenergie pro Nukleon (BE) in Abhängigkeit von der Kernladungszahl ein Maximum

bei Kernladungszahlen von etwa 25 (d.h. bei dem Element Eisen) aufweist. Durch Kernspal-

tung gewinnt man Energie dadurch, daß der Beitrag durch elektrostatische Abstoßung von

Elementen hoher Kernladungszahl zu solchen mittlerer Kernladungszahl kleiner wird, bei Fusi-

on dadurch, daß der Oberflächenbeitrag bei größeren Kernen kleiner wird. (Aus dem gleichen

Grund wachsen Wassertröpfchen im Nebel!)

Abb. H.5: Die Bindungsenergie pro Nukleon in Abhän-

gigkeit von der Kernladungszahl

b) Kernphysikalische Grundlagen

α) Fusionsreaktionen

Von den zahlreichen möglichen Fusionsreaktionen werden im folgenden die für die Energiege-

winnung wichtigsten aufgezählt:

D + D → Τ(1,01 MeV) + p(3,02 MeV)

→ He3(0,83 MeV) + n(2,45 MeV)

Diese beiden Kanäle sind im thermischen Plasma etwa gleich häufig

D + T → He4(3,5 MeV) + n(14,1 MeV)

D + He3 → He4(0,6 MeV) + p(14,1 MeV)

T + T → He4 + 2n + 11,3 MeV

p, D, und T sind die drei Isotope des Wasserstoffs mit den Massenzahlen 1,2 und 3. Tritium

zerfällt über den β - Zerfall mit einer Halbwertszeit von 12,3 Jahren. Es kommt natürlich in der

Atmosphäre vor, wo es durch kosmische Strahlung gebildet wird. Für die Anwendung als

Energielieferant müßte man es in einer Brutreaktion herstellen. Deuterium ist mit einem

203

Massenprozentsatz von 17ppm = 0,017 Promille im natürlichen Wasser vorhanden und billig

extrahierbar.

Als Brutreaktionen für Tritium kommen in frage:

n + Li6 → He4 + T + 4,8 MeV

n+Li7 → He4 + T + n´ - 7,47 MeV

Ein mit Tritium arbeitender Reaktor wird also Litium als Primärbrennstoff verbrauchen.

Es gibt außer den hier angeführten Fusionsreaktionen noch einige exotische wie solche, die ei-

ne bestimmte Polarisierung der Stoßpartner benötigen, oder die Myonen katalysierte Fusion.

Diese werden aber zur Zeit nicht ernsthaft verfolgt.

β) Querschnitte

Abb. H.5: Das Potential eines Wasserstoffkerns in Ab-

hängigkeit des Stoßpartners gleicht einem Vulkankrater

Wegen der elektrostatischen Abstoßung der Kerne müssen die Stoßpartner vor dem Stoß ge-

nügend kinetische Energie aufweisen. Klassisch muß die Potentialschwelle überwunden wer-

den, die das Coulombpotential am Kernradius annimmt. Dies sind etwa 280 keV, was einer

Temperatur von 2,8 109 K entspricht. In Wirklichkeit wird die Schwelle durchtunnelt und es

gibt eine merkliche Reaktionsrate bei kleineren Energien. Die Reaktionswahrscheinlichkeit

drückt man über den Wirkungsquerschnitt σ aus (s. Kap. E). Die Stoßfrequenz eines Teilchens

der Geschwindigkeit v mit einem Gas aus n Feldteilchen pro Volumen ist ν = σvn. Die Not-

wendigkeit hoher Energie der reagierenden Teilchen schlägt sich in der Temperaturabhängig-

keit der Ratenkoeffizienten <σv> nieder (Abb. H.6). <σv> steigt in dem interessierenden

204

Bereich exponentiell mit der Temperatur, wobei die Werte für die DT Reaktion bei sehr viel

Abb. H.6: Die Ratenkoeffizienten der wichtigsten Fusi-

onsreaktionen der Wasserstoffisotope

kleineren Temperaturen merkliche Größe annehmen als für die DD Reaktion. In der ersten Ge-

neration von Reaktoren wird daher mit Sicherheit die DT Reaktion ausgenutzt.

Die Coulombquerschnitte sind wesentlich größer als die Querschnitte für Fusion. Dies bedeu-

tet, daß jeder Reaktionspartner im Mittel eine ganze Reihe (~20) von Coulombstößen erlei-

det, bevor er eine Fusionsreaktion auslöst. In einem Experiment, in dem ein Teilchenstrahl et-

wa aus einem Beschleuniger auf ein Target geschossen wird, führt das dazu, daß jedes Strahl-

teilchen seine Energie durch Coulombstöße abgegeben hat, bevor es eine Chance für Fusion

bekommt. Der Ausweg ist ein thermisches Plasma, in dem die Energie der Stoßpartner erhal-

ten bleibt. Alle Versuche zur Kernfusion gehen daher von einem thermischen Plasma aus.

