Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

11

Click here to load reader

Transcript of Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

Page 1: Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

7-7 ύλη νοητή 639

SchluWir k nnen nunmehr die antike ,Abstraktions'-Lehre in ihrer

Gesamtheit berblicken: Im Bereich der platonischen Akademie ent-standen, hat sie sich bei Aristoteles, im Mittel- und Neuplatonismusin mannigfacher Weise fortentwickelt, ist aber in ihrem Wesen stetsunver ndert geblieben. Neben diesem sehr deutlich sichtbaren .Haupt-strang', der einen systematisch-ganzheitlichen Charakter hat und ziem-lich eng mit der Via negativa der Gotteserkenntnis verbunden ist,lassen sich noch manche — letztlich ebenfalls von Platon und beson-ders von Aristoteles ausgehende — ,Nebenstr nge' feststellen: Soscheint die Pr zisierung bestimmter .niedriger' Abstraktionsstufen(z.B. die Erkenntnis des εΐδο$ der K rperdinge) und die konsequenteVerlagerung der Abstraktionsterminologie vom negativen »Subtrahie-ren* des Unwesentlichen auf das positive .Herausheben' des Wesent-lichen in einem Traditionsbereich eingeleitet worden zu sein, welcherdem platonischen Seinsaufbau und deshalb dem platonischen Aufstiegper negationem ferner stand: Vielleicht darf man an Alexander vonAphrodisias denken404. Diese .Nebenlinie' hat das Mittelalter — zu-mindest terminologisch — ebenso nachhaltig beeinflu t wie die pla-tonische Via negativa.

7.7 Ολη νοητή

Der Terminus ύλη νοητή erscheint bei Aristoteles in zweifacherVerwendung405: a) als .Ausdehnung' der geometrischen Figuren bzw..Ausgedehntheit' berhaupt, b) Das Genus ist Ολη gegen ber der dif-ferentia specifica. Wie kommt es, da Aristoteles zwei anscheinendheterogene Dinge mit demselben Ausdruck benennt ? Liegt es an derverborgenen Gleichheit der Sachverh ltnisse oder an der Vagheit desAusdrucks ? Um dies beantworten zu k nnen, gehen wir auf das nochnicht betrachtete Sachgebiet (oben b) ein und wenden uns dann demTerminus und dem Wesen der Ολη νοητή im ganzen zu.

7.77 Das γένος als ϋλη*ΟΒΛ

Aristoteles vergleicht an mehreren Stellen das genus in der Hier-archie der Begriffe mit der Materie der raumzeitlichen Substanz406.

404 Vgl. dazu o. S. 617 A, 292, S. 622 A. 316. 405 Ross zu Z 10, io36a 9.405aZu yivos/ύλη Cherniss 178 A. 98 (dort weitere Verweise). Arpe 46 f leugnet ohne

ausreichenden Grund das Vorhandensein einer solchen Lehre bei Aristoteles. Vgl. auchu. S. 648 A. 431 ber die Auffassung von Patzig und Tugendhat.

408 Die Belege f r γένος als Ολη: Δ 6, ioi6a 28. Δ 24, io23b 2. Δ 28, io24b 8f. Z 12,io38a 5—9. H 6, iO45a 34f (vgl. auch das Vorhergehende a i4ff), wo der Ausdruck

Brought to you by | St. Petersburg State UniversityAuthenticated | 134.99.128.41

Download Date | 11/1/13 9:22 PM

Page 2: Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

640 7· Hyle und Erkenntnis

Vergleichspunkte sind f r ihn einmal der Substratbegriff: Das Genusist Substrat der (gegens tzlichen) διαφόρου407; zum ndern der M g-lichkeitsbegriff: Das Genus ist δυνάμει in der Definition enthaltenwie die Substanzteile in der Substanz408. Welcher von beiden Punktenin diesem Zusammenhang urspr nglich ist und welcher vorherrscht,l t sich den Stellen zun chst nicht direkt ablesen: Zwar ist die Zu-sammenf gung von Genus und Substrat so gel ufig, da sie umge-kehrt dazu verwendet werden kann, allgemein die Beziehung der Hylezu den an ihr wechselnden Gegens tzen zu illustrieren409. Aber an denmeisten Stellen steht ύλη umkehrbar identisch mit δύναμις410, zudemwird sich im Verfolg der aristotelischen Gedanken zeigen, da derM glichkeitsbegriff philosophisch ungleich wichtiger ist.

