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PETER JERSCHOW

GORBUNOK DAS BUCKLIGE PFERDCHEN

1953

ALFRED HOLZ VERLAG BERLIN

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 Nachdichtung aus dem Russischen von Martin Remane' 

 Holzstiche von Ruprecht Haller 

Titel der Originalausgabe

KOHEK- ΓOPБYHOK 

1. bis 10. Tausend 

Veröffentlicht unter der Lizenzummer 350-255/7/52

Copyright 1953 by Alfred Holz Verlag, Berlin

 Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved 

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ERSTES BUCH

Das Märchen beginnt:

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Hinter Bergen, Wäldern, Meeren,irgendwo im Ungefähren,aber noch auf dieser Welt,lebte einst ein alter Bauer,der sich mit drei Söhnen sauer mühte auf dem kargen Feld.

War der älteste kein Tropf mehr,ging's dem zweiten bunt im Kopf her,war der jüngste noch ganz dumm. – Wenn die Erntezeit herum,sah man mit belad'nem Karrenalle drei zur Hauptstadt fahren.Hatten sie mit viel Geschick ihren Weizen dort verhandelt,

schlecht und recht in Geld verwandelt,kehrten sie ins Dorf zurück.

Eines Tages, welch ein Schrecken,mußten plötzlich sie entdecken:ganz zerstampft im Feld umher lag der Weizen kreuz und quer. Niemals hat so bitt're Not

unsern Bäuerlein gedroht.Sannen lange hin und her,wie der Feind zu fassen wär,und entschieden sich dafür,

wechselnd nachts auf Wacht zu gehen,wacker ihm zu widerstehen,ob es Teufel oder Tier.

Als die Dämm'rung fiel hernieder,

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schlummernd lagen Hof und Haus,zog der älteste der Brüder kühn mit Axt und Forke aus.Doch die Nacht war schwarz und greulich,Furcht erfaßte ihn abscheulich,zitternd kroch er, müd' wie Blei,tief in einen Haufen Heu.Als der Morgen endlich tagte,heimlich er hervor sich wagte,übergoß mit Wasser sich, pocht ans Häuschen fürchterlich:,,He, ihr Schnarcher, aufgemacht,

hab' gewacht die ganze Nacht, plötzlich kam ein Regenguß, bin durchnäßt von Kopf bis Fuß." -Eh' noch Schloß und Riegel sprangen,sie mit Fragen in ihn drangen:,,Hast du ihn erwischt, gefangen?" – Schlug das Kreuz der Wächter schweigend,sich nach rechts und links verneigend,

schluckte, hustete und sprach:

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,,Ach, das war ein Ungemach!Regen strömte, zum Ersaufen.

Bin die ganze Nacht gelaufen,doch so sehr ich ihn auch suchte,muckste sich nicht der Verfluchte. Nein, es war kein rechter Spaß,Hemd und Hos' nur wurden naß." – Sprach der Vater stolz, gewichtig:,,Bist ein Prachtkerl, tüchtig, tüchtig, ja, das nenn' ich Heldenmut!

  Hast gedient mir treu und gut,hast, Danilo, diese Nachtkeine Schande mir gemacht."Wieder sank die Nacht hernieder,als der mittlere der Brüder fort mit Axt und Forke schlich.

Doch es stürmte fürchterlich.

Gruseln packt den sonst so Kecken,lief, sich schleunigst zu verstecken.Hinter Nachbars Bretterzaunwachte er voll Angst und Grau'n.Bei der ersten Morgenrötesprang er kühn hervor und krähte:,,He, ihr Brüder, aufgewacht!Puh! Das war mir eine Nacht!

Pfiff der Wind mir um die Ohren, bis zum Bauch bin ich erfroren!"War die Tür kaum aufgegangen,laut die Brüder in ihn drangen:,,Hast du ihn erwischt, gefangen?"Schlug das Kreuz der Wächter schweigend,sich nach rechts und links verneigend,sprach er schlotternd und verlegen:

,,Lief herum auf Weg und Stegen bis zum Morgen; doch mich fror,

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daß ich fast den Mut verlor.Bis ans Herz griff mir die Kälte,daß mir's fast die Lust vergällte,doch ich wankte nicht vom Fleck,und so blieb der Unhold weg." – Sprach der Vater: ,,Gut, Gawrilo, bist ein Prachtkerl, wie Danilo!"

Als die dritte Nacht brach an,war der jüngste Bruder dran.Doch der kümmert sich nicht drum,suhlt sich auf dem Ofen ‘rum,singt, als stecke er am Spieß:,,Oh, ihr Äuglein, wundersüß!" – Seine Brüder baten, flehten,doch die Wache anzutreten,

schalten, drohten, laut und leiser.,Schimpft nur', dacht' er,,schimpft euch heiser!'Wanja kam nicht aus der Ruhe,Wanja rührt' sich nicht vom Fleck.Erst als Vater Bast für Schuhe,Erbsen, Bohnen mit viel Speck ihm zu geben fest versprach,

gab er widerstrebend nach.Und er stieg vom Ofensitze,stülpte auf die Pudelmütze,in den Kittel eine Scheibe Brotschob er zum Zeitvertreibeund ging in die Nacht hinaus.Eben trat der Mond heraus.Wanja, weithin in die Ferne,

unter Sträuchern sitzend, schaut er,schweigend an dem Brote kaut er,

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zählt am Himmelsrund die Sterne.Plötzlich war es ihm, als hört'wiehern er im Feld ein Pferd...

Vorwärts schleicht er tief gebückt,und im Mondschein er erblickt

eine Stute weiß wie Schnee.Ringgeschmückt die goldne Mähne, bis zur Erde wallt die Strähneihres Schweifs. ,,He", ruft er, ,,steh!Wer erlaubt dir, hier zu grasen?He, mit mir ist nicht zu spaßen,spring dir gleich mal auf den Rücken,werd' dich an den Ohren zwicken,

Spitzbub du!" - Gesagt, geschehn.Eh' das Roß es sich versehn,

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saß mit einem jähen SatzeWanjuschka wie eine Katzerittlings ihm schon hinten auf.

Sprang die Stute an zum Lauf,warf den Kopf wie eine Schlangerückwärts, wo, wie eine ZangeWanja fest sich hielt am Schwanz,schwankend auf und ab im Tanz,mit der Nas' am Hinterteil.Plötzlich aber wie ein Pfeilschoß das Roß quer durch die Felder,galoppierte durch die Wälder,

Gräben, Bäche überspringend,über Berg und Tal sich schwingend.

Schnaubend bäumt sich's mit erneuter Wut, um seinen kecken Reiter abzuwerfen in den Bach.Wanja aber gab nicht nach.

Schließlich sprach es zu dem Knaben:,,Wer so fest sitzt, soll mich haben.Müde bin ich, kleiner Mann,zeig mir, wo ich ausruhn kann.Pfleg mich, doch beim Hahnenschreidreimal laß mich morgens frei, brauch' zum Frühstück Weizenähren,will am dritten Tag gebären

munt‘re Fohlen dir, ein Paar,Fohlen, die so wunderbar,die so unbeschreiblich schön,wie die Welt sie nie gesehn.Und dazu gebär' ich dir noch ein Pferd, ein Wundertier,das man wohl bestaunen muß.‚s ist nicht größer als drei Fuß,

mit zwei Höckern wird's geborenund zwei ellenlangen Ohren.

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Magst verhandeln wohl die beiden,darfst vom dritten nie dich scheiden.Gib's für Hut noch Gurt nicht her,

sei'n sie auch von Golde schwer.Gib's auch nicht zum Zeitvertreibfür ein schwarzgelocktes Weib!Wo im Leben du allein,wird es dein Gefährte sein,Frost im Winter von dir wenden,dir im Sommer Schatten spenden!

 Nie wird Hunger, Durst dich quälen,Brot und Met wird dir nicht fehlen!Mich vergiß, ich kann alleinfroh nur in der Freiheit sein.

Wanja schien das nicht verkehrt,hurtig führte er das Pferdin ein Hirtenhaus zur Rast

und verschloß die Tür mit Bast.Gegen Morgen aber ginger ins Dorf zurück und fing

laut das Lied zu singen an:,,An die Presnja kam ein Mann ...“

An des Vaterhauses Schwelleschlug er mit der Eisenschelleso gewaltig an die Tür,daß das Dach geborsten schier,schrie so schallend, daß am End'alle glaubten gar, es brennt,daß die Brüder auf die Dielenfast vom Ofen ,runterfielen,

stotternd: ,,Wie? Was? . . . Welch Geklopf?“-,,Wanja ist's, der dumme Tropf!"war die Antwort. - Aufgetan

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ward die Tür. ,,Du Dummerjan",schimpften sie, ,,was fällt dir ein,so zu lärmen und zu schrein?" – Ein trat Wanja voller Ruhe,zog nicht einmal aus die Schuhe,nahm nicht einmal ab die Mütze,schwang sich hoch zum Ofensitze,und mit nicht geringrem Schwung,allen zur Verwunderung,gar nicht stotternd, gar nicht blöde,hub er an zu langer Rede:

,,Hab' kein Auge zugemacht,spähte tüchtig in die Nacht. Nichts erblickt' ich nah noch ferne,und so zählt' ich denn die Sterne.Pünktlich war der Mond auch da,und... nun ratet, was geschah...Plötzlich - glaubt nur nicht, ich lüge – 

sprang gehörnt wie eine Ziege,der Leibhaft'ge übers Feld,Schnauz- und Kinnbart grau gewellt.Augen rot wie Kohlenglut,daß mir fast erstarrt das Blut.Auf und ab im tollen Tanzemäht' das Korn er mit dem Schwanze. Nun, da hörte auf der Spaß.

Flugs ich ihm am Halse saß.Wie er sich auch wand und wehrte,hin und her am Schopf mich zerrte,mich macht keiner dumm und bange,hielt ihn fest wie in der Zange, bis ich ihm den Hals verdrehteund der Schlaukopf flennend flehte:,Laß mich noch auf dieser Erde,

 bessern will ich mich, ich werdefromme und gerechte Seelen

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nie erschrecken mehr und quälen.' Nun, ich war es satt, zu raufen,glaubte ihm und ließ ihn laufen." – Müde schließlich wie ein Steinschlief der Redner gähnend ein.Doch die Brüder, zwar empört,weil man sie im Schlaf gestört,konnten nicht mehr an sich halten,

lachten, daß die Wände schallten.Und zusammen mit den Söhnenlachte selbst der Vater Tränen,

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ob's auch manchem Sünde dünkt,wenn ein Greis noch lacht und singt.

Wievielmal sich der Planetum sich selbst seitdem gedreht,niemand hat es mir gesagt,und ich hab' auch nicht gefragt.Schließlich ist's auch einerlei,ob es zwei Jahr her, ob drei,sparen wir uns jedes Wort,spinnen wir das Märchen fort:

Eines Tags - ich weiß nicht wann – torkelt übers Feld ein Mann.,s war Danilo, hatte wohlsich vergnügt beim Alkohol.Unbekümmert heimwärts wankt er,und zum Hirtenhaus gelangt er.Was er plötzlich da entdeckt,

schnell aus seinem Rausch ihn weckt.Pferde standen dort, ein Paar,goldmähnige, wunderbar,und ein Zwergpferd noch dazu,das nicht größer als drei Schuh,

dem zwei Höcker angeborenund zwei ellenlange Ohren.,,Ha, jetzt ist mir alles klar,wo der Dummkopf nachts stets war!"Und nach Hause läuft Danilo.,,Denk dir", sagt er zu Gawrilo,,,ein Paar wundervolle Pferde,ganz einmalig auf der Erde,hat der Dummkopf sich verschafft!"Und dann ging's mit voller Kraft

 barfuß über Stock und Steindurch die Nesseln querfeldein.

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Angelangt vorm Hirtenhausspuckten sie erst dreimal aus.Stumm und staunend stehenbleibendund sich beide Äugen reibend,hinterm Ohr sich kratzend dannstarrten sie die Rosse an.Deren Augen blitzend branntenwie lebend'ge Diamanten.Goldne Ringlein in den schönenSchweifen glänzten und den Mähnen.Und die Hufe, ja, fürwahr,ganz besetzt mit Perlen gar!

Sicher, solche wunderbarenRosse ziemen nur dem Zaren!

Von dem prächt'gen Anblick sind beide Brüder schon fast blind.Spricht Danilo seufzend schwer:,,Wo nahm er die Rosse her?Hier bestätigt sich der Satz:Einen solchen Märchenschatzfindet nur ein Dummerjan.Unsereiner aber kannseinen Schädel blutig schinden,nicht zwei Rubel wird er finden.Hör, Gawrilo, sei nicht dumm,wenn die nächste Woche ,rum,laß uns mit den Rossen fahrenin die Stadt zu den Bojaren.Wir verkaufen sie für Geld, jeder gleichen Teil erhält.Und mit Geld, das ist doch klar,lebst du selbst wie ein Bojar.Kannst spazierengehn und trinken, brauchst nur mit dem Sack zu winken.Unser Dummkopf, mag er fluchen

und sich seine Pferde suchen.Hand drauf, Bruder, sag nicht nein!"

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Und Gawrilo willigt ein.Dann umarmten sie sich zweimalund bekreuzigten sich dreimal.

