Der Prolog I –Entstehung · Philo und der Logos In der griechischen Philosophie wurde λόγος...
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Der Prolog I ndash Entstehung
Paulus und Johannes sect161
Literarkritische Hinweise
Dass der Evangelist in 11ndash18 einen vorgegebenen Text aufgenommen hat ergibt sich aus sprachlichen und begrifflichen Besonderheiten des Abschnitts im Vergleich zum folgenden Werk In diese Vorlage hat Joh seinerseits eingegriffen
bull Stilistisch setzen sich VV1ndash5 und VV10ndash12b (hymnischer Charakter) vom uumlbrigen Text ab
bull Besonders klar ist dieser Unterschied im Blick auf die Taumluferpassagen zu erkennen (VV6ndash815) Auch VV12c13 sind wohl dem Evangelisten zuzuschreiben
bull Die beiden Abschlussverse gelten ebenfalls meist als sekundaumlr da sie der Uumlberleitung in die Erzaumlhlung dienen (V18) bzw durch den unvorbereiteten Bezug auf Mose und Gesetz nicht richtig im Kontext verankert sind (V17)
bull In hohem Maszlig umstritten ist die Zuordnung von V2 V9 V14 V16
Bedeutsam sind diese literarkritischen Beobachtungen vor allem fuumlr die Frage nach den Rezeptionsbedingungen des Einstiegs in das JohEv ein bekannter Hymnus bekommt einen neuen Kontext die Jesus-Erzaumlhlung die umgekehrt vom Hymnus ihren ersten Lektuumlre-Impuls erhaumllt In diesem Rahmen fallen den Lesern auch die Aumlnderungen am Hymnus besonders ins Auge
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Paulus und Johannes
Prolog und Erzaumlhlung
bull Der Prolog ist wohl urspruumlnglicher Bestandteil des Werkes und nicht im Zuge einer spaumlteren Bearbeitung vorangestellt worden
bull Das Evangelium ist nicht als Kommentar zum Hymnus zu lesen Die Erzaumlhlung entfaltet sich nicht entlang der Struktur oder der Themen des Prologs Der Hymnus ist umgekehrt als Eroumlffnung der Erzaumlhlung angelegt und gibt entscheidende Hinweise fuumlr deren Lektuumlre (su)
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Der Prolog II ndash Hintergrund
Paulus und Johannes sect162
Weisheitsspekulation
Die Aussagen uumlber Bedeutung und Geschick des Logos (bdquoWortldquo) lassen sich mit atl-juumldischer Weisheitstradition vergleichen
bull Die Weisheit ist praumlexistent zur Welt bei der Schoumlpfung anwesend in besonderer Naumlhe zu Gott (Spr 82ndash30 Ijob 2812ndash23) Joh 11ab 12
bull Die Weisheit kommt zu den Menschen bzw zu Israel (Spr 831ndash96 Bar 337f Sir 24) Joh 1910a11a14b (bdquounter uns gewohntldquo)
bull Die Weisheit ist Quelle des Lebens und der Rettung (Bar 41 Spr 834f Weish 918) Joh 1412 (Gotteskindschaft)16f (Gnade)
bull Die Weisheit wird abgelehnt (Bar 312 aumlthHen 42) Joh 110c11b
Der Prolog baut auf der Fortentwicklung juumldischer Weisheitstheologie auf Weisheit nicht nur als theoretische und praktische Faumlhigkeit zur Bewaumlltigung des Lebens sondern personifiziert gedacht und mit dem Ur-Anfang in Verbindung gebracht Die Rede vom Logos provoziert aber die Frage nach weiteren Vermittlungsinstanzen
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Paulus und Johannes
Philo und der Logos
In der griechischen Philosophie wurde λόγος(Logos) nicht nur auf die Faumlhigkeit und den Vollzug des Denkens bezogen sondern auch im Sinne eines Prinzips das die Welt durchdringt und bestimmt (va Heraklit Stoa) Entsprechende Einfluumlsse sind bei Philo von Alexandrien zu entdecken in dessen Schriften juumldische Weisheits- und griechische Logos-Spekulation miteinander verbunden sind Fuumlr Joh 1 besonders wichtig
bull Die Welt der Ideen wurde vor der Erschaffung der Welt hervorgebracht sie wird mit dem Logos identifiziert (Op Mund 1724 Quod Deus 31) Joh 11
bull Philo bedenkt den Unterschied zwischen bdquogoumlttlichldquo (θεός) und bdquoGottldquo (ὁ θεός) und wendet den artikellosen Ausdruck auf den Logos an (Somn I 229f) Joh 11
bull Der Logos ist Schoumlpfungsmittler (Cher 125ndash127) Joh 1310b
bull Der Logos wird mit dem Leben (Fug 97) und der Lichtmetaphorik (Somn I 75 Conf Ling 60ndash63) verbunden Joh 149
Christus wird also in ein Denken eingeordnet das auf Ursprung und Zusammenhalt des Kosmos ausgerichtet ist und mit dem Prinzip identifiziert das hinter der sichtbaren Welt als deren Grund und durchdringende Kraft erkennbar wird Der Inkarnationsgedanke ist allerdings in dem religionsgeschichtlichen Vergleichsmaterial nicht zu finden
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Der Prolog III ndash Eroumlffnung der Jesuserzaumlhlung
Paulus und Johannes sect171
Als Prolog zeichnet sich der Abschnitt 11ndash18 dadurch aus dass er sichndash einerseits von der nachfolgenden Erzaumlhlung unterscheidet ndash andererseits mit ihr auch in Verbindung steht
Die Eigengestalt des Prologs
bull Sprachlich hebt sich 11ndash18 durch seinen hymnischen Charakter vom Rest des Evangeliums ab
bull Die theologische Begrifflichkeit zeigt zT ein eigenes Profil Manche praumlgende Begriffe kommen nur im Prolog vor (Logos sein bdquoZelten unter unsldquo Fuumllle Mitteilen der Gnade) oder haben dort einen anderen Sinn als in der Erzaumlhlung (bdquodie Eigenenldquo vgl 131) Umgekehrt fehlt das nachfolgend so charakteristische Stichwort der Sendung im Prolog
bull Inhaltlich ist der Prolog keine Zusammenfassung der Jesus-Geschichte Der Weg Jesu zu Kreuz und Auferstehung kommt nicht in den Blick
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Paulus und Johannes sect172
Verbindungen zur Erzaumlhlung
bull In personaler Hinsicht ndash Zwischen Prolog und urspruumlnglichem Buchschluss besteht insofern eine Klammer
als nur in 117 und 2031 die Verbindung von bdquoJesusldquo und bdquoChristusldquo belegt ist ndash Johannes erscheint bereits im Prolog als Jesus-Zeuge
bull 118 schlaumlgt nicht nur einen Bogen zum Beginn sondern ist auch deutlich als Uumlbergang zur Erzaumlhlung gestaltet
bull Theologisch bedeutsame Begriffe aus dem Evangelium sind in den Prolog aufgenommen Licht (φῶς) Leben (ζωή) Wahrheit (ἀλήθεια) Herrlichkeit (δόξα) Welt (κόσmicroος) glauben (πιστεύειν) erkennen (γινώσκειν)
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Der Prolog IV ndash Funktionen
Paulus und Johannes sect173
Literaturgeschichtliche und -theoretische Impulse
bull In griechischer und lateinischer Literatur der Antike hatte ndash uumlber Gattungsgrenzen hinweg ndash das Vorwort die Funktion uumlber den Zweck des Werkes zu unterrichten und dessen Verstaumlndnis zu leiten
bull In moderner Literaturwissenschaft weist die Theorie des Paratextes in dieselbe Richtung Passagen die einen Text begleiten oder einrahmen (zB Uumlberschrift Vorwort Nachwort) leiten als bdquoKontrollinstrument der Dekodierungldquo die Lektuumlre (J ZUMSTEIN) Der Prolog setzt nach Abschluss des Werkes die entscheidenden Marken fuumlr dessen Verstaumlndnis (Verhaumlltnis der Metareflexivitaumlt)
So erklaumlrt sich dass der Joh-Prolog die Geschichte Jesu nicht zusammenfasst Er lenkt die Lektuumlre nimmt sie nicht vorweg
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Paulus und Johannes
Der Joh-Prolog als Leseanweisung fuumlr das Evangelium
bull Interaktion mit den Adressaten ndash Beginn mit einem bekannten (wenn auch veraumlnderten) Text ndash In den bdquoWir-Formenldquo (11416) schlieszligt sich der Autor mit den Lesern zusammen
Aufgrund des Prologs koumlnnen sie die Missverstaumlndnisse durchschauen denen die Akteure der Erzaumlhlung unterliegen
ndash Die Klammer zum Schluss (2030f) verstaumlrkt die Interaktionsfunktion
bull Inhaltliche Klaumlrungen im Blick auf die folgende Erzaumlhlungndash Bedeutung des Protagonisten wird geklaumlrt durch Nennung der Beziehungen (zu Gott
Taumlufer Mose) des Schauplatzes (universal Welt) der Grundstruktur der Erzaumlhlung ndash Vorwegnahme wichtiger theologischer Begriffe (Leben Licht usw)ndash Aufbau von Spannung offen bleibende Aussagen (zB wie erweist sich der Logos als
Licht) unterschiedliche Reaktionen
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Der Prolog V ndash Struktur
Paulus und Johannes sect1812
Der praumlexistente Logos und seine Bedeutung (VV1ndash5)
Bestimmt wird die Beziehung des Logos
bull zu Gott (VV1ndash3 Goumlttlichkeit Schoumlpfungsmittlerschaft)
bull zu den Menschen deren negative Reaktion angedeutet ist (VV4f)
Vom Logos kann nicht nur im Blick auf seinen goumlttlichen Ursprung gesprochen werden zu ihm gehoumlrt notwendig seine Beziehung zur Menschenwelt
Der Logos in der Welt bezeugt abgelehnt aufgenommen (VV9ndash13)
bull Durch die Nennung einer geschichtlichen Gestalt und ihrer Sendung durch Gott ruumlckt die Menschenwelt deutlicher in den Blick
bull Das Kommen des Lichts in die Welt wird ausfuumlhrlicher gestaltet (dreimal VV91011)
bull ebenso die Reaktion darauf negativ (V11) u positiv (VV12f)
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Paulus und Johannes sect183
Der inkarnierte Logos bdquounter unsldquo (VV14ndash18)
bull Das Kommen des Logos in die Welt erscheint nun konkreter als bdquoFleischwerdungldquo
bull Nur noch die positive Reaktion wird geschildert aufgenommen in eine bdquoWir-Aussageldquo die Glaubenden erkennen bdquoim Fleischldquo die bdquoHerrlichkeitldquo des Logos (V14) Auch der Empfang von bdquoGnade uumlber Gnadeldquo (V16) weist auf diese Binnenperspektive
Zu erkennen ist eine doppelte Bewegung in je drei Etappen
(1) Der goumlttliche Logos kommt in die Welt in jeder Strophe konkreter gefasst bis zur bdquoFleischwerdungldquo so dass von einer konkreten Person zu sprechen ist (V17)
(2) Die Menschenwelt reagiert unterschiedlich (so zu den einzelnen Strophen) Bei der Konzentration auf die Glaubensperspektive begegnet die konkreteste Aussage zur Ankunft des Logos Der Glaube nimmt die Zumutung der bdquoFleischwerdungldquo des Logos an
Von V1 zu V18 spannt sich ein Bogen die Verbundenheit des Logos mit Gott wird aufgenommen und so abschlieszligend betont dass das Kommen des Logos als goumlttliche Offenbarung zu verstehen ist
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Der Prolog VI ndash Auslegung
Paulus und Johannes sect191
VV1f
bull Joh setzt ein mit dem Bezug zum Ur-Anfang (Anspielung auf Gen 11) vor der Erschaffung der Welt Seine Rede von ἀρχή unterscheidet sich von der des Mk- oder LkEv
ndash Mk beginnt mit dem Taumluferwirken als bdquoAnfang des Evangeliumsldquo ndash Lk spricht in seinem Vorwort von den bdquoAugenzeugen von Anfang anldquo (Lk 12) ndash mit
vergleichbarer Bedeutung (s Apg 121f 1037f)
bull Die Vorgeschichten von Mt und Lk setzen beim Beginn der menschlichen Existenz Jesu an Joh bringt Jesus noch unmittelbarer zu Gott in Beziehung als es durch die geistgewirkte Empfaumlngnis aussagbar ist
bull Die folgende Jesus-Geschichte in die auch die Praumlexistenz Jesu aufgenommen ist (858) wird so grundlegend auf Gott zuruumlckgefuumlhrt
bull Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Christologie so
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Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
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Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
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Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
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Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
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Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
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Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
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Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
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Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
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Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
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Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
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Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
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Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
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Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
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Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
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Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
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Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
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Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
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Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
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Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
125
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
126
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
127
Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

87
Paulus und Johannes
Prolog und Erzaumlhlung
bull Der Prolog ist wohl urspruumlnglicher Bestandteil des Werkes und nicht im Zuge einer spaumlteren Bearbeitung vorangestellt worden
bull Das Evangelium ist nicht als Kommentar zum Hymnus zu lesen Die Erzaumlhlung entfaltet sich nicht entlang der Struktur oder der Themen des Prologs Der Hymnus ist umgekehrt als Eroumlffnung der Erzaumlhlung angelegt und gibt entscheidende Hinweise fuumlr deren Lektuumlre (su)