Aristoteles denkt bei γένος wohl haupts chlich an das Genusproximum, aber es besteht kein Hindernis, das Hyle-Eidos-Verh ltnisauch auf die h heren Genera zu bertragen. Dann h tten wir eine Ab-folge von berformungen vor uns, bei der jeweils die n chsttiefereSchicht die h here formt. Diese Bewegung nach ,unten' zu immergr erer Formalisierung ist gegenl ufig nicht nur zur platonischenTendenz ,nach oben', sondern auch zu dem, was Aristoteles sonst berden Seinsaufbau sagt: Von den Elementarstoffen an aufw rts ber-formt die h here Schicht die n chsttiefere411, bis hin zum Synolon,oberhalb dessen diese Aufw rtsbewegung irgendwie umgebogen undver ndert schlie lich zu den Himmelsk rpern und den unbewegtenBewegern f hrt. Wenn wir die letztgenannten beiden Arten von άίδιαau er Betracht lassen, kann man sagen: Die berformungsbewegungder Genera nach unten ist die spiegelsymmetrische Entsprechung derstufenhaften berformung, die von den Elementarstoffen zum Syno-lon f hrt. Symmetrieachse ist jener schwierige Bereich, der durch dieBegriffe άτομον εΐδο$, εσχάτη Ολη, σύνολον gekennzeichnet ist412.

Warum stellt Aristoteles diese merkw rdig anmutende Lehre auf,die ihn, wie wir unten sehen werden, in mannigfache Schwierigkeitenbringt ? Ist sie wom glich ein piet tvoll bewahrtes Relikt platonischen

ύλη νοητή erscheint, l 8, io58a 23f. gen. corr. A 7, 3240 6f. Dagegen geh ren Z 7,103332—5 sicher, β g, 2oob 7 wahrscheinlich nicht hierher: Die dort genannteDefinitions-Materie bedeutet, da manche Gegenst nde (bes. τεχναστά, z. B. eineS ge) ohne die Angabe ihres spezifischen Materials (Eisen) nicht zureichend definiertwerden k nnen, also eines λόγο$ IvuXos (o. 7.33) bed rfen.

407 Δ 6, ioi6a 28 wird dieser Vergleich vorsichtig, Δ 28, io24b 3f. 8f uneingeschr nktvollzogen.

408 Das l t sich ohne Gewaltsamkeit aus H 6, 1045 a 34 f erschlie en.ω» gen corr. 324 b 6f την . . . ύλη ν λέγομεν όμοΙω$ ώ$ είπεΐν την αυτήν είναι των

αντικειμένων δττοτερουοϋν, ώσττερ yivoj όν.410 Sach-Index s. v. M glichkeit 2 a.411 Sach-Index s. v. Stufung $b.412 Vgl. o. 1.152. Ich komme darauf zur ck.

Brought to you by | St. Petersburg State UniversityAuthenticated | 134.99.128.41

Download Date | 11/1/13 9:22 PM

Page 3: Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

7-7 ύλη νοητή 641

Denkens ?: Man denkt n mlich bei Genus als .gedachter Hyle' sogleichan die Ideenmaterie Platons. Diese Verkn pfung geht jedoch nicht an;denn die Unterschiede zwischen unserer aristotelischen Lehre und derplatonischen Ideenmaterie sind au erordentlich gro und lassen sichnicht damit erkl ren, da Aristoteles eigentlich zugleich mit den Ideenauch jede ,Idealmaterie' geleugnet habe, also die Ideenmaterie starkumgestalten mu te, wenn er sie beibehalten wollte (o. 2.52, 4.452).Vielmehr m ssen wir voraussetzen, da ihn vor allem ein eigenes phi-losophisches Anliegen bewog, diese Lehre zu schaffen. Es handelte sichdabei um die Frage: Auf welche Weise kann die Einheit einer Substanzgew hrleistet werden ? F r die Teile der Substanz hatte die Antwortgelautet: Die Teile sind als solche nur δυνάμει, aktuell ist allein dasGanze, das Synolon. Nunmehr geht es um einen anderen Aspekt dergleichen Frage, n mlich um die Einheit der Definition413 bzw. um dasVerh ltnis der Spezies zu ihren bergeordneten Genera: Wie kann dasArt-Eidos die Genera in sich enthalten und doch eine Einheit sein?Die Antwort gleicht der eben genannten hinsichtlich der Substanz-teile : Die Genera vom Genus proximum an aufw rts sind δυνάμει imEidos enthalten, aktuell ist allein das άτομον είδος in seiner individu-ellen Verwirklichung414.

Die Einheit der Definition ist ein spezifisch aristotelisches Pro-blem, weil es mit dem aristotelischen Begriff der Substanz zusammen-h ngt, deren Vorrang vor allen anderen όντα philosophisch herausge-arbeitet und abgesichert werden soll. Das Problem w re jedoch nieentstanden, wenn Aristoteles von ,unten' her, von der Einzelsubstanzaus gedacht h tte: Denn diese ist uns doch als Einheit gegeben, ganzgleich, wie wir dieses .gegeben' verstehen. Aristoteles geht aber — wiePlaton — von ,oben' aus, mindestens von der Stufe des Art-Eidos, unddie Genera sind f r ihn nicht ohne weiteres so seinsohnm chtig, dasie nicht die Einheit der Definition gef hrden k nnten.

