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1 5. Reaktionen neben der C=O-Gruppe Carbonyl- und Carboxylgruppen besitzen zwei reaktive Stellen bisher besprochen: Angriff von Nucleophilen am positivierten C-Atom der Carboxylgruppe O R R δ δ + Nu: O R Nu R tetrahedrale Produkte bzw. Zwischenstufen zweite reaktive Stelle: CH-Gruppe am α-C-Atom ist acide z.B.: bei Aldehyden, Ketonen, Estern, Amiden etc. H R O R H R O R + :B + B H H R O R H Anion eines Enols = Enolat Acidität des α-H Alkan-Derivate Ethan: pK a = 60 (EN von C und H sind sehr ähnlich) Elektronen des Carbanions sind lokalisiert, relativ instabil, daher die geringe Acidität Enolate Acidifizierende Wirkung: I-Effekt der Carbonylgruppe, Polarität der C-H-Bindung wird erhöht Enolatanion ist durch Resonanz stabilisiert delokalisiert auf O-Atome, welches aufgrund der höheren EN (3.5) besser in der Lage ist, Elektronen aufzunehmen vergleichbar mit der Situation bei der Deprotonierung einer Carbonsäure H 3 C CH 3 H 3 C CH 2 + H + pK a = 60 lokalisiert H R O R H R O R + :B + B H H R O R H Anion eines Enols = Enolat O R O O R O + :B + B H O R O Carboxylat H pK a ca. 4-5 pK a ca. 19-21 (für ein Keton)

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5. Reaktionen neben der C=O-GruppeCarbonyl- und Carboxylgruppen besitzen zwei reaktive Stellen• bisher besprochen: Angriff von Nucleophilen am positivierten C-Atom der Carboxylgruppe

O

RR

δ–

δ+

Nu:–

OR

NuR

tetrahedrale Produkte bzw. Zwischenstufen

zweite reaktive Stelle: CH-Gruppe am α-C-Atom ist acide• z.B.: bei Aldehyden, Ketonen, Estern, Amiden etc.

HR

OR

HR

OR+ :B

+ B HH

R

OR

H

Anion eines Enols = Enolat

Acidität des α-HAlkan-Derivate• Ethan: pKa = 60 (EN von C und H sind sehr ähnlich)• Elektronen des Carbanions sind lokalisiert, relativ instabil, daher die geringe Acidität

Enolate• Acidifizierende Wirkung: I-Effekt der Carbonylgruppe, Polarität der C-H-Bindung wird erhöht• Enolatanion ist durch Resonanz stabilisiert• delokalisiert auf O-Atome, welches aufgrund der höheren EN (3.5) besser in der Lage ist, Elektronen

aufzunehmen• vergleichbar mit der Situation bei der Deprotonierung einer Carbonsäure

H3C CH3 H3C CH2 + H+ pKa = 60

lokalisiert

HR

OR

HR

OR+ :B

+ B HH

R

OR

H

Anion eines Enols = Enolat

O R

O

O R

O

+ :B

+ B H

O R

O

CarboxylatH

pKa ca. 4-5

pKa ca. 19-21 (für ein Keton)

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Ketone sind acider als EsterDelokalisation bei Estern-Enolaten ist weniger effektiv• Aldehyd: pKa = 16, Keton = 20, Ester = 25• Lone-Pair der OR-Gruppe wird ebenfalls auf den Sauerstoff der C=O-Gruppe delokalisiert (interne

Kompetetion)

Weitere C-H acide Verbindungen• Nitroalkane, Nitrile, N,N-disubstituierte Amide• im Anion: Elektronenpaar kann ebenfalls auf ein Atom delokalisiert werden, welches elektronegativer

als C ist

HOR

OR

HOR

OR

Delokalisation des Carbanions

HOR

OR

Delokalisation des El.-Paars der OR-Gruppe

NO2 CN

N

O

pKa = 8.6 26 30

α−CH zwischen zwei Carbonylgruppenβ-Dicarbonylverbindungen• in den β-Dicarbonylverbindungen (Malonsäurediethylester, Acetessigsäureethylester, Acetylaceton

etc.) sind sowohl der –I- als auch der –M-Effekt doppelt wirksam. Diese Verbindungen besitzen daher ein relativ acides Proton

