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Page 1: Foucault-Pendel 1 -  · PDF fileDas heißt, das Pendel wird zur Zeit t = 0 nach Osten um die Strecke l ausgelenkt und dann losgelassen. Aus x0 = 0 folgt 0 = A1 + B1, also B1 =

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Foucault-Pendel1

1. Newtonsche Grundgleichung im rotierenden System

Newtons Gleichung in der Form Kraft gleich Masse mal Beschleunigung gilt nur in einem

Inertialsystem (d. h., in einem System, das sich geradlinig mit konstanter Geschwindigkeit bewegt).

In einem mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotierenden System gilt dagegen

(1) )(22

2

rmvmrdt

dmF

dt

rdm

rrrrrrr

rr

××−×−×−= ωωωω

.

Dabei ist m die Masse, rr

der Ortsvektor und vr

die Geschwindigkeit des Körpers im rotierenden

System. Auf der rechten Seite der Gleichung steht Fr

für die eingeprägte Kraft. Die nachfolgenden

Terme sind, der Reihe nach, das Produkt aus Masse und Bahnbeschleunigung, die Corioliskraft und

die Zentrifugalkraft. Sie werden auch (etwas irreführend) „Scheinkräfte“ genannt.

2. Bewegungsgleichung des Foucault-Pendels

Für eine Bewegung auf der Erdoberfläche ist ω die Winkelgeschwindigkeit der Erde bei der

Drehung um ihre Achse. Sie kann als konstant angenommen werden, so dass der zweite Term auf

der rechten Seite von Gl. (1) verschwindet. Da ω sehr klein ist, können wir in unserem Fall auch

die Zentrifugalkraft gegenüber der Corioliskraft vernachlässigen. Denn die Zentrifugalkraft ist

proportional zu ω2, während die Corioliskraft linear mit ω ansteigt.

Auf das Foucault-Pendel wirken als eingeprägte Kräfte die Gewichtskraft gmr

und die Zugkraft Tr

,

die vom Pendelfaden ausgeübt wird. Also folgt für die Bewegungsgleichung des Pendels in unserer

Näherung

(2) vmgmTdt

rdm

rrrrr

×−+= ω22

2

Wir legen ein Koordinatensystem zugrunde, bei dem (am Ort des Pendels auf der Erdoberfläche)

die x-Achse nach Süden, die y-Achse nach Osten und die z-Achse nach oben (Zenit) zeigt (Abb. 1).

Abb. 1 Rotierendes Koordinatensystem

Die Länge des Pendelfadens sei L. Die Zugkraft spalten wir auf in ihre Komponenten

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2

=

z

y

x

T

T

T

Tr

,

mit L

x

T

Tx −= , L

y

T

Ty−= und

L

zL

T

Tz −= ,

wie aus Abb. 2 ersichtlich.

Abb. 2 Zerlegung der Zugkraft T in Komponenten

Der Vektor der Gewichtskraft ist

=

1

0

0

mggmr

,

und die Winkelgeschwindigkeit lässt sich, wie Abb. 3 zeigt, schreiben als

=

ϕω

ϕω

ω

sin

0

cosr

,

wobei ϕ die geografische Breite des Pendelortes ist.

Abb. 3 Zerlegung von ω in Komponenten

Die Geschwindigkeit vr

des Pendels schreiben wir als

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3

=

z

y

x

v

&

&

&r

,

so dass das Kreuzprodukt vrr

×ω in Komponentenschreibweise

⋅−

⋅+⋅

⋅−

y

xz

x

v

&

&&

&rr

ϕω

ϕωϕω

ϕω

ω

cos

sincos

sin

.

ergibt. Gleichung (2) wird damit zu

(3)

⋅−

⋅+⋅

⋅−

+

=

y

xz

x

mmgT

LzL

Ly

Lx

z

y

x

m

&

&&

&

&&

&&

&&

ϕω

ϕωϕω

ϕω

cos

sincos

sin

2

1

0

0

)(

.