c) Minimalkriterien

α) Zündtemperatur

Abb. H.7: Zur Definition der Zündtemperatur

Betrachtet man die Energiedichte im Plasma in Abhängigkeit von der Temperatur, so stellt

man fest, daß sowohl die Leistungsdichte durch Kernreaktionen wie die durch Bremsstrahlung

mit der Temperatur steigen. Die Leistungsdichte durch Fusionsreaktionen steigt allerdings

205

schneller als die durch Bremsstrahlung, so daß bei einer gewissen Temperatur Tz beide Werte

gleich sind. Tz nennt man die Zündtemperatur. Für T > Tz wird mehr Fusionsleistung frei als

Bremsstrahlung verloren geht. Für die DT Reaktion liegt Tz bei etwa 5keV. Ein etwas besseres

Kriterium verlangt, daß die durch die He - Teilchen freigesetzte Energie (α - Heizung) die

Verluste aufwiegt.

β) Das Lawsonkriterium

Eine grobe Abschätzung der Leistungsbilanz führt zu einem Kriterium für die Mindestgröße

von nτ, wobei n die Elektronendichte, τ die Energieeinschlußzeit ist, also die Zeit, in der ein

wesentlicher Teil der Energie des Plasmas verlorengeht.

Die thermische Energiedichte ist W = 3nkT = A(T)n

Leistungsdichte der Bremsstrahlung PB = αn2T1/2 = B(T)n2

Leistungsdichte Fusionsreaktionen PR = n2<σv>Q/4 = C(T)n2

(Der Exponent bei n gibt die Anzahl der beteiligten Teilchen wieder, wie in der Ableitung des

Massenwirkungsgesetzes im ersten Kapitel gezeigt. Bei PR ist Q die Reaktionsrate pro Stoß.

Da die Anzahl der Deuterium bzw. Tritiumkerne (1/2)n ist, ergibt sich ein Faktor 1/4.)

Wenn man sich vorstellt, daß eine gewisse thermische Energie aufgebracht werden muß, und

über die Einschlußzeit τ eine Bremsstrahlungsleistung aufrecht erhalten wird, daß diese Ener-

gie zuzüglich der Reaktionsenergie, die über die Zeit τ angefallen ist, mit einem Wirkungsgrad

η zurückgewonnen werden kann, so ergibt sich folgende Energiebilanz:

aufgewandte Energie: W + PBτ

zurückgewonnene Energie: η(W + PB + PRτ)

An + Bn2τ = η(An + Bn2τ + Cn2τ)

nτ(B - ηB - ηC) < (η - 1)A

neτ > Aη

1−ηC − B= 3kT

η1−η

⟨σv⟩Q4 − αT1/2

Die Funktion (nτ) = f(T) ist in Abb. H.7 dargestellt. Sie hat ein Minimum bei etwa T = 20 keV.

Für η = 0,3 erhält man die Bedingung

neτ > 1020sm−3

206

Diese Bedingung nennt man Lawson Kriterium. Wegen der zusätzlichen Verluste und dem

notwendigen Energieüberschuß bei Energieerzeugung wird ein höherer Grenzwert anzusetzen

sein.

Abb. H.8: Das Produkt nτ muß einen Mindestwert

übersteigen

d) Techniken zum Plasmaeinschluß

α) Einleitung

Das Lawsonkriterium besagt, daß Dichte mal Einschlußzeit einen gewissen Wert übersteigen

muß. Im Prinzip hat man einen Parameter zur freien Wahl. Es zeigt sich jedoch, daß nur zwei

Grenzfälle praktikabel sind:

i. Die Dichte ist oberhalb der Festkörperdichte. Die Einschlußzeit kann dann so kurz gewählt

werden, daß während der Aufheizphase die Teilchen aufgrund ihrer Massenträgheit nicht aus-

einanderfliegen. Dieses Gebiet ist das des Trägheitseinschlusses. Die Leistung zur Aufheizung

wird zumeist von Lasern aufgebracht.

ii. Das zweite Gebiet ist das des magnetischen Einschlusses. Hier ist die Dichte so klein, daß

bei der erforderlichen Temperatur ein Plasmadruck entsteht, der mit handhabbaren Magnetfel-

dern (B < 10T) aufgefangen werden kann.

β) Trägheitseinschluß

Trägheitseinschluß bedeutet t ~ r/vtherm , wobei t die Experimentdauer, r der Plasmaradius,

vtherm die thermische Geschwindigkeit bei Fusionsbedingungen ist. Das Lawsonkriterium besagt

t ~ 1/n. Daraus folgt, daß r ~ 1/n und der Energieinhalt des Plasmas Wtherm ~ r3n ~ 1/n2 geht.