Auf dem Heimweg unentwegtsprachen sie noch sehr erregtvon den Rossen, ihrem Wert,und dem kleinen Höckerpferd.

Träge schleppte sich die Zeit,endlich aber war's soweitaufzubrechen, wie beschlossen,

in die Hauptstadt mit den Rossen,um ein Obdach dort zu mietenund die Beute feilzubieten.Aber die verlegnen Mienenunsrer Diebesbrüder schienenkaum den deutschen Kaufherrn gleich,die mit Schiffen stolz und reichWaren in die Hauptstadt fahren,

glichen nicht Saltan, dem Zaren,der, die Christen zu bekehren,einzog dort mit Prunk und Ehren. Nein, wie in Gewissensnötenvor den Hausikonen betensah man sie. Des Vaters Segennahmen düster sie entgegen, bis sie sich auf leisen Sohlen

schuldbewußt davongestohlen.

Abend ist's und schon recht spät.Heim zum Hirtenhäuschen gehtWanja, kaut sein Brot und singt,manch ein Ton dabei mißlingt.Durch die Felder stelzt er dannstolz, fast wie ein großer Pan,

und mit einem großen Satzist er am bewußten Platz.

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Alles stand am rechten Ort,nur die Rosse waren fort.Doch das Wunderpferd, das kleine,sprang ihm fröhlich um die Beine,wedelte im Freudentanzmit den Ohren, mit dem Schwanz.Wanja ganz untröstlich standschluchzend mit der Stirn zur Wand:,,Oh, wer hat euch fortgetrieben,meine Teuren, meine Lieben!War doch euer bester Freund,

hab's so gut mit euch gemeint!Welcher Teufel fing euch weg?Daß er wie ein Hund verreck'in der tiefsten Höllenschlucht!Teufel, Schurke, sei verflucht!Ach, ihr Teuren, ach, ihr Lieben,

wer, wer hat euch fortgetrieben?" – 

Sprach das Pferdchen: ,,Wanja, hör,weine, weine doch nicht mehr.‚s ist ein Unglück, sicherlich,tröste dich; vertrau auf mich. Nicht der Teufel, deine bösenBrüder sind es selbst gewesen!Fluch nicht länger, sei ein Mann,wir vereiteln ihren Plan.

Sollst auf meinem Rücken reiten,darfst nur nicht heruntergleiten,halt dich fest, bin ich auch klein,hol' ich selbst den Satan ein."

Wanja, traurig und verstörtsetzt sich auf das Wunderpferd, packt die Ohren, die wie Flügel,

mit den Händen fest wie Zügel.Und das Pferdchen rüttelt sich,

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und das Pferdchen schüttelt sich,wiehert, schnaubt und schwenkt die Mähne,trocknend Wanjas letzte Träne,und davon fliegt's wie ein Pfeil,saust's und braust's mit Windeseil';nichts als Staub und Wirbel nur deuten seiner Hufe Spur.

Kaum, daß Wanja zwei gezählt,sind die Diebe schon gestellt.

Ach, erschraken da die Brüder,

fielen fast zu Boden nieder,als ganz plötzlich Wanja wildihnen in die Ohren brüllt:,,Schämt euch doch, ihr Diebsgesellenmich so schändlich zu bestehlen.Ihr seid klüger? Nun, dafür  bin ich nicht so schlecht wie ihr!" – Sprach der Älteste, sich windend,

schwer nur eine Antwort findend:,,Brüderchen, schlecht geht's uns beiden,sieh, wie arm wir sind an Freuden,nichts als Arbeit, Schweiß und Müh,nichts als Sorgen, spät und früh,nichts als Armut nur und Not,haben kaum genügend Brot,zahlt man Steuern schon für drei, -

schröpft uns noch die Polizei.Hab' drum eine ganze Nachtmit Gawrilo nachgedacht,und wir kamen überein:helfen kann uns ganz allein,wenn eintausend Rubel wir 

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kriegen für die Pferde hier.Wollten nichts davon versaufen,neue Kleider dir nur kaufen,einen schönen Hut dazuund auch ein Paar richt'ge Schuh.Vater ist ein alter Mann,der schon nichts mehr schaffen kann,Brüderchen, bist doch gescheit,

tut dir unsre Not nicht leid?" – ,,Nun, wenn's so ist", sagt der Kleine,„nehmt die Pferde, doch das einefordre ich: ich komme mit,wir verkaufen sie zu dritt."Blickten sie auch scheel, die Brüder,sagten sie doch nichts dawider.

Dunkel fiel vorn Himmel sacht,feucht und kühl brach an die Nacht.Fürchtend, gar sich zu verirren,hielten sie, um abzuschirren.Als die Pferde, wohl bedachtunter Bäumen festgemacht,nahm man Platz, bei Wurst und Schinkensich ein wenig zu betrinken.Gott zur Freude dann die drei probten, wer der Stärkste sei.

Plötzlich räuspert sich Danilo,zwinkert ,näher zu Gawrilo,hebt den Arm, weist in die Nacht:fern ein Feuer scheint entfacht.

Jener kratzt sich hinterm Ohr.,,Käm' der Mond doch nur hervor", brummt Danilo, ,,daß man sieht,

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was dahinten wohl geschieht.Möcht er nur zum Scherz mal funkeln,nur ganz kurz, doch so im Dunkelnsind wir wirklich schlimmer dranals der dümmste Dummerjan.

Aber seht mal, Brüder,seht, s‘ ist, als ob ein Rauch sich dreht.Ja, gewiß, ein Rauch steigt auf,welch ein Wunder! Wanja, lauf!Möcht am liebsten selber gehen,

kann nur ohne Licht nichts sehen !" – Doch im stillen denkt er sich:,holte jetzt der Teufel dich!'Und Gawrilo knurrt: ,,Wie schrecklich,wenn dort Räuber sind! Unmöglich!Ein gebranntes Kind wie ichscheut das Feuer, hütet sich!"

Denkt der Dummkopf: ,Schwätzt nur, schwätzt!'Schwingt sich auf das Pferdchen jetzt, preßt ihm in den Bauch die Hacken,schreit nur ,,He!" und zwickt's im Nacken...Wie erstarrt die Brüder stehn,denn schon ist nichts mehr zu sehn.,,Gott sei bei uns! Ohne Zweifel,

diese Bestie ist der Teufel!"stöhnt Gawrilo, zitternd, bebend,das geweihte Kreuz erhebend.

Wanja reitet schnell und schneller,denn der Schein wird hell und heller,leuchtet, als er ihn erreicht,daß die Nacht dem Tage gleicht.

,,Welch ein wunderliches Feuer,raucht nicht, wärmt nicht, - ist's geheuer? Nur fünf Mützen groß dabei,

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Teufel, welche Teufelei!"

Fing das Pferdchen an zu sprechen:,,Sollst dir nicht den Kopf zerbrechen.Was du siehst, das sieht nicht jeder:,s ist des Feuervogels Feder.Mag der Anblick dir genügen,rühr nicht dran , und laß sie liegen,

nichts als Unglück bringt sie dir!" – ,,Rede nur, ich nehm sie mir. – Wanja lacht vor Übermut,

wirft die Feder in den Hut,wickelt sie in Lappen bloß,rast zurück mit seinem Roß.Was den Brüdern er berichtet,war von A bis Z erdichtet:,,Vor dem Feuer stehend fandeinen Baumstumpf ich in Brand,hab' versucht ihn zu ersticken,

doch es wollte mir nicht glücken,hab' geblasen, drauf gedroschen,doch der Brand ist nicht erloschen."Als die Brüder dies vernommen,konnten sie in Schlaf nicht kommen.Während Wanja schnarchend schlief,lachten sie sich krumm und schief.

Früh am Morgen ohne Säumensah man sie die Pferde zäumen.Ohne weit‘re Zwischenfällekamen sie an Ort und Stelle,auf dem Marktplatz zum Verkauf reihten sie die Pferde auf.

In der Stadt seit alters her gab's Gesetze streng und schwer,

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wonach kein Verkauf begann,eh's befahl der Stadthauptmann.Unter seiner Lammfellmützeschoß sein Adlerauge Blitze,zog er, allerseits begafft,

auf mit seiner Hundertschaft.Rief der bärt'ge Herold vorn, blasend auf dem goldnen Horn:

,,Leute, hört, der Markt beginnt,macht die Läden auf geschwind!Wächter, paßt gut auf, verhindert,daß hier einer stiehlt und plündert,

daß das Volk gar randaliert,wenn's mal übervorteilt wird!" – Erst nach solcherlei Tiradenöffnet jeder seinen Laden,erst wenn dies geschehen ist,ruft der rechtgläubige Christ:,,Kommt herbei, geehrte Herrn,leeres Schwätzen liegt uns fern,

Waren, Waren bester Artseht ihr vor euch aufgebahrt" – 

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Und die Käufer gehn und wählen,und wenn sie das Geld aufzählen,zwinkern sie dem Wächter flüchtig,was bedeutet: Alles richtig! – Heute hört die Wache plötzlich,wie Gelärme ganz entsetzlich,eh' der Heroldsruf ertönt,in der Pferdezeile dröhnt.Hin und her wogt das Gedränge,lacht und johlt und grölt die Menge,daß der Hauptmann baß erstaunt,weil das Volk so gut gelaunt,

den Befehl gibt, ohne Säumenrücksichtslos den Platz zu räumen.,,He, ihr Barfüßler, ihr Diebe;Straße frei, sonst hagelt's Hiebe",schrien die schnauzbärtigen Bäuche.Und schon sausten Knutenstreiche.Alle nahmen ab die Mützen,um geduckt beiseit' zu flitzen.

Als die Pferdezeile frei,stehn zwei Rosse in der Reih',rabenschwarz, mit wunderschönenSchweifen und mit langen Mähnen.Goldne Ringe wunderbar glänzen in dem Lockenhaar.Unser Hauptmann, noch in Hitze,

kratzt sich, daß sich seine Mützein die Stirn verschiebt, und spricht:,,Dreimal heil'ges Gotteslicht, -wieviel Wunder birgt die Erde!"Mit ergriffener Gebärde -ob der weisen Rede - blickendie Soldaten ernst und nicken.Barsch der Hauptmann jetzt befahl:

,,Kein Geschrei mehr, kein Krawall. Niemand an die Pferde rührt,

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sind einstweilen konfisziert,stehn noch zum Verkauf nicht frei!"Einen Teil der Polizeistellt er auf am Platz im Ring,während er zum Zaren gingmit den anderen Soldaten,um Bericht ihm zu erstatten.

Zur Audienz dann an der Reih,fleht er: ,,Vater Zar, verzeih!"Und, wie es bei Hofe Brauch – 

wirft er längs sich auf den Bauch.,,Laß mich nicht in Ketten legen,nimm erst meinen Spruch entgegen!",,Einverstanden", sprach der Zar,,,rede, aber kurz und klar!" – ,,Will es tun, so gut ich kann.Diene dir als Stadthauptmannwahrhaft treu, voll Pflichtgefühl." -

,,Schieß schon los und komm zum Ziel!" – „Als ich heut mit meiner Wacheauf dem Markt den Rundgang mache,hör' ich an der Pferdezeilewüstes Lärmen und Geheule,sehe Auflauf und Gedränge,

ohne Ordnung wogt die Menge.

Mit der Knute ohne Säumenließ ich schnell die Zeile räumen.Tat, wie immer, meine Pflicht,rechnend auf Belohnung nicht. – Kurz, als nun die Zeile frei,stehn zwei Rosse in der Reih',rabenschwarz, mit wunderschönenSchweifen und mit langen Mähnen.

Goldne Ringe, wunderbar,glänzen in dem Lockenhaar,

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und die Hufe, will ich meinen,sind besetzt mit Edelsteinen." – Sprang der Zar vom Thron und schrie:,,Das sind Pferde, zeig mir sie!Recht hast du getan, mein Lieber,daß du mir erzählt darüber. – He, die Kutsche fahrt mir vor!"Und da stand sie schon am Tor.Als der Diener ihn frisiertund ein wenig parfümiert,zog er an ein prächtig Kleid.Endlich war er dann soweit,

und mit allerhöchster Eile brauste er zur Pferdezeile,hinter ihm in gleichem Tritteine Leibabteilung ritt.

Als der Zar am Platz erschien,lag gleich alles auf den Knien,und in die befohlne Stille

 platzte laut Hurragebrülle.Dieses nämlich war erlaubt.Gnädig neigt der Zar sein Hauptmal nach rechts und mal nach links,unterdessen allerdingsschaut er nach den Pferden schon,der erhabene Patron.Sie betrachtend unverwandt,

springt er leicht und elegantaus der Kutsche auf die Erdeund begrüßt die schönen Pferde,tätschelt mit erlauchten HändenHals und Rücken, Brust und Lenden,flüstert Koseworte schmeichelnd,ihre goldnen Mähnen streichelnd.Als er sie von jeder Seite

gut bestaunt, fragt er die Leute:,,Wem gehört dies Prachtgespann?"