In der Kritik an τοϊζ τά$ ίδέα$ λέγονσιν Ζ 14 wird deutlich, wo-gegen Aristoteles sich abgrenzen will415: Die Genera und differentiaek nnen nicht ein Substanzsein wie die individuierte Art-Substanz be-sitzen, sonst ist ein Enthaltensein des dem Eidos bergeordneten imEidos und mithin die Einheit des Eidos undenkbar. Man wei l ngst,da , falls mit diesen Ausstellungen Platon gemeint ist, die Kritik nichtzutrifft. Das kann und braucht hier nicht im einzelnen verfolgt zu

4i3 Vgl., auch zum Folgenden, Cherniss 5—7. 50—53. 59—62. Interessant hierzu auchStenzel, ZuG 132—142, Preiswerk 156—162.

4W vgl. H 6, 1045a 34f. Die Stelle ist auch sonst instruktiv: Statt des Paares δύναμη/ενέργεια steht hier ύλη/ενέργεια (Konvertibilit t von Ολη und δύναμις, vgl. o.);nur hier wird auch die ύλη des Genus νοητή genannt.

415 Die Stelle wird ausf hrlicher behandelt von Chen, Charismas 106—in.4l Happ, Hyle

Brought to you by | St. Petersburg State UniversityAuthenticated | 134.99.128.41

Download Date | 11/1/13 9:22 PM

Page 4: Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

642 7· Hyle und Erkenntnis

werden418, es gen gt ein Hinweis auf bekannte Tatsachen: a) Die Ideeist nichts Geschlossenes, sondern vielmehr ein nach allen Seiten .offe-ner', mit allen anderen Ideen engstens verflochtener, Seinsgrund, einerder Knoten in dem Beziehungsgeflecht der Ideen, b) Die Teilhabe desEinzeldinges an seiner Idee und damit — infolge der κοινωνία undσνμττλοκή der Ideen — am gesamten κόσμος νοητός ist schwierig417,aber auch nicht problematischer als s mtliche anderen Versuche nachPlaton, die Beziehung des Individuellen zum Allgemeinen zu erfassen,c) Zudem ist die von Konrad Gaiser so eindrucksvoll herausgearbeiteteWechselbeziehung zwischen Mathematik und Ontologie bei Platon418

geeignet, die Gegens tze individuell — allgemein, k rperlich — un-k rperlich und damit auch das Teilhabeproblem zu mildern. F r Pla-ton war also die Einheit des Atomon Eidos kein Problem, jedenfallsnicht in der Weise, wie es die aristotelische Kritik formuliert419.

Zur Aporie wurde die Einheit erst dann, als Eidos, Differentiaund Genos als irgendwie geschlossene und »autarke' Substanzen be-trachtet wurden. Ob es eine solche Lehre jemals gab, ist belanglos,jedenfalls nimmt sie Aristoteles zum Ausgangspunkt seiner eigenenGedanken. Da nun die Substantialit t des Atomon Eidos nicht ange-tastet werden durfte, andererseits das Enthaltensein aller Differenzenim untersten Eidos nicht preisgegeben werden konnte, ohne diesesselber zu vernichten, blieb nichts brig, als die lange Reihe der Generaund Differenzen nicht-substantiell im allein substantiellen AtomonEidos »aufzuheben'. Das bedeutete bei der Gleichsetzung von Sub-stanzsem und Aktualit t, da die Genera δυνάμει oder, was dasselbemeint, Ολικώς im letzten Eidos enthalten sind.

Der Seinsmodus der ,M glichkeit' gestattet es Aristoteles, dieGenera und ihre Wechselbeziehungen in das Atomon Eidos aufzuneh-men, also eine aristotelische Form der κοινωνία γενών im Einzeldingzu schaffen. Freilich mu nun kurz gekl rt werden, welche Art von»M glichkeit' vorliegt420:

a) Nat rlich handelt es sich nicht um das von Aristoteles in denVordergrund ger ckte Noch-nicht-Sein beim substantiellen (Kind—Mann, Steinblock—Statue) oder akzidentellen Werden (ungebildet—gebildet) der Einzelsubstanz, denn Genera und Differentiae als solcheerfahren niemals eine Verwirklichung im Sinne des Individuums —dies w re ja gerade das, was Aristoteles Z 14 an Platon kritisiert.

416 Auch die Sekund rliteratur kann beiseite bleiben.417 Anregende Gedanken hierzu bieten Hartmann, Kl. Sehr. 2, 72 f und, ihm folgend,

Chen, Chorismos 30-—42.418 Vgl. seinen gesamten ersten Teil (Mathematik und Ontologie), bes. 125—141. 164 bis

172.419 Stenzel, ZuG 115. 120. Gaiser 140.420 Vgl. auch u. 8.231.

Brought to you by | St. Petersburg State UniversityAuthenticated | 134.99.128.41

Download Date | 11/1/13 9:22 PM

Page 5: Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

7-7 ύλη νοητή 643

b) Genera und Differentiae werden vermutlich als .potentiell' in jeder.aktuellen' Einzelsubstanz enthaltene Strukturen in einem und durcheinen Erkenntnisvorgang .aktualisiert', etwa beim Definieren. Diegenannte Aktualisierung findet sich nirgends bei Aristoteles belegt, darfaber erg nzt werden, nicht nur in Analogie zu den μαθηματικά, sondernberhaupt im Hinblick darauf, da jedes noetische Herausheben von

Seinsstrukturen ein .Aktuieren' dieser Strukturen bedeutet, c) DerVergleich mit der Mathematik gibt noch weiteren Aufschlu : Genuswie mathematischer Gegenstand werden unmittelbar und rein alleindurch die Erkenntnis aktualisiert, erfahren aber zugleich auch eineArt indirekter und partieller Aktualisierung innerhalb des Werde-prozesses gerade durch diejenige Einzelsubstanz, der sie nach Aristo-teles δυνάμει innewohnen.