88
Der Prolog II ndash Hintergrund
Paulus und Johannes sect162
Weisheitsspekulation
Die Aussagen uumlber Bedeutung und Geschick des Logos (bdquoWortldquo) lassen sich mit atl-juumldischer Weisheitstradition vergleichen
bull Die Weisheit ist praumlexistent zur Welt bei der Schoumlpfung anwesend in besonderer Naumlhe zu Gott (Spr 82ndash30 Ijob 2812ndash23) Joh 11ab 12
bull Die Weisheit kommt zu den Menschen bzw zu Israel (Spr 831ndash96 Bar 337f Sir 24) Joh 1910a11a14b (bdquounter uns gewohntldquo)
bull Die Weisheit ist Quelle des Lebens und der Rettung (Bar 41 Spr 834f Weish 918) Joh 1412 (Gotteskindschaft)16f (Gnade)
bull Die Weisheit wird abgelehnt (Bar 312 aumlthHen 42) Joh 110c11b
Der Prolog baut auf der Fortentwicklung juumldischer Weisheitstheologie auf Weisheit nicht nur als theoretische und praktische Faumlhigkeit zur Bewaumlltigung des Lebens sondern personifiziert gedacht und mit dem Ur-Anfang in Verbindung gebracht Die Rede vom Logos provoziert aber die Frage nach weiteren Vermittlungsinstanzen
89
Paulus und Johannes
Philo und der Logos
In der griechischen Philosophie wurde λόγος(Logos) nicht nur auf die Faumlhigkeit und den Vollzug des Denkens bezogen sondern auch im Sinne eines Prinzips das die Welt durchdringt und bestimmt (va Heraklit Stoa) Entsprechende Einfluumlsse sind bei Philo von Alexandrien zu entdecken in dessen Schriften juumldische Weisheits- und griechische Logos-Spekulation miteinander verbunden sind Fuumlr Joh 1 besonders wichtig
bull Die Welt der Ideen wurde vor der Erschaffung der Welt hervorgebracht sie wird mit dem Logos identifiziert (Op Mund 1724 Quod Deus 31) Joh 11
bull Philo bedenkt den Unterschied zwischen bdquogoumlttlichldquo (θεός) und bdquoGottldquo (ὁ θεός) und wendet den artikellosen Ausdruck auf den Logos an (Somn I 229f) Joh 11
bull Der Logos ist Schoumlpfungsmittler (Cher 125ndash127) Joh 1310b
bull Der Logos wird mit dem Leben (Fug 97) und der Lichtmetaphorik (Somn I 75 Conf Ling 60ndash63) verbunden Joh 149
Christus wird also in ein Denken eingeordnet das auf Ursprung und Zusammenhalt des Kosmos ausgerichtet ist und mit dem Prinzip identifiziert das hinter der sichtbaren Welt als deren Grund und durchdringende Kraft erkennbar wird Der Inkarnationsgedanke ist allerdings in dem religionsgeschichtlichen Vergleichsmaterial nicht zu finden
90
Der Prolog III ndash Eroumlffnung der Jesuserzaumlhlung
Paulus und Johannes sect171
Als Prolog zeichnet sich der Abschnitt 11ndash18 dadurch aus dass er sichndash einerseits von der nachfolgenden Erzaumlhlung unterscheidet ndash andererseits mit ihr auch in Verbindung steht
Die Eigengestalt des Prologs
bull Sprachlich hebt sich 11ndash18 durch seinen hymnischen Charakter vom Rest des Evangeliums ab
bull Die theologische Begrifflichkeit zeigt zT ein eigenes Profil Manche praumlgende Begriffe kommen nur im Prolog vor (Logos sein bdquoZelten unter unsldquo Fuumllle Mitteilen der Gnade) oder haben dort einen anderen Sinn als in der Erzaumlhlung (bdquodie Eigenenldquo vgl 131) Umgekehrt fehlt das nachfolgend so charakteristische Stichwort der Sendung im Prolog
bull Inhaltlich ist der Prolog keine Zusammenfassung der Jesus-Geschichte Der Weg Jesu zu Kreuz und Auferstehung kommt nicht in den Blick
91
Paulus und Johannes sect172
Verbindungen zur Erzaumlhlung
bull In personaler Hinsicht ndash Zwischen Prolog und urspruumlnglichem Buchschluss besteht insofern eine Klammer
als nur in 117 und 2031 die Verbindung von bdquoJesusldquo und bdquoChristusldquo belegt ist ndash Johannes erscheint bereits im Prolog als Jesus-Zeuge
bull 118 schlaumlgt nicht nur einen Bogen zum Beginn sondern ist auch deutlich als Uumlbergang zur Erzaumlhlung gestaltet
bull Theologisch bedeutsame Begriffe aus dem Evangelium sind in den Prolog aufgenommen Licht (φῶς) Leben (ζωή) Wahrheit (ἀλήθεια) Herrlichkeit (δόξα) Welt (κόσmicroος) glauben (πιστεύειν) erkennen (γινώσκειν)
92
Der Prolog IV ndash Funktionen
Paulus und Johannes sect173
Literaturgeschichtliche und -theoretische Impulse
bull In griechischer und lateinischer Literatur der Antike hatte ndash uumlber Gattungsgrenzen hinweg ndash das Vorwort die Funktion uumlber den Zweck des Werkes zu unterrichten und dessen Verstaumlndnis zu leiten
bull In moderner Literaturwissenschaft weist die Theorie des Paratextes in dieselbe Richtung Passagen die einen Text begleiten oder einrahmen (zB Uumlberschrift Vorwort Nachwort) leiten als bdquoKontrollinstrument der Dekodierungldquo die Lektuumlre (J ZUMSTEIN) Der Prolog setzt nach Abschluss des Werkes die entscheidenden Marken fuumlr dessen Verstaumlndnis (Verhaumlltnis der Metareflexivitaumlt)
So erklaumlrt sich dass der Joh-Prolog die Geschichte Jesu nicht zusammenfasst Er lenkt die Lektuumlre nimmt sie nicht vorweg
93
Paulus und Johannes
Der Joh-Prolog als Leseanweisung fuumlr das Evangelium
bull Interaktion mit den Adressaten ndash Beginn mit einem bekannten (wenn auch veraumlnderten) Text ndash In den bdquoWir-Formenldquo (11416) schlieszligt sich der Autor mit den Lesern zusammen
Aufgrund des Prologs koumlnnen sie die Missverstaumlndnisse durchschauen denen die Akteure der Erzaumlhlung unterliegen
ndash Die Klammer zum Schluss (2030f) verstaumlrkt die Interaktionsfunktion
bull Inhaltliche Klaumlrungen im Blick auf die folgende Erzaumlhlungndash Bedeutung des Protagonisten wird geklaumlrt durch Nennung der Beziehungen (zu Gott
Taumlufer Mose) des Schauplatzes (universal Welt) der Grundstruktur der Erzaumlhlung ndash Vorwegnahme wichtiger theologischer Begriffe (Leben Licht usw)ndash Aufbau von Spannung offen bleibende Aussagen (zB wie erweist sich der Logos als
Licht) unterschiedliche Reaktionen
94
Der Prolog V ndash Struktur
Paulus und Johannes sect1812
Der praumlexistente Logos und seine Bedeutung (VV1ndash5)
Bestimmt wird die Beziehung des Logos
bull zu Gott (VV1ndash3 Goumlttlichkeit Schoumlpfungsmittlerschaft)
bull zu den Menschen deren negative Reaktion angedeutet ist (VV4f)
Vom Logos kann nicht nur im Blick auf seinen goumlttlichen Ursprung gesprochen werden zu ihm gehoumlrt notwendig seine Beziehung zur Menschenwelt
Der Logos in der Welt bezeugt abgelehnt aufgenommen (VV9ndash13)
bull Durch die Nennung einer geschichtlichen Gestalt und ihrer Sendung durch Gott ruumlckt die Menschenwelt deutlicher in den Blick
bull Das Kommen des Lichts in die Welt wird ausfuumlhrlicher gestaltet (dreimal VV91011)
bull ebenso die Reaktion darauf negativ (V11) u positiv (VV12f)
95
Paulus und Johannes sect183
Der inkarnierte Logos bdquounter unsldquo (VV14ndash18)
bull Das Kommen des Logos in die Welt erscheint nun konkreter als bdquoFleischwerdungldquo
bull Nur noch die positive Reaktion wird geschildert aufgenommen in eine bdquoWir-Aussageldquo die Glaubenden erkennen bdquoim Fleischldquo die bdquoHerrlichkeitldquo des Logos (V14) Auch der Empfang von bdquoGnade uumlber Gnadeldquo (V16) weist auf diese Binnenperspektive
Zu erkennen ist eine doppelte Bewegung in je drei Etappen
(1) Der goumlttliche Logos kommt in die Welt in jeder Strophe konkreter gefasst bis zur bdquoFleischwerdungldquo so dass von einer konkreten Person zu sprechen ist (V17)
(2) Die Menschenwelt reagiert unterschiedlich (so zu den einzelnen Strophen) Bei der Konzentration auf die Glaubensperspektive begegnet die konkreteste Aussage zur Ankunft des Logos Der Glaube nimmt die Zumutung der bdquoFleischwerdungldquo des Logos an
Von V1 zu V18 spannt sich ein Bogen die Verbundenheit des Logos mit Gott wird aufgenommen und so abschlieszligend betont dass das Kommen des Logos als goumlttliche Offenbarung zu verstehen ist
96
Der Prolog VI ndash Auslegung
Paulus und Johannes sect191
VV1f
bull Joh setzt ein mit dem Bezug zum Ur-Anfang (Anspielung auf Gen 11) vor der Erschaffung der Welt Seine Rede von ἀρχή unterscheidet sich von der des Mk- oder LkEv
ndash Mk beginnt mit dem Taumluferwirken als bdquoAnfang des Evangeliumsldquo ndash Lk spricht in seinem Vorwort von den bdquoAugenzeugen von Anfang anldquo (Lk 12) ndash mit
vergleichbarer Bedeutung (s Apg 121f 1037f)
bull Die Vorgeschichten von Mt und Lk setzen beim Beginn der menschlichen Existenz Jesu an Joh bringt Jesus noch unmittelbarer zu Gott in Beziehung als es durch die geistgewirkte Empfaumlngnis aussagbar ist
bull Die folgende Jesus-Geschichte in die auch die Praumlexistenz Jesu aufgenommen ist (858) wird so grundlegend auf Gott zuruumlckgefuumlhrt
bull Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Christologie so
97
Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
108
Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
109
Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
115
Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
125
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
126
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
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Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

88
Der Prolog II ndash Hintergrund
Paulus und Johannes sect162
Weisheitsspekulation
Die Aussagen uumlber Bedeutung und Geschick des Logos (bdquoWortldquo) lassen sich mit atl-juumldischer Weisheitstradition vergleichen
bull Die Weisheit ist praumlexistent zur Welt bei der Schoumlpfung anwesend in besonderer Naumlhe zu Gott (Spr 82ndash30 Ijob 2812ndash23) Joh 11ab 12
bull Die Weisheit kommt zu den Menschen bzw zu Israel (Spr 831ndash96 Bar 337f Sir 24) Joh 1910a11a14b (bdquounter uns gewohntldquo)
bull Die Weisheit ist Quelle des Lebens und der Rettung (Bar 41 Spr 834f Weish 918) Joh 1412 (Gotteskindschaft)16f (Gnade)
bull Die Weisheit wird abgelehnt (Bar 312 aumlthHen 42) Joh 110c11b
Der Prolog baut auf der Fortentwicklung juumldischer Weisheitstheologie auf Weisheit nicht nur als theoretische und praktische Faumlhigkeit zur Bewaumlltigung des Lebens sondern personifiziert gedacht und mit dem Ur-Anfang in Verbindung gebracht Die Rede vom Logos provoziert aber die Frage nach weiteren Vermittlungsinstanzen
89
Paulus und Johannes
Philo und der Logos
In der griechischen Philosophie wurde λόγος(Logos) nicht nur auf die Faumlhigkeit und den Vollzug des Denkens bezogen sondern auch im Sinne eines Prinzips das die Welt durchdringt und bestimmt (va Heraklit Stoa) Entsprechende Einfluumlsse sind bei Philo von Alexandrien zu entdecken in dessen Schriften juumldische Weisheits- und griechische Logos-Spekulation miteinander verbunden sind Fuumlr Joh 1 besonders wichtig
bull Die Welt der Ideen wurde vor der Erschaffung der Welt hervorgebracht sie wird mit dem Logos identifiziert (Op Mund 1724 Quod Deus 31) Joh 11
bull Philo bedenkt den Unterschied zwischen bdquogoumlttlichldquo (θεός) und bdquoGottldquo (ὁ θεός) und wendet den artikellosen Ausdruck auf den Logos an (Somn I 229f) Joh 11
bull Der Logos ist Schoumlpfungsmittler (Cher 125ndash127) Joh 1310b
bull Der Logos wird mit dem Leben (Fug 97) und der Lichtmetaphorik (Somn I 75 Conf Ling 60ndash63) verbunden Joh 149
Christus wird also in ein Denken eingeordnet das auf Ursprung und Zusammenhalt des Kosmos ausgerichtet ist und mit dem Prinzip identifiziert das hinter der sichtbaren Welt als deren Grund und durchdringende Kraft erkennbar wird Der Inkarnationsgedanke ist allerdings in dem religionsgeschichtlichen Vergleichsmaterial nicht zu finden
90
Der Prolog III ndash Eroumlffnung der Jesuserzaumlhlung
Paulus und Johannes sect171
Als Prolog zeichnet sich der Abschnitt 11ndash18 dadurch aus dass er sichndash einerseits von der nachfolgenden Erzaumlhlung unterscheidet ndash andererseits mit ihr auch in Verbindung steht
Die Eigengestalt des Prologs
bull Sprachlich hebt sich 11ndash18 durch seinen hymnischen Charakter vom Rest des Evangeliums ab
bull Die theologische Begrifflichkeit zeigt zT ein eigenes Profil Manche praumlgende Begriffe kommen nur im Prolog vor (Logos sein bdquoZelten unter unsldquo Fuumllle Mitteilen der Gnade) oder haben dort einen anderen Sinn als in der Erzaumlhlung (bdquodie Eigenenldquo vgl 131) Umgekehrt fehlt das nachfolgend so charakteristische Stichwort der Sendung im Prolog
bull Inhaltlich ist der Prolog keine Zusammenfassung der Jesus-Geschichte Der Weg Jesu zu Kreuz und Auferstehung kommt nicht in den Blick
91
Paulus und Johannes sect172
Verbindungen zur Erzaumlhlung
bull In personaler Hinsicht ndash Zwischen Prolog und urspruumlnglichem Buchschluss besteht insofern eine Klammer
als nur in 117 und 2031 die Verbindung von bdquoJesusldquo und bdquoChristusldquo belegt ist ndash Johannes erscheint bereits im Prolog als Jesus-Zeuge
bull 118 schlaumlgt nicht nur einen Bogen zum Beginn sondern ist auch deutlich als Uumlbergang zur Erzaumlhlung gestaltet
bull Theologisch bedeutsame Begriffe aus dem Evangelium sind in den Prolog aufgenommen Licht (φῶς) Leben (ζωή) Wahrheit (ἀλήθεια) Herrlichkeit (δόξα) Welt (κόσmicroος) glauben (πιστεύειν) erkennen (γινώσκειν)
92
Der Prolog IV ndash Funktionen
Paulus und Johannes sect173
Literaturgeschichtliche und -theoretische Impulse
bull In griechischer und lateinischer Literatur der Antike hatte ndash uumlber Gattungsgrenzen hinweg ndash das Vorwort die Funktion uumlber den Zweck des Werkes zu unterrichten und dessen Verstaumlndnis zu leiten
bull In moderner Literaturwissenschaft weist die Theorie des Paratextes in dieselbe Richtung Passagen die einen Text begleiten oder einrahmen (zB Uumlberschrift Vorwort Nachwort) leiten als bdquoKontrollinstrument der Dekodierungldquo die Lektuumlre (J ZUMSTEIN) Der Prolog setzt nach Abschluss des Werkes die entscheidenden Marken fuumlr dessen Verstaumlndnis (Verhaumlltnis der Metareflexivitaumlt)
