11.2 Kollineationenfma2.math.uni-magdeburg.de/~pott/Vorlesungen/LAAG06/kapitel11b.pdf · gilt....

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Nun stellt sich die Frage, ob wir auf diese Art eine neue affine Ebene konstruiert haben, oder ob wir nur die bekannte affine Ebene R 2 in neuem Gewand wie- derentdeckt haben. Die oben konstruierte Ebene (Moulton-Ebene) ist aber in der Tat neu. In der klassischen Ebene AG(R 2 ) gilt n¨ amlich der folgende Schlie- ßungssatz: Satz 11.1.16 (Desargues) Seien L 1 ,L 2 ,L 3 drei verschiedene Geraden in AG(R 2 ), die sich in einem Punkt z treffen. Ferner seien u 1 ,v 1 ,u 2 ,v 2 ,u 3 ,v 3 sechs ver- schiedene Punkte = z mit u i ,v i L i . Wenn dann die Geraden u 1 u 2 und v 1 v 2 parallel sind und die Geraden u 1 u 3 und v 1 v 3 sind auch parallel, dann m¨ ussen auch die Geraden u 2 u 3 und v 2 v 3 parallel sein. Beweis Sei oBdA z = 0, die drei Geraden L i sind also eindimensionale lineare Unterr¨ aume. Sei v 1 = λu 1 und v 2 = μu 2 . Wegen der Parallelit¨ at der Geraden u 1 u 2 und v 1 v 2 gilt u 1 u 2 = λu 1 μu 2 . Das geht f¨ ur λ = μ, ist aber falsch f¨ ur μ = λ (sonst w¨ are (λ μ)u 2 ∈〈u 1 u 2 , und damit w¨ urden u 1 und u 2 denselben Unterraum erzeugen, was sie aber nicht tun). Genauso zeigt man v 3 = λu 3 . Dann gilt u 2 u 3 = v 2 v 3 = λ(u 2 u 3 ). Man kann nun zeigen, dass in der Moulton-Ebene der Satz von Desargues nicht gilt. Wir haben also in der Tat eine “andere” Ebene gefunden. 11.2 Kollineationen In der affinen Geometrie interessiert man sich f¨ ur diejenigen Abbildungen, die Punkte, die auf einer Geraden liegen, wieder auf Punkte abbildet, die auf ei- ner Geraden liegen. Wir nennen Punkte, die auf einer (affinen) Gerade liegen, kollinear. Definition 11.2.1 Sei AG(V ) die zu einem endlichdimensionalen Vektor- raum geh¨ orende affine Geometrie. Eine bijektive Abbildung ϕ : V V heißt Kollineation, wenn je drei kollineare Punkte v 1 ,v 2 ,v 3 auf drei kollineare Punkte abgebildet werden. Beispiel 11.2.2 Sei T Hom(V,V ) eine bijektive Abbildung. Ferner sei w V beliebig. Dann ist die Abbildung ϕ T,v : V V v T(v)+ w eine Kollineation. Solche Kollineationen heißen auch affine Abbildungen Eine Frage, die sich aufdr¨ angt, ist, ob es noch weitere Kollineationen gibt. Die Antwort ist ja: 194

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Nun stellt sich die Frage, ob wir auf diese Art eine neue affine Ebene konstruierthaben, oder ob wir nur die bekannte affine Ebene R2 in neuem Gewand wie-derentdeckt haben. Die oben konstruierte Ebene (Moulton-Ebene) ist aber inder Tat neu. In der klassischen Ebene AG(R2) gilt namlich der folgende Schlie-ßungssatz:

Satz 11.1.16 (Desargues) Seien L1, L2, L3 drei verschiedene Geraden in AG(R2),die sich in einem Punkt z treffen. Ferner seien u1, v1, u2, v2, u3, v3 sechs ver-schiedene Punkte 6= z mit ui, vi ∈ Li. Wenn dann die Geraden u1 ∨ u2 undv1 ∨ v2 parallel sind und die Geraden u1 ∨ u3 und v1 ∨ v3 sind auch parallel,dann mussen auch die Geraden u2 ∨ u3 und v2 ∨ v3 parallel sein.