Damit h rt die Parallelit t auf, denn diese indirekte Aktualisie-rung hat in beiden F llen h chst verschiedenen Charakter: Mathe-matischer Gegenstand und K rper einer Einzelsubstanz haben etwasGemeinsames, n mlich Dimensionalit t. Aber man kann nicht sagen,der mathematische Gegenstand als solcher konstituiere den einzelnenSubstanzk rper. Das w rde an gewisse platonische Gedankeng ngestreifen, die Aristoteles sch rfstens ablehnt. So ist also der mathe-matische Gegenstand irgendwie auf die raumzeitliche Substanz an-gewiesen, jedoch ist er umgekehrt f r sie nicht wesentlich421. Auch dieGenera sind auf die Einzelsubstanz angewiesen, um im Rahmen desWerdeprozesses aktuell werden zu k nnen, aber sie konstituieren —anders als die μαθηματικά — umgekehrt dieses Einzelne wesentlich.Man braucht, um dies nachzuweisen, in keiner Weise die Vorzugsstel-lung des Atomon Eidos anzutasten, weil das Eidos selbst uns zeigt,wie sehr es der Genera bedarf: Im Wesensbegriff liegen Genus proxi-mum und Differentia nur impliziert vor, und man k nnte vermeinen,sie seien nicht darin enthalten, oder, der Wesensbegriff k nne auchohne sie auskommen. Dagegen entfaltet die Wesensbestimmung oderDefinition ausdr cklich Genus und Differentia, und da Aristotelesdie Definition als λόγος της ουσίας untrennbar mit dem Wesensbegriff(τί ην είναι) verbindet, sind f r ihn Wesensbegriff und Definition inihrem Seins- und Wahrheitsgehalt identisch. Daraus erhellt berhaupterst, warum Aristoteles die Einheit der Definition so wichtig nimmt,da er die hier behandelte Lehre aufstellt: An der Einheit der Defini-tion h ngt eben die des Wesensbegriff es und somit diejenige der Wesens-form422. Wenn der Wesensbegriff vom noetischen, die Definition abervom dianoetischen Denken erfa t wird, so verschl gt dies nichts, dennIntuition und diskursives Denken geh ren ja aufs engste zusammen(o. 7.52 u. .).

«i Vgl. o. 7.44, 7.46. «22 vgl. Arpe 46.4l*

Brought to you by | St. Petersburg State UniversityAuthenticated | 134.99.128.41

Download Date | 11/1/13 9:22 PM

Page 6: Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

644 7· Hyle und Erkenntnis

So wird durch die Definition das Genus proximum mit dem Art-Eidos verklammert, damit aber auch die weiteren Genera, sei es im-plizit im Genus proximum, sei es explizit durch weitere Definitions-schritte.

Demnach bedeutet das δυνάμει bzw. uAiKcos als Seinsmodus desGenus zwar eine wesensm ige Unerf lltheit, Unbestimmtheit undvielleicht Defizienz gegen ber der aktuierten Einzelsubstanz, aberzugleich auch, da die Genera und Differentiae wesenskonstitutiv indie Einzelsubstanz eingegangen sind, ohne deren Aktualit t zu durch-kreuzen oder zu schm lern. All diese Eigenschaften weisen genau dieSubstanzteile auf, die wir schon fter verglichen haben: Wie sie denK rper aufbauen423, so die Genera die Wesensform.

Es besteht also kein Zweifel, da Aristoteles mit seiner Lehrevom potentiellen Seinsmodus der Genera diese zugunsten der Artformund der Einzelsubstanz entm chtigen wollte. Es fragt sich nun, obihm das gelungen ist, ja gelingen konnte, solange er dem ersten All-gemeinen, der Artform, die absolute Priorit t und zugleich ihrer Wesens-definition fast kanonische Geltung verlieh, so da im Eidos die Generaeo ipso mitgegeben sind. Damit kann auch δυνάμει bzw. Ολικώς nichtdie bliche Bedeutung von .ontologisch sp ter' haben, denn das Eidosist als Telos des Werdensprozesses seinsm ig am ,fr hesten', und dieGenera sind zumindest nicht .sp ter' als das Eidos, in keiner Bedeu-tung des Wortes .sp ter'. Also grenzen diese Bezeichnungen den Seins-modus der Genera z. B. gegen die Artsubstanz und die Ideen Platons(so wie sie Aristoteles versteht) ab, sie entleeren aber keineswegs dasSein der Genera v llig zu einem ,nur logischen' Sein im modernenSinne424. Allerdings ist hiermit unleugbar ein erster Schritt in dieserRichtung getan: Wir haben in den aristotelischen Genera eine merk-w rdige Art von idealem Sein vor uns, dessen Wesen darin besteht,da es .latent' ist. Nat rlich erkl rt der Begriff der .Latenz' (δύναμις)nicht — genausowenig wie bei den μαθηματικά (ο. 7.43) —, worin dennnun positiv die Seinsweise der Genera besteht. Aristoteles verwendetihn, um seinen eigenen Ansatz gegen ber Platon — Seinspriorit t desArt-Eidos — zu bezeichnen, aber hinter dem neuen Wort verbirgt sichwiederum die Tatsache, da die platonische Denkweise — Priorit tdes Allgemeinen, Idealsein der Genera—im wesentlichen weiterbesteht.