So erklaumlrt sich dass der Joh-Prolog die Geschichte Jesu nicht zusammenfasst Er lenkt die Lektuumlre nimmt sie nicht vorweg
93
Paulus und Johannes
Der Joh-Prolog als Leseanweisung fuumlr das Evangelium
bull Interaktion mit den Adressaten ndash Beginn mit einem bekannten (wenn auch veraumlnderten) Text ndash In den bdquoWir-Formenldquo (11416) schlieszligt sich der Autor mit den Lesern zusammen
Aufgrund des Prologs koumlnnen sie die Missverstaumlndnisse durchschauen denen die Akteure der Erzaumlhlung unterliegen
ndash Die Klammer zum Schluss (2030f) verstaumlrkt die Interaktionsfunktion
bull Inhaltliche Klaumlrungen im Blick auf die folgende Erzaumlhlungndash Bedeutung des Protagonisten wird geklaumlrt durch Nennung der Beziehungen (zu Gott
Taumlufer Mose) des Schauplatzes (universal Welt) der Grundstruktur der Erzaumlhlung ndash Vorwegnahme wichtiger theologischer Begriffe (Leben Licht usw)ndash Aufbau von Spannung offen bleibende Aussagen (zB wie erweist sich der Logos als
Licht) unterschiedliche Reaktionen
94
Der Prolog V ndash Struktur
Paulus und Johannes sect1812
Der praumlexistente Logos und seine Bedeutung (VV1ndash5)
Bestimmt wird die Beziehung des Logos
bull zu Gott (VV1ndash3 Goumlttlichkeit Schoumlpfungsmittlerschaft)
bull zu den Menschen deren negative Reaktion angedeutet ist (VV4f)
Vom Logos kann nicht nur im Blick auf seinen goumlttlichen Ursprung gesprochen werden zu ihm gehoumlrt notwendig seine Beziehung zur Menschenwelt
Der Logos in der Welt bezeugt abgelehnt aufgenommen (VV9ndash13)
bull Durch die Nennung einer geschichtlichen Gestalt und ihrer Sendung durch Gott ruumlckt die Menschenwelt deutlicher in den Blick
bull Das Kommen des Lichts in die Welt wird ausfuumlhrlicher gestaltet (dreimal VV91011)
bull ebenso die Reaktion darauf negativ (V11) u positiv (VV12f)
95
Paulus und Johannes sect183
Der inkarnierte Logos bdquounter unsldquo (VV14ndash18)
bull Das Kommen des Logos in die Welt erscheint nun konkreter als bdquoFleischwerdungldquo
bull Nur noch die positive Reaktion wird geschildert aufgenommen in eine bdquoWir-Aussageldquo die Glaubenden erkennen bdquoim Fleischldquo die bdquoHerrlichkeitldquo des Logos (V14) Auch der Empfang von bdquoGnade uumlber Gnadeldquo (V16) weist auf diese Binnenperspektive
Zu erkennen ist eine doppelte Bewegung in je drei Etappen
(1) Der goumlttliche Logos kommt in die Welt in jeder Strophe konkreter gefasst bis zur bdquoFleischwerdungldquo so dass von einer konkreten Person zu sprechen ist (V17)
(2) Die Menschenwelt reagiert unterschiedlich (so zu den einzelnen Strophen) Bei der Konzentration auf die Glaubensperspektive begegnet die konkreteste Aussage zur Ankunft des Logos Der Glaube nimmt die Zumutung der bdquoFleischwerdungldquo des Logos an
Von V1 zu V18 spannt sich ein Bogen die Verbundenheit des Logos mit Gott wird aufgenommen und so abschlieszligend betont dass das Kommen des Logos als goumlttliche Offenbarung zu verstehen ist
96
Der Prolog VI ndash Auslegung
Paulus und Johannes sect191
VV1f
bull Joh setzt ein mit dem Bezug zum Ur-Anfang (Anspielung auf Gen 11) vor der Erschaffung der Welt Seine Rede von ἀρχή unterscheidet sich von der des Mk- oder LkEv
ndash Mk beginnt mit dem Taumluferwirken als bdquoAnfang des Evangeliumsldquo ndash Lk spricht in seinem Vorwort von den bdquoAugenzeugen von Anfang anldquo (Lk 12) ndash mit
vergleichbarer Bedeutung (s Apg 121f 1037f)
bull Die Vorgeschichten von Mt und Lk setzen beim Beginn der menschlichen Existenz Jesu an Joh bringt Jesus noch unmittelbarer zu Gott in Beziehung als es durch die geistgewirkte Empfaumlngnis aussagbar ist
bull Die folgende Jesus-Geschichte in die auch die Praumlexistenz Jesu aufgenommen ist (858) wird so grundlegend auf Gott zuruumlckgefuumlhrt
bull Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Christologie so
97
Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
108
Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
109
Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
115
Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
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Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
126
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
127
Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

89
Paulus und Johannes
Philo und der Logos
In der griechischen Philosophie wurde λόγος(Logos) nicht nur auf die Faumlhigkeit und den Vollzug des Denkens bezogen sondern auch im Sinne eines Prinzips das die Welt durchdringt und bestimmt (va Heraklit Stoa) Entsprechende Einfluumlsse sind bei Philo von Alexandrien zu entdecken in dessen Schriften juumldische Weisheits- und griechische Logos-Spekulation miteinander verbunden sind Fuumlr Joh 1 besonders wichtig
bull Die Welt der Ideen wurde vor der Erschaffung der Welt hervorgebracht sie wird mit dem Logos identifiziert (Op Mund 1724 Quod Deus 31) Joh 11
bull Philo bedenkt den Unterschied zwischen bdquogoumlttlichldquo (θεός) und bdquoGottldquo (ὁ θεός) und wendet den artikellosen Ausdruck auf den Logos an (Somn I 229f) Joh 11
bull Der Logos ist Schoumlpfungsmittler (Cher 125ndash127) Joh 1310b
bull Der Logos wird mit dem Leben (Fug 97) und der Lichtmetaphorik (Somn I 75 Conf Ling 60ndash63) verbunden Joh 149
Christus wird also in ein Denken eingeordnet das auf Ursprung und Zusammenhalt des Kosmos ausgerichtet ist und mit dem Prinzip identifiziert das hinter der sichtbaren Welt als deren Grund und durchdringende Kraft erkennbar wird Der Inkarnationsgedanke ist allerdings in dem religionsgeschichtlichen Vergleichsmaterial nicht zu finden
90
Der Prolog III ndash Eroumlffnung der Jesuserzaumlhlung
Paulus und Johannes sect171
Als Prolog zeichnet sich der Abschnitt 11ndash18 dadurch aus dass er sichndash einerseits von der nachfolgenden Erzaumlhlung unterscheidet ndash andererseits mit ihr auch in Verbindung steht
Die Eigengestalt des Prologs
bull Sprachlich hebt sich 11ndash18 durch seinen hymnischen Charakter vom Rest des Evangeliums ab
bull Die theologische Begrifflichkeit zeigt zT ein eigenes Profil Manche praumlgende Begriffe kommen nur im Prolog vor (Logos sein bdquoZelten unter unsldquo Fuumllle Mitteilen der Gnade) oder haben dort einen anderen Sinn als in der Erzaumlhlung (bdquodie Eigenenldquo vgl 131) Umgekehrt fehlt das nachfolgend so charakteristische Stichwort der Sendung im Prolog
bull Inhaltlich ist der Prolog keine Zusammenfassung der Jesus-Geschichte Der Weg Jesu zu Kreuz und Auferstehung kommt nicht in den Blick
91
Paulus und Johannes sect172
Verbindungen zur Erzaumlhlung
bull In personaler Hinsicht ndash Zwischen Prolog und urspruumlnglichem Buchschluss besteht insofern eine Klammer
als nur in 117 und 2031 die Verbindung von bdquoJesusldquo und bdquoChristusldquo belegt ist ndash Johannes erscheint bereits im Prolog als Jesus-Zeuge
bull 118 schlaumlgt nicht nur einen Bogen zum Beginn sondern ist auch deutlich als Uumlbergang zur Erzaumlhlung gestaltet
bull Theologisch bedeutsame Begriffe aus dem Evangelium sind in den Prolog aufgenommen Licht (φῶς) Leben (ζωή) Wahrheit (ἀλήθεια) Herrlichkeit (δόξα) Welt (κόσmicroος) glauben (πιστεύειν) erkennen (γινώσκειν)
92
Der Prolog IV ndash Funktionen
Paulus und Johannes sect173
Literaturgeschichtliche und -theoretische Impulse
bull In griechischer und lateinischer Literatur der Antike hatte ndash uumlber Gattungsgrenzen hinweg ndash das Vorwort die Funktion uumlber den Zweck des Werkes zu unterrichten und dessen Verstaumlndnis zu leiten
bull In moderner Literaturwissenschaft weist die Theorie des Paratextes in dieselbe Richtung Passagen die einen Text begleiten oder einrahmen (zB Uumlberschrift Vorwort Nachwort) leiten als bdquoKontrollinstrument der Dekodierungldquo die Lektuumlre (J ZUMSTEIN) Der Prolog setzt nach Abschluss des Werkes die entscheidenden Marken fuumlr dessen Verstaumlndnis (Verhaumlltnis der Metareflexivitaumlt)
So erklaumlrt sich dass der Joh-Prolog die Geschichte Jesu nicht zusammenfasst Er lenkt die Lektuumlre nimmt sie nicht vorweg
93
Paulus und Johannes
Der Joh-Prolog als Leseanweisung fuumlr das Evangelium
bull Interaktion mit den Adressaten ndash Beginn mit einem bekannten (wenn auch veraumlnderten) Text ndash In den bdquoWir-Formenldquo (11416) schlieszligt sich der Autor mit den Lesern zusammen
Aufgrund des Prologs koumlnnen sie die Missverstaumlndnisse durchschauen denen die Akteure der Erzaumlhlung unterliegen
ndash Die Klammer zum Schluss (2030f) verstaumlrkt die Interaktionsfunktion
bull Inhaltliche Klaumlrungen im Blick auf die folgende Erzaumlhlungndash Bedeutung des Protagonisten wird geklaumlrt durch Nennung der Beziehungen (zu Gott
Taumlufer Mose) des Schauplatzes (universal Welt) der Grundstruktur der Erzaumlhlung ndash Vorwegnahme wichtiger theologischer Begriffe (Leben Licht usw)ndash Aufbau von Spannung offen bleibende Aussagen (zB wie erweist sich der Logos als
Licht) unterschiedliche Reaktionen
94
Der Prolog V ndash Struktur
Paulus und Johannes sect1812
Der praumlexistente Logos und seine Bedeutung (VV1ndash5)
Bestimmt wird die Beziehung des Logos
bull zu Gott (VV1ndash3 Goumlttlichkeit Schoumlpfungsmittlerschaft)
bull zu den Menschen deren negative Reaktion angedeutet ist (VV4f)
Vom Logos kann nicht nur im Blick auf seinen goumlttlichen Ursprung gesprochen werden zu ihm gehoumlrt notwendig seine Beziehung zur Menschenwelt
Der Logos in der Welt bezeugt abgelehnt aufgenommen (VV9ndash13)
bull Durch die Nennung einer geschichtlichen Gestalt und ihrer Sendung durch Gott ruumlckt die Menschenwelt deutlicher in den Blick
bull Das Kommen des Lichts in die Welt wird ausfuumlhrlicher gestaltet (dreimal VV91011)
bull ebenso die Reaktion darauf negativ (V11) u positiv (VV12f)
95
Paulus und Johannes sect183
Der inkarnierte Logos bdquounter unsldquo (VV14ndash18)
bull Das Kommen des Logos in die Welt erscheint nun konkreter als bdquoFleischwerdungldquo
bull Nur noch die positive Reaktion wird geschildert aufgenommen in eine bdquoWir-Aussageldquo die Glaubenden erkennen bdquoim Fleischldquo die bdquoHerrlichkeitldquo des Logos (V14) Auch der Empfang von bdquoGnade uumlber Gnadeldquo (V16) weist auf diese Binnenperspektive
Zu erkennen ist eine doppelte Bewegung in je drei Etappen
(1) Der goumlttliche Logos kommt in die Welt in jeder Strophe konkreter gefasst bis zur bdquoFleischwerdungldquo so dass von einer konkreten Person zu sprechen ist (V17)
(2) Die Menschenwelt reagiert unterschiedlich (so zu den einzelnen Strophen) Bei der Konzentration auf die Glaubensperspektive begegnet die konkreteste Aussage zur Ankunft des Logos Der Glaube nimmt die Zumutung der bdquoFleischwerdungldquo des Logos an
Von V1 zu V18 spannt sich ein Bogen die Verbundenheit des Logos mit Gott wird aufgenommen und so abschlieszligend betont dass das Kommen des Logos als goumlttliche Offenbarung zu verstehen ist
96
Der Prolog VI ndash Auslegung
Paulus und Johannes sect191
VV1f
bull Joh setzt ein mit dem Bezug zum Ur-Anfang (Anspielung auf Gen 11) vor der Erschaffung der Welt Seine Rede von ἀρχή unterscheidet sich von der des Mk- oder LkEv
ndash Mk beginnt mit dem Taumluferwirken als bdquoAnfang des Evangeliumsldquo ndash Lk spricht in seinem Vorwort von den bdquoAugenzeugen von Anfang anldquo (Lk 12) ndash mit
vergleichbarer Bedeutung (s Apg 121f 1037f)
bull Die Vorgeschichten von Mt und Lk setzen beim Beginn der menschlichen Existenz Jesu an Joh bringt Jesus noch unmittelbarer zu Gott in Beziehung als es durch die geistgewirkte Empfaumlngnis aussagbar ist
bull Die folgende Jesus-Geschichte in die auch die Praumlexistenz Jesu aufgenommen ist (858) wird so grundlegend auf Gott zuruumlckgefuumlhrt
bull Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Christologie so
97
Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
108
Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
109
Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
115
Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
125
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
126
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
127
Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

90
Der Prolog III ndash Eroumlffnung der Jesuserzaumlhlung
Paulus und Johannes sect171
Als Prolog zeichnet sich der Abschnitt 11ndash18 dadurch aus dass er sichndash einerseits von der nachfolgenden Erzaumlhlung unterscheidet ndash andererseits mit ihr auch in Verbindung steht
Die Eigengestalt des Prologs
bull Sprachlich hebt sich 11ndash18 durch seinen hymnischen Charakter vom Rest des Evangeliums ab
bull Die theologische Begrifflichkeit zeigt zT ein eigenes Profil Manche praumlgende Begriffe kommen nur im Prolog vor (Logos sein bdquoZelten unter unsldquo Fuumllle Mitteilen der Gnade) oder haben dort einen anderen Sinn als in der Erzaumlhlung (bdquodie Eigenenldquo vgl 131) Umgekehrt fehlt das nachfolgend so charakteristische Stichwort der Sendung im Prolog
bull Inhaltlich ist der Prolog keine Zusammenfassung der Jesus-Geschichte Der Weg Jesu zu Kreuz und Auferstehung kommt nicht in den Blick
91
Paulus und Johannes sect172
Verbindungen zur Erzaumlhlung
bull In personaler Hinsicht ndash Zwischen Prolog und urspruumlnglichem Buchschluss besteht insofern eine Klammer