Man erkennt, daß man möglichst hohe Teilchendichten n erreichen muß, um mit wenig Ener-

gie für die Heizung auszukommen. Mit der aufzuwendenden Energie ist übrigens auch die ab-

gegebene Energie verknüpft, da man bei der Zündung beide Energien gleich groß hat. Bei ei-

ner Temperatur von 20 keV und ne = 1027 m-3 ergibt sich mit den obigen Formeln r = 0,01m

207

und Wtherm = 1010J. Dieser Energiewert überschreitet alles, was von Lasern aufbringbar ist oder

in einem Reaktor handbar ist, um Größenordnungen. Man muß daher die Ausgangssubstanz,

z.B. ein Kügelchen von festem Wasserstoff, über Festkörperdichte komprimieren. Bei ne =

1030m-3 erhält man r = 10µm und WT = 104 Joule und gelangt damit in die Größenordnung von

Laserenergien. Die Kompression um den Faktor 103 soll bei der Laserfusion durch die Strah-

lung selbst erfolgen. Theoretisch ist dies durch den Strahlungsdruck möglich, aber bisher nicht

realisiert.

Ein Fusionsreaktor auf der Grundlage der Laserfusion hat folgende Vorteile:

i. Es ist kein kompliziertes Magnetsystem erforderlich.

ii. Es ist keine Brennstoffumwälzung im Plasma notwendig.

iii. Es sind kleinere Kraftwerkseinheiten möglich.

Die Probleme:

i. Ausreichende Kompression wurde bisher nicht erreicht.

ii. Laser mit erforderlichem Wirkungsgrad, Leistung, Wellenlänge und Zuverlässigkeit

stehen nicht zur Verfügung. Der Puls müßte, um Kompression zu erreichen, einen be-

stimmten Zeitverlauf im Pikosekundenbereich haben.

iii. Die Belastung der optischen Komponenten ist schwer beherrschbar.

γ) Magnetischer Einschluß

Die ersten Fusionsexperimente nutzten den Pincheffekt aus. Mit einer Abwandlung des z -

Pinch, dem Plasmafokus, kann tatsächlich in verhältnismäßig kleinen Apparaturen ein Plasma

mit Fusionstemperaturen und - dichten erzeugt werden. Der Plasmafokus ist sogar als alterna-

tive Neutronenquelle in Betracht gezogen worden. Die Neutronen entstammen

Fusionsreaktionen. Für die Extrapolation zum Energie liefernden Reaktor sind Pinchexperi-

mente nicht geeignet, da sie äußerst instabil sind und da sie keine vollkommenen Plasmafallen

darstellen, d.h. daß sie inhärent ähnlich wie die Spiegelmaschinen räumliche Gebiete aufwei-

sen, an denen das Plasma austreten kann.

Die einfachste vollkommene Plasmafalle ist der axialsymmetrische Torus. Maschinen, die auf

ihm aufbauen, heißen Tokamaks. Der axialsymmetrische Torus benötigt einen im Plasma flie-

ßenden toroidalen Strom (s. Kap. H.3). Will man ohne einen derartigen Strom auskommen,

muß man von der Axialsymmetrie abweichen. Entsprechende Maschinen heißen Stellerator.

208

Stabilität des Tokamak

Stabilität und Gleichgewicht wird im Tokamak im wesentlichen beherrscht. Wir hatten gese-

hen, daß der reine z - Pinch instabil ist und sich durch ein überlagertes B - Feld in Achsenrich-

tung stabilisieren läßt. Dieses Verhalten läßt sich auf den Tokamak übertragen: Wenn der to-

roidale Strom eine gewisse Grenze überschreitet, wird der Tokamak instabil (daher der Name:

Maschine mit maximalem Strom). Die Grenze wird durch die Kruskal Shafranov Bedingung

gegeben, die besagt, daß eine Magnetfeldlinie bei einmaliger Umrundung des großen Umfangs

weniger als einmal den kleinen Umfang umlaufen darf. Die ganzzahligen Werte 1,2 und 3 für

dieses Verhältnis der Umläufe führen zu Instabilitäten. Geschlossene Flußröhren oder Inseln

sondern einen Teil des Plasmas vom Hintergrund ab und führen zu einer Verselbständigung

dieses Teilplasmas, was häufig in Instabilitäten endet.

Neben dieser Hauptinstabilität des Plasmas im Torus gibt es eine Reihe anderer Instabilitäten,

die entweder zu einem schnellen vollständigen Verlust des Plasmas führen können (Disrupti-

ons) oder sich selbst stabilisieren und zu regelmäßigen Oszillationen führen (Sägezahnschwin-

gungen). Die Mechanismen sind nicht immer hinreichend geklärt.

Das Problem der Heizung im Tokamak

Der Tokamak wird durch ohmsche Heizung durch den toroidalen Strom auf eine Temperatur

von etwa 1keV geheizt. Da die Leitfähigkeit mit der Temperatur steigt, wird die Heizung mit

steigender Temperatur ineffektiver. Um die Temperatur über 1keV anzuheben, müssen zusätz-

liche Methoden zur Plasmaheizung angewandt werden. Von den verschiedenen Heizmethoden

haben sich zwei als praktikabel herausgebildet:

i. Die Heizung mit Neutralteilchenstrahlen

ii. Wellenheizung

Bei der Neutralteilchenheizung werden geladene Teilchen beschleunigt, in Umladungszellen

neutralisiert, als Neutralteilchen durch das Magnetfeld geschleust und im Plasma wieder ioni-

siert. Sie bringen ihre kinetische Energie ins Plasma ein, die dann thermalisiert werden muß.

