Versuch 25: Rutherford-Streuung -...

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Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg FB Physik Fortgeschrittenen- Praktikum Versuch 25: Rutherford-Streuung 1) Mit einem Dünnschicht pn-Detektor und einem Digitalzähler sind im Impulsratenmodus im Winkelbereich von -25 ° ...+25° die α-Strahl-Streuraten für eine Goldfolie zu registrieren (Foliendicke: d Au = 2 μm). Es ist sinnvoll im Bereich -10° ... 10° mehr Messwerte zu nehmen, als außerhalb dieses Intervalls. 1.1 Mit den Messwerten ist über einen Gauß-Fit die Unsymmetrie der winkelabhängigen Impulsratenverteilung zu bestimmen (Abweichung des Maximums von 0°). 1.2 Unter Berücksichtigung des Ergebnisses von 1.1 ist für jeden Streuwinkel aus der Rutherford-Streuformel (23) die räumliche Dichte (n) der Streuzentren zu berechnen. Beachten Sie bei der Berechnung, dass die Energie der -Teilchen durch die Golddeckschicht der Quelle vermindert wird. Bestimmen Sie die effektive Teilchen- Energie mit dem Ergebnis der Aufgabe 4) und mit Hilfe der Bethe-Bloch-Formel. 1.3 Messen Sie nun die Streukurve ohne Metallfolie, nur mit der Schlitzblende. Damit erhalten Sie die Winkelauflösung der Apparatur. Benutzen Sie das Ergebnis zur Diskussion der Ergebnisse von 1.2 und 3. Hinweise: Der α-Strahler 241 Am 237 Np + 4 He (Aktivität: 330 kBq = 9 μCi; Halbwertszeit: 433 Jahre) ist in Edelmetall eingesintert und mit einer Goldfolie (3μm) abgedeckt. Primärenergie: (E α ) kin = 5,48 MeV; m α = 6,65.10 -27 kg, Impulsrate der abgedeckten Quelle: N = 72,7 ± 0,1 s -1 für dΩ = 2,6410 -2 rad. Beachte:1A 2 s 2 = 910 9 kg m 3 s -2 . 1.4 Um wie viel verringert sich diese Zählrate in einem Jahr? Interpretieren Sie die Karlsruher Nuklidkarte für 241 Am und die umgebenden Isotope (s. S. 3). Welche Geschwindigkeit haben die -Teilchen beim Verlassen der Quelle? 1.5 Das arithmetische Mittel <n> ist mit der tatsächlichen atomaren Dichte von Gold zu vergleichen. Abweichungen sind durch begründete Datenkorrektur in (23) zu beseitigen. Mit den geänderten Daten ist mit Gleichung (18) der winkelabhängige Stoßparameter (p) zu berechnen und mit dem Kernradius R Au zu vergleichen (R 0 = 1,4 Fermi). 2) Die Teilchenenergie, die man nach 1.4 bestimmen kann, ermöglicht den α-Teilchen bei geradem zentralem Stoß eine größte Annäherung p min an einen Atomkern. Dieser Wert ist für unseren Fall zu berechnen (bspw. mittels Energieansatz). 3) Im Winkelbereich von -25°...+25° ist die Streurate für eine Aluminiumfolie zu messen. Mit den Ergebnissen von 1) ist die Ordnungszahl von Al zu berechnen (Al - Foliendicke d Al = 8 μm). Messen Sie außerdem die Winkelverteilung ohne Folie zwischen den Folienhaltern (Messung der Winkelauflösung). 4) Durch Messung der Impulsrate als Funktion des Luftdruckes in der Messkammer ist die mittlere Reichweite < R > der α-Strahlen in Luft zu bestimmen. Aus dem Reichweiten- gesetz von Geiger ist die tatsächliche Teilchenenergie zu berechnen. 5) Messen Sie außerdem die Impulsrate als Funktion des Abstandes bei Luftdruck außerhalb der Kammer. 6) Mit Hilfe eines Einkanalanalysators (SCA) und eines Ereigniszählers ist die differentielle Impulshöhenverteilung des (α,γ) - Emitters 241 Am zu messen. 7) Bestimmen Sie den Einfluss einer Luftschicht auf die Energieverteilung. Verwenden Sie vier geeignete Entfernungen zwischen Quelle und Detektor.