Wir sind bisher vom Art-Eidos ausgegangen — das problematischgenug ist — und haben betont, wie zwiesp ltig der Seinsmodus der

428 Das sei hier einmal so undifferenziert gesagt.424 Die gemeinte Auffassung kann man nicht nur bei Neu-Kantianern lernen, sondern

auch bei N. Hartmann, der von seinem Realit ts-Begriff aus (real = raum-zeitlich)den Stufenbau der Genera, was ihr ontologisches Gewicht angeht, von unten nachoben aufbaut, z. B. M glichkeit und Wirklichkeit 344 f.

Brought to you by | St. Petersburg State UniversityAuthenticated | 134.99.128.41

Download Date | 11/1/13 9:22 PM

Page 7: Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

7-7 ύλη νοητή 645

Genera ist, da Aristoteles sie gegen ber dem Art-Eidos zur cktretenl t, sich aber nicht entschlie en kann, die .Entaktualisierung' desAllgemeinen auch auf das Atomon Eidos auszudehnen und statt derArt das Individuum zum alleinigen Tr ger der Aktualit t zu machen.Dadurch ger t das ideale Sein der Genera in eine zwielichtige Schwebe.Das wird sich noch mehr zeigen, wenn wir die Begriffshierarchie erneutim ganzen betrachten:

Die Genera bilden, wie gesagt, eine Schichtenfolge von ber-formungen, die von ,oben' nach .unten' verl uft. Sie erinnert an dieStufung in der Natur, ist jedoch, der Begriffsdiairesis entsprechend,viel strenger aufgebaut. Die obere Schicht wird durch je zwei formaleFaktoren, die beiden Differentiae, bestimmt, dieses so Bestimmtewiederum durch zwei Unterschiede usw. bis zum Atomon Eidos. Soist die obere Schicht jeweils Substrat der sie differenzierenden Unter-schiede und geht mit den Differentiae ein quasi-substantielles Verh lt-nis ein, in welchem sie δυνάμει bewahrt bleibt, und dieses ,Synolon'ist dann erneut Substrat der n chsten Unterschiede425.

Diese .logische' Quasi-Substanz hat einen ganz anderen Charakterals das mathematische Synolon. Erstere bewegt sich ganz im Bereichdes Idealen, so da sie vermutlich, obwohl sie einen .stofflichen' undeinen .formalen' Teil hat, insgesamt vom Denken als reine Form wiedas noetisch erfa te Art-Eidos angesehen wird. Letzteres hat nebender Form einen stofflichen Teil, der zwar durch eine Abstraktion hin-durchgegangen ist, ja sogar als solcher vom Denken irgendwie kon-stituiert wird, aber dennoch untrennbar mit K rperlichkeit verbundenist, ja sogar der Prototyp von K rperlichkeit berhaupt ist.

Steigt man die Stufen der Genera empor, so gelangt man zu immerallgemeineren und inhaltlich unbestimmteren Genera, schlie lich zuden μέγιστα γένη, den Kategorien. Diese enthalten unentfaltet s mt-liche Bestimmungen und Ausformungen von ,Sein' au er den Trans-zendentalien in sich. Die gr te Allgemeinheit und inhaltliche Unbe-stimmtheit, oder besser: Unentfaltetheit der Kategorien m ssen wirgem Aristoteles' Theorie vom Genus als Hyle so beschreiben: DieKategorien .haben' als oberste Genera keine Hyle mehr428, sie sindvielmehr selber reine ύλη (νοητή), reine δύναμίζ, d. h. sie bilden denGegenpol zur Vollbestimmtheit und Aktualit t des Atomon Eidos. Dadie Kategorien nun unmittelbar in den Seinsbegriff einm nden undumgekehrt ,Sein' eo ipso als kategoriales Sein zu verstehen ist427, kann

428 Zur aristotelischen Begriffsdiairesis vgl. bes. Cherniss 50—53. 59—62.426 H 6, 1045a 36 hei t es von den Kategorien: όσα δε μη Ιχει ολην μήτε νοητήν

μήτε αίσθητήν.427 Γ 2, 1004a 4* Οττάρχει . . . εύθύ$ γένη έχον το δν καΐ το £ν; wahrscheinlich meint

γένη hier im weiteren Sinne die Kategorien und die drei Seinsschichten (ούσίοπ).