Bei der Wellenheizung nutzt man aus, daß Wellen auch bei hoher Leitfähigkeit des Mediums

ihre Felder in das Plasmainnere transportieren können (Was im Festkörper der Skineffekt ver-

hindert). Durch verschiedene resonante Effekte im Plasma, z.B. die Elektronen- oder Ionenzy-

klotronfrequenz, kann Energie auf Plasmateilchen übertragen werden.

209

Das Wandproblem

Die Belastung der ersten Wand durch Strahlung und Teilchenbeschuß führt zur Freisetzung

von Atomen aus der Wand. Diese haben gewöhnlich eine hohe Kernladungszahl Z, was zu ei-

ner erhöhten Abstrahlung von Bremsstrahlung führt und zu einer Erhöhten Energieaufnahme

durch diese Teilchen bei ihrer Z fachen Ionisation. Diese Verunreinigungsatome führen also zu

einer Erniedrigung der Temperatur, außerdem dadurch, daß sie die Plasmaleitfähigkeit herab-

setzen, zu einer Erniedrigung der Einschlußzeit. Bei einem Reaktor ergibt sich darüberhinaus

das Problem der Lebensdauer der Wand im Langzeitbetrieb. Im schlimmsten Fall wird bei

Plasmakontakt die erste Wand zerstört. Das einfachste Verfahren, den Wandkontakt zu redu-

zieren, ist die Einführung einer Blende, die den Plasmaradius begrenzt. Dadurch ist der Wand-

kontakt zwar nicht vermieden aber an einer definierten Stelle. Die Blende kann so konstruiert

werden, daß sie der Belastung standhält, oder bei Beschädigung ausgebaut werden kann. Die-

se Blende heißt Limiter. Bei den modernen Experimenten berührt der Limiter den Plasmarand

nur über eine kleine Distanz in poloidaler bzw toroidaler Richtung.

Ein magnetischer Limiter oder Divertor ist eine Magnetfeldkonfiguration, bei der Magnetfeld-

linien, die den Plasmarand umgeben, an einer Stelle aus dem Entladungsgefäß herausgezogen

und in eine Pumpkammer geführt werden, wo die entlang dem Magnetfeld fließenden Teilchen

auf einer Prallplatte neutralisiert werden. Verunreinigungen, die in die Randzone gelangen,

Abb. H.9: Poloidale Magnetfeldkonfiguration beim

Divertor

können so abgepumpt werden. Eine ähnliche Vorrichtung soll bei einem Reaktor zur Abfüh-

rung der bei der Fusion entstandenen α - Teilchen verwendet werden.

Eine Erhebliche Verbesserung bezüglich der Plasmaverunreinigung konnte durch eine Be-

schichtung der Wand mit niedrig Z Materialien wie Kohlenstoff, Bor oder Beryllium erreicht

werden. Den Verunreinigungsgrad mißt man an einer gemittelten Kernladungszahl Zeff. Wäh-

rend frühere Experimente typischerweise Zeff ~ 5 aufwiesen, erreicht man in heutigen Zeff ~ 1,2,

wodurch Temperaturen bis 20 keV ermöglicht werden. Nach einer Betriebszeit von 1 - 2 Se-

kunden steigt der Verunreinigungsgrad und das Plasma kühlt ab.

210

3. Die Grad - Shafranov Gleichung

a) Einleitung

Die Grad - Shafranov Gleichung ist eine Differentialgleichung für die Flußfunktion Ψ(r,z) im

MHD Gleichgewicht. Sie gestattet es bei Berücksichtigung der geeigneten Randbedingungen

die Form und Lage der Flußflächen Ψ(r,z) = const. für eine axialsymmetrische Konfiguration

im Gleichgewicht zu berechnen.

Ausgangspunkt sind die Grundgleichungen für den magnetischen Einschluß

j × B = ∇ p

rotB = µ0j

divB = 0

Da Axialsymmetrie vorliegen soll, sind alle Größen nur von r und z abhängig. Um die Bezie-

hung divB = 0 auszunutzen, wird der Ansatz B = rota gemacht, worin a das Vektorpotential

ist. Mit hat man∂∂ϕ

= 0

Br = − ∂∂z

Bϕ = ∂∂z

ar − ∂∂r

az

Bz = 1r

∂∂r

raϕ

Die Komponenten von B und damit auch die von j können durch die zwei Variabeln Bϕ und aϕ

ausgedrückt werden.

b) Die Flußfunktion Ψ(r,z) und die Stromfunktion I(r,z)

Abb. H.10: Das r und z im Argument der Flußfunktion

bezieht sich auf Radius eines Kreises auf der Flußfläche

und Lage seines Mittelpunktes

211

Ψ(r,z) ist, wie wir gelernt haben, der gesamte Fluß des Magnetfeldes, der durch einen Kreis

mit festem r geht, dessen Mittelpunkt auf der z - Achse bei z liegt.