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Wanja, wie ein großer Pan,springt hervor und lacht verschmitzt,

keck die Arme eingestützt,reckt er vor den Brüdern sich:

,,Der Besitzer, Zar, bin ich!" – ,,Mir gefällt das Rappenpaar,kaufen will ich's", sagt der Zar. – ,,Bin kein Händler", spricht der Knabe,,,tausche höchstens, was ich habe." – ,,Gut, wir tauschen, doch wofür?“ – ,,Gebt fünf Mützen Silber mir,

großer Zar, für jedes Pferd.",,Nun, das ist die Sache wert",lacht der Zar, ,,macht also zehn.“ – Ließ sogleich den Diener gehn,haargenau das Geld abwiegen,denn er war nicht fürs Betrügen,nein, er war ein nobler Herr,gab sogar fünf Rubel mehr. -

Zehn erprobte Pferdekenner führten nun zum Schloß die Renner,gingen würdig und gemessen,hatten alle goldne Tressen,seidne Gürtel um die Lenden,Saffianpeitschen in den Händen.Doch zerstob all ihre Kunst

unterwegs wie Staub und Dunst.Los von Zaum und Zügel rissen beide Rosse sich und schmissendie Lakaien wie zum Spottwiehernd in den Straßenkot.Und zum Schrecken seiner Brüder liefen sie zu Wanja wieder.

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Schon im nächsten Augenblick kehrte auch der Zar zurück,sprach zum Dummkopf, kaum erschienen:

„Bruder, mußt bei Hof mir dienen,denn zu wild sind diese Renner selbst für meine besten Männer.Soll gewiß nicht sein dein Schaden,wirst in Butter gleichsam baden,wirst in Samt und Seide gehnund in hohen Ehren stehn.Wirst ernannt zum Hofmarschall

über meinen ganzen Stall.Auf mein Wort! Gefällt dir das?" – ,,Nun gewiß, das wär ein Spaß!So in Samt und Seide gehnund in hohen Ehren stehn,leben wie im Speck die Maden,gleichsam nur in Butter baden,Herr im ganzen Pferdestallals des Zaren Hofmarschall!Recht so, wenn der Ziegenhirtauch einmal Minister wird!

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Abgemacht, der Fall ist klar.Eins nur muß ich fordern, Zar,schimpf mir keiner ins Gesicht!Auch fürs Prügeln bin ich nicht!" – 

Wanja rief die Renner kaum,hatte er sie schon beim Zaum,mit der Peitsche knallend ziehtstadtwärts er und singt ein Lied.Trépak tanzend gehn die Rossenach dem Takt des Lieds zum Schlosse.Trippelnd im Prisjadka - Schritt

trabt das Höckerpferdchen mit.

Wanjas Brüder, die gezähltunterdes das Silbergeld,miteinander unverweilt brüderlich sich's auch geteiltund genäht nach altem Brauch

in den Gürtel um den Bauch,stampften, dick wie Kaffeekannen,heimwärts durch die dichten Tannen.In dem Dorfe angekommen,haben sie ein Weib genommen,lebten sorglos, dann und wanndenkend an den Dummerjan.

Lassen wir sie ruhn, die beiden.Lustiger ist es, mit den Freudenunsres Märchens zu ergötzen,auch in Gruseln zu versetzendie rechtgläubige Christenheit.Hört drum, was seit jener ZeitWanja weiter tat und dachte,welche Streiche er noch machte,wie die Feder er verschlief und den Feuervogel griff,

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raubte die Prinzessin dann,fand den Ring im Ozean,wie er als Gesandter gar kurze Zeit im Himmel war,

klug im Sonnendorf vertrateinen Wal als Advokat,rettete durch Rednerkniffedreißig schöne Segelschiffe,wie den Kesseln er entrann,ward ein schöner, junger Mann, -kurz, wie er nach viel Gefahrenfertig wurde mit dem Zaren.

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ZWEITES BUCH

Märchen mag man leicht erdichten, schwer ist's, Taten zu verrichten..

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Laßt mich weiter nun berichtenvon Iwan, hört die Geschichtenvon den Rossen, von dem braunen

Wunderpferd, das in Erstaunensetzte unentwegt die Leute,weil's die Zukunft prophezeite,von den Ziegen auf dem Meer,von den Bergen, wolkenschwer,in die Höhe steil gerecktund mit Wäldern schwarz bedeckt,von dem Roß mit goldnem Zaum,

fliegend durch den Himmelsraum,der durchzuckt von Blitzen wild,während rings der Donner brüllt.Wenn, was hier vorausgeschickt,etwa noch nicht ganz genügt,um euch recht zu amüsieren,fahr' ich fort zu fabulieren.Stellt euch vor: Im Ozean

auf dem Inselchen Bujanliegt ein Grab, jasminumsäumt,drin ein schönes Mädchen träumt.Finstrer Wald, der Mond glimmt fahl,trauernd schluchzt die Nachtigall,und ein schwarzes, wildes Tier knurrend schleicht durchs Waldrevier.

 Nun, genügt's? - Dann laßt uns sehn,was Iwan derweil geschehn.

Seltsam wars, was unserm Freunde,liebe christliche Gemeinde,an Verwicklung und Gefahrenwiderfuhr am Hof des Zaren.Wohlbestallter Leibkosak,dachte er kaum einen Tag jemals an den Vater wieder,

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weniger noch an seine Brüder.Sollt' er um die dummen Bauernetwa unter Tränen trauern,er, Besitzer von zehn Truhen

voll von Kleidern, Mützen, Schuhen?Er, den keine Not mehr plagte,dem nur Schlecken noch behagte,der sich ausschlief wie ein Bär. Nein, ihn zog nach Haus nichts mehr.Doch schon nach fünf Wochen spannUnheilsgarn sich um Iwan.Ein mißgünstiger, verdammter 

hinterhältiger Hofbeamter,der der höchste Hofmarschallin des Zaren Pferdestallvor Iwan gewesen war,haßte, weil er ein Bojar,Wanjuschka, den Sohn des Bauern,und begann ihm aufzulauern,tat, als sei er blind und dumm,

tat, als sei er taub und stumm,heimlich dachte er jedoch:,Rotzbub, dir besorg ich's noch!'

Kurz, nach ein paar Wochen war diesem Widersacher klar,daß Iwan tags niemals putzteseine Pferde, noch gar stutzte

Mähne, Schweif und Fell. Gestriegeltglänzten dennoch wie geschniegelt,hochgerafft des Stirnhaars Schöpfe,glatt der Mähnen seidne Zöpfe,täglich neuer Hafersegen,Honigwasser in den Trögen,frisch, wie eben eingelassen,sonderbar und kaum zu fassen!Stand der Schnüffler wie geblendet:

,Hat ein Kobold das gespendet?'

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denkt er, - ,nun ich werd' ihn kriegenDoch zumindest kann ich lügenohn' Erröten und Gewissen,schneller, als Pistolen schießen.

Meint man auch, ich sei ein Narr,sicher glaubt mir doch der Zar:Zauberei auf jeden Falltreibt in seinem Pferdestallein gottloser Bösewicht,geht zur heil'gen Messe nicht,wagt das Christenkreuz zu tragen

und frißt Fleisch an Fastentagen.'

Eines Abends gut verstecktund mit Hafer zugedecktlauerte der Exmarschallauf den Geist im Pferdestall.Atemlos bis Mitternacht

hatte er gelauscht, gewacht,stumm und steif wie tot gelegen.Plötzlich schien sich was zu regen,aufgeschreckt die Pferde scharrenhört er und die Türe knarren.Hu, wer mag der Kobold sein?Ach, da kam er schon herein, -schloß den Riegel mit Bedacht,

setzte ab die Mütze sacht,legte sie vorm Fenster hin,hob die Tüchlein auf, darin:

Teufel! Hell mit einem Malleuchtete der Pferdestall,daß der Lauscher im Versteck wollte schreien fast vor Schreck,raschelnd aus dem Hafer fuhr,wenn auch mit dem Kopfe nur.Hat's der Kobold gar gehört?

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 Nein! Er glaubt sich ungestört.Legt die Feuerfeder freineben sich, ganz ohne Scheu,und beginnt vergnügt, zu striegeln

seine Pferde und zu schniegeln,kämmt das Seidenhaar der Mähnen,stutzt der Schweife goldne Strähnen, pfeift und singt in voller RuhLied um Liedchen sich dazu.Unterdes, der ihn belauert,wie ein Bündel liegt gekauertunterm Hafer, schwitzt vor Wut ,

Teufel, wie er vornehm tut,wie er flott die Pferde stutzt,wie er sich herausgeputzt!Hat nicht Horn noch Knebelbart,Geist, wer bist du, der mich narrt?Scheint blutjung und kerngesund,stark dazu, der Himmelhund!Goldbestickt sein Prunkgewand,

Seidenschärpe linker Hand,Stiefel ganz aus Saffian!Teufel, er ist's selbst, Iwan!' – Sonderbar! Noch einmal blickt er hin genauer. Dann verdrückt er lautlos sich durchs Hinterpförtchen,wagt auch nicht ein Sterbenswörtchen.Morgen aber wird der Zar 

alles wissen, bis aufs Haar! – Wanjuschka indessen flichtahnt er doch sein Unheil nicht – säuberlich zu wunderschönenZöpfen seiner Rosse Mähnen,unverdrossen pfeift und singt er,Wasser zu den Krippen bringt er,schüttet sie voll gelbem Mais,wischt sich von der Stirn den Schweiß,um die Feuerfeder schlingt er die Tücher, gähnend sinkt er 

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ins Stroh und schlummert einan des Hengstes Hinterbein.Schon beim ersten Morgengrauenging der Schnüffler nachzuschauen.

Ei, im Pferdestall Iwanschnarchte wie der ,,Jeruslan" .

Lautlos schlich durchs Stroh der Späher wie ein Raubtier nah und näher,streckte aus die Diebeshand nach der Feder – und verschwand.

Eben war der Zar erwacht,als man Meldung schon gemacht,zur Audienz erschienen seiein gewisser Hoflakai.Sprach der Zar: ,,Gut, laßt ihn ,rein."Schleichend trat der Schnüffler ein,warf sich hin so lang er war und begann: ,,Erlauchter Zar,

schuldbewußt lieg' ich vor dir;

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hab Erbarmen heut mit mir,höre gnädig den Berichtdeines Knechts und straf mich nicht."Gähnend sprach zu ihm der Zar:

,,Rede, aber kurz und wahr!

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Willst du Lügen mir erzählen,soll's an Prügel dir nicht fehlen!"Der Lakai den Kopf erhebt:,,Zar, so wahr wie Christus lebt,

sag' ich dir in einem Satz:Dein Iwan hat einen Schatz,den er dir bisher verschwiegen.Weder Gold noch Silber wiegendiesen Schatz auf, das weiß jeder...,s ist des Feuervogels Feder!" -,,So, der Bursche wollte gar reicher sein wohl als der Zar?

Hüte dich, du Bösewicht,du entgehst der Peitsche nicht!",,Herr, wär es die Feder bloß,nein, der Bursche tut sich groß, protzt, es wär ihm ein Vergnügen,gar den Vogel selbst zu kriegen,wenn's der Zar befehlen sollte,er sofort ihn fangen wollte." – 

Wie ein Fragezeichen krumm

 biegt sich der Lakai, und stummreicht dem Zaren er den Schatz,kriecht zurück an seinen Platz.Auf die Wunderfeder starrtstumm der Zar, streicht sich den Bart,und, als könnt' es Täuschung sein,

beißt er schnell auch mal hinein.Plötzlich, während seine Faustwie ein Blitzstrahl niedersaust,springt er auf, hrüllt wie ein Stier 

,,He, den Dummkopf her zu mir," – Fingen wie ein Hammelhaufen

die Lakaien an zu laufen,

stießen mit dem Kopf zusammen,als sie um die Ecke kamen,

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rutschten aus, wie Salamander alle purzelnd aufeinander.Konnte sich der Zar nicht halten,lachte, daß die Wände schallten.

Weil's dem Herrn so sehr gefiel,wiederholten sie das Spiel,bis er nicht mehr lachen konnte,durch ein Trinkgeld sie belohnte.Dann erst ohne Zwischenfallrannten sie zum Pferdestall.

Angelangt nach wildem Lauf rissen sie die Stalltür auf.Schnarchend immer noch, oho,fanden sie Iwan im Stroh!

Eine halbe Stunde stießensie ihn unsanft mit den Füßen,schrien ihn vergeblich an,

keine Regung zeigt Iwan,erst ein Rutenbesen machte,daß er nachgab und erwachte.

,,Wer erlaubt euch, hier zu schreien,ihr nichtsnutzigen Lakaien,mit dem Besen mich zu wecken?

Laß euch gleich die Peitsche schmecken!"rief der Marschall würdevoll,doch mit unverhohlenem Groll. Nun, da gab es nichts zu lachen,die Lakaien aber sprachen:

,,Streng hat uns der Zar befohlen,dich sogleich zu ihm zu holen."

Gähnend sprach darauf Iwan:

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Gut, ich zieh' mich erst mal an."Er erhob sich, schritt zur Truhe,wählte aus die besten Schuhe,fand den schönsten Kaftan endlich,wusch und kämmte sich umständlich,legte dann den Gürtel an,hängt' sogar den Ziemer dran.Wie ein Erpel aufgeputzt,ringsherum zurechtgestutzt,schillernd, bunt von allen Seiten,sah man zur Audienz ihn schreiten.

Vor dem Zaren keck erschien er,machte lässig seinen Diener,und sich räuspernd, daß der Kehlenicht der nöt‘ge Nachdruck fehle,fragte er, stolz aufgereckt:

,,Warum hast du mich geweckt?"