Beweis Sei oBdA z = 0, die drei Geraden Li sind also eindimensionale lineareUnterraume. Sei v1 = λu1 und v2 = µu2. Wegen der Parallelitat der Geradenu1 ∨ u2 und v1 ∨ v2 gilt 〈u1 − u2〉 = 〈λu1 − µu2〉. Das geht fur λ = µ, ist aberfalsch fur µ 6= λ (sonst ware (λ − µ)u2 ∈ 〈u1 − u2〉, und damit wurden u1 undu2 denselben Unterraum erzeugen, was sie aber nicht tun). Genauso zeigt manv3 = λu3. Dann gilt 〈u2 − u3〉 = 〈v2 − v3〉 = 〈λ(u2 − u3)〉. �

Man kann nun zeigen, dass in der Moulton-Ebene der Satz von Desargues nichtgilt. Wir haben also in der Tat eine “andere” Ebene gefunden.

11.2 Kollineationen

In der affinen Geometrie interessiert man sich fur diejenigen Abbildungen, diePunkte, die auf einer Geraden liegen, wieder auf Punkte abbildet, die auf ei-ner Geraden liegen. Wir nennen Punkte, die auf einer (affinen) Gerade liegen,kollinear.

Definition 11.2.1 Sei AG(V ) die zu einem endlichdimensionalen Vektor-raum gehorende affine Geometrie. Eine bijektive Abbildung ϕ : V → V heißtKollineation, wenn je drei kollineare Punkte v1, v2, v3 auf drei kollinearePunkte abgebildet werden.

Beispiel 11.2.2 Sei T ∈ Hom(V, V ) eine bijektive Abbildung. Ferner sei w ∈ V

beliebig. Dann ist die Abbildung

ϕT,v : V → V

v 7→ T(v) + w

eine Kollineation. Solche Kollineationen heißen auch affine Abbildungen �

Eine Frage, die sich aufdrangt, ist, ob es noch weitere Kollineationen gibt. DieAntwort ist ja:

194

Beispiel 11.2.3 Die Abbildung

ϕ : C2 → C2(

z1z2

)

7→

(

z1z2

)

ist eine Kollineation auf C2 (dabei ist die komplexe Konjugation). Dazu seien

v1 :=

(

z1z2

)

, v2 :=

(

y1y2

)

, v3 :=

(

x1

x2

)

drei kollineare Punkte, es gibt also λ1, λ2 und λ3 mit λ1 + λ2 + λ3 = 1, undλ1v1 + λ2v2 + λ3v3 = 0. Das ist dann aber auch fur die ϕ(vi) gultig. �

Wir wollen nun den sogenannten Hauptsatz der affinen Geometrie formulieren(ohne Beweis). Man beweist diesen Satz ublicherweise in der projektiven Geo-metrie! Wir benotigen zunachst noch eine Definition:

Definition 11.2.4 Sei K ein Korper. Eine bijektive Abbildung ψ : K → K

heißt ein Automorphismus von K, wenn die beiden folgenden Bedingungenerfullt sind:

[A1] ψ(α+ β) = ψ(α) + ψ(β).

[A2] ψ(α · β) = ψ(α) · ψ(β).

Ein Beispiel ist komplexe Konjugation auf C. Man kann zeigen, dass es auf R

keinen Automorphismus 6= id gibt.

Definition 11.2.5 Seien V und W Vektorraume uber K. Eine AbbildungT : V →W heißt semilinear, wenn es einen Automorphismus ψ von α gibt,so dass gilt:

[SL1] T(v + w) = T(v) + T(w).

[SL2] T(λv) = ψ(λ)T(v).

Der folgende Satz sollte Ihnen keine Probleme bereiten:

Satz 11.2.6 Eine Abbildung T : Kn → Km ist genau dann semilinear, wenn eseinen Automorphismus ψ und eine Matrix A ∈ K(m,n) gibt, so dass

T(

x1

x2

...xn

) = A

ψ(x1)ψ(x2)

...ψ(xn)

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gilt. �

Definition 11.2.7 Eine Abbildung T : V → W heißt semiaffin, wenn eseine semilineare Abbildung ψ : V → W und einen Vektor v0 so gibt, dassT(u) = ψ(u) + v0 gilt.