als nur in 117 und 2031 die Verbindung von bdquoJesusldquo und bdquoChristusldquo belegt ist ndash Johannes erscheint bereits im Prolog als Jesus-Zeuge
bull 118 schlaumlgt nicht nur einen Bogen zum Beginn sondern ist auch deutlich als Uumlbergang zur Erzaumlhlung gestaltet
bull Theologisch bedeutsame Begriffe aus dem Evangelium sind in den Prolog aufgenommen Licht (φῶς) Leben (ζωή) Wahrheit (ἀλήθεια) Herrlichkeit (δόξα) Welt (κόσmicroος) glauben (πιστεύειν) erkennen (γινώσκειν)
92
Der Prolog IV ndash Funktionen
Paulus und Johannes sect173
Literaturgeschichtliche und -theoretische Impulse
bull In griechischer und lateinischer Literatur der Antike hatte ndash uumlber Gattungsgrenzen hinweg ndash das Vorwort die Funktion uumlber den Zweck des Werkes zu unterrichten und dessen Verstaumlndnis zu leiten
bull In moderner Literaturwissenschaft weist die Theorie des Paratextes in dieselbe Richtung Passagen die einen Text begleiten oder einrahmen (zB Uumlberschrift Vorwort Nachwort) leiten als bdquoKontrollinstrument der Dekodierungldquo die Lektuumlre (J ZUMSTEIN) Der Prolog setzt nach Abschluss des Werkes die entscheidenden Marken fuumlr dessen Verstaumlndnis (Verhaumlltnis der Metareflexivitaumlt)
So erklaumlrt sich dass der Joh-Prolog die Geschichte Jesu nicht zusammenfasst Er lenkt die Lektuumlre nimmt sie nicht vorweg
93
Paulus und Johannes
Der Joh-Prolog als Leseanweisung fuumlr das Evangelium
bull Interaktion mit den Adressaten ndash Beginn mit einem bekannten (wenn auch veraumlnderten) Text ndash In den bdquoWir-Formenldquo (11416) schlieszligt sich der Autor mit den Lesern zusammen
Aufgrund des Prologs koumlnnen sie die Missverstaumlndnisse durchschauen denen die Akteure der Erzaumlhlung unterliegen
ndash Die Klammer zum Schluss (2030f) verstaumlrkt die Interaktionsfunktion
bull Inhaltliche Klaumlrungen im Blick auf die folgende Erzaumlhlungndash Bedeutung des Protagonisten wird geklaumlrt durch Nennung der Beziehungen (zu Gott
Taumlufer Mose) des Schauplatzes (universal Welt) der Grundstruktur der Erzaumlhlung ndash Vorwegnahme wichtiger theologischer Begriffe (Leben Licht usw)ndash Aufbau von Spannung offen bleibende Aussagen (zB wie erweist sich der Logos als
Licht) unterschiedliche Reaktionen
94
Der Prolog V ndash Struktur
Paulus und Johannes sect1812
Der praumlexistente Logos und seine Bedeutung (VV1ndash5)
Bestimmt wird die Beziehung des Logos
bull zu Gott (VV1ndash3 Goumlttlichkeit Schoumlpfungsmittlerschaft)
bull zu den Menschen deren negative Reaktion angedeutet ist (VV4f)
Vom Logos kann nicht nur im Blick auf seinen goumlttlichen Ursprung gesprochen werden zu ihm gehoumlrt notwendig seine Beziehung zur Menschenwelt
Der Logos in der Welt bezeugt abgelehnt aufgenommen (VV9ndash13)
bull Durch die Nennung einer geschichtlichen Gestalt und ihrer Sendung durch Gott ruumlckt die Menschenwelt deutlicher in den Blick
bull Das Kommen des Lichts in die Welt wird ausfuumlhrlicher gestaltet (dreimal VV91011)
bull ebenso die Reaktion darauf negativ (V11) u positiv (VV12f)
95
Paulus und Johannes sect183
Der inkarnierte Logos bdquounter unsldquo (VV14ndash18)
bull Das Kommen des Logos in die Welt erscheint nun konkreter als bdquoFleischwerdungldquo
bull Nur noch die positive Reaktion wird geschildert aufgenommen in eine bdquoWir-Aussageldquo die Glaubenden erkennen bdquoim Fleischldquo die bdquoHerrlichkeitldquo des Logos (V14) Auch der Empfang von bdquoGnade uumlber Gnadeldquo (V16) weist auf diese Binnenperspektive
Zu erkennen ist eine doppelte Bewegung in je drei Etappen
(1) Der goumlttliche Logos kommt in die Welt in jeder Strophe konkreter gefasst bis zur bdquoFleischwerdungldquo so dass von einer konkreten Person zu sprechen ist (V17)
(2) Die Menschenwelt reagiert unterschiedlich (so zu den einzelnen Strophen) Bei der Konzentration auf die Glaubensperspektive begegnet die konkreteste Aussage zur Ankunft des Logos Der Glaube nimmt die Zumutung der bdquoFleischwerdungldquo des Logos an
Von V1 zu V18 spannt sich ein Bogen die Verbundenheit des Logos mit Gott wird aufgenommen und so abschlieszligend betont dass das Kommen des Logos als goumlttliche Offenbarung zu verstehen ist
96
Der Prolog VI ndash Auslegung
Paulus und Johannes sect191
VV1f
bull Joh setzt ein mit dem Bezug zum Ur-Anfang (Anspielung auf Gen 11) vor der Erschaffung der Welt Seine Rede von ἀρχή unterscheidet sich von der des Mk- oder LkEv
ndash Mk beginnt mit dem Taumluferwirken als bdquoAnfang des Evangeliumsldquo ndash Lk spricht in seinem Vorwort von den bdquoAugenzeugen von Anfang anldquo (Lk 12) ndash mit
vergleichbarer Bedeutung (s Apg 121f 1037f)
bull Die Vorgeschichten von Mt und Lk setzen beim Beginn der menschlichen Existenz Jesu an Joh bringt Jesus noch unmittelbarer zu Gott in Beziehung als es durch die geistgewirkte Empfaumlngnis aussagbar ist
bull Die folgende Jesus-Geschichte in die auch die Praumlexistenz Jesu aufgenommen ist (858) wird so grundlegend auf Gott zuruumlckgefuumlhrt
bull Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Christologie so
97
Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
108
Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
109
Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
115
Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
125
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
126
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
127
Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

91
Paulus und Johannes sect172
Verbindungen zur Erzaumlhlung
bull In personaler Hinsicht ndash Zwischen Prolog und urspruumlnglichem Buchschluss besteht insofern eine Klammer
als nur in 117 und 2031 die Verbindung von bdquoJesusldquo und bdquoChristusldquo belegt ist ndash Johannes erscheint bereits im Prolog als Jesus-Zeuge
bull 118 schlaumlgt nicht nur einen Bogen zum Beginn sondern ist auch deutlich als Uumlbergang zur Erzaumlhlung gestaltet
bull Theologisch bedeutsame Begriffe aus dem Evangelium sind in den Prolog aufgenommen Licht (φῶς) Leben (ζωή) Wahrheit (ἀλήθεια) Herrlichkeit (δόξα) Welt (κόσmicroος) glauben (πιστεύειν) erkennen (γινώσκειν)
92
Der Prolog IV ndash Funktionen
Paulus und Johannes sect173
Literaturgeschichtliche und -theoretische Impulse
bull In griechischer und lateinischer Literatur der Antike hatte ndash uumlber Gattungsgrenzen hinweg ndash das Vorwort die Funktion uumlber den Zweck des Werkes zu unterrichten und dessen Verstaumlndnis zu leiten
bull In moderner Literaturwissenschaft weist die Theorie des Paratextes in dieselbe Richtung Passagen die einen Text begleiten oder einrahmen (zB Uumlberschrift Vorwort Nachwort) leiten als bdquoKontrollinstrument der Dekodierungldquo die Lektuumlre (J ZUMSTEIN) Der Prolog setzt nach Abschluss des Werkes die entscheidenden Marken fuumlr dessen Verstaumlndnis (Verhaumlltnis der Metareflexivitaumlt)
So erklaumlrt sich dass der Joh-Prolog die Geschichte Jesu nicht zusammenfasst Er lenkt die Lektuumlre nimmt sie nicht vorweg
93
Paulus und Johannes
Der Joh-Prolog als Leseanweisung fuumlr das Evangelium
bull Interaktion mit den Adressaten ndash Beginn mit einem bekannten (wenn auch veraumlnderten) Text ndash In den bdquoWir-Formenldquo (11416) schlieszligt sich der Autor mit den Lesern zusammen
Aufgrund des Prologs koumlnnen sie die Missverstaumlndnisse durchschauen denen die Akteure der Erzaumlhlung unterliegen
ndash Die Klammer zum Schluss (2030f) verstaumlrkt die Interaktionsfunktion
bull Inhaltliche Klaumlrungen im Blick auf die folgende Erzaumlhlungndash Bedeutung des Protagonisten wird geklaumlrt durch Nennung der Beziehungen (zu Gott
Taumlufer Mose) des Schauplatzes (universal Welt) der Grundstruktur der Erzaumlhlung ndash Vorwegnahme wichtiger theologischer Begriffe (Leben Licht usw)ndash Aufbau von Spannung offen bleibende Aussagen (zB wie erweist sich der Logos als
Licht) unterschiedliche Reaktionen
94
Der Prolog V ndash Struktur
Paulus und Johannes sect1812
Der praumlexistente Logos und seine Bedeutung (VV1ndash5)
Bestimmt wird die Beziehung des Logos
bull zu Gott (VV1ndash3 Goumlttlichkeit Schoumlpfungsmittlerschaft)
bull zu den Menschen deren negative Reaktion angedeutet ist (VV4f)
Vom Logos kann nicht nur im Blick auf seinen goumlttlichen Ursprung gesprochen werden zu ihm gehoumlrt notwendig seine Beziehung zur Menschenwelt
Der Logos in der Welt bezeugt abgelehnt aufgenommen (VV9ndash13)
bull Durch die Nennung einer geschichtlichen Gestalt und ihrer Sendung durch Gott ruumlckt die Menschenwelt deutlicher in den Blick
bull Das Kommen des Lichts in die Welt wird ausfuumlhrlicher gestaltet (dreimal VV91011)
bull ebenso die Reaktion darauf negativ (V11) u positiv (VV12f)
95
Paulus und Johannes sect183
Der inkarnierte Logos bdquounter unsldquo (VV14ndash18)
bull Das Kommen des Logos in die Welt erscheint nun konkreter als bdquoFleischwerdungldquo
bull Nur noch die positive Reaktion wird geschildert aufgenommen in eine bdquoWir-Aussageldquo die Glaubenden erkennen bdquoim Fleischldquo die bdquoHerrlichkeitldquo des Logos (V14) Auch der Empfang von bdquoGnade uumlber Gnadeldquo (V16) weist auf diese Binnenperspektive
Zu erkennen ist eine doppelte Bewegung in je drei Etappen
(1) Der goumlttliche Logos kommt in die Welt in jeder Strophe konkreter gefasst bis zur bdquoFleischwerdungldquo so dass von einer konkreten Person zu sprechen ist (V17)
(2) Die Menschenwelt reagiert unterschiedlich (so zu den einzelnen Strophen) Bei der Konzentration auf die Glaubensperspektive begegnet die konkreteste Aussage zur Ankunft des Logos Der Glaube nimmt die Zumutung der bdquoFleischwerdungldquo des Logos an
Von V1 zu V18 spannt sich ein Bogen die Verbundenheit des Logos mit Gott wird aufgenommen und so abschlieszligend betont dass das Kommen des Logos als goumlttliche Offenbarung zu verstehen ist
96
Der Prolog VI ndash Auslegung
Paulus und Johannes sect191
VV1f
bull Joh setzt ein mit dem Bezug zum Ur-Anfang (Anspielung auf Gen 11) vor der Erschaffung der Welt Seine Rede von ἀρχή unterscheidet sich von der des Mk- oder LkEv
ndash Mk beginnt mit dem Taumluferwirken als bdquoAnfang des Evangeliumsldquo ndash Lk spricht in seinem Vorwort von den bdquoAugenzeugen von Anfang anldquo (Lk 12) ndash mit
vergleichbarer Bedeutung (s Apg 121f 1037f)
bull Die Vorgeschichten von Mt und Lk setzen beim Beginn der menschlichen Existenz Jesu an Joh bringt Jesus noch unmittelbarer zu Gott in Beziehung als es durch die geistgewirkte Empfaumlngnis aussagbar ist
bull Die folgende Jesus-Geschichte in die auch die Praumlexistenz Jesu aufgenommen ist (858) wird so grundlegend auf Gott zuruumlckgefuumlhrt
bull Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Christologie so
97
Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
108
Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
109
Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
115
Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
125
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
126
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
127
Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

92
Der Prolog IV ndash Funktionen
Paulus und Johannes sect173
Literaturgeschichtliche und -theoretische Impulse
bull In griechischer und lateinischer Literatur der Antike hatte ndash uumlber Gattungsgrenzen hinweg ndash das Vorwort die Funktion uumlber den Zweck des Werkes zu unterrichten und dessen Verstaumlndnis zu leiten
bull In moderner Literaturwissenschaft weist die Theorie des Paratextes in dieselbe Richtung Passagen die einen Text begleiten oder einrahmen (zB Uumlberschrift Vorwort Nachwort) leiten als bdquoKontrollinstrument der Dekodierungldquo die Lektuumlre (J ZUMSTEIN) Der Prolog setzt nach Abschluss des Werkes die entscheidenden Marken fuumlr dessen Verstaumlndnis (Verhaumlltnis der Metareflexivitaumlt)
So erklaumlrt sich dass der Joh-Prolog die Geschichte Jesu nicht zusammenfasst Er lenkt die Lektuumlre nimmt sie nicht vorweg
93
Paulus und Johannes
Der Joh-Prolog als Leseanweisung fuumlr das Evangelium
bull Interaktion mit den Adressaten ndash Beginn mit einem bekannten (wenn auch veraumlnderten) Text ndash In den bdquoWir-Formenldquo (11416) schlieszligt sich der Autor mit den Lesern zusammen
Aufgrund des Prologs koumlnnen sie die Missverstaumlndnisse durchschauen denen die Akteure der Erzaumlhlung unterliegen
ndash Die Klammer zum Schluss (2030f) verstaumlrkt die Interaktionsfunktion
bull Inhaltliche Klaumlrungen im Blick auf die folgende Erzaumlhlungndash Bedeutung des Protagonisten wird geklaumlrt durch Nennung der Beziehungen (zu Gott
Taumlufer Mose) des Schauplatzes (universal Welt) der Grundstruktur der Erzaumlhlung ndash Vorwegnahme wichtiger theologischer Begriffe (Leben Licht usw)ndash Aufbau von Spannung offen bleibende Aussagen (zB wie erweist sich der Logos als
Licht) unterschiedliche Reaktionen
94
Der Prolog V ndash Struktur
Paulus und Johannes sect1812
Der praumlexistente Logos und seine Bedeutung (VV1ndash5)
Bestimmt wird die Beziehung des Logos
bull zu Gott (VV1ndash3 Goumlttlichkeit Schoumlpfungsmittlerschaft)
bull zu den Menschen deren negative Reaktion angedeutet ist (VV4f)
Vom Logos kann nicht nur im Blick auf seinen goumlttlichen Ursprung gesprochen werden zu ihm gehoumlrt notwendig seine Beziehung zur Menschenwelt
Der Logos in der Welt bezeugt abgelehnt aufgenommen (VV9ndash13)
bull Durch die Nennung einer geschichtlichen Gestalt und ihrer Sendung durch Gott ruumlckt die Menschenwelt deutlicher in den Blick