Ψ(r, z) = ∫r

BzdA = 2π∫r

Bzrdr

Entsprechend definiert man die Stromfunktion I(r,z) als den Gesamtstrom durch diesen Kreis

I(r, z) = ∫r

jzdA = 2π∫r

jzrdr

c) Zurückführen der Felder und Ströme auf Ψ und I

Die Grundgleichungen des Gleichgewichts werden nun umgeschrieben, indem j und B durch

Ψ und I ausgedrückt werden. Da alle Größen durch aϕ und Bϕ ausgedrückt werden können,

werden zunächst aϕ und Bϕ aus I und Ψ berechnet. Aus der Definition von Ψ erhält man

Ψ =∫r

rota • dA = ∫ a • ds = 2πraϕ

Die Integration wird über den durch r und z definierten Kreis ausgeführt. Analog ergibt sich

füt I:

µ0I = ∫r

rotB • dA = 2πrBϕ

Die gewünschten Beziehungen sind also

aϕ = 12πr

Ψ(r, z)

Bϕ =µ0

2πrI(r, z)

Aus der Definition des Vektorpotentials erhält man

Br = −∂aϕ

∂z= − 1

2πr∂Ψ∂z

212

Bz = 1r

∂∂r

raϕ = 12πr

∂Ψ∂r

Aus rotB = µ0j ergibt sich dann

µ0jr = − ∂∂z

Bϕ = −µ0

2πr∂I∂z jr = − 1

2πr∂I∂z

µ0jϕ = ∂∂z

Br − ∂∂r

Bz = − 12πr

∂2Ψ∂ 2

− 12π

∂∂r

1r

∂Ψ∂r

= − 12πr

∂2Ψ∂ 2

+ r ∂∂r

1r

∂Ψ∂r

Mit dem Differentialoperator wird hierausD = ∂2

∂ 2+ r ∂

∂r1r

∂∂r

(H. 2)µ0jϕ = − 12πr

µ0jz = 1r

∂∂r

rBϕ =µ0

2πr∂∂r

I

µ0jz = 12πr

∂∂r

I

d) Die Gleichgewichtsgleichung

Die gewonnenen Beziehungen für B und j werden in die Gleichgewichtsbeziehung j × B = ∇ p

eingesetzt. Die linke Seite ergibt

r Komponente: jϕBz − jzBϕ = − 1µ04π2r2

DΨ∂Ψ∂r

−µ0

4π2r2I∂I∂r

z Komponente: jrBϕ − jϕBr = −µ0

4π2r2I∂I∂z

− 1µ04πr2

∂Ψ∂z

Definiert man den zweidimensionalen Gradienten

∂∂r∂∂z

= ∇

213

so lassen sich die beiden Gleichungen der Gleichgewichtsbeziehung zu einer Vektorgleichung

zusammenfassen.

− 14π2r2

1µ0

DΨ∇Ψ + µ 0I∇ I = ∇ p

Jeder Flußfläche kann ein bestimmter Wert der Funktionen Ψ, I und p zugeordnet werden.

Daher lassen sich I und p auch als Funktionen von Ψ auffassen.

I = I(Ψ), p = p(Ψ)

und damit ∇ I = dIdΨ

∇Ψ , ∇ p = dpdΨ

∇Ψ

Dies in die vorher gewonnene Form der Gleichgewichtsbedingung eingesetzt ergibt nach Mul-

tiplikation mit -4πr2µ0 die Grad - Shafranov - Gleichung.

−DΨ∇Ψ − µ 02I dI

dΨ∇Ψ = 4π2r2µ0

dpdΨ

∇Ψ

DΨ + µ02I dI

dΨ= −4π2r2µ0

dpdΨ

∇Ψ

DΨ = A(Ψ)r2 + B(Ψ)

mit undA(Ψ) = −4π2µ0dpdΨ

B(Ψ) = µ02I dI

A(Ψ) und B(Ψ) sind willkürliche Funktionen, die die Verteilung von p und j auf die Flußflä-

chen angeben. Diese Funktionen folgen nicht aus der Theorie, sondern sind willkürlich wähl-

bar. Die Willkürlichkeit rührt daher, daß alle Dissipationsprozesse, die letztendlich die Vertei-

lungen bestimmen, vernachlässigt wurden. Man beachte, daß es nicht ungewöhnlich ist, daß in

Problemen mit partiellen Differentialgleichungen willkürliche Funktionen auftauchen, wie z. B.

in der Lösung der Wellengleichung. Wenn man A(Ψ) und B(Ψ) angibt, läßt sich die Grad -

Shafranov - Gleichung mit geeigneten Randbedingungen lösen. A(Ψ) und B(Ψ) bestimmen die

214

Profilform von p(r,z), B(r,z), und j(r,z). Das Verfahren funktioniert deshalb, weil die Lage und

Form des Plasmas, die gleich der Form der Flußflächen ist, bei vorgegebenen äußeren Strömen

nicht sehr empfindlich von der genauen Form der Profile abhängt. Man kann also irgendein mit

Beobachtungen konsistentes Druck - und Stromprofil wählen und erhält in erster Näherung die

Lage des Plasmas. Die Lösung der Grad - Shafranov - Gleichung erfolgt im allgemeinen mit

speziellen Computercodes. Es gibt eine analytische Lösung der Grad - Shafranov - Gleichung

für eine spezielle Wahl von A und B, das Solovev - Gleichgewicht, das im übernächsten Ab-

schnitt kurz behandelt wird.

e) Axialsymmetrischer Einschlusses ohne toroidalen Strom im Plasma ?