Brought to you by | St. Petersburg State UniversityAuthenticated | 134.99.128.41

Download Date | 11/1/13 9:22 PM

Page 8: Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

646 7· Hyle und Erkenntnis

man auch sagen: Das allgemeinste Sein ist reine δύναμη, d. h. reineύλη νοητή.

Wie vertr gt sich diese Tendenz, die nach oben hin zu immerreinerer M glichkeit f hrt, mit der Schichtung Sinnensubstanz—Him-melsk rper—unbewegte(r) Beweger, bei der nach oben immer reinerdie Wirklichkeit, die Aktualit t hervortritt ?

Man kann diese Schwierigkeit nicht dadurch beseitigen, da mandie Lehre vom Genus als Hyle/Dynamis gem den ausdr cklichenZeugnissen auf das Genus proximum beschr nkt und die oberenGenera davon ausschlie t, weil das Problem, wie das Allgemeinstezugleich das Bestimmteste sein kann, auch dann noch unvermindertbestehen bleibt. Ist dies doch ein Hauptproblem jeglicher Philosophie,sofern sie nicht real mit »sinnlich fa bar' gleichsetzt und die Seins-bezogenheit der Begriffe leugnet. Zweitens ist es nicht m glich, dieύλη νοητή analog der αίσθητή als Individuationsprinzip zu verstehen,das die Unterschiede zwischen den Arten erkl ren soll428. Dies giltvielmehr nur f r die platonische Ideenmaterie (2.243, 2.51, 4.452],die ύλη νοητή hingegen generalisiert' und die formalen Differentiae,individuieren', bis zum Atomon Eidos, unterhalb dessen es dannumschl gt, indem die ύλη (αίσθητή) die Rolle des Individuierens

bernimmt.Daher mu man das Faktum hinnehmen, da in der Stufung der

Genera eine Art , Gegenbewegung' zur aufsteigenden Reihe der ber-formungen vom Anorganischen bis zum unbewegten Beweger erfolgt.Wie weit darf man nun das oberste Glied beider Reihen gleichsetzen ?Wir haben oben Abschnitt 4 gesehen, wie f r Aristoteles jede allge-meine Ontologie stets notwendig in die Theologik des unbewegtenBewegers einm ndet. Deshalb kann man den unbewegten Bewegermit .Substanz' im allgemeinsten Sinne (als Kategorie), d. h. mit demBegriff ,Sein' im umfassenden Sinne identifizieren. Der Beweger istals reine Aktualit t vollbestimmt, zugleich als Prototyp von Substanzbzw. Sein berhaupt Allgemeinheit und Unentfaltetheit. DiesesIneinander von Bestimmtheit und Unbestimmtheit finden wir beimplatonischen Iv wieder, danach z. B. noch deutlicher beim εν Plo-tins429; es ist dies bezeichnend f r jedes ideale Sein, f r welches dasκαθόλου τω ττρότερον είναι gilt430. Wie vereinigt der unbewegteBeweger reine ενέργεια mit reiner ύλη νοητή in sich ?: Bei Ersteremmu man ,ratione essendi' hinzudenken; Letzteres wird vom Raum-

H 6, 1045a 36ff stellt das unmittelbare Verkn pftsein (ευθύς!) von Kategorien,.Sein' und .Eins' heraus. Vgl. Bonitz zu Λ 4, loyob i.

428 So Merlan und Ross, widerlegt o. 4.452.429 u. 7.823 Schlu . Vgl. auch Kr mer, GF 143 mit A. 123.430 Anspielung auf K 7, io64b 13 f.

Brought to you by | St. Petersburg State UniversityAuthenticated | 134.99.128.41

Download Date | 11/1/13 9:22 PM

Page 9: Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

7· Hyle und Erkenntnis 647

Zeitlichen aus, d. h. ,νοη uns aus' gesehen. Dieses ,νοη uns aus' stelltsich in diesem besonderen Fall als logisch-erkenntnistheoretische Stu-fung dar. Das mu aber nicht so sein, und so darf man nur unter Vor-behalten beide Richtungen durch .ratione essendi'—.ratione cognos-cendi' kontrastieren. Reine Aktualit t = Vollbestimmung dem Seinnach geht Hand in Hand mit begrifflicher Unentfaltetheit ,f r uns',ontisch gr te F lle an Sein mit logisch gr ter Unbestimmtheit; jedelogische Festlegung beim Abstieg in der Diairesis bedeutet dann eineSeinsverengung u. dgl. Man kann deshalb von doppelter Explikationdes obersten Seins sprechen: einmal in die 3 (2) Seinsschichten (un-bewegter Beweger —) Himmelsk rper — verg ngliche Substanz, zumndern in die Kategorien, Genera, Differentiae bis zum Atomon Eidos.