bull Das Kommen des Lichts in die Welt wird ausfuumlhrlicher gestaltet (dreimal VV91011)
bull ebenso die Reaktion darauf negativ (V11) u positiv (VV12f)
95
Paulus und Johannes sect183
Der inkarnierte Logos bdquounter unsldquo (VV14ndash18)
bull Das Kommen des Logos in die Welt erscheint nun konkreter als bdquoFleischwerdungldquo
bull Nur noch die positive Reaktion wird geschildert aufgenommen in eine bdquoWir-Aussageldquo die Glaubenden erkennen bdquoim Fleischldquo die bdquoHerrlichkeitldquo des Logos (V14) Auch der Empfang von bdquoGnade uumlber Gnadeldquo (V16) weist auf diese Binnenperspektive
Zu erkennen ist eine doppelte Bewegung in je drei Etappen
(1) Der goumlttliche Logos kommt in die Welt in jeder Strophe konkreter gefasst bis zur bdquoFleischwerdungldquo so dass von einer konkreten Person zu sprechen ist (V17)
(2) Die Menschenwelt reagiert unterschiedlich (so zu den einzelnen Strophen) Bei der Konzentration auf die Glaubensperspektive begegnet die konkreteste Aussage zur Ankunft des Logos Der Glaube nimmt die Zumutung der bdquoFleischwerdungldquo des Logos an
Von V1 zu V18 spannt sich ein Bogen die Verbundenheit des Logos mit Gott wird aufgenommen und so abschlieszligend betont dass das Kommen des Logos als goumlttliche Offenbarung zu verstehen ist
96
Der Prolog VI ndash Auslegung
Paulus und Johannes sect191
VV1f
bull Joh setzt ein mit dem Bezug zum Ur-Anfang (Anspielung auf Gen 11) vor der Erschaffung der Welt Seine Rede von ἀρχή unterscheidet sich von der des Mk- oder LkEv
ndash Mk beginnt mit dem Taumluferwirken als bdquoAnfang des Evangeliumsldquo ndash Lk spricht in seinem Vorwort von den bdquoAugenzeugen von Anfang anldquo (Lk 12) ndash mit
vergleichbarer Bedeutung (s Apg 121f 1037f)
bull Die Vorgeschichten von Mt und Lk setzen beim Beginn der menschlichen Existenz Jesu an Joh bringt Jesus noch unmittelbarer zu Gott in Beziehung als es durch die geistgewirkte Empfaumlngnis aussagbar ist
bull Die folgende Jesus-Geschichte in die auch die Praumlexistenz Jesu aufgenommen ist (858) wird so grundlegend auf Gott zuruumlckgefuumlhrt
bull Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Christologie so
97
Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
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Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
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Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
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Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
125
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
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Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
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Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

93
Paulus und Johannes
Der Joh-Prolog als Leseanweisung fuumlr das Evangelium
bull Interaktion mit den Adressaten ndash Beginn mit einem bekannten (wenn auch veraumlnderten) Text ndash In den bdquoWir-Formenldquo (11416) schlieszligt sich der Autor mit den Lesern zusammen
Aufgrund des Prologs koumlnnen sie die Missverstaumlndnisse durchschauen denen die Akteure der Erzaumlhlung unterliegen
ndash Die Klammer zum Schluss (2030f) verstaumlrkt die Interaktionsfunktion
bull Inhaltliche Klaumlrungen im Blick auf die folgende Erzaumlhlungndash Bedeutung des Protagonisten wird geklaumlrt durch Nennung der Beziehungen (zu Gott
Taumlufer Mose) des Schauplatzes (universal Welt) der Grundstruktur der Erzaumlhlung ndash Vorwegnahme wichtiger theologischer Begriffe (Leben Licht usw)ndash Aufbau von Spannung offen bleibende Aussagen (zB wie erweist sich der Logos als
Licht) unterschiedliche Reaktionen
94
Der Prolog V ndash Struktur
Paulus und Johannes sect1812
Der praumlexistente Logos und seine Bedeutung (VV1ndash5)
Bestimmt wird die Beziehung des Logos
bull zu Gott (VV1ndash3 Goumlttlichkeit Schoumlpfungsmittlerschaft)
bull zu den Menschen deren negative Reaktion angedeutet ist (VV4f)
Vom Logos kann nicht nur im Blick auf seinen goumlttlichen Ursprung gesprochen werden zu ihm gehoumlrt notwendig seine Beziehung zur Menschenwelt
Der Logos in der Welt bezeugt abgelehnt aufgenommen (VV9ndash13)
bull Durch die Nennung einer geschichtlichen Gestalt und ihrer Sendung durch Gott ruumlckt die Menschenwelt deutlicher in den Blick
bull Das Kommen des Lichts in die Welt wird ausfuumlhrlicher gestaltet (dreimal VV91011)
bull ebenso die Reaktion darauf negativ (V11) u positiv (VV12f)
95
Paulus und Johannes sect183
Der inkarnierte Logos bdquounter unsldquo (VV14ndash18)
bull Das Kommen des Logos in die Welt erscheint nun konkreter als bdquoFleischwerdungldquo
bull Nur noch die positive Reaktion wird geschildert aufgenommen in eine bdquoWir-Aussageldquo die Glaubenden erkennen bdquoim Fleischldquo die bdquoHerrlichkeitldquo des Logos (V14) Auch der Empfang von bdquoGnade uumlber Gnadeldquo (V16) weist auf diese Binnenperspektive
Zu erkennen ist eine doppelte Bewegung in je drei Etappen
(1) Der goumlttliche Logos kommt in die Welt in jeder Strophe konkreter gefasst bis zur bdquoFleischwerdungldquo so dass von einer konkreten Person zu sprechen ist (V17)
(2) Die Menschenwelt reagiert unterschiedlich (so zu den einzelnen Strophen) Bei der Konzentration auf die Glaubensperspektive begegnet die konkreteste Aussage zur Ankunft des Logos Der Glaube nimmt die Zumutung der bdquoFleischwerdungldquo des Logos an
Von V1 zu V18 spannt sich ein Bogen die Verbundenheit des Logos mit Gott wird aufgenommen und so abschlieszligend betont dass das Kommen des Logos als goumlttliche Offenbarung zu verstehen ist
96
Der Prolog VI ndash Auslegung
Paulus und Johannes sect191
VV1f
bull Joh setzt ein mit dem Bezug zum Ur-Anfang (Anspielung auf Gen 11) vor der Erschaffung der Welt Seine Rede von ἀρχή unterscheidet sich von der des Mk- oder LkEv
ndash Mk beginnt mit dem Taumluferwirken als bdquoAnfang des Evangeliumsldquo ndash Lk spricht in seinem Vorwort von den bdquoAugenzeugen von Anfang anldquo (Lk 12) ndash mit
vergleichbarer Bedeutung (s Apg 121f 1037f)
bull Die Vorgeschichten von Mt und Lk setzen beim Beginn der menschlichen Existenz Jesu an Joh bringt Jesus noch unmittelbarer zu Gott in Beziehung als es durch die geistgewirkte Empfaumlngnis aussagbar ist
bull Die folgende Jesus-Geschichte in die auch die Praumlexistenz Jesu aufgenommen ist (858) wird so grundlegend auf Gott zuruumlckgefuumlhrt
bull Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Christologie so
97
Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
108
Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
109
Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
115
Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
125
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
126
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
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Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

94
Der Prolog V ndash Struktur
Paulus und Johannes sect1812
Der praumlexistente Logos und seine Bedeutung (VV1ndash5)
Bestimmt wird die Beziehung des Logos
bull zu Gott (VV1ndash3 Goumlttlichkeit Schoumlpfungsmittlerschaft)
bull zu den Menschen deren negative Reaktion angedeutet ist (VV4f)
Vom Logos kann nicht nur im Blick auf seinen goumlttlichen Ursprung gesprochen werden zu ihm gehoumlrt notwendig seine Beziehung zur Menschenwelt
Der Logos in der Welt bezeugt abgelehnt aufgenommen (VV9ndash13)
bull Durch die Nennung einer geschichtlichen Gestalt und ihrer Sendung durch Gott ruumlckt die Menschenwelt deutlicher in den Blick
bull Das Kommen des Lichts in die Welt wird ausfuumlhrlicher gestaltet (dreimal VV91011)
bull ebenso die Reaktion darauf negativ (V11) u positiv (VV12f)
95
Paulus und Johannes sect183
Der inkarnierte Logos bdquounter unsldquo (VV14ndash18)
bull Das Kommen des Logos in die Welt erscheint nun konkreter als bdquoFleischwerdungldquo
bull Nur noch die positive Reaktion wird geschildert aufgenommen in eine bdquoWir-Aussageldquo die Glaubenden erkennen bdquoim Fleischldquo die bdquoHerrlichkeitldquo des Logos (V14) Auch der Empfang von bdquoGnade uumlber Gnadeldquo (V16) weist auf diese Binnenperspektive
Zu erkennen ist eine doppelte Bewegung in je drei Etappen
(1) Der goumlttliche Logos kommt in die Welt in jeder Strophe konkreter gefasst bis zur bdquoFleischwerdungldquo so dass von einer konkreten Person zu sprechen ist (V17)
(2) Die Menschenwelt reagiert unterschiedlich (so zu den einzelnen Strophen) Bei der Konzentration auf die Glaubensperspektive begegnet die konkreteste Aussage zur Ankunft des Logos Der Glaube nimmt die Zumutung der bdquoFleischwerdungldquo des Logos an
Von V1 zu V18 spannt sich ein Bogen die Verbundenheit des Logos mit Gott wird aufgenommen und so abschlieszligend betont dass das Kommen des Logos als goumlttliche Offenbarung zu verstehen ist
96
Der Prolog VI ndash Auslegung
Paulus und Johannes sect191
VV1f
bull Joh setzt ein mit dem Bezug zum Ur-Anfang (Anspielung auf Gen 11) vor der Erschaffung der Welt Seine Rede von ἀρχή unterscheidet sich von der des Mk- oder LkEv
ndash Mk beginnt mit dem Taumluferwirken als bdquoAnfang des Evangeliumsldquo ndash Lk spricht in seinem Vorwort von den bdquoAugenzeugen von Anfang anldquo (Lk 12) ndash mit
vergleichbarer Bedeutung (s Apg 121f 1037f)
bull Die Vorgeschichten von Mt und Lk setzen beim Beginn der menschlichen Existenz Jesu an Joh bringt Jesus noch unmittelbarer zu Gott in Beziehung als es durch die geistgewirkte Empfaumlngnis aussagbar ist
bull Die folgende Jesus-Geschichte in die auch die Praumlexistenz Jesu aufgenommen ist (858) wird so grundlegend auf Gott zuruumlckgefuumlhrt
bull Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Christologie so
97
Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
108
Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
109
Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
115
Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
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Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
126
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
127
Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

95
Paulus und Johannes sect183
Der inkarnierte Logos bdquounter unsldquo (VV14ndash18)
bull Das Kommen des Logos in die Welt erscheint nun konkreter als bdquoFleischwerdungldquo
bull Nur noch die positive Reaktion wird geschildert aufgenommen in eine bdquoWir-Aussageldquo die Glaubenden erkennen bdquoim Fleischldquo die bdquoHerrlichkeitldquo des Logos (V14) Auch der Empfang von bdquoGnade uumlber Gnadeldquo (V16) weist auf diese Binnenperspektive
Zu erkennen ist eine doppelte Bewegung in je drei Etappen
(1) Der goumlttliche Logos kommt in die Welt in jeder Strophe konkreter gefasst bis zur bdquoFleischwerdungldquo so dass von einer konkreten Person zu sprechen ist (V17)
(2) Die Menschenwelt reagiert unterschiedlich (so zu den einzelnen Strophen) Bei der Konzentration auf die Glaubensperspektive begegnet die konkreteste Aussage zur Ankunft des Logos Der Glaube nimmt die Zumutung der bdquoFleischwerdungldquo des Logos an
Von V1 zu V18 spannt sich ein Bogen die Verbundenheit des Logos mit Gott wird aufgenommen und so abschlieszligend betont dass das Kommen des Logos als goumlttliche Offenbarung zu verstehen ist
96
Der Prolog VI ndash Auslegung
Paulus und Johannes sect191
VV1f
bull Joh setzt ein mit dem Bezug zum Ur-Anfang (Anspielung auf Gen 11) vor der Erschaffung der Welt Seine Rede von ἀρχή unterscheidet sich von der des Mk- oder LkEv
ndash Mk beginnt mit dem Taumluferwirken als bdquoAnfang des Evangeliumsldquo ndash Lk spricht in seinem Vorwort von den bdquoAugenzeugen von Anfang anldquo (Lk 12) ndash mit
vergleichbarer Bedeutung (s Apg 121f 1037f)
bull Die Vorgeschichten von Mt und Lk setzen beim Beginn der menschlichen Existenz Jesu an Joh bringt Jesus noch unmittelbarer zu Gott in Beziehung als es durch die geistgewirkte Empfaumlngnis aussagbar ist
bull Die folgende Jesus-Geschichte in die auch die Praumlexistenz Jesu aufgenommen ist (858) wird so grundlegend auf Gott zuruumlckgefuumlhrt
bull Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Christologie so
97
Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
108
Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
109
Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
115
Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
125
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
126
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
127
Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

96
Der Prolog VI ndash Auslegung
Paulus und Johannes sect191
VV1f
bull Joh setzt ein mit dem Bezug zum Ur-Anfang (Anspielung auf Gen 11) vor der Erschaffung der Welt Seine Rede von ἀρχή unterscheidet sich von der des Mk- oder LkEv
ndash Mk beginnt mit dem Taumluferwirken als bdquoAnfang des Evangeliumsldquo ndash Lk spricht in seinem Vorwort von den bdquoAugenzeugen von Anfang anldquo (Lk 12) ndash mit
vergleichbarer Bedeutung (s Apg 121f 1037f)
bull Die Vorgeschichten von Mt und Lk setzen beim Beginn der menschlichen Existenz Jesu an Joh bringt Jesus noch unmittelbarer zu Gott in Beziehung als es durch die geistgewirkte Empfaumlngnis aussagbar ist
bull Die folgende Jesus-Geschichte in die auch die Praumlexistenz Jesu aufgenommen ist (858) wird so grundlegend auf Gott zuruumlckgefuumlhrt