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Martin-Luther-Universität

Halle-Wittenberg

FB Physik

Fortgeschrittenen-

Praktikum

Versuch 25: Rutherford-Streuung

1) Mit einem Dünnschicht pn-Detektor und einem Digitalzähler sind im Impulsratenmodus

im Winkelbereich von -25°...+25° die α-Strahl-Streuraten für eine Goldfolie zu

registrieren (Foliendicke: dAu = 2 μm). Es ist sinnvoll im Bereich -10° ... 10° mehr

Messwerte zu nehmen, als außerhalb dieses Intervalls.

1.1 Mit den Messwerten ist über einen Gauß-Fit die Unsymmetrie der winkelabhängigen

Impulsratenverteilung zu bestimmen (Abweichung des Maximums von 0°).

1.2 Unter Berücksichtigung des Ergebnisses von 1.1 ist für jeden Streuwinkel aus der

Rutherford-Streuformel (23) die räumliche Dichte (n) der Streuzentren zu berechnen.

Beachten Sie bei der Berechnung, dass die Energie der -Teilchen durch die

Golddeckschicht der Quelle vermindert wird. Bestimmen Sie die effektive Teilchen-

Energie mit dem Ergebnis der Aufgabe 4) und mit Hilfe der Bethe-Bloch-Formel.

1.3 Messen Sie nun die Streukurve ohne Metallfolie, nur mit der Schlitzblende.

Damit erhalten Sie die Winkelauflösung der Apparatur. Benutzen Sie das

Ergebnis zur Diskussion der Ergebnisse von 1.2 und 3.

Hinweise: Der α-Strahler 241

Am 237

Np + 4He (Aktivität: 330 kBq = 9 μCi; Halbwertszeit:

433 Jahre) ist in Edelmetall eingesintert und mit einer Goldfolie (3μm) abgedeckt.

Primärenergie: (Eα)kin = 5,48 MeV; mα = 6,65.10-27

kg, Impulsrate der abgedeckten Quelle: N =

72,7 ± 0,1 s-1

für dΩ = 2,6410-2

rad. Beachte:1A2s

2 = 910

9 kg m

3s

-2.

1.4 Um wie viel verringert sich diese Zählrate in einem Jahr? Interpretieren Sie die Karlsruher

Nuklidkarte für 241

Am und die umgebenden Isotope (s. S. 3). Welche Geschwindigkeit

haben die -Teilchen beim Verlassen der Quelle?

1.5 Das arithmetische Mittel <n> ist mit der tatsächlichen atomaren Dichte von Gold zu

vergleichen. Abweichungen sind durch begründete Datenkorrektur in (23) zu beseitigen.

Mit den geänderten Daten ist mit Gleichung (18) der winkelabhängige Stoßparameter (p)

zu berechnen und mit dem Kernradius RAu zu vergleichen (R0 = 1,4 Fermi).

2) Die Teilchenenergie, die man nach 1.4 bestimmen kann, ermöglicht den α-Teilchen bei

geradem zentralem Stoß eine größte Annäherung pmin an einen Atomkern. Dieser Wert ist

für unseren Fall zu berechnen (bspw. mittels Energieansatz).

3) Im Winkelbereich von -25°...+25° ist die Streurate für eine Aluminiumfolie zu messen.

Mit den Ergebnissen von 1) ist die Ordnungszahl von Al zu berechnen (Al - Foliendicke

dAl = 8 μm). Messen Sie außerdem die Winkelverteilung ohne Folie zwischen den

Folienhaltern (Messung der Winkelauflösung).

4) Durch Messung der Impulsrate als Funktion des Luftdruckes in der Messkammer ist die

mittlere Reichweite < R > der α-Strahlen in Luft zu bestimmen. Aus dem Reichweiten-

gesetz von Geiger ist die tatsächliche Teilchenenergie zu berechnen.

5) Messen Sie außerdem die Impulsrate als Funktion des Abstandes bei Luftdruck außerhalb

der Kammer.