Schien der Zar erstaunt wie nie,kniff ein Auge zu und schrie:

,,Was ist das für ein Betragen?Schweig! Wer hat hier wen zu fragen?Ich, der Zar, befehle dir,gleich gibst du die Antwort mir:

Warum hast du dich erkeckt,hast, was mir gehört, verstecktmeine Feuervogelfeder?Bin ich etwa all und jeder, bin ich nicht dein Herr, dein Zar?Antwort will ich, sprich, Tatar!"Hob Iwan die Hand, als wärelängst zuviel ihm dies Geplärre,

sprach: ,,Ich weiß, was ich besitze,hüte es wie meine Mütze.

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Bist du etwa ein Prophet,der, was ich nicht weiß, errät?Sperr mich ein und laß mich rädern,aber Feuervogelfedern . . .“,,Leugne nicht, ich stäub' dich aus !,“ – ,,Keine Feder spräng' heraus!Müßt' ein Wunder schon geschehn!"...,,Nun, das Wunder sollst du sehn!"Eine silberne Kassetteöffnete der Zar und krähte,in der Hand die Feder schwingend,keuchend und nach Atem ringend:

,,Was ist das, elender Wicht,lügst mir jetzt noch ins Gesicht?" – Wand sich Wanja wie ein Wurm,zitternd wie ein Blatt im Sturm,warf sich auf den Boden nieder,flehte: „Zar, ich tu's nicht wieder!Diesmal mußt du mir vergeben!" – 

,,Nun, einstweilen sollst du leben",sprach der Zar, ,,gern reiß‘ ich dir später ab den Kopf dafür."

Ja, so ist und bleibt der Zar.,,Doch zuvor gesteh, Tatar.Einen Feuervogel gar wolltest fangen du, du Narr?

Höre denn, was ich befehle:

Hol ihn, sei's auch aus der Hölle !" – Auf sprang Wanja jetzt und schriewie ein Wolf: ,,Das sagt' ich nie!"wobei er verwirrt, verdutzt,sich am Rock die Nase putzt:

,,Mit der Feder, das ist wahr,doch den Feuervogel, Zar,

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aus der Hölle dir zu bringen,nein, das wird mir nicht gelingen!"Schüttelt der den Bart und spricht:

,,Mit mir handeln lass' ich nicht!Hör: Drei Wochen geb' ich dir.Ist der Vogel dann nicht hier,sollst - bei meinem Bart - du büßen,auf den Pfahl lass' ich dich spießen!Und jetzt mach dich fort, du Wicht!"Beide Hände vorm GesichtWanja zu den Pferden schlich,

weinte lange bitterlich.

Als das kleine WunderpferdWanjas Schritte kaum gehört,tanzt es, wedelnd mit dem Schwanz,trippelnd einen Freudentanz.Als es Wanjas Tränen sah,

war es selbst dem Weinen nah.Tröstend schmiegt sich's an Iwan:

,,Hat dir einer was getan?Warum bist du so verzagt?"teilnahmsvoll das Pferdchen fragt.

,,Bist du krank, hast du gar Schmerzen?

Rede alles dir vom Herzen,will dir gegen jeden Feindhelfen als dein bester Freund!"

Wanjuschka dem Pferdchen sank zärtlich um den Hals zum Dank,als er unter Tränen sprach:

,,Ach, das ist ein Ungemach!Einen Feuervogel gar 

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soll ich fangen, sagt der Zar.Gorbunok, was tu ich bloß?" – ,,,s ist ein Unglück, zweifellos,doch vertraue mir, Iwan,glaub, daß ich dir helfen kann.Hättest du auf mich gehörtdamals" – sprach das kleine Pferd – ,,und die Feder nicht genommen,wäre all das nicht gekommen.Unglück - sagt' ich - bringt sie dir,Wanjuschka, - jetzt glaubst du mir!Kannst trotz allem auf mich bauen,

prophezei' dir im Vertrauen:

Dieser Dienst - zwar nicht der erste – ist noch keineswegs der schwerste! – Schlimmres wird uns noch geschehn! – Doch, nun heißt's zum Zaren gehn!Sag: ,Jetzt ist nicht Zeit zu geizen!Zar, befiehl, vom besten Weizen

mir zwei Tröge einzuschütten,laß dich auch nicht lange bitten,gib dazu zwei Schläuche Wein,aber Samos muß es sein.Morgen sattle ich mein Roß,morgen geht die Reise los!'

Wort für Wort, wie vorgeschlagen,

hat's Wanjuschka vorgetragen:,,Zar, jetzt ist nicht Zeit zu geizen!Gib Befehl, vom besten Weizenmir zwei Tröge einzuschütten,laß dich auch nicht lange bitten,gib dazu zwei Schläuche Wein,aber Samos muß es sein.Morgen sattle ich mein Roß,

morgen geht die Reise lost"

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Und der Zar gab gleich Befehlseinen Dienern, prompt und schnellalles, ohne abzuzwacken,schnell zu holen und zu packen.,,Bist ein Prachtkerl", rief der Zar,wünschte ,,Gute Fahrt" sogar. -Kaum verdämmerte die Nacht,war das Pferdchen schon erwacht.Wiehernd weckte es Iwan:

,,Marsch all, he, der Tag bricht an!

Höchste Zeit ist's aufzustehn,unverzagt ans Werk zu gehn!"Hurtig schnellte hoch Iwan,zog sich seinen Schafspelz an,steckte ein paar Brote ein,nahm den Weizen und den Weinund - noch etwas traumverstört – stieg er auf sein kleines Pferd.

Ostwärts sausend wie ein Segel ging'sins Land der Feuervögel.

Eine Woche auf und abwechselten Galopp und Trab.Dann in einem dunklen Wald

machten sie verschnaufend Halt.

Sprach das Pferd: ,,In dieser Richtung,mitten drin in einer Lichtung,hebt ein Berg sich wunderbar,der aus Silber ganz und gar.Dort vorm ersten Morgenscheinfinden sich die Vögel ein,aus der Bäche Silberquellenlabend ihre durst'gen Kehlen,

dort hinauf laß uns gelangen,einen Feuervogel fangen !" – 

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Als das Pferdchen dies gesagt,schnurstracks durch den Wald es jagt,und nach einem kurzen Lauf tut sich schon die Lichtung auf.Welch ein Bild! Die Wiesen winken,als ob ringsum Perlen blinken,Gras und Blumen leuchtend schienenwie Smaragde und Rubinen.Windhauch säuselt, welch ein Schimmern,welch ein tausendfarbig Flimmern!Glitzernd aus dem Lichtgetümmelsteigt der Silberberg zum Himmel,

und der Abendsonne Strahlen purpurn ihm den Mantel malen,und ihr Glanz zerfließt und rolltdurch den Faltenwurf wie Gold,auf den hohen Weidenspitzen brennend, als ob Kerzen blitzen.

An des Berges steilem Hang aufwärtssieh das Pferdchen schwang eine Werst,vielleicht auch zwei.Stehenbleibend und dabeisich besinnend hub es an:

,,Bald beginnt die Nacht, Iwan!

Aufmerksam mußt du jetzt wachen!Stell bereit hier deine Sachen:in den einen Trog hineinschütt den Weizen und den Wein.Doch du selbst dich niederhock lauernd unterm zweiten Trog.

Darfst nicht schnarchen, darfst nicht gähnen,

singen, pfeifen, seufzen, stöhnen.Gegen Morgen in der Regel

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rasten hier die Feuervögel.Sei nicht bange, wenn sie schrein.Wittern Weizen sie und Wein,stürzen sie sich wie besessendrüber her, sich satt zu fressen.Dann paß auf und sei gewitzt, pack den, der am nächsten sitzt!Hast du einen dann am Bein,mußt du nur gehörig schrein, blitzschnell komm ich angerannt!"-,,Doch, verbrennt er mir die Hand?",,Das tut ziemlich weh, mein Lieber!

Drum, zieh Fausthandschuhe über!" – Fort war plötzlich Gorbunok.Wanja, unter seinem Trog wachte,wie ein Toter kauernd,auf die Feuervögel lauernd.

Mitternacht war kaum vorbei,

da erhob sich ein Geschreiund ein Leuchten, riesengroßrings sich um den Berg ergoß.Über Wein und Weizen schwärmendließen sich die Vögel lärmendnieder, dicht vor Wanjas Nase,der geduckt saß wie ein Hase,unter seinem Trog sich reckte,

zusah, wie es ihnen schmeckteund bereits die Hand ausstreckte,doch zurück noch immer schreckte,murmelnd: ,,Welch ein Teufelspack,um sie allesamt im Sack einzufangen, müßt' man schonselber sein ein Teufelssohn.Da sind fünf, und da sind zehn,

nicht zu leugnen, schrecklich schönsehn sie aus, - die Füßchen rot,

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Schwänzchen, ach, ich lach' mich tot,sowas gibt's bei Hühnern nicht!Und das Licht, das grelle Licht!Wie zu Haus im Ofenloch!"Plötzlich aus dem Troge krochWanja, und in einem Nugriff er kurz entschlossen zu.Hei, den hatte er beim Schwanz!Schwang ihn wild im Freudentanzrings im Kreis herum und schrie:

,,Gorbunok, ich hab' das Vieh!"

Und bevor er sich's versah,war das Pferdchen auch schon da,wiehert laut ihm zu und lacht:

,,Nun, das hast du gut gemacht!Schnell damit jetzt in den Sack,zugeschnürt und Huckepack und davon mit Windeseile!"

,,Warte, nur noch eine Weile,hör doch, wie die Teufel schreien,will sie schnell noch erst zerstreuen!"Wild den Sack im Kreise schwingt er,und die Schar der Vögel zwingt er,in den Wolken zu zerstieben,daß nur Feuerfunken blieben.Dann streift er die Fausthandschuhe

ab und winkt in Seelenruhehinter ihnen drein und schreit:

,,Laßt euch nicht mehr blicken heut!"Schweißbedeckt und noch erhitztvon dem Kampfe Wanja sitztauf dem Pferd mit jähem Satz,heimwärts sausend mit dem Schatz.

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Wanja vor dem Zaren stand,hielt den Sack fest in der Hand,als der Zar schon in ihn drang:

,,Nun, geglückt der Vogelfang?"Schaute dabei nicht Iwan,nur den Hofbeamten an.Wie aus Langeweile beißtauf den Fingernägeln dreistWanjuschka herum und spricht:

,,Selbstverständlich, warum nicht?" – ,,Zeig ihn her!" - ,,Nein, nicht so schnell!Schließt das Fenster, ,s ist zu hell.Finster muß es dazu sein!"Da verhängten die Lakai'nalle Fenster. Dunkelheitlag im Raume weit und breit.Wanja knüpfte auf den Sack,

 plötzlich war es heller Tag!Wanja rief: ,,Na, komm heraus!"Grelle Lichtflut floß durchs Haus,

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daß mit vorgehaltner Handalles rückwärts wich zur Wand,und der Zar zum Fenster rennt brüllend: ,,Brüder, he, es brennt!Heda, holt die Feuerwehr!Wasser, Wasser, Wasser her!" – Ruft Iwan: ,,Ach, keine Spur!,s ist der Feuervogel nur Allen dreist ins Auge guckend,sich vor Lachen fast verschluckend.,,Ha, das ist ein Gaudium,Zar, nicht wahr, das ist nicht dumm?"

,,Wahrlich", - sprach der Zar und lacht – ,,Freund, das hast du gut gemacht,dienst ab heut, du Schelm, du dreister,mir als Zeremonienmeister!" – Hörte dies der gottverdammte,hinterhältige Hofbeamte,knurrte boshaft in den Bart:,,Rotzbub, warte nur, na wart!

Diesmal konntest du noch Siegen,doch ich werde dich schon kriegen.Einmal wird es mir gelingen,dich ins Unglück doch zu bringen."

1Etwa nach drei Wochen waren Köcheund Lakai'n des Zaren in der Küche,Met zu naschen,

 Neuigkeiten zu erhaschenaus der Zeitung ,,Jeruslan".Plötzlich hob ein Diener an:

,,Brüderchen, ich las Geschichten,die es lohnte zu berichten!Ist ein Wunderbuch gewesen,das ein Nachbar mir zu lesen

neulich lieh! Da stand was drin!Brüderchen, das hatte Sinn!