bull Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Christologie so
97
Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
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Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
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Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
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Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
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Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
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Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
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Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
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Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
125
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
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Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
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Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
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Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
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Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
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Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

97
Paulus und Johannes
VV3f
bull Die Verschiebung des Akzents auf die Schoumlpfungsmittlerschaft des Logos hebt den Zusammenhang mit Gen 1 nicht auf Gott kommt insofern als Schoumlpfer in den Blick als er seine Schoumlpfung durch die Mittlerschaft des Logos ins Werk setzte Deshalb wird nicht vom bdquoErschaffenldquo (ποιεῖν) gesprochen sondern vom bdquoWerdenldquo (γίνοmicroαι)
bull Durch die Schoumlpfungsmittlerschaft wird auch die Soteriologie im Ur-Anfang verankert bdquoIn ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschenldquo (V4) Damit ist auch die Universalitaumlt des Heils angedeutet das durch Jesus eroumlffnet ist
bull Das Problem der Interpunktion ist so zu loumlsen dass in V4 ein neuer Satz beginnt Das Leben (ζωή) ist fuumlr Joh nicht allgemein mit der Schoumlpfung verbunden sondern mit den Menschen
V5
bull bdquoFinsternisldquo ist nicht in gnostischem Sinn auf die materielle Welt zu beziehen sie bestimmt sich im Rahmen des joh Entscheidungs-Dualismus durch die Ablehnung des Lichts
bull Kaum zu entscheiden ist die Frage ob Joh an das fortdauernde Wirken des Logos in der Schoumlpfung denkt (deshalb Praumlsens φαίνει) und dessen Erfolglosigkeit feststellt (komplexiver Aorist οὐ κατέλαβεν) oder bereits an das geschichtliche Kommen des Logos in Jesus so dass in jeder Strophe dieses Kommen in den Blick kaumlme
98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
108
Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
109
Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
115
Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
125
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
126
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
127
Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die Leser des JohEv die mit dem Motiv des Herabsteigens vertraut sind (151 313ndash15) bereits in V33 erkennbar Die Aussage ist mehrdeutig das Brot Gottes ist das aus dem Himmel herabsteigende (Brot) oder das Brot Gottes ist der aus dem Himmel Herabsteigende
bull Die Houmlrer in der Szene denken das Brot noch als Objekt sie bitten um die Gabe (V34) Daraufhin offenbart sich Jesus als das Lebensbrot In ihm kommt die Suche der Menge ihre Sehnsucht nach dem wahren Leben zum Ziel ndash auch wenn sie dies letztlich nicht akzeptiert
138
Paulus und Johannes sect254
bull Mit dem Brotwort ist die Wende von der Sache zur Person ausdruumlcklich vollzogen Jesus selbst ist das Lebensbrot Dessen Bedeutung wird in einem doppelten Nachsatz entfaltet in dem der personalen Ausrichtung entsprechend nicht vom Essen des Brotes die Rede ist sondern vom Kommen zu Jesus und dem Glauben an ihn (beides erlaumlutert sich gegenseitig)
In den Kontext ist diese Formulierung gut eingepasst Der Satz ist zu denen gesprochen die zu Jesus gekommen sind und in der wunderbaren Speisung zeichenhaft die Saumlttigung erfahren haben
Die grundsaumltzliche Formulierung (mit substantiviertem Partizip) weist dennoch uumlber die Szene hinaus und zielt so auch auf die Leser des Evangeliums
Die zuverlaumlssige Lebenszusage VV36ndash40
bull Die Linie des Scheiterns der Beziehung zwischen Jesus und der Volksmenge wird fortgefuumlhrt der hoheitlichen Christologie des JohEv entsprechend von Jesus selbst formuliert (V36 mit wahrscheinlichem Bezug auf V26 die Weigerung ein Zeichen zu sehen bedeutet Unglaube)
bull Inhaltlich steht nun die Bewahrung der Glaubenden zum Leben im Vordergrund Entfaltet wird dies nicht im Bildfeld des Brotwortes sondern im Blick auf die verlaumlssliche Gemeinschaft (V36 wer glaubt wird nicht hinausgeworfen) die Leben bedeutet (V40) Es zeigen sich christologische Bezuumlge zu Kap 3 und 5 (31316 530)
139
Paulus und Johannes sect255
bull Der Zusammenhang von Glaube und Gnade klingt an (die Glaubenden als Gabe des Vaters an den Sohn VV3739 su zu V44)
Der Glaube angesichts des offenen Murrens VV41ndash46
bull Nun wird der Widerspruch offen erkennbar Er entzuumlndet sich an der Diskrepanz zwischen Anspruch Jesu (bdquovom Himmel herabgestiegenldquo) und bekannter irdischer Herkunft (bdquoSohn Josephsldquo) Joh loumlst diese Spannung nicht durch die Vorstellung der Geistzeugung denn er bezeugt sie an keiner Stelle (sa 145) Fuumlr ihn ist entscheidend dass Jesus nicht nach seiner irdischen Herkunft beurteilt wird Wer dies tut hat nicht verstanden wessen Sohn Jesus wirklich ist
bull Das bdquoMurrenldquo (γογγύζειν) haumllt den Bezug auf die Exodus-Tradition praumlsent (zB Ex 16 173) Diejenigen die darauf verweisen dass ihre Vaumlter das Manna in der Wuumlste gegessen haben empoumlren sich wie ihre Vaumlter gegen Gott und seine Fuumlhrung
140
Paulus und Johannes
bull Wie im vorherigen Abschnitt begegnet dem Unglauben eine Besinnung auf den Glauben Der Glaube erscheint in Gott gegruumlndet (sa VV37ndash40 847 102629 sa 665) Das Verhaumlltnis dieser an goumlttliche Vorherbestimmung anklingenden Aussagen zu jenen die zur Glaubensentscheidung aufrufen wird nicht geklaumlrt Diese Spannung gruumlndet in der Auseinandersetzung mit dem Problem des Unglaubens Vom gnadenhaften Charakter des Glaubens ist immer dann die Rede wenn der Anspruch Jesu bestritten wird (VV41f 664 83740 1024f) Auch diese Verweigerung ist noch umfangen vom Handeln (bzw Nicht-Handeln) Gottes So sind Gnade und Freiheit ineinander verwoben
bull Ein Schriftzitat unterstreicht die Beziehung der Glaubenden zu Gott (Jes 5413 in V45) Die umfassende Aussage (bdquoalleldquo φῶς) wird nachfolgend eingeschraumlnkt auf bdquojeden der (Jesus) houmlrtldquo (πᾶς ὁ ἀκούσας) Im Glauben also zeigt sich ob einer beim Vater gehoumlrt und gelernt hat Dass dazu die Vermittlung durch den Sohn noumltig ist unterstreicht eine eigens eingefuumlgte christologische Sicherung (V46) die auf den Prolog zuruumlckgreift (118)
141
Paulus und Johannes sect256
Das Essen des Lebensbrotes VV47ndash51
bull Zunaumlchst sagt ein Amen-Spruch worauf das Brotwort (aufgenommen aus V35) zielt ewiges Leben durch Glauben (V47) Dies wird parallel zu VV32ndash35 bildlich entfaltet (VV47ndash50 Zitat das Brotwortes Bezug auf Manna-Tradition Vermittlung ewigen Lebens)
bull Neu ist die bildliche Aussage vom Essen des Lebensbrotes In der urspruumlnglichen Gestalt des JohEv ist dies nicht in eucharistischem Sinn zu interpretieren Die VV51cndash58 sind wohl ein sekundaumlrer Zusatz Tatsaumlchlich wechselt mit V51c die Metaphorik grundlegend ndash Jesus erscheint nun als Geber des Brotes nicht als das Brot selbst ndash Praumlgende Begriffe sind Fleisch (σάρξ) und Blut (αἷmicroα) des Menschensohnes ndash Vom Glauben ist nicht mehr die Rede
bull Dass in VV50f vom Essen des Lebensbrotes gesprochen wird erklaumlrt sich aus der Parallelisierung mit dem Manna das in eine Vorgangsbeschreibung eingebunden ist (V49 bdquoDie Vaumlter aszligen und sind gestorbenldquo) Deshalb wird nun bdquoessenldquo zur Metapher fuumlr bdquoglaubenldquo (sa die Parallelitaumlt in der Verheiszligung zwischen V47 und V51b) Jesus bleibt im Blick als derjenige der in seiner Person Heil und Leben ist
142
Paulus und Johannes sect257
Fleisch und Blut des Menschensohnes VV52ndash58
bull Die Houmlrer reagieren auf das Wort von der Gabe des Fleisches Jesu dadurch dass sie bdquountereinander streitenldquo ndash zu verstehen als einmuumltiger Protest gegen dieses Wort (sa 643) Dabei ergibt sich typisch fuumlr das JohEv ein Missverstaumlndnis die Houmlrer verstehen in woumlrtlichem nicht in eucharistischem Sinn
bull Dieser Sinn wird eindeutig durch den Bezug auf das Blut in der Antwort Jesu (V53) jedenfalls fuumlr die Leser des Werks Die massive Betonung der Notwendigkeit des Eucharistie-Empfangs einzigartig im Neuen Testament erklaumlrt sich wohl aus einer innerchristlichen Frontstellung Aus den theologischen Praumlferenzen des Evangelisten (oder der Redaktion) allein ist sie nicht ableitbar da sie im JohEv ganz vereinzelt bleibt Die Bedeutung des Glaubens geraumlt aus dem Blick
Mit dem Bezug auf die Eucharistie wird der Tod Jesu angedeutet wie auch der Gebrauch des Menschensohn-Titels zeigt Er ist mit der bdquoErhoumlhungldquo und dadurch auch mit dem Kreuz verbunden (s im Kontext auch 661f)
143
Paulus und Johannes
bull Nach V53 folgen Variationen des eucharistischen Themas Das Herrenmahl wird mit verschiedenen Ausdrucksformen joh Christologie verbunden ndash V54 Vermittlung ewigen Lebens Was in V40 dem Glauben verheiszligen wird gilt nun denen die teilhaben an der Eucharistie ndashgedacht als Ergaumlnzung nicht als Ersatz fuumlr den Glauben ndash V56 Gegenseitiges Ineinandersein Noch ehe von der gegenseitigen Immanenz von Vater und Sohn gesprochen (1038) und das Thema (passend) in den Abschiedsreden entfaltet wird findet sich der einmalige Zusammenhang mit der Eucharistie Offensichtlich sollte eine Aussageweise joh Christologie an die Eucharistie gekoppelt werden und dies lieszlig sich am besten mit der Brotrede verbinden Deshalb kommt die Immanenzformel im Ablauf des JohEv bdquoverfruumlhtldquo und verstaumlrkt so den Eindruck des sekundaumlren Charakters des eucharistischen Abschnitts VV51cndash58 ndash V57 Sendung Jesu durch den Vater Im gesandten Sohn ist Leben zugaumlnglich (s 524ndash26) nun verbunden mit dem Herrenmahl Das Futur (bdquowird lebenldquo ζήσει) kann als logisches (vom Standpunkt des Sprechers aus) oder als eschatologisches (Bezug auf den bdquoletzten Tagldquo) Futur verstanden werden ndash die Entscheidung haumlngt auch ab von der Position die man zur Einheitlichkeit des JohEv und seiner Eschatologie einnimmt
144
Paulus und Johannes
bull In V55 werden Fleisch und Blut Jesu als bdquowahre Speiseldquo und bdquowahrer Trankldquo bestimmt ndash Damit kann auf die Realitaumlt des Essensvorgangs abgehoben sein auch wenn dafuumlr das Adjektiv ἀληθινός eigentlich passender waumlre (jedoch laumlsst sich ἀληθής davon im JohEv nicht scharf abgrenzen) ndash Auszligerdem kann die Zuverlaumlssigkeit dieser Speise betont sein die das bewirkt was Nahrung bewirken soll sie erhaumllt am Leben So wuumlrde sich auch der begruumlndende Anschluss an V54 erklaumlren
bull V58 ist Resuumlmee der Brotrede Jesus wird als das vom Himmel herabgestiegene Brot in Erinnerung gebracht die Kontrastierung mit der Manna-Tradition wird aufgenommen und so formuliert dass Eucharistie- und vorangegangene Brotrede miteinander verbunden sind einerseits wird wieder vom Brot gesprochen (τὸν ἄρτον) und nicht mehr vom bdquoFleischldquo andererseits ist das dazugehoumlrige Verb nur im eucharistischen Abschnitt zu finden (ὁ τρώγων)
Glaube und Sakrament werden nicht durch eine terminologisch fassbare Klammer aufeinander bezogen sondern durch die Komposition der Rede
145
Johanneische Eschatologie I - Traditionell-futurische Linie
Paulus und Johannes sect261
Parusie Christi Joh 142f fuumlr sich betrachtet bietet mehrere Elemente urchristlicher Parusie-Erwartung erneutes Kommen Christi dieses bringt die Erloumlsung in naher Zukunft der Blick bleibt
auf die Gemeinde gerichtet
Auferweckung bdquoam letzten Tagldquo Dieses Motiv erscheint viermal in der Brotrede (639404454) auszligerdem in 1124 und 1248 (dort bezogen auf das Gericht)
Allgemeine Totenauferstehung In 528f wird ein Geschehen angekuumlndigt das bdquoalle in den Graumlbernldquo betrifft Es folgt die Scheidung in Gerettete und Gerichtete (vgl Mt 2531ndash46)
Kein apokalyptisches Szenario Apokalyptische Szenarien wie sie uns die Endzeitrede Mk 13parr bietet sind im JohEv nicht zu finden Der Blick richtet sich nicht auf Katastrophen in Menschenwelt und Kosmos ein Erscheinen des Menschensohnes bdquomit den Wolken des Himmelsldquo ist bei Joh nicht belegt
146
Johanneische Eschatologie II- Praumlsentische Linie
Paulus und Johannes sect262
bdquoWer glaubt hat ewiges Lebenldquo
Joh bietet Worte die den Gewinn des ewigen Lebens nicht fuumlr die Zukunft verheiszligen sondern den Glaubenden fuumlr die Gegenwart zusagen 317 524f
Besonders instruktiv ist die im Grundbestand eigentlich futurische Aussage in 525 Der Einschub bdquound ist jetzt daldquo signalisiert dass ein fuumlr die Zukunft erwartetes Ereignis die Totenauferstehung sich bereits jetzt ereignet