6) Mit Hilfe eines Einkanalanalysators (SCA) und eines Ereigniszählers ist die differentielle

Impulshöhenverteilung des (α,γ) - Emitters 241

Am zu messen.

7) Bestimmen Sie den Einfluss einer Luftschicht auf die Energieverteilung. Verwenden Sie

vier geeignete Entfernungen zwischen Quelle und Detektor.

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8) Wiederholen Sie diese Messungen mit einem Vielkanalanalysator, der an den Ausgang

des Verstärkers angeschlossen wird.

Hinweise: Experimente zu 1) - 4) im Vakuum durchführen Vorsicht beim Auspumpen und

Belüften der Streukammer, damit die dünnen Metallfolien nicht zerstört werden. Foliendicken:

dAu = 2 μm; dAl = 8 μm (Wie vielen atomaren Lagen entspricht das?)

Literatur:

Haken, Wolf: Atom- und Quantenphysik

Mayer-Kuckuk: Kernphysik

Finkelnburg: Atomphysik

Spolski: Atomphysik

Graewe: Atom- und Kernphysik

Kontrollfragen:

Welche Typen des radioaktiven Zerfalles kennen wir?

Welche Strahlungsarten unterscheiden wir?

Was verstehen wir unter Massendefekt?

Warum entsteht bei der Kernspaltung schwerer Elemente Energie? Warum bei der

Fusion von leichten Elementen?

Erklären Sie die Wirkungsweise der wichtigsten Strahlungsdetektoren (Geiger-Müller-

Zählrohr, Szintillationsdetektor mit SEV, Halbleiterdetektor, Dosimeterfilm)!

Was ist ein Diskriminator, ein Einkanalanalysator und ein Vielkanalanalysator?

Welches ist die jährliche maximale Dosisleistung für beruflich nicht

strahlungsexponierte Personen? Welches Gesetz regelt das? Welches ist in der BRD die

durchschnittliche natürliche Strahlungsexposition in einem Jahr?

Was beschreibt die Bethe-Bloch-Formel?

Was ist die Geiger-Nuttallsche Regel?

Wie misst man die Auflösungsfunktion eines Spektrometers?

Interpretieren Sie die folgende Abbildung, die ein Ergebnis eines Rutherford-

Rückstreuexperimentes nach Ionenimplantation (Te mit 300 keV) in GaAs darstellt (vgl.

Kap. 7).

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Auszug aus der Karslruher Nuklidtabelle.

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1. Das Isotop 241

Am

Die -Emission tritt spontan nur bei schweren Nukliden auf (Kernladungszahl größer als 70).

Der Finalzustand des Folgekerns kann angeregt sein, der Übergang in den Grundzustand er-

folgt durch -Emission. Als Nuklid findet 241

Am95 Anwendung. Americium ist ein -Strahler, der

gleichzeitig noch weiche -Strahlung emittiert. Die Halbwertszeit beträgt 432,2 a.

Es gibt zwei dominierende -Linien bei einer Energie von 5,486 MeV (relative Intensität 86%)

bzw. 5,443 MeV (12,7%). Die Energie der -Strahlung liegt bei 0,06 MeV. Die Lage der -

Peaks kann sich nach Durchdringung einer Fensterschicht (Präparat, Detektor) nach niedrigen

Energien verschieben. Für unseren Strahler gilt: 241 237 4

95 93 2Am = Np He

Fig. 1: Energiespektrum von 241

Am

2. Der atomare Wirkungsquerschnitt bei Streuung schneller Teilchen

Mit der Untersuchung der Wechselwirkung von schnellen Teilchen (Elektronen, -Teilchen)

mit Materie lässt sich deren atomare Struktur untersuchen. Über die Streuung der Teilchen (Ab-

weichung aus der ursprünglichen Bahn) bekommt man Informationen über den einem Atom

zur Verfügung stehenden Raum, über die Verteilung der positiven und negativen Ladung in die-

sem Raum. Betrachten wir ein Teilchen, das sich durch eine Ansammlung statistisch verteil-

ter starrer Kugeln (Atommodell) bewegt, dann ist die Kollision eine Zufallserscheinung. Die