• Delokalisation des El.-Paars im Anion auf zwei Sauerstoffe möglich• man unterscheidet: β-Diketone (acider), β-Ketoester (wegen des Esters weniger acide)

O O

Acetylaceton2,4-Pentandion

ein β-Diketon

O O

OEt

AcetessigesterEthyl 3-Oxobutyrat

ein β-Ketoester

pKa = 8.9 pKa = 10.7

O O

H

O O OO Delokalisation auf zwei Sauerstoffatome

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α−CH zwischen zwei CarbonylgruppenDicarbonylverbindungen lassen sich gut mit Alkoholaten deprotonieren• um vollständige Deprotonierung zu erreichen (Keq > 100) braucht man eine pKa-Differenz von 2• Alkoholate sind billige und wohlfeile Basen (z.B. aus ROH + Na)

O O

OCH3

NaOCH3

CH3OHO O

Na

OCH3

stabil, kann isoliert werden

K = 99.9

pKa = 11 pKa = 16

Reihe der acidifizierenden Wirksamkeit• insbesondere –M-Effekt, ergänzt durch –I-Effekt

NO2 COR CN CO2R SO2R SOR Ph SR H Alkyl> > > > > > >= =

pKa-Werte einiger CH-acider Verbindungen CH-Säuren

H CN

O OR NO2

HR R

H

H

CNNCO O

R OR1H

O O

R1O OR1H

9 10 10

11 11 13Schwache CH-Säuren

H

RO

HH

ArO

RH

R2

O

R1H H

CN

25

R

R HR2

O

OR1H

R SAr

H H

ArArArO O

16 16 18 20

3025 25 25

KohlenwasserstoffeH Ar H H H R H

40 43 44 50 55

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Keto-Enol-TautomerieGlgw. zwischen Keto- und Enolform• Proton am C oder O• unterschiedliche Position der DB• in der Regel ist die Ketoform stark bevorzugt

• Aceton: Keton/Enol = 999 : 1

Ausnahmen• Bsp.: β-Diketone, β-Ketoester, Phenol

O

RR

O

RR

Enol-TautomerH

HO O

H

99.9% 0.1%

O O O OH

Acetylaceton (97% Enol in CCl4)(0.25% Enol in H2O)

Je nach Struktur und LM variiert der Anteil des Enol-Isomers

EnolisierungGlgw. zwischen Keto- und Enolform• katalyisiert durch Säuren od. Basen

Basen-katalysierte Keto-Enol-Tautomerisierung• Base (z.B. OH–) abstrahiert α-H, Bildung des Enolats• Protonierung des Enolats durch H2O am Enolat-O

HR

OR

HR

OR+ OH–

+H

R

OR

H

H2O

H HO

O

R

H

R

EnolEnolat

+ OH–

Säure-katalysierte Keto-Enol-Tautomerisierung• Proton protoniert die Keto-Gruppe zum Oxonium-Ion• acides Oxonium-Ion verliert ein α-H ans Wasser

HR

OR

HR

OR+ H3O+

+H

R

OR

H

H2O H HO

O

R

H

R

EnolOxonium-Ion

+

H HOH

H

H H

H3O+H

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Reaktionen von Enolen und Enolaten am α-C der C=O-Gruppe

Basen-katalysierte α-Substitution• Base (z.B. OH–, CH3O–) abstrahiert α-H, Bildung des Enolats• Reaktion des Enolats mit einem Elektrophil am negativ geladenen C