Sie ist (vermutlich) nur numerisch zu lösen. Es gibt jedoch plausible Näherungen, die sie analytisch

lösbar machen.

3. Näherung kleiner Amplituden

In der Regel sind die Pendelamplituden klein gegenüber der Pendellänge L. Insbesondere ist z sehr

klein gegenüber L, so dass der Term (L − z)/L der z-Komponente von T näherungsweise gleich 1

gesetzt werden kann. Das bedeutet, die Bewegung des Pendels findet nur in der xy-Ebene statt. In

dieser Näherung setzt man daher 0== zz &&& . Aus der z-Komponente von Gl. (3) folgt dann für die

unbekannte Zugkraft

ymmgT &⋅−= ϕω cos2

Setzt man diesen Term (und die Näherung 0=z& ) in die x- und y-Komponenten von Gl. (3) ein,

erhält man nach Division durch m das System der gekoppelten (nichtlinearen)

Differenzialgleichungen

xyyL

yL

gy

yyxL

xL

gx

&&&&

&&&&

⋅−⋅+−=

⋅+⋅+−=

ϕωϕω

ϕωϕω

sin2cos2

sin2cos2

.

In diesen Gleichungen vernachlässigen wir in der Näherung kleiner Amplituden die Terme mit

yx&ω und yy&ω gegenüber den anderen mit x&ω , y&ω , x und y. Damit entfallen die nichtlinearen

Terme und wir erhalten

(4)

xyL

gy

yxL

gx

&&&

&&&

⋅−−=

⋅+−=

ϕω

ϕω

sin2

sin2

.

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Dieses System ist analytisch lösbar. Zur Abkürzung schreiben wir

(5) L

g=2

0ω und ϕωα sin= .

Dabei ist ω0 die (Kreis−)Frequenz der Pendelschwingung (nicht zu verwechseln mit ω, der

Winkelgeschwindigkeit der Erde). Die physikalische Interpretation von α wird sich weiter unten

herausstellen. Unsere Differenzialgleichungen lauten damit

(6) xyy

yxx

&&&

&&&

αω

αω

2

2

2

0

2

0

−−=

+−= .

Wir wählen einen komplexen Lösungsansatz. Dazu schreiben wir den Term y&α2+ der ersten

Gleichung als yi &22α− , multiplizieren die zweite Gleichung mit i und addieren schließlich beide

Gleichungen. Das ergibt

)(2)(2

0 yixiyixyix &&&&&& +−+−=+ αω .

Damit genügt die komplexe Variable u = x + iy der Gleichung

(7) 02 2

0 =++ uuiu ωα &&& ,

das heißt, der aus der Schwingungslehre bekannten linearen Differenzialgleichung zweiter Ordnung

mit konstanten Koeffizienten. Der Ansatz tieCu ω= führt zu tieCiu ωω=& , tieCu ωω 2−=&& und

ergibt

0)2( 2

0

22 =++− tieCi

ωωωαω .

Damit die linke Seite dieser Gleichung für alle Zeiten t gleich Null ist, muss die Klammer

verschwinden. Es ergibt sich die quadratische Gleichung

02 2

0

2 =−+ ωωαω

mit den Lösungen

2

0

0 1

+±−=

ω

αωαω .

Da 1)/()/()/( 22

0

2

0 <<=≅ ErdePendel TTωωωα , sind die Lösungen in guter Näherung

0ωαω ±−= .

Die allgemeine Lösung der Differenzialgleichung ist damit

titi

eBeAu)()( 00 ωαωα +−−−

+= .

Wir spalten A und B und die Exponentialterme in Real- und Imaginärteil auf und erhalten

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[ ][ ]titBiB

titAiAiyxu

)sin()cos()(

)sin()cos()(

0021

0021

ωαωα

ωαωα

+−+++

−−−+=+=

und weiter

(8) tBtBtAtAy

tBtBtAtAx

)cos()sin()cos()sin(

)sin()cos()sin()cos(

02010201

02010201

ωαωαωαωα

ωαωαωαωα

+++−−+−−=

++++−+−= .