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Wahrscheinlichkeit W eines Zusammenstoßes längs eines Wegstücks dx ist

dW a x (1)

Die Wahrscheinlichkeit, den Abschnitt dx ohne Kollision zu durchlaufen, ist demnach

' 1 1 dW W a x (2)

Interessieren wir uns für die Wahrscheinlichkeit, den Weg (x + dx)

ohne Zusammenstoß zu durchlaufen, dann gehen wir zunächst davon

aus, dass ( )W f x gilt. (3)

Addition der Wege x und dx ergibt

( ) ( ) ' ( ) (1 )f x dx f x W f x a dx (4)

(4) in eine Taylorreihe entwickelt, die nach der ersten Ordnung abbricht, ergibt:

( ) '( ) ( ) ( )f x f x dx f x a f x dx (5)

Also ist '( ) ( )f x a f x (6)

Diese Differentialgleichung hat als Lösung:

( ) axf x c e (7)

Mit x = 0 ist f(0) = 1, also ist in (7) c = 1.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen ohne Zusammenstoß durch eine Materie-

schicht geht, ist

( ) axW f x e . (8)

Welche Bedeutung hat die reziproke Länge a?

Wir bedienen uns zur Beantwortung dieser Frage der Vorstellung einer (stoß)freien Weglän-

ge. Ein Teilchen durchlaufe den Wegabschnitt x stoßfrei, erleide dann im Abschnitt x...dx ei-

ne Kollision. Die sich daraus ergebende freie Weglänge tritt mit der folgenden Wahrschein-

lichkeit auf: ( ) axW e a dx .

Der erste Faktor bedeutet: Wahrscheinlichkeit für keine Kollision längs x, der zweite die

Wahrscheinlichkeit für die Kollision im anderen Wegabschnitt. Nach dem Mittelwertsatz der

Integralrechnung ist für die normale Verteilung die mittlere freie Weglänge

0

axx a e dx

(9)

Nach partieller Integration ergibt sich:

1

a (10)

Eine Vorstellung von der "reziproken" Länge a bekommt man, wenn man von der Streuerdich-

te (Atome pro Volumeneinheit) n und einem sogenannten Streuquerschnitt ausgeht, der, als

Kreisscheibe getroffen, einen Streuvorgang auslöst. Es gilt dann

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a n . (11)

Das streuende Atom wird durch ein Kreisscheibchen mit dem Flächeninhalt ersetzt. Die

Wahrscheinlichkeit des stoßfreien Durchdringens von Materie ist also

( )x

f x e

. (12)

3. Die Streuung von -Teilchen

-Teilchen sind Heliumkerne He2+

. Ein paralleles Bündel von -Teilchen, das auf eine dünne

Metallfolie gelenkt wird, wird um die Primärstrahlrichtung gestreut. Dabei tritt eine Streuung

um kleine Winkel (unter 10 Grad) und eine Großwinkelstreuung (>90°) auf; letztere mit einer

wesentlich geringeren Wahrscheinlichkeit ( 4 Größenordnungen ).

Nach Rutherford ist die starke Ablenkung nur möglich, wenn eine positive Ladung mit einer

großen Masse auf kleinem Raum konzentriert ist. (Kernmodell=Planetenmodell) .

Wenn positive -Teilchen in das positive Kernfeld des Streuers gelangen, werden sie vermit-

tels Coulombwechselwirkung abgelenkt (Fig. 2). Der streuende Kern hat die Ladung +Ze und

die Masse M.

Unter der Voraussetzung, dass die Masse des streuenden Kerns wesentlich größer ist als

die Masse der He-Kerne, kann die Kernmasse beim Streuvorgang als ortsfest angesehen

werden.