Die linke Seite der Grad - Shafranov - Gleichung ist identisch mit -2πrjϕ . Es folgt für jϕ = 0

B(Ψ)/A(Ψ) = -r2

In diesem Fall ist Ψ also nur eine Funktion von r. Für konstantes Ψ ist also auch r konstant,

d.h. die Flußflächen sind Zylinderflächen und ergeben keine toroidale Einschlußkonfiguration.

f) Das Solovev - Gleichgewicht

Wählt man speziell nach Solovev

A = const., B = 0

wird die Grad - Shafranov Gleichung

.

∂2

∂ 2− 1

r∂∂r

+ ∂2

∂ 2 Ψ = Ar2

Wie man leicht nachprüft, wird diese Gleichung durch Ψ = ar2 + br4 +cz2r2 gelöst, wenn 8b +

2c = A ist. Zur besseren Interpretation schreibt man diese Funktion in der Form

Ψ = Ψ0r2

4 (2R2 − r2 − α2z2)

Für r = R und z = 0 wird Ψ = Ψ0. Ψ0 ist also der Wert der Flußfunktion auf der Seele des To-

rus. Ψ = 0 ist einen spezielle Flußfläche, die ellipsoidale Form hat, wobei α = 1 den Sonderfall

215

einer Kugel darstellt. Innerhalb dieser "Seperatrix" schließen sich alle Flußflächen, denn Ψ = 0

heißt, daß innerhalb dieser Fläche der positive Fluß gleich dem negativen ist. In der Umgebung

Abb. H.11: Die Flußflächen der Solovev Lösung der Grad -

Shafranov - Gleichung für α = 1.

der Seele bei r = R und z = 0 haben die poloidalen Schnitte der Flußfläche die Form von Ellip-

sen mit dem Sonderfall α = 1, bei dem sich Kreise ergeben.

Jede Flußfläche kann als Plasmaoberfläche aufgefaßt werden. Man wählt die Integrationskon-

stante so, daß an der Plasmaoberfläche p = 0 wird. Außerhalb der Plasmaoberfläche gilt die

gleiche Differentialgleichung wie innerhalb, aber mit jϕ = 0. Die Solovev Lösung ist auf das

Plasmainnere beschränkt.

216

4. Berechnung der Plasmaleitfähigkeit über den Fokker - Planck

Stoßterm.

a) Geschwindigkeits - Relaxationszeit

Ausgangspunkt ist die Bewegungsgleichung für eine Teilchensorte in der 5 - Momentennähe-

rung (Gl. (G.18)):

.mana

∂∂t

+ va • ∂∂r

va = − ∂

∂r(nakT) + naqa(E + v × B) + fa,R

Diese wird angewandt auf den Spezialfall eines homogenen, magnetfeldfreien Plasmas (B = 0)

mit einer Sorte einfach geladener Ionen (qi = e, ni = ne). Dann vereinfacht sich diese Gleichung

zu

(H.19)ddt

va(t) − qa

maE = 1

namafa,R

Für kleine Relativgeschwindigkeiten zwischen Elektronen und Ionen (ve - vi ) wird die Rei-

bungskraft proportional zur Relativgeschwindigkeit sein

(H.20)1nama

fR = − 1τ ei

(ve − v i)

τei ist die Elektronen - Geschwindigkeitsrelaxationszeit, d.h. die charakteristische Zeit nach der

die Geschwindigkeit ve0 - vi durch Elektronen - Ionen Stöße abklingt. Dies erkennt man an Gl.

(H.19) für E = 0 und vi = const. Dafür gilt nämlich

mit der Lösungddt

ve(t) = 1τ ei

(ve − v i)

ve(t) = v i +(ve − v i)e−t/τ ei

b) Zusammenhang von Relaxationszeit und Leitfähigkeit

Gleichung (H.19) wird für für die beiden TeilchensortenE ≠ 0

ddt

ve(t) + eme

E = 1neme

fe,R

217

ddt

v i(t) − emi

E = − 1nimi

fe,R

Wegen actio = rectio sind die Reibungskräfte gleich. Durch Substitution beider Gleichungen

erhält man

ddt

(ve − v i) +

1me

+ 1mi

eE = 1

ne

1me

+ 1mi

fe,R

Durch Einführen der reduzierten Masse

mab = mamb

m + m

und der Definition von τei (Gl. H.20) wird hieraus

ddt

(ve − v i) + emei

E = − 1τ ei

memi

(ve − v i)

Für Zeiten t >> τei verschwindet der erste Term (s. letzte Gleichung im vorigen Abschnitt)