Daraus folgt

tBtBtAtAy

tBtBtAtAx

)sin()()cos()()sin()()cos()(

)cos()()sin()()cos()()sin()(

020010020010

020010020010

ωαωαωαωαωαωαωαωα

ωαωαωαωαωαωαωαωα

++−++−−−−−−−=

+++++−−−+−−−=

&

&

4. Anfangsbedingungen und Lösung

Unsere Anfangsbedingungen seien

.0;

0;0

00

00

==

==

yly

xx

&

&

Das heißt, das Pendel wird zur Zeit t = 0 nach Osten um die Strecke l ausgelenkt und dann

losgelassen. Aus x0 = 0 folgt 0 = A1 + B1, also B1 = −A1. Aus 00 =x& folgt

2020 )()(0 BA ωαωα ++−= oder 2

0

02 AB

ωα

ωα

+

−−= .

Da α gegenüber ω0 vernachlässigt werden kann, ist B2 = A2. Damit vereinfachen sich die

Gleichungen (8) zu

tAtAtAtAy

tAtAtAtAx

)cos()sin()cos()sin(

)sin()cos()sin()cos(

02010201

02010201

ωαωαωαωα

ωαωαωαωα

++++−+−−=

+++−−+−= .

Aus ly =0 folgt weiterhin 22 AAl += , also 2/2 lA = , und 0=y& führt zu

100 )(0 Aωαωα +++−=

also A1 = 0. Damit lautet die den Anfangsbedingungen angepasste Lösung

[ ]

[ ]ttl

y

ttl

x

)cos()cos(2

)sin()sin(2

00

00

ωαωα

ωαωα

++−=

++−=

.

Mit Hilfe der Additionsformeln

yxyxyx

yxyxyx

sinsincoscos)cos(

sincoscossin)sin(

m=±

±=±

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wird daraus

(9) ttly

ttlx

αω

αω

coscos

sincos

0

0

=

=

oder, in Vektorschreibweise

=

t

ttl

y

x

α

αω

cos

sincos 0 .

In dieser Gleichung beschreibt der Term l cos ω0t die Bewegung des Pendels in seiner momentanen

Schwingungsebene − mit Amplitude l und (Kreis−)Frequenz ω0. Der Vektor (sinαt /cosαt) ist ein

Einheits-Ortsvektor, der in der xy-Ebene mit der Winkelgeschwindigkeit α um den Nullpunkt

rotiert. Er liegt in der Schwingungsebene des Pendels und beschreibt daher dessen Drehung um die

vertikale Pendelachse (Abb. 4).

Abb. 4 Rotation der Schwingungsebene

Drückt man den Einheitsvektor (sinαt /cosαt) in Polarkoordinaten (r/θ) aus, so erhält man

( ) ttarc

t

tarc

x

y

ttyxr

απ

απ

α

απθ

αα

−=−=

−==

=+=+=

2cotcot

2sin

coscot

2arctan

1cossin 2222

.

Das heißt, die Ableitung von θ nach der Zeit t ist −α. Andererseits ist α = ω sinϕ , daher dreht sich

die Schwingungsebene auf der Nordhalbkugel der Erde (ϕ > 0) in mathematisch negativer Richtung

oder, umgangssprachlich formuliert, im Uhrzeigersinn.

5. Numerischer Wert der Winkelgeschwindigkeit, mit der die

Schwingungsebene für ϕϕϕϕ = 51° rotiert

Für die geografische Breite ϕ = 51° ist α = ω sinϕ = (2π /24 h) sin(51°) = 11,7°/h. Das heißt,

die Schwingungsebene eines Foucault-Pendels sollte sich in Mönchengladbach pro Stunde um

11,7° im Uhrzeigersinn um die vertikale Pendelachse drehen.

1 Auszug aus dem Vorlesungsskript www.physik.lmu.de/lehre/vorlesungen/wise_12.../skript_p1_lesch.pdf