Anfang und Endpunkt der Reihe sind eng aufeinander bezogen: DieUnstimmigkeiten und Schwierigkeiten im Bereich dazwischen ergebensich, wie gezeigt, erstens aus der Beseitigung des Ideenbereiches undseiner κοινωνία, zweitens daraus, da Aristoteles mit der Beseitigungauf der H he des Atomon Eidos innegehalten hat.

7.72 Das Wesen der ΰλη νοητή

Ross hat zu met. Z ίο, 1036 a 9 die ύλη νοητή besonnen bespro-chen, ihre beiden Bedeutungen unterschieden und, da er es f r un-m glich h lt, da Aristoteles den gleichen Ausdruck f r zwei v lligvoneinander getrennte Bedeutungen gebraucht habe, zwei M glich-keiten der Verkn pfung vorgeschlagen: a) Aristoteles hatte von allemAnfang an eine .weitere' Bedeutung im Auge und nennt im Z die Ex-tensio nur als einzelnes, spezielleres Beispiel daf r, b) Er ging von derspezielleren Bedeutung .Extensio' aus und erweiterte sie, als er zu Hkam.

Nun liegt ja tats chlich eine Stelle vor, an der sich beide Bedeu-tungen zu berschneiden scheinen: H 6, 1045 a35 wird als Beispielf r Ολη νοητή = , Genus in der Definition' genannt οίον ό κύκλοςσχήμα επίπεδον, und das Genus ο^χήμα έπίπεδον bezeichnet gleich-zeitig die Extensio des Kreises. An dem Beispiel st rt einmal, da der»formale' Teil der Definition, d. h. die Differentia, fehlt (Ross z. St.),anderenteils, da Alexander berhaupt nicht darauf eingeht, weshalbJaeger es f r ein Glossem h lt und athetiert. Aber auch wenn dieseseinzelne und einzige Beispiel nicht aristotelisch ist, bleibt sachlichbestehen, da die Extensio in den Definitionen geometrischer Figurenals genetisches Element (wenn nicht gar als Genus selbst) auftritt.Freilich nimmt Aristoteles wiederum auf die Unentbehrlichkeit derExtensio in den μαθηματικά und in deren Definitionen so wenigR cksicht, da er das wesentliche Sein der Figuren, z. B. des Kreises,

Brought to you by | St. Petersburg State UniversityAuthenticated | 134.99.128.41

Download Date | 11/1/13 9:22 PM

Page 10: Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

648 7· Hyle und Erkenntnis

auf die reine Form reduzieren will (o. 7.461). Au erdem kann mannoch gegen das obige und gegen hnliche Beispiele einwenden, daeigentlich nicht ,Ebene' (die reine ύλη νοητή), sondern ,ebene Figur'(Hyle + Begrenzung) das Genus sei u. dgl. Kurzum, es ist sehrbedenklich, in solchen Definitionen die Klammer zu sehen, die beideBedeutungen von ύλη νοητή verbindet.

Was ist also das Verbindende ? Wir haben dies ja schon n hercharakterisiert431, so da wir uns auf Stichworte beschr nken k nnen:

Beide Arten sind gegen ber dem raum-zeitlichen Synolon unbe-stimmt, potentiell, ,ideal', abstrakt. Diese Begriffe kennzeichnen daseigent mliche Idealsein der mathematischen und logischen Sph re.Die Tatsache, da die Ολη νοητή mit der mathematischen Form, dasGenus als Hyle mit der Differentia ein quasisubstantielles Verh ltniseingeht und da Aristoteles im Banne der platonischen Tradition undeigener spezieller Fragen (z. B. der nach der Definition) beides in denVordergrund r ckt, darf nicht dar ber hinwegt uschen, da die zweiSachverhalte im Grunde doch nur Symptome eines allgemeineren ari-stotelischen Problems sind, wie sich n mlich der behauptete Seins-vorrang der raumzeitlichen Substanz mit dem logischen Vorrang desAbstrakt-Idealen vertr gt. Ein Ausgleich kann nur gefunden werden,wenn die eine auf die andere Seite reduziert wird, was wieder auf vieleSchwierigkeiten st t. Man kann die Problematik in der Moderne ambesten an Nicolai Hartmann und dessen zwiesp ltiger Haltung hin-