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 Nur fünf Märchen, doch fürwahr,eins wie's andere wunderbar!" – Alle wie aus einer Kehle riefen:,,Brüderchen, erzähle!" – ,,Welches wollt ihr? Das vom Biber?Ist euch eins vom Zaren lieber?Oder - Gott wie heißt der Mannrichtig: eins von Dschingis-Khan?Wollt ihr eins vom Fürst Bobyl?Oder - seid doch einmal still! – Heut ist mir im Kopf ganz hohl,glaub', ich hab's vergessen wohl." – 

,,Laß es weg, fällt dir's nicht ein!",War's vom Zarentöchterlein?" -

,,Richtig Von dem schönen Kind!" – ,,Ja! Erzähl uns das geschwind!Denn vom Zaren hört man täglichmehr als manchmal ist erträglich.Solche Märchen kriegt man über,

schöne Mädchen sind uns lieber!" –  Nahm der Redner Platz erst richtigund erzählte dann gewichtig:

,,Fern im Westen wogt ein Meer,Schiffe segeln hin und her.Ketzer sind's, doch keine Christen,

die an jenen Küsten nisten.Alle rechtgläubigen Schiffemeiden diese räudigen Riffe.Ketzer sind's, die aufgebrachtdie Geschichte über Nacht:

Eine Schönheit, wunderbar,und mit goldnem Lockenhaar 

dort auf einer Insel throne.Sicher sei sie mit der Sonne

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und auch mit dem Mond verwandt.Übers Meer mit eigner Handsteuert sie ihr goldnes Boot.Schwanenweiß im Abendrotstrahlt ihr Pelz aus Hermelin,Wind und Welle sanfter ziehn,läßt sie ihre Harfe klingen,hebt sie an, ein Lied zu singen..Alles ringsum saß und stand,lauschte stumm und wie gebannt.Plötzlich wie besessen sprang jemand von der Ofenbank,

lief hinaus in wilder Hastgeraden Weges zum Palast.Kam zum Zaren der Beamte,warf sich auf die Knie und rammtedreimal mit der Stirn die Dielen,-doch er schien es nicht zu fühlen – rief: ,,Erbarmen hab mit mir!Schuldbewußt lieg' ich vor dir.

Höre gnädig den Berichtdeines Knechts und straf mich nicht!" -Streng vom Bett aus rief der Zar:,,Rede, aber kurz und wahr !"Sprach der Lügner ohne Wanken:,,Eben in der Küche tranken auf dein Wohl wir grad ein Glas.Machte einer sich den Spaß,

wie schon oft in solchen Fällen,uns ein Märchen zu erzählen.In dem Märchen wird berichtet,

sei es Wahrheit, sei ,s erdichtet:

Fern auf fremder Insel solleeine junge, zaubervolleFürstentochter auf den Mann

warten, der sie freien kann. Nun, da prahlte doch dein dreister 

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Schelm von Zeremonienmeister:

,Ach, den Vogel kenne ich,längst schon wartet er auf mich!'Und er schwor, daß, wenn er wollte,er ihn gleich nach Rußland holte.“Mit der Stirn die Dielen rammtenoch einmal der Hofbeamte.Schrie der Zar die Diener an:

,,Bringt ihn her, den Dummerjan!"Hinterm Ofen an der Wand

der Beamte schnell verschwand,als Iwan erschien im Hemd,ungewaschen, ungekämmt.,,Höre", rief der Zar ergrimmt,,,warum hast du dich gerühmt,einen schön'ren Vogel gar wegzunehmen deinem Zar?Du willst Königstöchter freien?

 Nun, das sollst du mir bereuen !“Wanja, noch vom Schlaf verstört,glaubt, er hab' nicht recht gehört.,,Wie denn?" rief er, ,,was für Witze?Daß der Himmel mich beschütze!

 Nicht bei Tage, nicht bei Nachthab' ich solchen Scherz gemacht!Machst dich lustig, nun, mag's sein,

doch ich fall' nicht darauf ,rein!"Stieß der Zar den Bart nach vorn,schrie in allerhöchstem Zorn:

,,Schweig! Sprichst du mit deinesgleichen?Eh' drei Wochen noch verstreichen,holst du die Prinzessin mir!Spute dich! Sonst wehe dir!

Sollst - bei meinem Barte - büßen!Auf den Pfahl lass' ich dich spießen!

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Und jetzt mach dich fort, du Wicht!" – Beide Hände vorm GesichtWanja zu den Pferden schlich,weinte lange bitterlich.

,,Sprich, Iwanuschka, mein Lieber, bist du krank, hast du gar Fieber?Warum senkst du so verzagtdeinen Kopf?" das Pferdchen fragt.,,Hat Verleumder man gedungengegen dich?" Iwan umschlungenhielt den Hals des Freunds und sprach:

,,Schlimmer ist mein Ungemach!Hör, der Zar hat mir befohlen,die Prinzessin ihm zu holen!Gorbunok, sag, was ich tu'?"Sprach das Pferd: ,,Ich gebe zu,,s ist ein Unglück, doch mein Lieber,mußt verzweifeln nicht darüber!Besser stünd' es zwar um dich,

hättest du gehört auf mich. Nun, ich will dir ohne Zagennicht den kleinen Dienst versagen,steht ein größ'rer doch bevor!Geh zum Zaren jetzt, du Tor,sag ihm: ,Zar, wie du befohlen,will ich die Prinzessin holen.Gib mir nur, was dazu fehlt:

Gib ein goldbesticktes Zelt,Tafelsilber, seidne Tüchlein,Konfitüre, süße Küchlein!'

Wort für Wort, wie vorgeschlagen,hat's Wanjuschka vorgetragen:,,Zar, ich will, wie du befohlen,

dir das schöne Mädchen holen.Gib mir nur, was dazu fehlt:

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Gib ein goldbesticktes Zelt,Tafelsilber, seidne Tüchlein,Konfitüre, süße Küchlein!" – ,,Nun, warum nicht gleich, mein Sohn!"rief der Zar vergnügt, und schongab vom Bett aus er Befehlseinen Dienern, prompt und schnell,alles, ohne abzuzwacken,gleich zu holen und zu packen.,,Bist ein Prachtkerl!" rief der Zar,wünschte ,,Gute Fahrt" sogar.

Kaum verdämmerte die Nacht,war das Pferdchen schon erwacht,wiehernd weckte es Iwan:,,Marschall, he, der Tag bricht an!Höchste Zeit ist's aufzustehn,unverzagt ans Werk zu gehn!"Hurtig schnellte hoch Iwan,

zog sich seinen Schafspelz an,schnürt das Silberzeug, die Tüchlein,das Konfekt, die süßen Küchleinund das Zelt in einen Sack.Mit dem Bündel Huckepack sieht man ihn aufs Pferd sich schwingen,wie der Wind mit wilden Sprüngenwestwärts durch den Nebel reiten,

die Prinzessin zu erbeuten.

Eine Woche auf und abwechselten Galopp und Trab.Dann in einem dunklen Waldmachten sie verschnaufend halt.Sprach das Pferdchen zu Iwan:

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,,Sieh, dort liegt der Ozean,wo das schöne, wunderbareMädchen weilt. Zweimal im Jahresteuert sie das Festland an.Morgen siehst du sie, Iwan!"Als es diesen Spruch beendet,hin zum Strand das Pferd sich wendet.Auf das Meer Wanjuschka spähte,wo ein weißes Segel wehte.Wanja springt herab vom Pferd,das ihm wie ein Freund erklärt:

,,Hier mußt du das Zelt aufschlagen,mußt das Silberzeug auftragen,Konfitüre, süße Küchleinauf den hübschen, seidnen Tüchlein.Laß die Schöne sich erfrischen;du jedoch legst dich inzwischenwachsam hinters Zelt und spähst,daß du klug die Sache drehst.

Sieh, da kommt das Boot heran, ja sie ist's, sie ist's, Iwan!Wenn sie erst das Zelt erblickt,ist die Sache halb geglückt.Kostet sie, was hier gedeckt,nimmt sie Platz auch, weil's ihr schmeckt.Wenn sie sich erst sicher fühlt,singt sie auch ein Lied und spielt.

Dann, Iwan, folg meinem Rat, -dann erst ist es Zeit zur Tat.Spring ins Zelt, umschlinge sie,halte in der Zwinge sie,ruf nach mir aus voller Kehle,wie der Wind bin ich zur Stelle!Und in wenigen Sekundensind wir durch den Wald verschwunden.

Doch noch einmal: Schlaf nicht ein!Bitter müßtest du's bereun!" – 

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Und dann war das Pferdchen weg,Wanja suchte sein Versteck, bohrt ein Loch ins Zelt und lauschte.Dumpf am Strand die Brandung rauschte.

Lange wartete Iwan.Erst um Mittag kam der Kahnder Prinzessin an den Strand,wo das Zelt Wanjuschkas stand, prächtig und mit Gold bestickt.Als die Schöne es erblickt,stieg voll Neugier sie an Landmit der Harfe in der Hand.

Denkt entzückt, was mag das sein?Und da trat sie auch schon ein.,Ho' - denkt Wanja, - ,nun, da schau!Wie im Märchenbuch, genau!Könnt ich Dummkopf bloß verstehn,was an der so wunderschön?

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Blaß und mager und zerbrechlich,um die Taille viel zu schwächlich,und die Füßchen viel zu klein!Wacklig wie ein Hühnerbein!Sowas lieben?' - Wanja denkt:

,Nein, die nähm' ich nicht geschenkt!'Dies und andres Wanja gingdurch den Kopf. Auf einmal fingdie Prinzessin an zu singen,ließ die Harfe leise klingen,unbeschreiblich süß und schön.

Wanja, eh er sich's versehn,sinken ließ die Stirne tief er in die Hände und - schon schlief er.

Hinterm Horizont verstecktesich die Sonne schon, da weckteein Gewieher und ein Rufenunsern Schnarcher. Mit den Hufen

gab das Pferd ihm Schlag auf Schlag:

„Schlaf‘ doch bis zum Jüngsten Tag!Gieße Unheil aus auf dich!Du kommst auf den Pfahl, nicht ich!"Wanja weinte laut und bat:

,,Ach, vergib mir, was ich tat!

 Niemals schlaf ich wieder ein!" – ,,Gott allein mag dir verzeihn!Diesmal hast du ja noch Glück,die Prinzessin kommt zurück morgen – doch zum letztenmal!Sicher kommst du auf den Pfahl,schläfst du morgen ein wie heute."Traurig schlich Iwan beiseite,

suchte, als der Freund verschwunden,mühevoll noch viele Stunden

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 Nägel von geborstnen Schiffen,spitze Steine von den Riffen,anderntags darauf zu liegenund die Schlafsucht zu besiegen.

Wie's voraus das Pferdchen sagte,kam, als kaum der Morgen tagte,mit dem Boote übers Meer die Prinzessin schon daher,legte an und stieg an Landmit der Harfe in der Hand,ging zum Zelt und setzte wieder 

arglos sich zum Frühstück nieder.Wieder fing sie an zu singen,ließ die Harfe süß erklingen, - beinah wäre - traumverzückt – Wanja wieder eingenickt.,Nein, du Schlange', denkt er bebend,sich mit einem Ruck erhebend,‚diesmal fall ich nicht drauf ,rein!'

Und er stürzt ins Zelt hinein,greift beim Zopf die Schöne plötzlich, brüllt: ,,Zu Hilfe!" laut, entsetzlich.Kam das Pferdchen schon und lacht:,,Herr, das hast du gut gemacht! Nimm die Schöne, komm, wir reiten!Laß sie nicht zu Boden gleiten!"

In der Hauptstadt angekommen, prächtig in Empfang genommenwurden sie. Der Zar erschien,hielt den Arm der Schönen hin,in sein Schloß er sie geleitet,wo schon alles vorbereitet.Heiß verliebt schaut er sie an,

als zu reden er begann:

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,,Schönste Jungfrau hier auf Erden,Rußlands Zarin sollst du werden,denn seitdem ich dich erblickt, bin ich ganz berauscht, entzückt.Deine Augen sehn mich an,daß ich nachts nicht schlafen kann,daß ich tags mich selbst verzehre.Fühlst du, wie ich dich verehre?Ja, ich liebe dich allein!Morgen soll die Hochzeit sein.

Gib dein Jawort, auf uns beide

wartet eitel Glück und Freude!" – Als das schöne Mädchen schweigend,nichts als Stolz und Kälte zeigend,nur mit spöttischem Gebarenweg sich wandte von dem Zaren,kränkte das den Herrscher sehr;dennoch liebt er sie noch mehr.Zärtlich ihre Hände streichelnd,

vor ihr kniend scherzt er schmeichelnd:

,,Wodurch hab' ich dich betrübt?Dadurch, daß mein Herz dich liebt?" – ,,Ach, mein Los ist zu beklagen.Mich gewinnt, wer in drei Tagenaus dem tiefen Ozeanmeinen Ring mir holen kann !“,

Rief der Zar: ,,Lauft, bringt Iwan!"Fing gleich selbst zu rennen an.Atemlos Iwan erschien.Wandte sich der Zar an ihn,sprach: ,,Mein bester Freund Iwan!Schnell zurück zum Ozean,in des Meeres tiefsten Gründen

der Prinzessin Ring zu finden.Bringst du ihn, will ich dir schenken,

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was du forderst - ohn' Bedenken!" – ,,Noch sind lahm mir alle Glieder,und nun schickst du mich schon wieder?" – Fing der Zar gleich an zu heulen:

,,Wie, du willst dich nicht beeilen?Hochzeit will ich morgen machen,und du sagst mir solche Sachen?"Wütend, vor Erregung dampfend,schrie er, mit den Füßen stampfend:

,,Bursche, red dich nicht heraus,

gleich führ den Befehl mir aus!"Wanja wollte eben gehn,rief die Schöne: ,,Halt, bleib stehn!Könntest auch für mich gleich morgeneinen wichtigen Brief besorgen!Reite zum Smaragdpalast,dort machst du ein wenig Rast.Grüß die Mutter mir und sage:

Ihre liebe Tochter frage,warum sie ihr goldnes Bildschon drei Tage lang verhüllt?Auch den Bruder sollst du grüßen.Sag, die Schwester möchte wissen,warum schon drei Nächte langnicht ein Schimmer zu ihr drang.Sag, ich sähe sie so gerne,

doch ich sei in weiter Ferne.",,Selbstverständlich, wird gemacht",sprach Wanjuschka drauf und lacht.,,Werde deine Mutter grüßen.Vorher aber müßt ich wissen,wie sie heißt und wo sie wohnt!" – ,,Meine Mutter ist die Sonne!"