Individualisierung und kuumlnftige Dimension
bull In Joh 336 teilen sich zwei Zeitstufen auf nach der unterschiedlichen Reaktion auf die Offenbarung in Jesus Dem Glaubenden wird das Leben jetzt zugesagt fuumlr den Nichtglaubenden wird die kuumlnftige Teilhabe am Leben ausgeschlossen doch bleibt der Zorn Gottes auf ihm Die Zukunft wird also ganz von der gegenwaumlrtigen Entscheidung bestimmt
Wegen der individuellen Ausrichtung des Spruches ist das futurische Element auf die je eigene Lebensspanne zu beziehen
147
Paulus und Johannes
bull Das Ich-bin-Wort in 1125f bestaumltigt dieses Verstaumlndnis Die Zukunftsaussage wird ausdruumlcklich im Blick auf den individuellen Tod gefasst Vom Glaubenden heiszligt es er sterbe gewiss nicht in Ewigkeit Dies ist am besten so zu verstehen dass der Tod des Glaubenden kein Sterben bedeute sondern Leben Der Tod ist Uumlbergang ins Leben denn der Glaubende hat bereits das Leben
Lebenszusage des Erhoumlhten
Einige Aussagen machen deutlich dass der Lebensgewinn an die Erhoumlhung Jesu gebunden ist (313ndash15 662 1232) Der Irdische der gesandte Sohn ist in der joh bdquoHorizontverschmelzungldquo immer schon als der Erhoumlhte gesehen
148
Johanneische Eschatologie III ndash einheitlich
Paulus und Johannes sect2712
Haumlufig wird heute eine Deutung vertreten die beide vorgestellte Linien auf eine einheitliche eschatologische Anschauung des Evangelisten zuruumlckfuumlhrt Dass der Glaubende das Leben hat bedeutet demnach ihm kann bei kuumlnftiger Totenauferstehung und Gericht dieses Leben nicht mehr genommen werden Das jetzt im Glauben gewonnene Leben vollendet sich bei den kuumlnftigen eschatologischen Ereignissen am Ende der Zeit
Grundsaumltzliche Bedenken
bull Haumltte der Evangelist seine Eschatologie von vornherein auf eine solche bdquoDoppelstrategieldquo im Blick auf Gegenwart und Zukunft angelegt waumlre damit zu rechnen dass er die innere Verbindung offen legt Beide Linien stehen aber nebeneinander ohne dass ihr Zusammenhang ausdruumlcklich geklaumlrt wuumlrde
bull Die Gabe des ewigen Lebens in der Gegenwart wird relativiert wenn das Leben durch den physischen Tod unterbrochen und erst am Ende der Zeit wieder in Kraft gesetzt wird
149
Paulus und Johannes sect2734
Literarkritische Zweifel
Alle Stellen an denen eine traditionell-futurische Eschatologie zur Sprache kommt sind literarkritisch bdquoverdaumlchtigldquo und koumlnnten spaumltere Zusaumltze sein
Ausnahme Es erfolgt eine Deutung auf praumlsentische Eschatologie im Kontext (1124 142f)
Die Tendenz des Evangelisten
Futurisch orientierte Aussagen werden nicht nur im Rahmen desselben Spruches in die Gegenwart gezogen (so 525)
bull Die Abschiedsrede in Kap 14 nimmt wesentliche Stichworte aus der bdquoParusieankuumlndigungldquo in 142f auf (weggehen kommen Wohnung) und deutet sie neu auf die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
bull Die Antwort Jesu an Martha in 1125f setzt einen deutlichen Gegenakzent zur bdquotraditionellenldquo Aussage in 1124 ndash nicht nur durch die christologische Zuspitzung sondern auch durch die zeitliche Struktur Der Tod kann das den Glaubenden gegebene Leben nicht beeintraumlchtigen Eine Ausrichtung auf die Auferstehung am letzten Tag wird sinnlos
150
Paulus und Johannes sect275
Eschatologische Relecture
bull Die Eschatologie des JohEv ist also nicht aus einem Guss Die Grenzlinien zwischen praumlsentischem und futurischem Konzept verlaufen an literarkritisch bdquoverdaumlchtigenldquo Stellen Deshalb liegt die Folgerung nahe das JohEv wurde bei der Relecture im Schuumllerkreis auch in der Eschatologie bearbeitet
Dies fuumlhrte zu einem neuen Akzent Der Grundzug dass die Entscheidung uumlber Heil oder Gericht in Annahme oder Ablehnung des gesandten Sohnes faumlllt wird nun auf Parusie und allgemeine Totenauferweckung bezogen
bull Vorteile dieser Rekonstruktion ndash Die Unstimmigkeit (so Was bedeutet die Gabe des Lebens in der Gegenwart wenn sie
erst in der Zukunft in Kraft gesetzt wird) erklaumlrt sich aus der Tatsache der Uumlberarbeitungeines gegebenen Konzepts
ndash Dasselbe gilt fuumlr die Tatsache dass der innere Zusammenhang beider Linien im Text nicht geklaumlrt wird
ndash Auch die Schluss-Stellung von Aussagen die die futurische Dimension einbringen laumlsst sich gut verstehen wenn diese erst nachtraumlglich in den Text gekommen sind
151
Johanneische Eschatologie IV ndash Zu 519ndash30
Paulus und Johannes sect2812
Kontext
bull Die Rede ergeht im Rahmen der Auseinandersetzung die durch die Heilung des Gelaumlhmten am Sabbat hervorgerufen wird (51ndash9)
bull Neben der Aufloumlsung des Sabbats wird Jesus der Vorwurf gemacht durch das von ihm beanspruchte Verhaumlltnis zu Gott als seinem Vater sich Gott gleichgemacht zu haben (518bc) Dies fuumlhrt zur Absicht Jesus zu toumlten
bull Jesus kann trotzdem ungehindert zu seinen Gegnern sprechen ndash ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hoheitliche Christologie des JohEv Die Gegner Jesu haben keine wirkliche Macht uumlber ihn
Aufbau
bull Der Abschnitt 519ndash30 ist der erste Teil der Vollmachtsrede zusammengehalten durch eine Klammer zwischen V19 und V30 Es zeigt sich eine ansatzweise parallele Struktur die gebildet wird durch zwei Amen-Worte und zwei Gleichsetzungen (bdquowie der Vater so auch der Sohnldquo)
152
Paulus und Johannes
bull Die Parallelitaumlt ist nicht perfekt doch sind die Einschnitte deutlich genug gesetzt um strukturierend zu wirken In zwei Durchgaumlngen wird die Vollmacht Jesu entfaltet als Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht
bull Der zweite Durchgang wiederholt nicht einfach den ersten sondern blickt mit dem Bezug auf den Glauben auch auf die Bedingung des Lebensgewinns auf der Seite des Menschen
VV19f Amen-Wort Die Wirkeinheit von Vater und Sohn
VV21ndash23 Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
VV24f Amen-Wort Glaube als Lebensgewinn in der Gegenwart
VV26f Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn
[VV28f Das kuumlnftige Gericht]
V30 Quintessenz Jesus als gerechter Richter in voumllliger Willensuumlbereinstimmung mit Gott
153
Paulus und Johannes sect283
Klammer zwischen V19 und V30
bull In beiden Faumlllen ist der Gedanke der Einheit von Vater und Sohn ausgedruumlckt wird der Sohn kann nichts bdquovon sich ausldquo tun
bull V30 variiert die fruumlhere Aussage in dreierlei Hinsichtndash Die Einheit des Wirkens von Vater und Sohn erscheint nun als Willensuumlbereinstimmung ndash Jesus spricht nun in der 1 Person die auch in der weiteren Rede dominiert Alles was
uumlber den Sohn gesagt wurde trifft auf Jesus zu Die Gottesbeziehung Jesu wird zunaumlchst mit jenen Begriffen verhandelt in denen die exklusive Naumlhe unmittelbar ausgedruumlckt wird ehe Jesus sie ausdruumlcklich fuumlr sich beansprucht
ndash Jesus spricht nun vom Gericht das in seiner Hand liegt Dazu gehoumlrt auch die Macht Leben zu vermitteln doch wird hier das Gericht in den Vordergrund gestellt weil die Vollmacht Jesu profiliert werden soll
154
Paulus und Johannes sect284
Einzelexegetische Hinweise
Uumlber das zu einzelnen Stellen bereits Ausgefuumlhrte hinaus ist zu beachten
VV19f bull Gegen den Vorwurf der Sabbatverletzung wird die Einheit von Vater und Sohn betont Da Jesus der Sohn ist beansprucht er bdquonichts von sich ausldquo Er hat sich nicht Gott gleichgemacht
bull Zwar gelingt der Ruumlckbezug auf die Goumlttlichkeit des Logos in 11 terminologisch nicht glatt (θεός in 518 mit Artikel) Durch die so stark hervorgehobene Einheit von Vater und Sohn gewinnt man dennoch den Eindruck die Gegner haumltten nur insofern unrecht als sie Jesus vorwerfen sich selbst Gott gleichgemacht zu haben
bull Die bdquogroumlszligeren Werkeldquo sind zunaumlchst auf die Wundertaten zu deuten hintergruumlndig duumlrfte aber auch ein Bezug auf die Vermittlung des Lebens und die Durchfuumlhrung des Gerichts angezielt sein
155
Paulus und Johannes
VV21ndash23bull Die Einheit von Vater und Sohn wird durch die Uumlbertragung der Vollmacht zu Lebensgabe
und Gericht an den Sohn entfaltet Das Gericht erscheint nicht unter dem negativen Aspekt des Ausschlusses vom Heil vielmehr zielt jene Vollmachtsuumlbertragung auf die Ehrung des Sohnes ohne die die Ehrung des Vaters (Gottes) nicht moumlglich ist (Antwort auf den Vorwurf in 518)
bull Bereits hier zeigt sich die zeitliche Verschiebung zur Gegenwart die dann in VV24f ausgefuumlhrt wird Dass der Sohn diejenigen lebendig macht bdquodie er willldquo (V21) druumlckt nicht Willkuumlr aus sondern akzentuiert die Autoritaumlt und Souveraumlnitaumlt des Sohnes
VV24f bull In V25 ist nicht auf ein Geschehen am Ende der Zeit angespielt (allgemeine Totenauf-
erstehung) die Gerichtsvorstellung bleibt ausgeblendet Die bdquoToten die die Stimme des Gottessohnes houmlrenldquo sind nicht die in den Graumlbern sondern metaphorisch die Menschen auszligerhalb der Offenbarung des Sohnes Das Houmlren ist dasjenige das mit dem Glauben verbunden ist (V24)
bull Dass der Glaube sich auf Gott richtet und nicht direkt christologisch bestimmt wird passt sich in diese Auslegung ein An den Gott der Jesus sendet kann man nicht glauben ohne dass man an den Gesandten glaubt Die (im engeren Sinn) theo-logische Formulierung erklaumlrt sich aus dem Kontext So kann noch einmal die Einheit von Vater und Sohn akzentuiert werden
156
Paulus und Johannes
VV26f
bull Wenn nun erneut die Uumlbergabe der Vollmacht zu Lebensvermittlung und Gericht an den Sohn angefuumlhrt wird ist nach VV24f der Zusammenhang mit dem Glauben klar
bull Die Uumlbertragung der Vollmacht zum Gericht ist in V27 nicht auf ein kuumlnftiges Richterhandeln des Menschensohns ausgerichtet Zu VV28f besteht kein direkter terminologischer Bezug Liest man die Aussage parallel zu VV21f (so zur Struktur) geht es um die Vollmacht die dem Menschensohn in der Zeit seines irdischen Wirkens zukommt Die traditionell mit der Erhoumlhung des Menschensohnes verbundene Ausrichtung auf dessen kuumlnftiges Erscheinen spielt hier keine Rolle Die verschiedenen Zeitebenen sind vereint und konzentriert auf die Gegenwart der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben
157
Johanneische Eschatologie V ndash Der Paraklet
Paulus und Johannes sect2912
Wortbedeutung und Verwendungsweisen
bull Das griechische Wort παράκλητος das unuumlbersetzt mit bdquoParakletldquo wiedergegeben wird bedeutet woumlrtlich bdquoder Herbeigerufeneldquo und bezeichnet urspruumlnglich vor allem den Beistand vor Gericht aber auch in anderen Zusammenhaumlngen den Fuumlrsprecher Sekundaumlr erhielt der semantisch anpassungsfaumlhige Begriff bdquoParakletldquo dann auch den Sinn einer der ermutigt troumlstet mahnt belehrt
bull In der joh Tradition ist nicht allein der Geist als Paraklet gesehen sondern auch Jesus selbst (1Joh 21f sa Joh 1416 der Geist als der andere Paraklet) Zwischen dem Irdischen und dem Erhoumlhten ist dabei nicht zu differenzieren
Die Paraklet-Spruumlche in Joh 14ndash17 bull Der Paraklet ndash bdquoGeist der Wahrheitldquo (1417 1526 1613) oder bdquoheiliger Geistldquo (1426) ndashgeht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (141216) oder wird von Jesus zu seinen Juumlngern gesandt (1526 167) wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (1613)
158
Paulus und Johannes
bull Das Kommen des Geistes zielt auf die Kontinuitaumlt der Gemeinschaft Jesu mit den Juumlngern (1416) Damit ist auch auf die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung abgehoben ndash gemaumlszlig der joh Besonderheit die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes
bull Im zweiten Paraklet-Spruch wird dies noch deutlicher der Geist wird die Juumlnger alles lehren und sie an alles erinnern was Jesus gesagt hat (1426) Er erschlieszligt das Wirken Jesu fuumlr die Glaubenden
bull So wird durch die Gemeinde bei der der Geist ist die Welt bleibend mit der Jesus-Offenbarung konfrontiert so dass Glaube und Unglaube Heil und Gericht sich in jeder Gegenwart ereignen koumlnnen
bull In den Paraklet-Spruumlchen in Kap 15f wird staumlrker der Bezug zur Welt und auf die Zukunft hin akzentuiert Dies bestaumlrkt den Eindruck einer eigenen Ausrichtung von Joh 15ndash17 als bdquoRelectureldquo im Zusammenhang einer spaumlteren Bearbeitung des Werkes
bull Die Bedeutung des Wortes bdquoParakletldquo in den Abschiedsreden kann zusammenfassend wohl am besten mit bdquoBeistandldquo bestimmt werden

98
Paulus und Johannes sect192
VV6-8
bull Johannes wird einerseits von Jesus negativ abgegrenzt (bdquonicht das Lichtldquo) andererseits positiv bestimmt durch das Sendungs-Motiv und seine Funktion als Zeuge fuumlr das Licht Auch in der Erzaumlhlung spielen die Stichworte microαρτυρία (Zeugnis) bzw microαρτυρέω (bezeugen) im Taumluferkontext eine besondere Rolle (1193234 326 53336)
bull Das Taumluferzeugnis zielt auf Glauben von V12 her ist die christologische Bestimmung dieses Glaubens eindeutig (sa 1040ndash42) Seine Sendung wie auch seine untergeordnete Bedeutung im Verhaumlltnis zu Jesus spricht der Taumlufer selbst in der Erzaumlhlung aus (326ndash30)
An der Person des Johannes ist die Verzahnung zwischen Prolog und Erzaumlhlung besonders deutlich zu erkennen
VV9-11