Fig.2: Bahn eines -Teilchens im Coulombpotential eines Atomkerns (p:Stoßparameter,

:Ablenkwinkel; r,:Polarkoordinaten, bezogen auf den Streukern als Koordinatenursprung –

für r gegen Unendlich ist = )

Ohne Wechselwirkung flöge der He-Kern in der Entfernung p (Zielentfernung, 'Stoßpa-

rameter) an dem Kern vorbei. Durch die Coulomb-Wechselwirkung durchläuft das -

Teilchen die eingezeichnete Hyperbelbahn. Aus der Geschwindigkeit des He-Kerns v und

der Kernladung ergibt sich folgender Ablenkwinkel:

2

0

2

2cot

2

Mv p

Ze

(13)

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Der Messung (Versuchsaufbau Fig.3) nicht zugänglich ist die Zielentfernung p.

Fig. 3: Versuchsaufbau (schematisch).

Deshalb führen wir eine zusätzliche statistische Betrachtung durch. Auf ein streuendes

Scheibchen “F“ (Fig. 4) fallen pro Zeiteinheit N0 He2+

-Teilchen. Bei der Untersuchung

der Streuung wird die mittlere Teilchenzahl N() bestimmt, die in den Raumwinkel d’

in die durch und Φ vorgegebenen Richtung gestreut werden (Fig.7).

Fig .4:Rutherford-Streugeometrie

Es gilt:

2

2

sin d d' sin d d

Rd

R

(14)

Der Raumwinkel, der durch die Öffnungen und + d und über d 2

festgelegt ist, ergibt sich demnach zu

' 2 sind d d (15)

Wir wollen jetzt den Wirkungsquerschnitt der Streuung innerhalb der Grenzen von d be-

stimmen. Die -Teilchen sollen vor der Streuung in parallelen Bahnen fliegen. Nach (13) und

Fig. 2 wird der Ablenkwinkel durch die Zielentfernung p bestimmt. Dem Winkelbereich

zwischen und + d entspricht ein Bereich der Zielentfernung zwischen p und p - dp. Die

Fläche des Rings (Fig.5) beträgt

A(R) = 2 p dp (16)

Der Wirkungsquerschnitt für -Streuung ist

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A(R) = d = 2 p dp (17)

Mit (13) ergibt sich

22

2 2

2

0

2cot

4 2

Zep

Mv

(18)

Fig. 5: Wirkungsquerschnitt für -Streuung

Nach Differentiation wird

22

220

cot1 2 2

2 4sin

2

dZe

p dpMv

(19)

Einsetzen in (17) und Absolutbetrag ergibt

22

220

cot1 2 222 4

sin2

dZe

dMv

(20)

Mit dem Raumwinkel in (15) ist

22

2404

sin2

Ze dd

Mv

(21)

Das ist die Rutherfordsche Streuformel. Wir nehmen jetzt an, dass n streuende Atomkerne

in einer Schicht der Dicke d vorhanden sind. Dann ist der makroskopische Streuquerschnitt

dn d (22)

Treffen N -Teilchen auf die Oberfläche eines streuenden Scheibchens, dann ist die mittlere

Zahl der -Teilchen, die um den Winkel in den Grenzen des Raumwinkels d gestreut wer-

den, gleich

22

2404

sin2

Ze ddN N n N d

Mv

(23)

ändert sich nur , so ist

4d sin const.2

N

(24)

Zur Überprüfung von (24) ist es sinnvoll, die auf eine Zeiteinheit bezogene Zahl der Streuer-

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eignisse mit sin4 zu multiplizieren, und für ein Material das konstante Produkt nachzuwei-

sen. Dabei können erhebliche Abweichungen auftreten. Das erste Experiment führen wir an

einer Goldfolie durch (Z=79, Dicke: 2μm). Für kleine Z, d.h. bei Streuung an leichten Kernen

und für Zielentfernungen p unterhalb von 10-12

cm sind die experimentellen Abweichungen

von (24) noch deutlicher (Begründung?). Dafür führen wir das Experiment erneut mit einer

Aluminiumfolie (Dicke : 8 μm) durch, um die Kernladungszahl von Al "bestätigt" zu bekom-

men.