Säure-katalysierte α-Substitution• Proton protoniert die Keto-Gruppe zum Oxonium-Ion• acides Oxonium-Ion verliert ein α-H ans Wasser• Enol reagiert mit dem Elektrophil• protoniertes Produkt gibt Proton ans Wasser ab

HR

OR

HR

OR

H

H HO

O

R

H

R

Enol

+

H HOH

H

H3O+

E+ ER

OR

H

H2O

ER

OR

+ H3O+

H H H

HR

OR

HR

OR+ OH–

+H

R

OR

H

H2O

O

RR

AlkylierungsproduktEnolat E+ EH

Halogenierung des α-C von Ketonen und AldehydenBildung von α-Halogen-Carbonylverbindungen• Carbonylverbindung + Halogen (Br2, Cl2, I2)

Säure-katalysierte Halogenierung• über die Enol-Form• unter diesen Bedingungen wird nur ein H substituiert

O

+ Cl2H3O+

OCl

+ HCl

via:

HR

OR

HR

OR

H

H HO

O

R

H

R

Enol

+

H HOH

H

H3O+

XR

OR

H

H2O

XR

OR

+ H3O+

H H H

X X

+ X–

Bsp.:

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Halogenierung des α-C von Ketonen und AldehydenBasen-katalysierte Halogenierung• über die Enolat-Form• unter diesen Bedingungen können alle H‘s substituiert werden• jedes Halogenid erhöht die Acidität des α-C-Atoms

via:

HR

OR

HR

OR+ OH–

+H

R

OR

H

H2O

O

RR

EnolatX

H

X X + X–

Anwendung: Haloform-ReaktionSynthese von Carbonsäuren aus Methylketonen• In Gegenwart von Überschuss an Base und Halogen erhält man aus Methylketonen eine Carbonsäure• über die Enolat-Form• wird oft zur Synthese von Benzoesäuren herangezogen (Friedel-Crafts, dann Haloform-Reaktion)• neben der Carbonsäure entsteht noch das Haloform (z.B. Bromoform)

HR

OHH

xs OH–

xs Br2

BrR

OBrBr

OH–

OH–Br

RO

BrBrHO O

HR

O

Br

BrBr+

OR

O

Br

BrBr+

H

Bromoform

Bromoform ist acider als H2O, somit ist das Anion eine bessere Austrittsgruppe als OH–

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Hell-Volhard-Zelinski-ReaktionHalogenierung des α-C von Carbonsäuren• direkte Enolatbildung an Carbonsäuren ist nicht ohne weiteres möglich, da zunächst das Carboxylat

entsteht• In Gegenwart von PBr3 gelingt dies jedoch, da zunächst ein Säurebromid entsteht, welches unter den

Reaktionsbedingungen (es bildet sich HBr) in α-Stellung bromiert wird

HOH

ORH

1. PBr3, Br2

2. H2O BrOH

ORH

Prinzip der HVZ-Reaktion:

Mechanismus:

HOH

ORH

PBr3

HO

ORH

PBr

Br

Br–+ H+

HBr

ORH

+ HOPBr2

H+O

Br

H

R

Br Br

BrBr

OR

H

H

– H+

BrBr

ORH

H2O

BrOH

ORH

+ Br–

α-Halogenierte Carbonylverbindungen in der SyntheseArt Umpolung• als Enolat ist das α-C nucleophil• nach der Halogenierung sind dort gut SN2-Reaktionen möglich (α-C ist elektrophil, ÜZ der SN2-Rkt. ist

stabilisiert)• mit starken, sterisch gehinderten Basen wird dagegen HBr eliminiert (E2), Bildung von Enonen

Prinzip:

Bsp.:

O

kat. H+

Br2

OBr Nu:–

ONu

+ Br–SN2KOtButBuOH

E2

O

NMe2

H

O

OHH

O

OOCH3

OCN

O

O

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Enolatbildung mit starken Basen (LDA)Ziel: vollständige Enolatbildung• Vorteil: kontrollierte Umsetzung des Enolats mit Elektrophilen• keine Reaktion mit nicht enolisierter Carbonylverbindung

Prinzip:

Darstellung

O

+ Li N

pKa = 17

OLi

H N+

DiisopropylaminLithiumdiisopropylamid (LDA)

pKa = 35

mit der starken Base erreicht man vollständige Deprotonierung des Ketons (pKa-Difference > 3)

Vorteil gegenüber Lithiumamid: sterische Hinderung, nicht nucleophil!