431 o. 7.43, 7.71. — G nther Patzig versucht die zwei Arten von ΰλη νοητή durch fol-gende Bestimmung miteinander zu vereinigen: „Das, was es zwar selber und alssolches nicht gibt, als das man aber etwas, das es gibt, n mlich einen wahrnehm-baren Gegenstand, auffassen kann, nennt Aristoteles die Ολη dieses Gegenstandes,seine Materie" (Bemerkungen ber den Begriff der Form, Arch. f. Philosophie 9,1959, 102—104, hier 103; vgl. auch schon Patzigs Dissertation Usia i$git). DieseBestimmung hilft nicht weiter: Denn wenn man sie erstens undifferenziert nimmt,m te alles, was ber das konkret-sinnliche Vorhandensein eines Gegenstandeshinausgeht, seine ύλη hei en, z. B. auch sein eTSoj, akzidentelle Bestimmungenusw., kurz alles, was von einem τόδε τι ausgesagt werden kann. Zweitens: Auf-fassen' (d. h. .noetisch erkennen') richtet sich prim r nur auf die Form (die erkenn-bar ist), nicht auf die Materie (die als solche .unbestimmt' und .unerkennbar' ist).Zwar gibt es dann auch ein noetisches Erkennen der unbestimmten Extensio(= ΰλη νοητή der Mathematik) bzw. des irgendwie .unbestimmten' γένος (Logik),aber das bedarf dann erst n herer Erkl rung (vgl. o. 7.44), bevor man ohne weiteresvon .auffassen' sprechen kann. (F r diese Bemerkungen durfte ich briefliche u e-rungen Ernst Tugendhats verwenden, deren Einsichtnahme ich G nther Patzigverdanke). Vgl. zu allem die vorstehenden Er rterungen, ferner die eindringlichenFeststellungen von E. Tugendhat, 77 ΚΑΤΑ ΤΙΝΟΣ, 1958, 115—120 und I48f(γένο5 als Ολη), 79f (mathematische Ολη νοητή). Merlans Bemerkungen zur aristote-lischen Ολη νοητή (ΖΒ ιοί) sind zu summarisch und wenig f rderlich, enthalten abereine wichtige Anregung: Die .nicht-sinnlichen' Hyle-Arten des Aristoteles sindletztlich nur auf dem Hintergrund der platonisch-akademischen Seinsschichtungund ihrer mannigfach abgestuften Prinzipien zu verstehen.

Brought to you by | St. Petersburg State UniversityAuthenticated | 134.99.128.41

Download Date | 11/1/13 9:22 PM

Page 11: Hyle (Studien zum aristotelischen Materie-Begriff) || 7.7 ὕλη νοητή

7-8 Die Erkenntnisstufe der Metaphysik 649

sichtlich des »Realen' und des ,Idealen' studieren. Dies ist also bis heuteeine offene Frage. Da Aristoteles sie sehr gef rdert h tte, kann mannicht sagen, und so bleibt nur brig, den Befund noch einmal zu kon-statieren :

Alles, was nicht ουσία ist, besonders das Logische, und dasMathematische, ist ein νοητόν und δυνάμει δν, als Potentielles eo ipsoein ύλικώς όν. Unter diese Rubrik f llt alles vom vo s Erkennbare —der unbewegte Beweger ausgenommen. Speziell von Ολη νοητή sprichtman, wenn das Moment der Bestimmbarkeit durch etwas Formalesbzw. ein substanzartiges Verh ltnis besonders stark mit ins Spielkommt. Eigentlich m te nun der Ausdruck ύλη νοητή auch auf dieanderen Arten der Hyle ausgedehnt werden, die s mtlich .gedacht'sind (o. 7.12, 7.35), aber Aristoteles hat den Terminus auf die Hyleder Geometrie und der Logik beschr nkt.

7.8 Die Erkenntnisstufe der Metaphysik

Wie gezeigt wurde432, hat die Metaphysik zu ihrem Gegenstanderstens das Sein als Sein im allgemeinen und zugleich das ens realis-simum, den unbewegten Beweger; zweitens eine Reihe von einandergegens tzlich zugeordneten ,Transzendentalien' im weitesten Sinne,die in die Form-Systoichie der .Einheit' und die Materie-Systoichieder .Vielheit' zusammengefa t sind; drittens die Grundaxiome jeg-lichen Denkens wie den Satz vom Widerspruch; viertens die Er rte-rung des τί εστίν, also des Wesens433. Aristoteles schwankt bei demeinen oder anderen dieser Bereiche, ob er ihn einbeziehen soll. Aberselbst wenn dies mehr w re als methodischer Zweifel — behandelt erdoch all diese Themen de facto in den Metaphysikb chern —, so d rfenwir uns hier dar ber hinwegsetzen. Wir haben also statt eines einzigenGegenstandes wie bei der Physik und Mathematik deren bei der Meta-physik eine Mehrzahl vor uns. Diese Vielfalt ist insofern nur scheinbar,als sie sich bruchlos aus der Frage nach dem Sein als solchem ergibtund sich dem durch diese Fragen bezeichneten Rahmen ohne Resteinpa t. Andererseits f hrt diese Frage ihrem Wesen nach wie keineandere denjenigen, welcher ihr nachgeht, in ausnahmslos alle Seins-bereiche, also in die denkbar gr te Mannigfaltigkeit hinein. Ob nundie Untersuchung des .Seins' in all diesen Bereichen mit der gleichenErkenntnisart und Denkmethode erfolgen kann, l t sich von vorne-herein weder bejahen noch verneinen. F r Letzteres spricht schon

432 o. 4 passim, z. B. 4.24.433 Vgl. vorl ufig u. 7.821.

Brought to you by | St. Petersburg State UniversityAuthenticated | 134.99.128.41

Download Date | 11/1/13 9:22 PM