,,Und dein Bruder?" – ,,Ist der Mond!" – Schrie der Zar von seinem Throne:

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,,Spute dich, du Bösewicht! Nur drei Tage! Länger nicht!" – Wanja in die Scheune schlich,weinte lange bitterlich.,,Warum senkst du so verzagtdeinen Kopf?" das Pferd ihn fragt.,,Ach' schon wieder droht Gefahr!Hochzeit machen will der Zar,mit dem magren Hühnerbein.Morgen möcht er sie schon frei'n. Nochmals an den Ozeanreiten soll ich", -seufzt Iwan – 

,,in drei Tagen finden flink einen dummen Fingerring.Magst krepieren, mußt's probieren!Soll zum Mond gar galoppieren,und der Sonne selber mußich bestellen einen Gruß,denk dir, im Smaragdpalast!Ach, es ist unglaublich fast!

Doch die Schöne hat's befohlen.Soll sie doch der Teufel holen !" – Sprach das Pferd: ,,Darfst mir Vertrauen,darfst auch diesmal auf mich bauen.Dieser Dienst - zwar nicht der erste – ist doch längst noch nicht der schwerste.Schlimmres steht uns noch bevor.Leg dich jetzt erst mal aufs Ohr!

Morgen früh um vier, Iwan,reiten wir zum Ozean."

Und am Morgen zog Iwanwieder seinen Schafspelz annahm drei Zwiebeln schnell vom Tisch,schwang sich auf sein Pferdchen frisch,

ließ es wie der Teufel laufen

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Aber jetzt laßt mich verschnaufeneinen Augenblick geschwind,eh' das dritte Buch beginnt.

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DRITTES BUCH

Mit der Hacke im Feld baute Kohl einst Makar 

und jetzt wurde aus ihm ein Wojwode sogar.

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Tralali und Tralalo !

Sagt doch, warum rennt ihr so? – Weggelaufen sind die Pferde, jagt das ganze Dorf die Herde,treibt sie her mit Stücken, Knuten,

fester bindet man die Stuten. – Hoch auf eines Eichbaums Höhe bläst Trompete eine Krähe.Über euch, ihr Christenleute,macht das Tier sich lustig heute, -kräht: ,,Ihr Leute, hört mich an,hört, es war einmal ein Mann,machte einen Spaß zu Haus,

ward ein lustiges Märchen draus.Seine Frau zum Fastnachtsfesthat's bis auf den letzten Restund auch nachher noch erzähltin der ganzen Christenwelt."

Wenn, was hier vorausgeschickt,

etwa noch nicht ganz genügt,um euch recht zu amüsieren,fahr' ich fort zu fabulieren:

Stellt euch beispielsweise vor,eine Fliege singt vorm Tor:,,Hört die neuste Nachricht, Leute:Schwiegermutter setzte heute

Schwiegertochter auf den Herdmit dem Hintern, unerhört!

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Band um Hände ihr und Füßeeine Schnur und sprach: ,Nun büße!'Zog den rechten Schuh ihr aus,sprach: ,Nun bleibst du schön zu Haus!Graut der Morgen, sicherlich bist du dann so grau wie ich!"' – Doch genug! will mich besinnenund mein altes Garn verspinnen! – Auf dem Weg zum Ozean.sahen wir zuletzt Iwan,ritt, den Fingerring zu finden,wie gehetzt von allen Winden.

Schon am ersten Tage legter tausend Werst zurück, so fegter durch die Luft in toller Hastohne eine einz'ge Rast.

Angelangt am Ozeansagt das Pferdchen zu Iwan:

,,Wenn wir uns so weitersputen,kommen wir nach drei Minutengeradenwegs in dieser Richtunghier am Strand zu einer Lichtung.Wie ein Höhenzug im Talliegt ein riesengroßer Waldort am Ufer angekettet.Keiner ist, der ihn errettet.

Irgendwas hat er verschuldet,schon zehn Jahr' er dafür duldet,schon zehn Jahre hangt und bangt er,doch Verzeihung nie erlangt er.Dir wird er sein Leid nun klagen,dich, Iwan, wird er nun fragen,ob für ihn, der so gelitten,du nicht Gnade kannst erbitten,

wenn ins Sonnenland du gehstund vor seinem Richter stehst.

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Wanja, hilf dem armen Tier,denk daran, versprich es mir!"

Drei Minuten später standWanja am besagten Strand.Wie ein Höhenzug im Tallag der riesengroße Wal.Oben auf des Wales Rückenkonnte man ein Dorf erblicken.Seitlich sind des Hügels Hängeabgesteckt durch Zaungestänge,

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das gerammt in seine Rippen.Dort, genau wie auf den Lippen, pflügten Bauern ihre Felder,warfen Schatten kleine Wälder,und den ganzen Schwanz entlangwar ein Käsemarkt im Gang.Zwischen seinen Augen sühltenkleine Jungen sich und spielten,und in seines Bartes Schluchtenkleine Mädchen Pilze suchten.

Auf dem Wal das Pferd spazierte,

daß der Hufschlag klang und klirrte.Durch die starren Schnurrbartfädenfing der Ärmste an zu reden,schnaufend, prustend, stöhnt er leise:

,,Meine Herren, gute Reise!Meine Herrn, woher, wohin?"Freundlich sprach das Pferd: ,,Wir ziehn

geradenwegs ins Sonnenland,sind als Boten abgesandt,Grüße sind uns aufgetragen." – ,,Könnt ihr nicht die Sonne fragen,Brüderchen, wofür, wofür ich so lang schon leide hier,dulde so viel bittre Qual?",,Machen wir, mein lieber Wal!"

schrie Iwan aus voller Kehle.,,Schon zehn Jahr' ich hier mich quäle!Sagt, man soll mir doch verzeihn!Will euch selbst gefällig sein!"fleht der Walfisch noch einmal.

,,Machen wir, mein lieber Wal!"rief Iwan. Das Pferdchen sprang

schon hinab des Hügels Hang,raste weiter und verschwand

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rückwarts wirbelnd Staub und Sand.

Über Berge, quer durch Schluchtensie den Weg zur Sonne suchten.Was da alles noch geschehn,hab' ich selber nicht gesehn.Märchen mag man leicht erdichten,schwer ist's, Taten zu verrichten.Hab' nur hintenrum gehört,daß Iwan mit seinem Pferdschließlich jenen Punkt erreicht,

wo die Nacht dem Tage gleicht,Erd und Himmel sich berührenwie zum Hin- und Herspazieren,wo die fleißigen Bäuerinnennoch auf Erden sind beim Spinnen,doch die Rocken drüben stehnund den Flachs im Himmel drehn.Wanja ließ die Welt zurück.

 Noch ein letzter Abschiedsblick,und dann ritt er hochgemut,keck, mit schräggestelltem Hutwie ein Fürst im Glorienscheinmitten in den Himmel ein.,,Nun, das ist ein Paradies!"rief er, ,,herrlich, ganz gewiß!Ähnlich sah ich's in der Fibel

Zwar ist Rußland auch nicht übel,doch mir scheint, das Zarenreichhält nicht stand hier beim Vergleich.Arme Erde! Nichts als Dreck trägt am Schuh man davon weg!Aber hier ist licht und blaualles ringsum! Pferdchen schau:

Welch ein goldenes Geflimmer schöner als der Morgenschimmer!

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Gibt's ein Licht, das diesem gleicht?Ist's die Himmelsstadt vielleicht?" -‚s ist ein Schloß aus reinstem Gold.Die Prinzessin Wunderhold,die so listig du entführt,die uns einst regieren wird,thront in diesem Prunkpalast.Hier hält nachts die Sonne Rast...Tags, wenn sie am Himmel steht,hei! der Mond zur Ruhe geht."Also sprach das Pferd - und dannschwang sich's aufwärts wie ein Schwan.

Und nun stehn sie vor dem Tor,ein Gewölbe liegt davor,ganz aus glitzerndem Kristall,und von Gold die Säulen allwinden sich empor wie Schlangen.Diamantne Sterne prangenauf der Türme hohen Spitzen,

Gärten ringsum blühn und blitzen,ruhn in feierlichem Schweigen

nur auf ihren SilberzweigenParadiesesvögel schillern,süße Zauherweisen trillern.Vielgetürmt gleicht der Palasteiner Stadt mit Dörfern fast;über allem hoch und weitstrahlt das Kreuz der Christenheit.

Wanja kommt in leichtem Trabin den Schloßhof und steigt ab.Vorgeladen zur Audienzmacht er seine Reverenz:

,,Gruß dir, Sonne, edle DameWanja ist mein werter Name.

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Gruß auch dir, Mond Mondowitsch.Ich bin Wanja Petrowitsch!"Sprach die Königin: ,,Erzähle,was bekümmert dir die Seele?Sag die Gründe deiner Reise,sag mir auch, auf welche Weisekamst du in mein lichtes Land?Wer hat dich zu mir gesandt?Und woher? Sprich unumwunden!" – ,,Hab' den Weg zu dir gefundendurch den großen Ozean",sprach, sich setzend, nun Iwan.

,,Meine Heimat ist die Erde,kam auf meinem schnellen Pferde.Grüße hat mir aufgetragendie Prinzessin. Dringend fragensoll ich, warum du dein Lichtläßt solang' schon leuchten nicht.Schon drei Nächte und drei Tagewelkt sie hin in stummer Klage;

in ihr finstres Nebeltaldringt kein Mond - kein Sonnenstrahl.

Das war alles ungefähr,vielleicht sagte sie noch mehr,doch sie sprach so klug und fein,darum fällt's mir nicht mehr ein. – ,,Sag, wo die Prinzessin wohnt!

Sag den Namen?." rief der Mond. – ,,Wie sie heißt, blieb mir verschwiegen,doch ich will euch nicht belügen:

an des großen Ozeans Strandnahm ich selbst mit eigner Handauf das drohende Verlangenmeines Zaren sie gefangen,

und mit meinem schnellen Roß brachte ich sie auf sein Schloß.

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Bin sein Leibkosak, sein Knecht.Trotzt' ich ihm, erging mir's schlechthätt' es bitter büßen müssen,auf den Pfahl wollt' er mich spießen!" – Als die Sonne dies vernahm,sprach sie weinend noch vor Gram:

,,Große Freude bringst du mir,Freund, ich danke dir dafür.Unklar ist mir zwar noch heute,was das alles wohl bedeute,aber du weißt jetzt Bescheid,

warum ich im Nebelkleidmich drei Tage schon verhülle,trauernd weine in der Stille,nichts mehr esse, nichts mehr trinke,ganz in meinem Schmerz versinke.Du verstehst, warum mein Sohnauch drei Trauertage schonmit verfinstertem Gesicht

wendet von der Welt sein Licht. Nach der Freiheit seiner schönenSchwester siehst du ihn sich sehnen.Doch nun tu mir schleunigst kund:

Ist sie krank, ist sie gesund?" – ,,Nun es geht, sie ist wohl schwächlich,von Natur aus leicht zerbrechlich,

etwas wacklig auf den Beinenund zu mager, will mir scheinen,dünn die Taille wie ein Stock,mißt nicht mehr als drei Werschok,wollte einen Mann sie frei'n,müßte sie wohl kräftiger sein.Unser Zar will sie jetzt nehmen." – schrie der Mond: ,,Der soll sich schämen!

Dieser Teufel, dieser Racker,dieser siebzigjährige Knacker,

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sieht sich noch nach Jungfraun um,aber an der Nase ,rumführt sie ihn, den KnasterbartDastehn wird er wie genarrt!" – Alle lachten um die Wette.Schließlich sprach Iwan: ,,Ich hätteeine Bitte noch an dich:

Für den Walfisch bitte ich,den ich festgekettet fandan des großen Ozeans Strand.Schon zehn Jahre muß er büßen,

seine Seiten sind zerrissen,Bauern pflügen auf den Lippen,Zäune ragen aus den Rippen,kann die Qual nicht mehr ertragen!Und drum sollte ich dich fragen:

Kann man ihm denn nicht verzeihn?Warum duldet er die Pein?" – 

Sprach die Sonne: ,,Dieser Walduldet darum solche Qual,weil im Zorn er sich vermessen,mitleidlos und gottvergessenmit der Wimper nicht gezuckt,dreißig Schiffe hat verschluckt.Gibt er heut die Schiffe her, büßt er auch nicht länger mehr.

Schnell sind seine Wunden heil,langes Glück wird ihm zuteil." -

Von der Sonne Abschied endlichnahm Iwan, wobei umständlichdreimal sie sich fest umschlangen,wechselnd küßten sich die Wangen:

,,Nochmals Dank, und gleicherweisedankt mein Sohn dir! Gute Reise!

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Meine Tochter aber grüße,sag ihr, wie ich sie vermisse,sag, sie dürfe nicht verzagen,denn nach diesen Unglückstagengroße Freude ihrer warte. Nicht der Alte mit dem Bartewird sie in das Brautbett zerren, -nein, bald wird sie angehöreneinem schönen, jungen Mann! Nun, mit Gott, leb wohl, Iwan!"Stolz steigt Wanja jetzt zu Pferde,grüßt mit höfischer Gebärde.