H N +

Diisopropylamin

pKa = 35Li

n-Butyllithium

δ–δ+ THF

T <= –5 °CLi N +

pKa = 60

LDA

Alkylierung der α-Position von Carbonylverbindungenwichtiges Prinzip zur C-C-Knüpfung• Deprotonierung zum Enolat (z.B. mit LDA)• Zugabe eines Alkylhalogenids (SN2 am Alkylhalogenid)• Methyliodid, primäre Alkylhalogenide, und reaktive Alkylhalogenide reagieren am besten

Bsp./Prinzip:mit schwächeren Basen: Mehrfachalkylierung möglich!

OLDA, THF

OLi Br

SN2-Rkt.

O

+ LiBr

Ester, Nitrile, Amide etc. lassen sich in ähnlicher Weise alkylieren• Aldehyde ergeben niedrige Ausbeuten

OMe

O1. LDA, THF

O

OMe

LiI CH3

OMe

O

2. CH3I

via:

Me

CN 1. LDA, THF

2. CH3CH2IC

N

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Alkylierung/Acylierung der α-Position von Carbonylverbindungen über Enamine

alternative und wichtige Methode zur C-C-Knüpfung• Carbonylverbindung + sekundäres Amin ergibt Enamin• Vorteile:

• leicht herzustellen, keine starke Base notwendig• Selektive Monoalkylierung

• wie vorher: primäre und reaktive Alkylhalogenide• man erhält ein Iminium-Ion, welches zum alkylierten Keton/Aldehyd hydrolysiert werden kann

Bsp./Prinzip:

O

+NH

H+ (kat.)

N NH H3C Br

NCH3

Br–

HCl, H2O

OCH3

N+

H HCl–

BrBr O

BrOR

besonders reaktive Alkylhalogenide(stabilisieren ÜZ der SN2-Rkt.):

Alkylierung der α-Position von Carbonylverbindungenüber Hydrazone

Problem bei der Enolatbildung mit LDA• unsymmetrische Ketone können zu regioisomeren Enolaten führen• Hinweis: unter kinetisch kontrollierten Bedingungen (Zugabe des Ketons zu einem Überschuss an

LDA) wird bevorzugt die weniger gehinderte Seite des Ketons deprotoniert

Bsp.:

OCH3 LDA

THF

OCH3

LiO

CH3

Li

+

CH3-I CH3-I

OCH3H3C

OCH3

CH3

thermodynamisch stabileres Enolat (höher substituierte DB)

kinetisches Enolat (acider und besser zugängliche CH-Gruppe)

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Alkylierung der α-Position von Carbonylverbindungenüber Hydrazone

Lösung: Herstellung des N,N-Dimethylhydrazons• es bildet sich das E-Hydrazon (N,N-Dimethyl- und Methylgruppe sind trans bzw. anti)• das N-Atom der N,N-Dimethylaminogruppe dirigiert die Base (hier n-BuLi) auf diese Seite• Hydrazone sind weniger sauer als Ketone• geht auf E. J. Corey und D. Enders (Aachen) zurück• nach der Alkylierung: Hydrolyse zum Keton

Bsp.: OCH3

NNH2

H3C CH3

– H2O

NCH3

NCH3

H3C

Hydrazon

nBuLi

via:

CH3

NNLi

H

CH3H3C

NCH3

NCH3

H3CLi

ein Azaenolat

CH3CH2-II CH2

CH3

NCH3

NCH3

H3CH3O+

OCH3

NNCH3

H3CH

HH

X–

+

Anwendung: Synthese von AspirinSchlüsselreaktion: Phenolat + CO2• Kolbe-Schmitt-Carboxylierung• Phenolat = Enolat, CO2 = Elektrophil• Reaktion verläuft unter Druck• Bildung von o-Hydroxybenzoesäure (Salicylsäure)• Acetylierung der OH-Gruppe ergibt dann Aspirin

O

+OCO

O

H

O

O

OH O

O HCl

OH O

OH

Salicylsäure

Ac2O O O

OH

O

H3C

Aspirin (ASS)

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Aldolreaktion (Hydroxyalkylierung von Enolaten)Aldol-Reaktion (Aldol-Addition)• Anion der CH-aciden Verbindung kann sich als Nucleophil an eine Carbonylverbindung anlagern. • heutzutage wird die Addition von Carbonylverbindungen, Carbonsäuren, Carbonsäureestern und

Carbonsäureamiden mit dem α-C-Atom an eine Carbonylgruppe (Aldehyd oder Keton) alsAldoladdition (Aldol = Aldehyd und Alkohol) bezeichnet

• ursprünglich: Dimerisierung von Aldehyden zu Aldol-Produkten

Triebkraft• Das Kation (i.a. ein Alkalimetall-Ion) ist im Produkt Teil eines Chelates• Bei Estern und Amiden ist im Produkt wieder Resonanz möglich

Y

OO+ Y

OOM

Y = Alkyl, Aryl, OR, NR2

H3O+

Y

OOH

Enolat

ChelatIm Produkt ist wieder Resonanz möglich

O

MOR

HViele Aldolreaktionen verlaufen über einen cyclischen, sesselartigen Übergangszustand (Zimmermann-Traxler-ÜZ)

Aldol-Reaktion (Hydroxyalkylierung von Enolaten)Beispiel• Aldolreaktion von Acetaldehyd in wässriger Natronlauge

Aldol-Reaktion im Sauren• Unter Säurekatalyse verläuft die Reaktion über das Enol• Dabei wird das Enol von einem Oxonium-Ion (protonierter Aldehyd) angegriffen• Man erhält meistens nicht den β-Hydroxyaldehyd sondern den α,β-ungesättigten Aldehyd, da die

entstehende Doppelbindung durch Konjugation stabilisiert ist und durch Protonierung aus derHydroxyfunktion eine gute Abgangsgruppe entsteht

Aldol

O

HH3C

OH-

HH

OH

O

HH3C

H

O

H3C

O

H

O

H3C

OHH2O

O

HH3C

H+ O

HH3C

HH

OH

H

O

H3C

OHH

H

O

H3C

O

H

O

H3C

H H

H

- H2O, - H+

Crotonaldehyd

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Aldol-Reaktion (Hydroxyalkylierung von Enolaten)Ketone• Die entsprechende baseninduzierte Selbstkondensation der Ketone ist nur sehr langsam infolge der

geringeren Elektrophilie des Carbonyl-C (+I-Effekt der Alkylgruppen und sterische Hinderung)• Im Sauren dagegen entsteht glatt das dehydratisierte Produkt, aus Aceton das Mesityloxid

(Mechanismus wie oben)

Wichtiges zur Reaktivität• Aldehyde haben reaktivere Carbonylgruppen als Ketone• Andererseits sind Enolate von Ketonen nucleophiler als Aldehyd-Enolate• Das folgende Experiment zeigt dies

Mesityloxid

O

CH3H3C

2 H+ O

CH3H3C

CH3+ H2O

Aceton

O

HH3C

O

CH3H3C+

NaOH (0.01% in H2O)

5 h, 23 °C (80%)