Man uberzeugt sich leicht, dass semiaffine Abbildungen Kollineationen sind.Die Umkehrung ist nicht so offensichtlich und ist der Hauptsatz der affinenGeometrie:

Satz 11.2.8 Sei V ein K-Vektorraum. Dann sind die Kollineationen von AG(V )genau die semiaffinen bijektiven Abbildungen V → V .

Beweis Ublicherweise in einer weiterfuhrenden Geometrievorlesung.

11.3 Quadriken

In diesem Kapitel sei K stets ein Korper mit 1 + 1 6= 0.

Definition 11.3.1 Eine Teilmenge Q ⊆ Kn heißt eine Quadrik, wenn esαi,j ∈ K (1 ≤ i ≤ j ≤ n) und α0,i (1 ≤ i ≤ n) sowie α0,0 gibt mit

Q = {

x1

...xn

: P (x1, . . . , xn) = 0}

wobeiP (x1, . . . , xn) =

1≤i≤j≤n

αi,jxixj +∑

1≤i≤n

α0,ixi + α0,0

Aus naheliegenden Grunden nennen wir P ein quadratisches Polynom.

Man kann Quadriken, bzw. die zugehorige Gleichung, gut durch Matrizen dar-stellen. Dazu erweitern wir den Vektor

x =

x1

...xn

zu x′ =

1x1

...xn

.

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Wir konnen uns also x′ als einen Vektor der Lange n + 1 vorstellen, der inder ersten Koordinate den Wert 1 hat. Ferner definieren wir βi,i = αi,i sowieβi,j = 1

2αi,j sowie βj,i = βi,j fur 0 < i < j. Wir definieren dann die erweiterteMatrix

A′ = (βi,j)i,j=0,...,n ∈ K(n+ 1, n+ 1),

wobei wir die Indizes hier von 0 bis n laufen lassen. Ferner sei A = (βi,j)i,j=1,...,n ∈K

(n,n). Die Quadrik ist dann

Q = {x : x′⊺A′x′ = 0}.

Wir wollen uns nun uberlegen, ob wir nicht auf Q eine affine Abbildung ϕ :=ϕT,v anwenden konnen, so dass die neue Quadrik ϕ(Q) eine recht einfache Be-schreibung hat. Dazu uberlegen wir uns zunachst, was es bedeutet, ϕ auf Qanzuwenden, wobei Q durch die erweiterte Matrix A′ beschrieben wird:

Satz 11.3.2 Mit den gerade eingefuhrten Bezeichnungen ist ϕ(Q) diejenigeQuadrik, die durch die erweiterte Matrix S⊺A′S beschrieben wird, wobei

S =

(

1 0 · · · 0−T−1v T−1

)

Beweis Vorlesung!

Wir wollen hier ohne Beweis den folgenden Satz uber affine Hauptachsen-transformationen von Quadriken vorstellen:

Satz 11.3.3 SeiQ = {x ∈ R

n : x′⊺A′x′ = 0}

eine Quadrik, wobei A′ eine symmetrische Matrix in R(n+1,n+1) ist. Es seiRang(A) = m und Rang(A′) = m′ (Bezeichnungen wie oben, d.h. A ∈ R(n,n)

und A′ ∈ R(n+1,n+1)). Die Anzahl positiver Eigenwerte von A sei k. Dann gibtes eine affine Transformation ϕ so, dass ϕ(Q) durch eine Gleichung der Form

• y21 + . . . y2

k − y2k+1 − . . .− y2

m = 0 falls m = m′

• y21 + . . . y2

k − y2k+1 − . . .− y2

m = 1 falls m+ 1 = m′

• y21 + . . . y2

k − y2k+1 − . . .− y2

m + 2ym+1 = 1 falls m+ 2 = m′

beschrieben wird.