Aufrecht wie ein großer Ritter sprengt er durch des Schloßhofs Gitter.

Wieder an den Ozeanzu dem Walfisch kam Iwan.Auf dem Wal das Pferd spazierte,daß sein Hufschlag klang und klirrte.

Seufzt der Walfisch tief und klagt:

,,Nun, wie steht's, ihr Herren, sagt,muß ich weiter hier noch büßen?“ – Spricht das Pferd: ,,Gleich wirst du's wissen !"Rennt ins Dorf und ruft im Lauf alle Bauern rings zuhauf,klopfend an die Fensterläden, -

und beginnt, wie folgt, zu reden:

,,Ehrenwerte Christenleute,sucht so schnell ihr könnt das Weite,wollt ihr hier nicht untergehn,denn ein Unglück wird geschehn!Kochen wird der Ozean,

und der wilde Wassermannwird den Wal - ihr werdet's sehn – 

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donnernd auf den Rücken drehn!"Alle sah man jäh erschauern,schreiend liefen fort die Bauern, bald mit hochbepackten Wagensah man sie von dannen jagen.Leer, wie ausgestorben, lagschon das Dorf am selben Tag,als ob ein Mamaï -Heer drüber hingegangen war.

Auf dem Wal das Pferdchen stand.

Schwanzwärts seinen Blick gewandtschrie es laut mit aller Macht!,,Walfisch, Riese, jetzt gib acht!Zehn Jahr' warst du angetäut,willst du, daß man dich befreit?Schnell die Schiffe ausgespuckt,die du damals hast verschluckt!Sind die dreißig Schiffe frei,

ist auch deine Not vorbei,gleich sind deine Wunden heil!Langes Glück wird dir zuteil!"

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Seil auf Seil mit dem Gebißmühsam jetzt das Pferd zerriß.Mit drei Sprüngen, hoch und weit, bracht es sich in Sicherheit.Der Koloß, schon regt er sich,wie ein Berg bewegt er sich,fauchend, prustend, seufzend schwer,wälzt er sich hinaus ins Meer.Wogte wild das Meer und schäumte,als der Riese hoch sich bäumte.

Unter Blitz und Donnerkrachensah man aus dem mächtigen Rachendreißig Schiffe munter kegeln,heil mit Schiffern und mit Segeln.

Solchen Lärm die Mannschaft machte,daß der Walfisch ganz erwachte.Während sich die Segel blähten,

 jubilierten laut Trompeten,lustige Hornsignale tönten,und Kanonenschüsse dröhnten.

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Frisch die Flaggen sich entrollten,mit dem Popen betend zolltenalle froh dem Himmel Dank.Mächtig klang's im Chorgesang:,,Über's weite Meer dahinunsere weißen Segel ziehnunterm blauen Himmelszelt bis ans Ende dieser Welt . ..“

Sausend mit des Windes Flügelnhinter hohen Wellenhügeln

schnell entschwand das letzte Schiff,als der Walfisch dröhnend rief,während er den Rachen hob,daß wie Staub die Flut zerstob:

,,Laßt mich euren Dienst belohnen,Freunde! Soll ich ein paar TonnenFische oder Krebse fangen?

Alles könnt ihr jetzt verlangen !Perlen, riesengroß und schwer,hol' für euch ich aus dem Meer!"Rief Wanjuschka: ,,Danke! Nein!Willst du uns gefällig sein,lieber Wal, dann eil und bringuns vom Meeresgrund den Ring,der der Braut des Zaren fiel

über Bord beim Harfenspiel!",,Gern! Für einen Freund, Iwan,tu ,ich alles, was ich kann.Morgen hab' ich ihn gefunden!" – rief's und war wie Blei verschwunden.

Schwimmend weitherum im Meere

rief der Wal herbei die Störe,die ihm folgten ganz verstört.

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Schnaufend schrie er: ,,Hergehört!Einer schönen Fürstin fielirgendwo beim Harfenspielin das Meer ein Fingerring.Tummelt euch und sucht das Ding!Wer ihn findet - auf mein Wort -,Hofrat soll er sein sofort.Wer sich dem Befehl entzieht,nun, ihr wißt ja, was dem blüht!"

Da verneigte sich die Rotte,dampfte ab wie eine Flotte.

Als die Störe viele Stunden ,rumgesucht und nichts gefunden,schickten sie zum Herrn der Meereängstlich zwei Parlamentäre:,,Ruhm und Preis sei dir und Ehre!"sagten demutsvoll die Störe.„Leider konnten wir nichts finden,

schnüffelten in allen Gründen.Einer nur, der Kaulbarsch, Herr,weiß gewiß darüber mehr,kennt sich aus in allen Ecken,doch, als wollt' er sich verstecken,saust er dauernd kreuz und quer." – ,,Sucht den Kaulbarsch, schleppt ihn her!"schrie der Wal, die Störe rüttelnd,

zornig seinen Schnurrbart schüttelnd.

Die Gesandten dienstbeflissenan den Bauch die Flossen rissen,machten kehrt und mucksten nicht,stürmten fort zum Landgericht,schrien: ,,Schreiber, Haftbefehlfür den Kaulbarsch, aber schnell !"

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Als den Blei man aufgetrieben,hat den Ukas er geschrieben,kam der Wels - der Rat - gewetzthat den Namen draufgesetzt,und der Krebs hat auf dem Randgleich das Siegel eingebrannt.Die Gendarmen, zwei Delphine,zuckten auch mit keiner Miene,haben den Befehl genommen,sind wie toll davongeschwommen,allerorten zu verkünden:

,,Sucht den Kaulbarsch, laßt ihn binden!Schleppt den alten Vagabunden,wenn ihr ihn erwischt, gefunden,diesen Raufbold, diesen Schreier,schleppt das grantige Ungeheuer an den Flossen, an den Haaren,schleppt ihn vor den Meereszaren!"

Alle Meere auf der Welt,Flüsse, Seen, ungezählt,wühlten auf sie bis zum Grunde,

doch, vom Kaulbarsch keine Kunde! – erschöpft und abgezehrtmachten sie verzweifelt kehrt.Plötzlich hörten sie zugleich

Lärm in einem Karpfenteichstießen beide tief hinein:

Richtig! Hinter einem Stein prügelt Bruder Liederlich gradmit der Karausche sich.,,Ruhe da, wir werden euch ...Auseinander aber gleich!"

schrien mit Polizistenmiene barsch und drohend die Delphine.

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,,Schert euch fort! Mischt euch nicht drein!"fing der Kaulbarsch an zu schrein.,,Weg! Mit mir ist nicht zu spaßen,werd' euch gleich mal was verpassen!",,Schweig, wir stopfen dir den Mund,

Wegelagerer, Vagabund,Raufbold, gibst du Ruh, du Schreier!Wart, du grantiges Ungeheuer! Nie willst du zu Hause sitzen,dauernd durch die Gegend flitzen.Da, lies diesen Ukas mal!

Mach dich fertig! Los! Zum Wal!"Und mit diesen Worten packtendie Delphine den vertrackten,händelsüchtigen Genossen beiderseits an seinen FlossenDoch der Raufbold um sich haut,strampelte und kreischte laut:

,,Nicht doch, Brüder, laßt mich laufen,laßt mich noch ein bißchen raufen!"Lange schrie er, und dann brummteer nur noch, - bis er verstummte.Streng, mit Polizistenmieneschleppten schweigend die Delphine,unbeirrt durch sein Gebaren,den Krakeeler vor den Zaren.

Drohend rief der Wüterich:

,,Lügensohn, wo warst du, sprich!"Machte sich der Barsch ganz klein, bat den Riesen, zu verzeihn,sprach: ,,Ich konnte nicht gleich kommen,war in Anspruch grad genommen." – Ganz von oben sprach der Wal:

,,Ich verzeih dir dieses Mal.

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Doch verlange ich dafür einen wichtigen Dienst von dir!" – Quiekte jener auf den Knien:,,Will mich gern für dich bemühn!",,Hör, du alter Vagabundkennst den ganzen Meeresgrund,sicherlich dir nicht entging,wo versteckt der Fingerring,der der schönen Fürstin fielin das Meer beim Harfenspiel!" – Schrie der Barsch aus voller Kehle:,,Gleich schaff' ich das Ding zur Stelle!"

Sprach der Wal: ,,Dann bist du frei.Aber laß die Rauferei!Spute dich! Verstanden? Marsch!" – Tief gebückt verschwand der Barsch.

Kaum, daß er die Freiheit sichtet,hat er schon sich aufgerichtet,zankt mit einer Flunder ,rum,

schimpft sie aufgeputzt und dumm,kann's nicht lassen, ein paar Plötzeneinige Tritte zu versetzen,haut sechs Sprotten hinterdreinohne Grund die Nasen ein.Als er diese Tat getan,stürzte er, den Kopf voran,kühn in eine Felsenschlucht,

denn dort lag, was man gesucht,

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die Kassette mit dem Ring.Doch zu schwer war ihm das Ding,wieviel Pud, - ich weiß nicht mehr,hundert wohl so ungefähr.Als er heftig schlug Alarm,nahte sich ein Heringsschwarm.

Diese braven Fischlein kamen,rafften alle Kraft zusammen,die Kassette mit dem Schatzrührte sich kein' Deut vom Platz.Uh! - und Oh! - in dumpfen Tönen

hörte man sie ächzen, stöhnen.Von Bewegung keine Spur,quetschten sich die Nasen nur.Schrie der Kaulbarsch: ,,Tagediebe !Wodka wollt ihr? Nichts als Hiebeeuch, ihr Schlappschwänze, gehören !,, -Gellend rief er nach den Stören.Diese schwammen schnell herbei,

hoben ohne viel Geschreiaus dem Schlamm das schwere Ding,drin verpackt der Fingerring.,,Vorwärts, Kinder, rechts schwenkt! Marsch!Bringt's zum Zaren!" rief der Barsch.,,Kann nicht selber mit euch kommen,hab mir noch was vorgenommen, bin halbtot vom Schuften heut,

fall bald um vor Müdigkeit,geh am besten bald zu Bette...“Und die Störe um die Wetteschwimmend zogen ab zum Zaren.Als sie nicht mehr sichtbar waren,schoß der Vagabund sogleichwieder in den Karpfenteich.(Wo man ihn beim Raufen störte

und so barsch zum Zaren zerrte.)Ob den Zank er fortgesetzt,

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nun, darüber schweig' ich jetzt.Lassen wir den Tagedieb,sehen wir, was Wanja trieb.

Ruhig liegt der Ozean,stumm am Strande sitzt Iwan, blickt aufs Meer mit bangem Blick,denkt: ,Wann kommt der Wal zurück?' Neben ihm träumt ungestörtausgestreckt sein treues Pferd.Ach, schon will der Tag sich neigen,

alles hüllt sich schon in Schweigen;denn die goldne Sonne sank, blaß am Horizont entlangschon das Abendrot verdämmert.Wanja mit den Fäusten hämmertin den Sand und denkt: ,Du Raubtier,Teufel, daß ich je geglaubt dir !Sticken sollst du an der Beute !

Hast den Ring mir doch bis heute,heute abend noch versprochen!Großmaul, hast dein Wort gebrochen!'Da begann das Meer zu schäumen,ungeheuer sich zu bäumen,taucht der Wal empor gewaltig,

 brüllt: ,,Was ich versprochen, halt' ich!"Und bei diesen Worten sauste

durch die Luft, daß Wanja grauste,ein enormer Gegenstand.

Krachend schlug er auf den Strand,daß das ganze Ufer wankte,Baum und Felsen weithin schwankte.,,He, nun sind wir quitt, Iwan!

Hab' Genüge dir getan!Habt ihr mich noch einmal nötig,

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mach' ich gern mich euch erbötig.Laßt euch's weiter wohlergehn,Freunde, und - Auf Wiedersehn!" – Und nach diesem Abschiedswortschwieg der Riese und war fort.

Von dem Krach das Pferd erwachte,auf die Füsse sprangs und lachte.Als es Wanjas Freude sah,sprang es hoch und rief. „Hurra !Walowitsch, hast nicht geprahlt

hast die Schuld vollauf bezahlt!Wal, hab Dank, hab Dank, hab Dank!"rief das Pferd minutenlang.Und dann sprach es zu Iwan:

,,Zeit wird's, Herr! Schnell, zieh dich an!Daß der Zar den Ring erwirbt,eh' er etwa vorher stirbt!" – 

,,Gern will ich die Kräfte nützen,keine Müdigkeit vorschützen,doch der Kasten ist zu schwer,tausend Teufel wohl und mehr sitzen , scheint mir, drin. Verflucht!Dreimal hab' ich's schon versucht! – Hätt' ich Zähne wie der Wal!"Spielend leicht mit einem Mal

huckt das Pferd die Kiste auf,ruft: ,,Iwan, schnell, setz dich drauf !Morgen schon ist um die Zeit!Und der Rückweg ist noch weit!" -

Als Iwan am vierten Tagmorgens mit dem Glockenschlagvor dem Schloß des Zaren stand,

kam der Zar gleich ,rausgerannt.Schon vorm Tor er ihn empfing

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mit dem Ruf: ,,Wo ist mein Ring?"Wanja stieg vom Pferd gewichtig,zeigte mit dem Daumen flüchtigauf das Kästchen nur und spricht:

„Ist zwar klein, doch hat's Gewicht.Um es fortzuschaffen, reichteine Kompanie vielleicht“ -Schrie der Zar: ,, Ihr Wächter, rennt!holt ein ganzes Regiment!"Und dann lief er zu der Schönen,sprach in süßen Schmeicheltönen:

,,Liebste, denk, dein Ring ist hier! Nichts mehr trennt mich jetzt von dir.Morgen, Liebste, wirst du mein,morgen wird die Hochzeit sein.Komm, du Schöne, laß uns gehnund den Fingerring ansehn!" – Die Prinzessin aber sprach:

,,Sachte nur, gemach, gemach!Trotz des Rings muß ich bekennen:viele Dinge uns noch trennen!" -,,Welche denn, mein Augenstern?Sieh, ich hab' dich doch so gern.Kann nicht leben ohne dich,nimm mich doch, sonst sterbe ich.