OH

H3C

O

CH3

werden unter diesen Bedingungen nicht beobachtet

OH

H3C

O

H

OH

H3C

O

CH3CH3

OH

H3C

O

HCH3

Gekreuzte AldoladditionCarbonylverbindung wird zu Enolat einer anderen Carbonylverbindung hinzugegeben• Enolate werden dann meistens mit LDA (Lithiumdiisopropylamid) in THF bei tiefen Temperaturen

generiert

Beispiel

O

OCH3

LDA, THF

-78 °C

O

OCH3

Li OO

OCH3OHpKs = ca. 25

Gekreuzte Aldolreaktionen mit Aldehyden ohne α-H verlaufen ebenfalls selektiv• der entsprechende Aldehyd sollte im Überschuss vorliegen, andernfalls sind auch Dimere des

„Nucleophils“ möglich

Bsp.:O

H

im Überschuss

+

O

H

langsame Zugabe

OH–, H2O

OH O

H

O

H– H2O

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Knoevenagel-ReaktionSpezialfall der Aldolkondensation• Verwendung von Methylenkomponenten mit großer CH-Acidität• Methylengruppe ist von zwei elektronenziehenden Gruppen flankiert• da sich ein konjugiertes System ausbilden kann, erfolgt i.d.R. Wasserabspaltung (gekreuzt

konjugiertes System)• als Basen dienen Pyridin, Piperidin, oder Ammoniumacetat

Beispiel

Zimtsäure

OCO2R

CN+

H

H

Base

CO2R

CNHO

H

- H2O

CO2R

CN

Cyanessigester

OH

CO2H

CO2H+

H

H CO2H

CO2HHPyridin - CO2

H

CO2HH

(85%)

Mannich-ReaktionUmsetzung eines Aldehyds mit einem Amin und einer CH-aciden Verbindung• meistens wird Formaldehyd eingesetzt• Zuerst Bildung eines Iminium-Ions (Aldehyd und primäres od. sekundäres Amin)• Reaktion im schwach Sauren (via Enol)• Produkte sind 3-Aminoketone

C OH

H

N HR

R+ H+ N

R

R H

H

N HR

R+ C

H

H OH

NR2

+ H+, - H2ON

H

H R

R

OH kat. H+ O

H

Iminium-Ion Enol

NH

H R

R

OH

+

O

NR2

H+ O

NH

R R3-Aminoketon Salz der Mannich-Base

O

NH3C

H3C H

H+ Cl C O

H

H+

O

NCH3

CH3(85%)

Beispiel

Wichtige Reaktion in der Natur (Alkaloid-Biosynthese)

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OEt

O NaOEt, EtOH

OEt

O2OEt

O+

Na

δ+

δ-

OEt

OO

EtOOEt

OO

+ NaOEt

OEt

OONa

wässrige Aufarbeitung

Claisen-KondensationAcylierung von Enolaten• Anstelle von Aldehyden oder Ketonen werden hier Enolate mit Carbonsäureestern oder Derivaten

(Säurechloriden, Anhydriden etc.) umgesetzt• Schritte sind reversibel• Tetraeder-Zwischenstufe• Wichtig: stöchiometrische Menge an Alkoholat (Produkt liegt zunächst als Enolat vor)

Beispiel• Kondensation von Buttersäureethylester (1 Molekül als Nucleophil, 1 Molekül als Elektrophil)

Hinweis: Anwesenheit einer 1,3-Dicarbonyl-Gruppierung deutet auf Claisen-Kondensation hin

pKs = 15.9pKs = 25

Keine quantitative Deprotonierung!