Beweis Wir verweisen hier auf die Literatur, z.B. Gerd Fischer: AnalytischeGeometrie. Im Prinzip muss man den Beweis von Satz 11.3.2 geschickt anwen-den. Der hier formulierte Satz zeigt “nur”, wie wir die Gleichungen, die Qua-driken beschreiben, in eine recht einfache Form bringen konnen. Eine andere(schwierigere) Frage ist es zu entscheiden, ob nicht verschiedene Gleichungen

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dieselben Quadriken beschreiben. Das ist teilweise der Fall: So beschreiben bei-spielsweise x2 + y2 = 0 und −x2 − y2 = 0 dieselben Quadriken im R2 (namlichden Punkt 0). Ahnlich ist es mit den Geraden: x2 = 0 sowie 2y = 0 beschreibenim R2 Geraden.

Wir werden uns gleich mit dieser sogenanten “geometrischen Klassifikation”beschaftigen. Es sei auch betont, dass affine Transformationen die Form einerQuadrik andern konnen: So kann z.B. die Ellipsengleichung

x2

a2+y2

b2= 1

in die Kreisgleichungx2 + y2 = 1

uberfuhrt werden. �

Definition 11.3.4 Zwei Quadriken Q1 und Q2 in der affinen Geometrie hei-ßen geometrisch aquivalent, wenn es eine Kollineation ϕ auf AG(V ) gibtmit ϕ(Q1) = Q2.

Zur geometrischen Klssifikation benotigen wir noch den Begriff der Signatureiner reellen symmetrischen Matrix A : Die Signatur ist die Differenz zwischenpositiven und negativen Eigenwerten (vgl. Tragheitssatz von Sylvester). Wirbezeichnen dies mit Sign(A).

Satz 11.3.5 Gegeben seien zwei Quadriken in Rn, die durch Matrizen A1 und

A2 sowie derenen Erweiterungen A′1 und A′

2 beschrieben werden. Die beidenQuadriken seien weder leer noch Hyperebenen. Dann sind Q1 und Q2 genaudann geometrisch aquivalent, wenn die folgenden vier Bedingungen erfullt sind:

(i) Rang(A1) = Rang(A2)

(ii) Rang(A′1) = Rang(A′

2)

(iii) |Sign(A1)| = |Sign(A2)|

(iv) |Sign(A′1)| = |Sign(A′

2)|

Beweis Siehe etwa das Buch Analytische Geometrie von G. Fischer oder eineweiterfuhrende Geometrievorlesung. �

Korollar 11.3.6 Sei Q 6= { } eine Quadrik in R2, die von einer symmetrischenerweiterten Matrix A′ ∈ R(3,3) beschrieben wird (die aus einer Matrix A ∈ R(2,2)

hervorgeht. Dann ist Q zu einer Quadrik aquivalent, die durch eine der folgendenGleichungen beschrieben wird:

1. 0 = 0 (Ebene)

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2. x21 = 0 (Gerade)

3. x21 − x2

2 = 0 (zwei sich schneidende Geraden)

4. x21 + x2

2 = 0 (Punkt)

5. x21 = 1 (zwei parallele Gerade)

6. x21 − x2

2 = 1 (Hyperbel)

7. x21 + x2

2 = 1 (Kreis)

8. x21 + 2x2 = 0 (Parabel)

Im Fall R3 gibt es die folgenden Typen von Quadriken:

1. 0 = 0 (R3)

2. x21 = 0 (Ebene)

3. x21 − x2

2 = 0 (zwei sich schneidende Ebenen)

4. x21 + x2

2 = 0 (Gerade)

5. x21 = 1 (zwei parallele Ebenen)

6. x21 − x2

2 = 1 (hyperbolischer Zylinder)

7. x21 + x2

2 = 1 (Kreiszylinder)

8. x21 + 2x2 = 0 (parabolischer Zylinder)

9. x21 + x2

2 − x23 = 0 (Kreiskegel)

10. x21 + x2

2 + x23 = 0 (Punkt)

11. x21 − x2

2 − x23 = 1 (zweischaliges Hyperboloid)

12. x21 + x2

2 − x23 = 1 (einschaliges Hyperboloid)

13. x21 + x2

2 + x23 = 1 (Kreis)

14. x21 − x2

2 + 2x3 = 0 (hyperbolisches Paraboloid)

15. x21 + x2

2 + 2x3 = 0 (elliptisches Paraboloid) �

Wir haben hier fur jeden Quadrikentyp eine Gleichung gemaß Satz 11.3.5 ange-geben.

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