(ve − v i) = − eme

τ eiE

da folgtj = −neeve + niev i = −nee(ve − v i) = nee2

meτ eiE = σE

(H.21)σ = nee2

meτ ei

c) Berechnung von fa,R

α)fa,R wird durch den Fokker - Planck Stoßterm ausgedrückt

Die Berechnung von σ erfolgt also über τei und die von τei über die Reibungskraft Gleichung

(H.20) mit Hilfe des Fokker - Planck - Stoßterms. Die Dichte der auf die a - Komponente wir-

kenden Reibungskraft ist (s. Gl. G16)

fa,R = ma∫ v∂fa

∂t d3v

= Σb

Cab∫ d3vv ∂∂v

• ∫ d3v/ ∂2 v − v /

∂vv•

1

ma

∂fa

∂vfb(v /) − 1

mbfa(v)∂fb

∂v /

218

Der Term unter der Summe wird mit fab abgekürzt, so daß . Außerdem wird dasfa,R = Σb

fab

zweite Integral vorübergehend mit (I) abgekürzt.

(I) = ∫ d3v/ ∂2 v − v /

∂vv•

1

ma

∂fa

∂vfb(v /) − 1

mbfa(v)∂fb

∂v /

fab kann vereinfacht werden:

fab = CabΣi,j

e i∫ d3vvi∂

∂vi(I) j

= CabΣi,j

e i∫ d3v

∂∂vj

vi(I) j

− δij(I) j

= −CabΣi

e i∫ d3v(I) i

= −Cab∫ d3v(I)

(H.22)fab = −Cab∫ d3v∫ d3v/ ∂2 v − v /

∂vv•

1

ma

∂fa

∂vfb(v /) − 1

mbfa(v)∂fb

∂v /

Durch Vertauschen der Indizes ab und der Substitution kann man zeigen, daßv → v /

und daher faa = 0, und damitfab = −fab

.Σa

fa,R = Σa,b

fab = 0

β) fab in der 5 - Momentennäherung

In der 5 - Momentennäherung werden die Verteilungsfunktionen als maxwellsch angenommen

fa(v) = na

π3/2V3e−(v−va)2/Va

2

fb(v /) = nb

π3/2Vb3e−(v /−vb)

2/Vb

2

Die Temperaturen sollen gleich sein: Ta = Tb = T. Dann wird die Klammer im Integranden

von Gl. (H.22)

219

1ma

∂fa

∂vfb(v/) − 1

mbfa(v)∂fb

∂v /=

−2

v − va

maVa2

+ 2v / − vb

mbVb2

fa(v)fb(v /)

= 1kT

(−(v − v /) + va − vb)fa(v)fb(v /)

Beachtet man außerdem (s. Abschnitt 2.c.β), daß

∂2 v − v /

∂v∂v• (v − v /) = 0

erhält man aus Gl. (H.22)

fab = −Cab∫ d3v∫ d3v/ ∂2 v − v /

∂v∂vfa(v)fb(v /) • (va − vb) 1

kT

(va - vb) steht als Faktor vor dem Integral. Im Grenzfall kleiner Relativgeschwindigkeiten wür-

de also ein Term va - vb innerhalb des Integrals zu Termen führen, die von 2. Ordnung klein

sind. In den Verteilungsfunktionen fa und fb unter dem Integral wird deshalb va = vb = 0

gesetzt.

fab = −Cab

kTnanb

π3Va3Vb

3 ∫ d3vd3v/ ∂2 v − v /

∂v∂v /e−v2/Va

2−v/2/Vb2• (va − vb)

Das Integral wird mit abgekürzt. Die folgende Rechnung konzentriert sich dann auf dieses=I

Integral.

(H.23)fab = −Cab

kTnanb

π3Va3V3

=I • (va − vb)

γ) ist bis auf einen Faktor gleich der Einheitsmatrix=I

Nach Gleichung (G.14) gilt

Iij = ∫ d3v∫ d3v/

1v − v /

δij −(vi − vi

/) vj − vj/

v − v / 3

e−v2/Va2−v/2/Vb

2

Man erkennt, daß für i ≠ j

220

∫ d3v∫ d3v/(vi − vi

/) vj − vj/

v − v 3e−v2/Va

2−v/2/Vb2

= 0

Es bleiben also nur die Diagonalelemente übrig

Iij = δij∫ d3vd3v/ (vi − vi/)

2

v − v / 3e−v2/Va

2−v/2/Vb2

Die verbleibenden Elemente mit unterschiedlichem i sind alle gleich. Daher kann man schreiben

Iij = 13

δij∫ d3v∫ d3v/ v − v / 2

v − v / 3e−v2/Va

2−v/2/Vb2

= ∫ d3v∫ d3v/ 1v − v /

13

δije−v2/Va2−v/2/Vb

2

=I = 2

3

=1 ∫ d3v∫ d3v/ 1

v − v/e−v2/Va

2−v/2/Vb2

In Gl (H.23) kann also der Vektor (va - vb) mit der Einheitsmatrix ausmultipliziert werden