Gekreuzte Claisen-KondensationReaktion zwischen zwei verschiedenen Estern• funktioniert, falls ein Ester keine α-H‘s aufweist

O

OEt

O

OEt +

Überschuss langsame Zugabe

1. NaOEt, EtOH

2. HCl

O

OEt

O

Kondensation eines Ketons mit einem Ester• Ketone sind acider (pKa = 20) als Ester (pKa = 25)• Keton und Base werden langsam zum Ester zugetropft• generiert Keton-Enolat, welches mit dem Überschuss an vorliegendem Ester reagiert• man erhält β-Diketone

OO

OEt+

langsame ZugabeÜberschuss

1. NaOEt, EtOH

2. HCl

OO

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Gekreuzte Claisen-Kondensation – VariantenKeton + Ameisensäureester ergibt einen β-Ketoaldehyd• liegen eher in der Enolform vor

Keton + Diethylcarbonat ergibt einen β-Ketoester• oft bei cyclischen Ketonen angewandt

OO

OEtH+

langsame ZugabeÜberschuss

1. NaOEt, EtOH

2. HCl

O

H

O O

H

OH

OO

OEtEtO+

langsame Zugabe

1. NaOEt, EtOH

2. HCl

O

EtO

O

Überschuss

Diethylcarbonat

Dieckmann-KondensationIntramolekulare Claisen-Kondensation• Geht recht gut für die Synthese von 4-8-Ringen• Verwendung eines Diesters• Bildung cyclischer β-Ketoester

Beispiel• Cyclisierung von Adipinsäuredimethylester

OH3CO

OOCH3 NaOMe, MeOH O

H3CO

OOCH3

Na

H3CO

OOCH3

O OO

OCH3+ NaOMe

NaOO

OCH3

H3O+ (Aufarbeitung)

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Michael-Addition von EnolatenDefinition• Addition eines Enolats an ein akzeptorsubstituiertes Alken• Vinylogieprinzip• katalytische Mengen Base (z.B. Alkoholat)• Kombinationsmöglichkeiten:

• ungesättigter Aldehyd + β-Diketon• Enon + Malonat• ungesättigtes Amid + β-Ketoester• ungesättigter Ester + β-Ketonitril

Beispiel• Keton + α,β-ungesättigter Ester• Merkmal: 1,5-Dicarbonyl

O Base O EWG OEWG

H-B

H

OEWG

O OH

Vinylogieprinzip

O

+O

OCH3

KOtBu

tert-BuOH

O

OCH3

O

15

PhOEt

OO

EtO

O

O O

CNOEtEtO

Weitere Beispiele

Michael-Addition mit Enaminen anstelle von EnolatenStork-Enamin-Reaktion• Enamine sind nucleophil genug um an α,β-ungesättigte Carbonylverbindungen zu addieren

Verwendung von Michael-Additionsprodukten• werden mitunter in intramolekularen Aldolreaktionen eingesetzt

N

+H

O

δ+ δ+δ–

N O

H H2O

N O

H

HCl, H2O

O O

H

O O

ein 1,5-Diketon2,6-Heptandion

OH–

H2O

O O

+ andere Enolate

O

O

H2O O

OH

Page 17: 5. Reaktionen neben der C=O- · PDF file2 Ketone sind acider als Ester Delokalisation bei Estern-Enolaten ist weniger effektiv • Aldehyd: pK a = 16, Keton = 20, Ester = 25 • Lone-Pair

17

Weitere intramolekulare Aldol-Additionen1,4-Diketone reagieren zu Cyclopentanon-Derivaten• Dreiring wäre zu gespannt

1,6-Diketone reagieren ebenfalls zu Cyclopentan-Derivaten• inneres Enolat reagiert rascher (5- vs. 7-Ring)

O

ein 1,4-Diketon2,5-Hexandion

OH–

H2O

OH2O

O

O

O

O

O

OH+

O

O

O

O

Robinson-AnellierungDomino-Sequenz aus Michael-Addition an ein Enon und intramolekularer Aldolkondensation• wird oft benutzt um einen Ring (4 C-Atome) an ein vorhandenes cyclisches Keton „anzukleben“• kann selbstverständlich auch für die Synthese von Cyclohexenonen herangezogen werden• Sir Robert Robinson (1886-1975); Nobelpreis 1947 (Alkaloid-Chemie)