Bin zwar etwas ungestüm,aber doch kein Ungetüm!" – ,,Niemals werd' ich deine Frau, bist für mich zu alt und grau.Sieh, ich bin erst fünfzehn Jahr! ,Seine Enkelin freit der Zar',werden alle Fürsten sagen.",,Oh, sie sollen es nicht wagen!

Allen nehm' ich - auf mein Wort – Rang und Stand zur Strafe fort,

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 jage sie von Hof und Haus,rotte ihre Sippe aus!" – ,,Wirst vergeblich dich bemühen.Denn im Eis, im Schneesturm blühenBlumen nicht, so schön wie ich!Wessen aber rühmst du dich?",,Zähl' ich auch nicht zu den Jungen,hab' ich doch Erfolg errungen, bin noch heut ein ganzer Mann,streng' ich mich ein wenig an.Schweigen wir von diesen Sachen,laß uns erst mal Hochzeit machen." -

,,Aber nein, das ist's ja grade,das ist ja das schrecklich Fade,was soll mir die Hochzeitsfeier,krieg' ich nur solch Ungeheuer,zahnlos, dumm, mit grauem Haar!" – Kratzt im Nacken sich der Zar,zieht die Stirne kraus verlegen,seufzt: ,,Was macht man bloß dagegen?

Hochzeit sag' ich, aber dusagst bloß ,Danke sehr' dazu!" – ,,Ja, ich sag' dir's ins Gesicht:einen Graukopf will ich nicht!Komm zu mir als junger Mann,

gleich leg' ich den Brautkranz an!",,Mich noch einmal zu verjüngen,müßt ein Wunder Gott vollbringen!" – 

,,Nun, das wird so schwer nicht sein.Dazu brauchst du Mut allein!Laß drei Kessel die Lakaienmorgen früh im Hof aufreihen.Zwei der Kessel fülle dann bis zum Rand mit Wasser an,einmal sei es kalt wie Eis,einmal sei es kochend heiß,

in den dritten dann zum Schlußschütte Milch, die sieden muß.

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Schüre gut das Feuer drunter,daß die Kessel kochen munter.Auf dann zur Verjüngungskur!Springst du nacheinander nur 

ohne Kleider wohlbemerkt -in die Milch und so gestärktin das heiße Wasser ,rüber, blühst du prächtig schon, mein Lieber.Aus dem kalten Kessel dannsteigst du als ein junger Mann!" -

Schweigend hört der Zar dies an.Und dann rief er nur: ,,Iwan" -,,Wieder an den Ozean?"fragte der. ,,Das tu, wer's kann!Herr, das wär' nicht zu ertragen!Bin noch heute wie zerschlagen!",,Nein, Iwan, heut keine Reise,sollst nur morgen probeweise,

ohne Mühe, ohne Schaden,hier im Hof ein bißchen baden.Morgen werde ich befehlen,dort drei Kessel aufzustellenvoll mit Wasser, kalt wie Eiseinen, - einen siedend heiß.Milch soll in dem dritten kochen!" -

,,Nun, ich hab's doch gleich gerochen,daß sich was zusammenbraut !“schrie Wanjuschka plötzlich laut.,,Ferkel brüht man ab und Puten!Peitsch mich aus mit tausend Ruten.Dazu wirst du mich nicht kriegenKannst mich länger nicht betrügenManches hab' ich mitgemacht.

Schluß jetzt mit der Niedertracht!Darauf fall' ich nicht mehr ,rein!Bin ein Mensch doch und kein Schwein!' – 

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,,Machst du dich mit mir gemein?"schrie der Zar wie rasend drein,drohend, mit gerecktem Barte.,,Wart, ich gerbe dir die Schwarte!Laß dich in den Kerker schmeißen,alle Knochen dir zerreißenmorgen auf der Folterbank!Scher dich weg, du Pestgestank!"Schluchzend in die Scheune lief Wanja, wo sein Pferdchen schlief.

,,Wanja, warum so verzagt?"tief besorgt das Pferdchen fragt.,,Welcher Kummer drückt dich nieder?" – ,,Hat der Schürzenjäger wieder eine neue Niedertrachtgegen mich sich ausgedacht!"schluchzte Wanja, seufzend, stöhnend,an dem Hals des Pferdchens lehnend.

,,Welch ein Unglück, Gorbunok!Töten will mich dieser Bock,hat befohlen ohne Gnade,daß ich in zwei Kesseln bade,worin Milch und Wasser kochen!Ach, was hab ich nur verbrochen.",,So ein Schurke, so ein Schinder!Kocht wie Ferkel kleine Kinder!"

knurrt das Pferd, ,,doch scheint,Iwan, schuld die Feder auch daran.All das wäre nicht gekommen,hättest du sie nicht genommen.Unglück, sagt ich, klebt an ihr.Wein nicht länger! Glaube mir,daß auch diesmal wir bestehnSelber will ich untergehn,

eh' ich dir die Gunst entziehe.Höre, morgen in der Frühe,

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wenn du nackt im Hofe stehst,eh' du in den Kessel gehst,sag zum Zaren: ,Muß ich sterben,in den Kesseln hier verderben,schick mein Pferd nochmal zu mir!'Glaub, der Zar erlaubt es dir.Und ich komm' und halt' die Nasein den heißen Dampf und blasedich damit nur zweimal an.Hörst du meinen Pfiff, sodannträume nicht und werd nicht weich,stürz dich in die Milch sogleich,

fürchte nicht, dich zu verbrühn,spring ins heiße Wasser kühn,in das kalte dann zuletzt!Schweige nun, geh schlafen jetzt!" – Wanja bis zum Morgen schlief,wieherte das Pferd und rief:

,,Wanja, Zeit ist's, aufzustehn

und getrost ans Werk zu gehn!"Wanja kratzt sich hinterm Ohr,reckte sich, sprach noch zuvor ein Gebet, empfahl sich Gott,schritt zum Hof wie aufs Schafott.Alles stand schon dort bereit,Kutscher, Köche saßen breitum die Kessel ,rum im Kreise.

Die Lakaien lachten leiseüber Wanja voller Hohn,denn die Kessel kochten schon.Aber diese Ungeheuer schürten stärker noch das Feuer.Unterdes erschienen war auf der Treppe auch der Zar.Listig strich er sich den Bart.

Ihm zur Seite, wie erstarrt,sah man die Prinzessin stehn,

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um dem Waghals zuzusehn.

 Nun mal schnell die Hosen runter,und ins Bad gesprungen munter!"rief der Zar dem Burschen zu.Wanja streift in Seelenruhalles ab und wirft es fort,sagt dabei kein einziges Wort.Als die Schöne schamerfüllt plötzlich ihr Gesicht verhüllt,tritt er zu den Kesseln vor,schaut und kratzt sich hinterm Ohr.

Schrie der Zar: ,,Glotz nicht so blöde!Spring, und keine Widerrede!"Sprach Iwan: ,,Bevor ich sterbe,in den Kesseln hier verderbe,schick mein Pferd nochmal zu mir,Abschied nehmen möcht' ich hier!"

Schien der Zar zu überlegen,

schließlich brummt er: ,,Meinetwegen".Schweigend gab er einen Wink,und ein Diener führte flink Wanjas Pferdchen auf den Platz,sprang zurück mit schnellem Satz.Steht das Pferdchen stumm und steif,und dann schwenkt es seinen Schweif.Aus den Kesseln dampft und raucht es ...

Plötzlich mit dem Maule taucht esin den Dampf und spritzt Iwan prustend, zischend, zweimal an.Als sein heller Pfiff erklang,Wanja kurz entschlossen sprangin die Kessel - eins - zwei - drei!Alle schrien: ,,Hei, hei, hei!"Als er aus dem dritten stieg,

sprachlos war das Volk und schwieg,wie verzaubert, wie von Sinnen,

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denn ein Jüngling stand vor ihnenvon so herrlicher Statur,wie's ihn gibt im Märchen nur.Reich und prächtig angetanneigte lächelnd sich Iwanvor der Schönen, und galantwinkte er ihr mit der Hand.

,,Geht's denn zu mit rechten Dingen?Möglich ist's, sich zu verjüngen?"riefen alle. ,,Wunderbar!"Da bekreuzigt' sich der Zar,

sah die Feuerkessel glühn,legte ab die Kleider kühn,wagte nicht, sich umzudrehn,sprang - und ward nicht mehr gesehn.

Alle glotzten dumm und staunten.Alle durcheinander raunten.

Da gebot dem wirren Reigenendlich die Prinzessin Schweigen,hob den Schleier und begann:

,,Eine neue Zeit bricht an.Lang und glücklich sollt ihr leben,

und dies Glück will ich euch geben!Wollt ihr, daß ich euch regiere,

euch von nun an treulich führe,dann entschließt euch, trefft die Wahlund bestimmt mir den Gemahl!"Und indem das Haupt sie neigte,lächelnd auf Iwan sie zeigte.

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,,Ja, du sollst die Zarin sein!Keine Macht wird uns entzwein!"rief die ganze Dienerschar.,,Und Iwan sei unser Zar!"

Hochgemut zum Traualtar mit der Zarin schritt der Zar,feierlich der Festgesangin der Kathedrale klang.Zum Salut Trompeten töntenund Kanonenschüsse dröhnten.

überall sah man im FreinFässer stehn mit bestem Wein,überall auf Straßen, Plätzen,sah das Volk man sich ergötzen, pausenlos - aus gutem Grundging es froh von Mund zu Mund,

ob sie noch so trunken waren:

,,Dreimal Hoch dem neuen Zaren!"Auch im Schloß tagaus, tageinströmte Freude, floß der Wein.Fürsten und Bojaren tranken bis sie von den Stühlen sanken.

Ich war dort und hab's gesehn,konnte selber nicht mehr stehn,was ich durch den Bart auch goß,nicht ein Schluck daneben floß.

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 Ein kleines Nachwort 

über die Entstehung des Märchens und seinen Verfasser 

 Pjotr Pawlowitsch Jerschow, der Dichter dieses phantasievollen und lustigen Märchens vom,Gorbunok", dem Wunderpferdchen, wurde 1815

 geboren. Er erlebte seine Kindheit in einem kleinen Ort im fernen Sibirien. Schon früh lernte er die Sagen und 

Vo1ksmärchen lieben, die sich die Bauern seiner Heimat an den Zangen Winterabenden am Ofen sitzend 

erzählten. In diesen Märchen verspottete das einfacheVolk seine Feinde, den Zaren und dessen Lakaien, die

 Bojaren, Popen und reichen Kaufleute. In diesen

Marchen träumten die Armen und Unterdrückten ihren

 Zukunftstraum vom Sieg der Wahrheit und der Gerechtigkeit, vom Triumph des Guten und vomUntergang des Bösen.

 Jerschow faßte den Entschluß nach Motiven solcher 

Volksmärchen das vorliegende Buch zu schreiben,nachdem er als Student in Petersburg die damals gerade

erschienenen Märchen des großen russischen Dichters Puschkin kennengelernt hatte. Ihm übergab er dannauch das Manuskript seiner Arbeit zur Beurteilung und erntete hohes Lob aus dem Munde des Meisters.

 Die erste, im Jahre 1834 zum Abdruck gelangte Ausgabe

des Märchens fand ebenso begeisterte Zustimmung bei

allen Lesern. Besonders wegen des klugen Humors, mit dem Jerschow den Zaren verspottete, erfreute sich das

Märchen schnell so großer Volkstümlichkeit, daß der damals in Rußland herrschende Zar Nikolaus 1., der ein

arglistiger Tyrann war, nicht wagte, den Dichter in

irgendeiner Weise zu strafen und die Verbreitung des„Gorbunok" zu verbieten. Nach Abschluß seinesUniversitätsstudiums kehrte Jerschow in seine sibirische

 Heimat zurück, um dort als Gymnasiallehrer zu wirken. Er starb im Jahre 1869.

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Von allen Büchern, die Jerschow außerdem schrieb,

blieb ,,Gorbunok“ das volkstümlichste. Es wurde immer wieder neu aufgelegt und zählt auch in der Sowjetunion

 zu den beliebtesten Märchenbüchern. Die vorliegende

neue deutsche Nachdichtung beruht auf der 1947 in

Moskau erschienenen Ausgabe, die ein unveränderter  Nachdruck der unzensierten Originalausgabe vom Jahre1856 ist. Alle noch zu Lebzeiten des Dichters

erschienenen Fassungen des Märchens sind in diesem Buch enthalten.