(H.24)fab = −Cab

kTnanb

π3Va3Vb

3(va − vb)2

3I

Worin I das verbleibende Integral ist

I = ∫ d3v∫ d3v/ 1v − v /

e−v2/Va2−v/2/Vb

2

δ) Berechnung von I

Zur Berechnung des Integrals wird substituiert u = v´ - v, d.h. v´ = v + u. Zur Abkürzung wird

außerdem gesetzt 1/Va2 = α, 1/Vb

2 = β. Damit schreibt sich das Integral

I = ∫ d3v∫ d3u1ue−αv2−β(v+u)2

= ∫ d3u1ue−βu2∫ d3ve−(α+β)v2−2β•v

221

= ∫ d3u1ue−βu2∫ ∫ ∫−∞

+∞dvxdvydvze

−(α+β) vx2+vy

2+vz2 −2β(uxvx+uyvy+uzvz)

Das Integral läßt sich also für jede der Integrationsvariable ausrechnen, z.B. für dvx:

∫−∞

+∞e−(α+β)vx

2−2βuxvx dvx = ∫−∞

+∞e−(α+β) vx

2+2βuxvx/(α+β) dvx

= ∫−∞

+∞e−(α+β)(vx+βux/(α+β))2

dvxeβ2ux2/(α+β)

πα + β

eβ2ux2/(α+β)

Für das Integral über alle drei Komponenten ergibt sich damit

∫ d3ve−(α+β)v2−2βu•v =

πα + β

3/2

e+β2

ux2+uy

2+uz2 /(α+β)

I = ∫ d3u1ue−βu2

π

α + β

3/2

e+β2u2/(α+β)

=

πα + β

3/2

4π∫0

∞ue−αβu2/(α+β)du

=

πα + β

3/2

4πα + βαβ ∫0

∞xe−x2

dx

Das Integral ergibt den Wert 1/2. Insgesamt erhält man also

I = 2 π5/2

(αβ)3/2

αβα + β

= 2π5/2Va

3Vb3

Va2 + Vb

2

ε) Ergebnisse

Durch Einsetzen von I in die Gleichung (H.24) erhält man

fab = −Cab

kTnanb

π3Va3Vb

3(va − vb)4

3π5/2Va

3Vb3

Va2 + Vb

2= −4

31π

Cabnanb

kTva − vb

Va2 + Vb

2

222

Eine genauere Rechnung zeigt, daß die Korrekturen durch Glieder höherer Ordnung von der

Größenordnung

(va − vb) 2/(Va2 + Vb

2)

sind. Damit erhält man, wenn man die Korrekturterme höherer Ordnung vernachlässigt, und

die thermische Geschwindigkeiten durch T ausdrückt

Va2 + Vb

2 = 2kT

1ma

+ 1mb

= 2kT

mab

fab = −43

12π

Cabnanb mamb

(kT)3/2(va − vb)

Verallgemeinert man die Gleichung (H.20) zu

1nama

fa,R = Σb

1nama

fab = −Σb

1τ ab

(va − vb)

so liest man für die Relaxationszeit ab

1τ ab

= 43

12π

Cabnb

(kT)3/2

mab

ma

Nach der Definition von Cab (s. Abschnitt c.β) war

Cab = 2π

qaqb

4πε0

2

lnΛab

Damit folgt für die Relaxationszeit

1τ ab

= 43

qaqb

4πε0

2

lnΛabmab

ma

nb

(kT)3/2

223

Die Formel für die Leitfähigkeit nach Spitzer ergibt sich hieraus, wenn man den Sonderfall des

Zweikomponentenplasmas mit qi = e und ni = ne betrachtet. Dann ergibt sich für die

Relaxationszeit

neτ eime

= 34

12π

4πε0

e2

21

me lnΛ(kT)3/2

und für die Leitfähigkeit nach Gl. (H.21) σ = nee2

meτ ei

σ = 34

12π

(4πε0)2

e2

(kT)3/2

me lnΛ

Die Leitfähigkeit ist nur über lnΛ schwach von der Dichte abhängig im übrigen proportional

zu T3/2. Im folgenden erzeugen wir eine zugeschnittene Größengleichung, in der σ zahlenmä-

ßig in 1/(Ωm) aus T* in eV berechnet wird. Bei einem Vergleich mit anderen Quellen, z.B. un-

serer Formel C.9 sollte man beachten, daß unterschiedliche Werte für lnΛ zugrundegelegt sein

können. Mit

lnΛ =10, 1/4πε0 = 9 109 VmA-1 s-1, k = 1,38 10-23 JK-1, 1K = 1,16 104 eV, e = 1,60 10-19 As,

me = 9,11 10-31 kg,

erhält man als Vorfaktor 103

Die gewünschte Faustformel hat dann die Form

σ ≅ 103T ∗ 3/2 1Ωm

T* ist die Temperatur in eV. Durch Berücksichtigung der Wärmestromdichten im Ansatz für

fa(v), fb(v´) ergibt sich eine Modifikation des Vorfaktors um einen Faktor 1,98. Damit erhält

man die endgültige Spitzer - Formel

σ = 2 ⋅ 103T ∗ 3/2 1Ωm

224