4. Die Bestimmung der Kernladungszahl

Nach (24) gelingt uns die Bestimmung von Kernladungen (Ordnungszahlen), wenn uns

ein Standardwert (ZAu = 79) bekannt ist. Für konstante Streuwinkel gilt, da proportional der

Foliendicke d ist:

2

2

d

d

Au Au Au

Al Al al

N Z d

N Z d

(25)

woraus folgt:

2

Al

79 2 dZ

d 8

Al

Au

N

N

(26)

Analog lässt sich für weitere Folien und verschiedene Streuwinkel verfahren.

5. Strahlungsdetektion

Sie erfolgt mit einem Halbleiterdetektor, der sich durch eine hohe Energieauflösung

auszeichnet. Der Detektor hat eine Si(p-i-n)-Struktur und wird in Sperrrichtung be-

trieben. Die eigenleitende Schicht ist einige cm dick und dient als großes Absorpt i-

onsvolumen für -Strahlung. Die kurzreichweitige -Strahlung benötigt zum Nach-

weis besser Dünnschichtdetektoren in Form von Si(p-n)-Strukturen (dünne Gold-

schichtkontaktierung!). Der Sperrschichtdetektor funktioniert wie eine Solarzelle. Die

Kernstrahlung erzeugt ebenso wie sichtbares Licht in der Sperrschicht Elektronen-

Loch-Paare, deren Rekombination durch ein inneres elektrisches Feld verhindert wird.

Dadurch entstehen im externen Stromkreis Spannungsimpulse, deren Höhe der Ener-

gie der einfallenden Strahlung direkt proportional ist. Fig. 6 und 7 erläutern die Funk-

tionsweise und die Entstehung des inneren elektrischen Feldes.

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Fig.6: Halbleiter-Sperrschichtdetektoren (Wie erzeugt man im i-Gebiet schwache p-

Leitung?; warum wird dotiert?)

Die Dauer eines Stromstoßes liegt im Bereich von Nanosekunden. Das Detektorvol u-

men wird durch die Länge der Raumladungszone bestimmt. Die Raumladung wird

gebildet durch die ortsfesten ionisierten Störstellen im jeweiligen Gebiet.

Die Dicke der Sperrschicht ist:

( ) ( ) mit ( ) 2s s s s n nd d n d p d n (27)

Man kann durch Anlegen einer externen Spannung bei geeigneter Polung die Raumla-

dungszone vergrößern. In (27) erscheint dann anstelle von der Term +Uex. Das be-

deutet, dass das Messsignal von der Betriebsspannung abhängt. Insofern ist es besser,

mit einem ladungsempfindlichen Vorverstärker zu arbeiten. (Man beurteile unter die-

sem Aspekt die eigenen Am-Spektren).

Fig. 7: p-n-Übergang als Strahlungsdetektor.

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6. Absorption von -Strahlung

Schnelle Teilchen verlieren ihre Energie durch unelastische Stöße. Das geschieht

durch Ionisations- bzw. Anregungsbremsung in mehreren Einzelschritten. Der mittlere

Energieverlust -dE, den das Teilchen durch Ionisation in einer Materieschicht der Di-

cke dx erleidet, ergibt sich gemäß der Bethe-Bloch-Formel zu

2 2 2 22 2

02 2 2

d ( ) 24 ln

d (1 )

E c z mcn

x mc I

(28)

Dabei bedeuten 2

0

1

4 137

e

c

die Feinstrukturkonstante, mc

2 = 0,511 MeV die

Ruheenergie des Elektrons, n0 die Elektronendichte im Material, z e die Ladung des

Teilchens und = v/c0 die auf die Lichtgeschwindigkeit bezogene Geschwindigkeit

des Partikels. Die Größe I beschreibt ein mittleres Ionisationspotential, das durch den

Ausdruck 0,916 (eV)I Z gegeben ist, wobei Z die Kernladungszahl des Materials ist.

Der Energieverlust durch Ionisation ist demnach eine universelle Funktion der Ge-

schwindigkeit v c , unabhängig von der Masse m des Teilchens. Im nichtrelativis-

tischen Bereich nimmt dE/dx mit 1/2 ab und erreicht ein sehr breites, flaches Mini-

mum bei einer kinetischen Energie von etwa 3mc2, d.h. der dreifachen Ruheenergie

(Fig. 8). Teilchen in diesem Energiebereich nennt man minimal ionisierend, und der

Energieverlust liegt dort zwischen 1…2 MeV g-1

cm2. Bei sehr hohen Energien be-

wirkt der Term

2

2 2

1

1

E

mc

einen langsamen logarithmischen Wiederanstieg

des Energieverlustes.