OO

Methylvinylketon (MVK)

+OH–

O

O

O

OH2O

O

O

OH–

OOH

OH–

HOH–

O

weitere Beispiele

Beispiel

O

CH3

O CH3

mittlerweile gibt es auch enantioselektive Varianten (Katalyse mit Prolin = Oganocatalyse)

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Decarboxylierung von 3-KetocarbonsäurenAnalog zur Deprotonierung eines Ketons • anstelle eines Protons, wird CO2 abgespalten• biomimetisch• im Basischen, wie auch im Sauren möglich (geht besser, simples Erhitzen auf ca. 150 °C)

weitere Beispiele

Beispiel / Prinzip

O OH

O

ΔT OCO

H

O

+

O

Keto-Enol

O

OH

OΔT O

HO

O

OH

OΔT

OH

O somit interessant zur Synthese von Ketonen und Carbonsäuren

Malonester-SyntheseKombination: Alkylierung von Malonat, Hydrolyse und Decarboxylierung • Zunächst wird Malonat (pKa = 13) deprotoniert und alkyliert• danach wird der Alkylmalonester verseift (oder gleich mit Säure hydrolysiert)• Ansäuern und Erhitzen liefert die Carbonsäure• Vorteil: geht ohne teure und starke Basen (wie z.B. LDA)

weitere Beispiele

Beispiel / Prinzip

EtO

O

OEt

O 1. NaOEtEtOH

2. R-BrEtO

O

OEt

O

R

HCl, H2OHO

O

OH

O

R

ΔT OH

O

EtO

O

OEt

O

OH

O

EtO

O

OEt

O

OH

O

EtO

O

OEt

O

OH

O

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Acetessigester-SyntheseKombination: Alkylierung von Acetessigester, Hydrolyse und Decarboxylierung • Zunächst wird Acetessigester (pKa = 11) deprotoniert und alkyliert• danach wird der alkylierte Acetessigester verseift (oder gleich mit Säure hydrolysiert)• Ansäuern und Erhitzen liefert ein Methylketon• Vorteil: geht ohne teure und starke Basen (wie z.B. LDA)

weitere Beispiele

Beispiel / PrinzipO

OEt

O 1. NaOEtEtOH

2. R-Br

O

OEt

O

R

HCl, H2OO

OH

O

R

ΔTH3C

O

O O O

Claisen-Kondensation in der NaturBeispiel Fettsäurebiosynthese

Acetoacetyl-CoAMalonyl-CoA (Enolat-Equivalent)

O O

O SRH H

O

SR + SR

OO

RS SR

OO- CO2

Biologische Claisen-Kondensation läuft nicht über das freie Enolat!

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Technische Reaktionen von Carbonylverbindungen

O

HH3C+ 4 H2C O

Ca(OH)2

- HCO2H HO

HO

OH

OHPentaerythrit (0.2 × 105 jato (1995) aus Acetaldehyd und Formaldehyd

Aldolreaktion

Zusammenfassung – Carbonyle + C-Nucleophile• Acidität• Keto-Enol-Tautomerie• Reaktionsweise von Enolat-Ionen und Enolen• Halogenierung am α-C-Atom von Carbonyl- und Carboxylverbindungen• Verwendung von α-Halogen-Carbonylverbindungen in der Synthese• Enolate mit LDA• Alkylierung am α-C-Atom von Carbonylverbindungen

• Alkylierung und Acylierung am α-C-Atom über Enamine• Alkylierung am β-C-Atom: Michael-Addition• Aldoladdition

• Dehydratisierung von Aldolprodukten zu α,β-ungesättigten Carbonylverbindungen• Gekreuzte Aldol-Addition

• Claisen-Kondensation• Intramolekulare Kondensations-Reaktionen• Robinson-Anellierung• Decarboxylierung von Ketocarbonsäuren• Malonester-Synthese• Acetessigester-Synthese