Fig. 8: Der Energieverlust von schnellen Teilchen gemäß der Bethe -Bloch-Formel.

Der physikalische Grund dafür ist, dass die Transversalkomponente des elektrischen Feldes

des Teilchens proportional zu anwächst. Dadurch können auch Atome in größerem Abstand

von der Teilchenbahn ionisiert werden, solange das Feld nicht durch näher liegende Atome

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abgeschirmt wird. So erhält man bei Gasen ca. das 1,5fache des Minimalwertes, bei dichten

Materialien dagegen Werte nur etwa 10 % oberhalb des minimalen Werts.

Interessant ist, dass der Ionisationsverlust des gestreuten Teilchens nicht von seiner Masse ab-

hängt, sondern von der Ladung (Kernladungszahl) und der Geschwindigkeit. (Bremsstrah-

lungsverluste, die dann in einem Schritt vorkommen, treten nur bei leichten Teilchen auf,

bspw. bei Elektronen). Für die mittlere Reichweite von -Strahlung in Luft gilt folgende em-

pirische Zahlenwertgleichung (Reichweitengesetz von Geiger):

3/23,1 ( in MeV; in mm)R E E R (29)

Für diesen Wert ist die Strahlungsintensität auf 50% reduziert. Diese Gleichung kann

man im Versuch benutzen, um die verbleibende Energie der -Strahlung nach Durch-

tritt durch die Goldabschirmung der Quelle zu bestimmen.

7. Die Rutherford-Rückstreuung als Methode der Festkörperphysik

Die Rückstreuung leichter Teilchen von einem Target (engl. Rutherford Backscattering –

RBS) kann unter anderem zur Bestimmung von Tiefenprofilen von Kristalldefekten bspw.

nach Ionenimplantation genutzt werden. Bei einer solchen Implantation, die bspw. zur Dotie-

rung von Halbleitern verwendet wird, entstehen Leerstellen und Zwischengitteratome

Fig. 9: Ernest Rutherford, 1871-1937, Nobelpreis für Chemie 1908

In Fig. 10 wird das Prinzip der RBS-Messung gezeigt. Leichte Teilchen wie Protonen oder -

Teilchen werden entlang niedrig indizierter Kristallrichtungen in die kristalline Probe implan-

tiert. Im Fall eines perfekten Kristalls werden nur wenig Teilchen zurückgestreut. Wenn sich

aber Atome im Zwischengitterbereich befinden, bzw. die Sondenatome auf eine amorphe Zwi-

schenschicht treffen, werden viele davon rückwärts gestreut und detektiert. Durch eine Ener-

gieanalyse der Teilchen im Detektor gewinnt man die Tiefeninformation.

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Fig. 10: Prinzip der RBS-Messung zur Bestimmung von Defektprofilen an Festkörperoberflächen.

Fig. 11 zeigt Beispiele für die Rückstreuung. Die linke Abbildung zeigt die Intensität der

Streuereignisse als Funktion der Probenverkippung um eine kristalline Hauptachse in defekt-

armen Ni (<110>-Richtung). Nur in der Hauptachse verschwindet die Rückstreuung. Die rech-

te Abbildung zeigt die Rückstreu-Intensität von 350-keV Protonen in <110>-Richtung, wenn

der Kristall in eine zufällige Richtung orientiert ist, oder wenn die oberflächennahe Schicht

amorphisiert wurde (bspw. bei Ionenbeschuss bei tiefen Temperaturen) als Funktion der Pro-

tonenenergie. Begründen Sie, warum die maximal zu detektierende Energie kleiner als 350

keV ist! Wird dieser „Energieverlust“ bei leichten Kernen größer oder kleiner?

Fig. 11: Ergebnisse von RBS-Experimenten an einkristallinem Nickel (Erläuterungen s. Text).