bull Das Subjekt kann fuumlr V9 nicht aus dem vorherigen Satz uumlbernommen werden Wenn der Logos Subjekt sein sollte waumlre eine ausdruumlckliche Nennung zu erwarten So bleibt die Moumlglichkeit das Licht als Subjekt zu verstehen Jenes Licht von dem Johannes Zeugnis abgelegt hat war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet
bull Dann ist die partizipiale Wendung am Ende von V9 (ἐρχόmicroενον εἰς τὸν κόσmicroον) am besten als Teil des Relativsatzes zu verstehen und zwar als Erlaumluterung der ganzen Aussage das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet wenn es in die Welt kommt
99
Paulus und Johannes
bull Dieses Kommen ist auf die Geschichte Jesu zu beziehen Auf das geschichtliche Zeugnis vom Licht (Johannes) folgt der Bezug auf das geschichtliche Erscheinen des Lichts Schauplatz ist die Welt ndash Der Doppelsinn von κόσmicroος zeichnet sich ab Einerseits ist damit die Sendung Jesu universal bestimmt andererseits ist bdquodie Weltldquo durch die Ablehnung Jesu konstituiert (V10c Abschiedsreden) ndash Von der bdquoWeltldquo her ist bdquoEigentumdie Eigenenldquo (V11) zu deuten
VV12f
bull Die positive Reaktion auf das Kommen des Logos als aufnehmen (Antithese zu V11fin) und gut joh als bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) bezeichnet wird soteriologisch mit der Gabe der Gotteskindschaft entfaltet die betont allein in Gott gegruumlndet wird
bull Die Gegenuumlberstellung von Ablehnung und Aufnahme in den VV10ndash13 nimmt die Grundstruktur der Erzaumlhlung vorweg Der Bezug auf die Glaubenden bereitet die Wir-Rede im folgenden Vers vor
100
Paulus und Johannes sect193
V14
bull Der Ur-Anfang ruumlckt in greifbare Naumlhe bdquoer wurde Fleischldquo und laumlsst sich deshalb mit einer bestimmten Person identifizieren seine Anwesenheit wird von einer bdquoWir-Gruppeldquo bezeugt
bull Die bdquoWir-Sprecherldquo zeichnen sich dadurch aus dass sie die Spannung zwischen Hoheit und Niedrigkeit aushalten In seiner menschlichen Existenz kann Jesus als Offenbarer Gottes erkannt werden bdquoWir haben seine Herrlichkeit gesehenldquo ndash die Herrlichkeit die sich im bdquoFleischgewordenenldquo zeigt Die Spannung zwischen V14a und V14b ist nicht dadurch aufzuloumlsen dass man entweder die Inkarnation (R Bultmann) oder die Herrlichkeit (E Kaumlsemann) einseitig betont
bull Die Spannung praumlgt auch die besondere Begrifflichkeit des Joh fuumlr die Passion Jesu Was aumluszligerlich als Erniedrigung erscheint ist in Wahrheit Verherrlichung
bull Unterstrichen wird die Zugehoumlrigkeit Jesu zu Gott durch die Exklusivitaumlt der Gottesbeziehung kein anderer kann diese δόξα (Herrlichkeit) fuumlr sich beanspruchen sie ist kommt dem Einzigerzeugten zu
bull Angesichts dieser exklusiven und sein Wesen bestimmenden Herkunft von Gott kann dem inkarnierten Logos die Fuumllle von Gnade und Wahrheit zugesprochen werden also die im Heilswillen begruumlndete Zuwendung Gottes ndash nun nicht mehr speziell auf Israel bezogen (zB Ex 346) sondern umfassend auf die Menschen
101
Paulus und Johannes
V15
bull Der zweite Taumlufer-Einschub zeigt wie Johannes Zeugnis abgelegt hat durch Bekenntnis zur zeitlichen Prioritaumlt Jesu (s 130 127)
bull Die verwendeten Zeitformen (Praumlsens und Perfekt) der Rede-Einleitung weisen darauf hin dass das Zeugnis des Johannes als bleibendes wahrgenommen werden soll Aus der Gegenwartsperspektive erklaumlrt sich wohl auch die Vergangenheitsform im Taumluferzeugnis (bdquoDieser war ldquo) das zum Taumluferwort nicht recht passt
V16
bull Der Kreis der Wir-Sprecher ist nun erweitert (bdquowir alleldquo) ndash nicht nur die Augenzeugen sondern alle Glaubenden sind eingeschlossen
bull Die soteriologische Bedeutung der christologischen Aussage von V14 wird nun entfaltet Dass der Logos Traumlger des goumlttlichen Heilswillens ist bewahrheitet sich in der Vermittlung des Heils im unerschoumlpflichen Strom der Gnade
102
Paulus und Johannes
V17
bull Der unvermittelte Bezug auf Gesetz und Mose zielt nicht auf einen Gegensatz zu Christus sondern dient als offenbarungstheologisches Signal Mit ihm ist aber zugleich angedeutet dass die durch Mose vermittelte Offenbarung nicht das letzte Wort ist sondern uumlberboten wird durch das Kommen Christi
bull Deshalb werden unterschiedliche Verben verwendet Mose erscheint als Mittler (das Gesetz wurde durch ihn gegeben ἐδόθη) Christus wird unmittelbarer mit bdquoGnade und Wahrheitldquo verbunden sie kamen durch ihn (ἐγένετο) Entsprechend wird er spaumlter in seiner Person als bdquoWahrheitldquo bezeichnet (146)
bull Nun kommen die Bezuumlge zur atl-juumldischen Tradition (Schoumlpfung Weisheit Sinai-Offenbarung) zu einem gewissen Abschluss Um diesen Horizont zur Wirkung kommen zu lassen erscheint der Name bdquoJesus Christusldquo erst so spaumlt im Prolog ndash erst nachdem die Dimensionen benannt sind um die es in der folgenden Geschichte geht
103
Paulus und Johannes
V18
bull In der Aussage niemand habe Gott je gesehen muss keine Polemik gegen einen Anspruch unmittelbarer Gottesschau mitschwingen Denkbar ist auch (im Ruumlckgriff auf Ex 3318ndash23) dass die durch Mose vermittelte Offenbarung uumlberboten werden soll
bull Die Praumldikationen in V18bc beziehen sich nicht auf den irdisch wirkenden Jesus sondern auf den goumlttlichen Logos in der himmlischen Welt ndash die Wendung microονογενὴς θεός (Einziggezeugter Gott [von Art]) schlaumlgt nicht nur einen Bogen zu V14 sondern auch zu V1 also geht der Blick auf den Ur-Anfang und das goumlttliche Wesen des Logos ndash Zwar weist die Praumlposition in der Formulierung εἰς τὸν κόλπον auf eine Richtungsangabe (also zum Schoszligzum Herzen des Vaters [hingeneigt]) Das wiese eher da eine gewisse Distanz ausgedruumlckt ist auf den irdischen Jesus und seine Verbindung zu Gott Jedoch ist in der Koine der Praumlpositionsgebrauch verwischt so dass auch eine Ortsangabe moumlglich ist (im Schoszlig) Dies passt besser zum verwendeten Bild
In V18 wird die Bewegung angedeutet die den Offenbarer von der himmlischen Welt aus auf die Erde bringt Die Kunde die er gebracht hat kann nun in der Erzaumlhlung entfaltet werden
104
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch I
Paulus und Johannes sect201
Die Szene
bull Es treten nur Jesus und Nikodemus auf Die Gespraumlchsfuumlhrung ist eigenwillig Nikodemus scheint ploumltzlich aus der Szene zu verschwinden ein Abgang wird nicht erzaumlhlt
bull Pluralische Formulierungen deuten an dass Jesus (V11) und Nikodemus (V212) nicht nur fuumlr sich sprechen sondern als Vertreter einer Gruppe
bull Auch inhaltlich gilt Die Worte Jesu sind vielfach so formuliert dass die Gegenwart der Gemeinde und ihr Bekenntnis in den Blick kommt
bull Nikodemus steht fuumlr juumldische Sympathisanten der Christusverkuumlndigung die den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen Deshalb wird auch keine Reaktion geschildert Nikodemus bleibt im ganzen Evangelium in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus (745ndash52 1938ndash42 sa 1242f)
105
Paulus und Johannes
Es empfiehlt sich eine Strukturierung des Abschnitts anhand des Gespraumlchsgangs und der in ihm verhandelten Fragen
1 Gespraumlchseroumlffnung durch Nikodemus (VV1f)
2 Erwiderung Jesu und Gespraumlch zur Rettung durch bdquoGeburt von obenldquo (VV3ndash8)
3 Die christologische Fundierung der Rettung (VV9ndash21) a) Hinfuumlhrung das unverstandene und abgelehnte Zeugnis (VV9ndash12) b) Die Erhoumlhung des Menschensohns (VV13ndash15)
c) Die Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes (VV16f) d) Die Sendung des Sohnes als das eschatologische Ereignis (VV18ndash21)
106
Christologische Motive im Nikodemus-Gespraumlch II
Paulus und Johannes sect202
VV1f Jesu Zeichen als Ausgangspunkt
bull Das naumlchtliche Kommen weist darauf dass Nikodemus sich nicht offen zu Jesus bekennen will (sa 1242f) auszligerdem auf seine noch fehlende Einsicht Ohne die Offenbarung durch Jesus befindet sich Nikodemus in der Dunkelheit
bull Der Ausgangspunkt bei den Zeichen Jesu ist aber nicht falsch Dass sich Jesus in machtvollen Wundertaten (σηmicroεῖαZeichen) offenbart ist ein Grundzug joh Christologie
ndash Traditionsgeschichtlich setzt diese Rede von Zeichen an den Glaubenszeichen der Exodustradition an die Erkenntnis Gottes vermitteln (Ex 735) Glaube an Gott hervorrufen (Num 1411) den Gesandten Gottes beglaubigen (Ex 41ndash9) das Achten auf die Gebote begruumlnden (Dtn 113) sollen
ndash Die Bedeutung der Zeichen liegt in ihrer Verweisungsfunktion sie machen die Bedeutung des Wundertaumlters offenbar Die joh Zeichen zeigen (durch die Steigerung des Wunderhaften) die Herrlichkeit Jesu als des fleischgewordenen Wortes des Sohnes und Offenbarers Gottes (vgl 114 211 114) und sollen zum Glauben fuumlhren
107
Paulus und Johannes
ndash Wunderkritische Bemerkungen (223f evtl auch 448) erklaumlren sich aus der Tatsache dass man bei der aumluszligeren Wunderhandlung stehen bleiben kann ohne den Schritt zum Glauben zu tun Dann wuumlrden die Wunder nicht als Zeichen wahrgenommen In diesem Sinn kann Joh 626 als Schluumlssel zur joh Zeichen-Christologie verstanden werden
ndash Grundsaumltzlich stellen die Zeichen nicht weniger als das Wort Jesu vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben So folgt der Todesbeschluss gerade auf das machtvollste Zeichen Jesu hin
ndash Der Zeichencharakter einiger Wunder wird dadurch verdeutlicht dass ihr Symbolgehalt in Jesus-Worten herausgearbeitet wird (Brotvermehrung Jesus als Brot des Lebens Blindenheilung Jesus als Licht der Welt Auferweckung des Lazarus Jesus als Auferstehung und Leben)
Dass Jesus bdquovon Gott kommtldquo Gott bdquomit ihm istldquo und dies an der Groumlszlige der von ihm gewirkten Zeichen zu erkennen ist (V2) sieht Nikodemus also richtig
108
Paulus und Johannes sect203
VV3-8 Weiterfuumlhrung durch Jesus Rettung durch Geburt von oben
bull Jesus fuumlhrt das Gespraumlch weiter ohne die Aussage des Nikodemus zu kommentieren Notwendig ist nicht nur die von Nikodemus formulierte Erkenntnis sondern eine wirkliche Neuschoumlpfung von Gott her
bull Nur hier wird im JohEv die Rettung des Menschen mit dem Eingehen in die Basileia verbunden Das Gezeugt- oder Geborenwerden ἄνωθεν verweist die Leser auf den Prolog zuruumlck Sie unterliegen nicht dem Missverstaumlndnis des Nikodemus der das ἄνωθεν als bdquovon neuemldquo auffasst und auf einen irdischen Vorgang bezieht Es geht um das Gezeugt- oder Geborenwerden bdquoaus Gottldquo (113) die grundlegende Neuschaffung menschlicher Existenz
bull Deren Notwendigkeit wird unterstrichen durch die Gegenuumlberstellung von bdquoFleischldquo und bdquoGeistldquo (sa 113) Aus der Anspielung auf die Taufe (V5) wird nicht der Aspekt des Wasserritus sondern der Geistvermittlung aufgenommen
bull In V8 wird da es sich um einen Vergleich handelt zunaumlchst vom Wind gesprochen der an seinen Wirkungen erkennbar ist Ursprung und Ziel sind unbekannt So sind die Glaubenden als aus dem Gottesgeist Geborene an den Wirkungen des Geistes erkennbar die Herkunft und das Ziel dieser Gotteskraumlfte aber bleibt verborgen
109
Paulus und Johannes sect204
VV9-12 Die Uumlberleitung zur christologischen Frage
bull Die Frage des Nikodemus in V9 bezieht sich grundsaumltzlich auf das seit V3 verhandelte Geborenwerden bdquovon obenldquo Die kritische Ruumlckfrage Jesu (V10) deutet an dass angesichts der religioumlsen Tradition Israels nichts Ungewoumlhnliches vorgetragen wurde
bull In V11 verschiebt sich das Gespraumlch in einer doppelten Hinsicht ndash Die Situation der Gemeinde die sich zu Jesus bekennt ist aufgenommen (bdquowirldquo) ndash Es geht nicht mehr nur um die Ausgangsfrage wie Geburt aus dem Geist moumlglich ist Es
kommt vielmehr deren Grund in den Blick das Handeln Gottes zugunsten der Welt in der Sendung des Sohnes
bull Vielleicht erklaumlrt sich so auch die Unterscheidung in V12 von bdquoIrdischemldquo (vom Menschen aus gedacht was ihm zur Rettung geschehen muss) und bdquoHimmlischenldquo (die Erhoumlhung des Menschensohnes als Bedingung des Lebensgewinns fuumlr die Glaubenden ndashnach 661f eine schwer zu fassende Aussage)
110
Paulus und Johannes
VV13-15 Die Erhoumlhung des Menschensohns
bull Jesus scheint auf seine Ruumlckkehr zum Vater zuruumlckzublicken er spricht hier das Bekenntnis der Gemeinde aus Die Zeitebenen zwischen Jesus und glaumlubiger Gemeinde sind uumlberblendet
bull Das Motiv des Hinauf- und Hinabsteigens ist auch in 151 mit dem Menschensohn
verbunden In Anspielung auf Gen 2812 wird der Menschensohn zum Ort an dem Himmel und Erde verbunden sind zum Ort der Offenbarung Gottes in der Welt (s 118)
bull Nach V13 ist es allerdings der Menschensohn selbst der hinab- und hinaufsteigt Hier druumlckt sich die exklusive Naumlhe Jesu zu Gott aus er ist keine Gestalt dieser Welt sondern aus dem Himmel zu den Menschen gekommen Dies ist wohl gerade deshalb mit dem Titel bdquoMenschensohnldquo verbunden weil Joh die moumlgliche Folgerung abwehren will Jesus koumlnne als aus der Menschenwelt hervorgegangen verstanden werden
111
Paulus und Johannes
bull Neben dem Hinauf- und Hinabsteigen ist auch das Motiv der Erhoumlhung besonders mit dem Menschensohn verbunden ndash Sie wird als notwendig (δεῖ) bezeichnet mit einem typologischen Verweis auf ein Ereignis aus der Wuumlstenwanderung Israels verbunden (Num 218f) und so zur Chiffre fuumlr die Kreuzigung Jesu Die Schlange am Stab ist der Typos das heilsgeschichtliche Vorbild fuumlr den Menschensohn am Kreuz ndash Zugleich ist in der Rede von der Erhoumlhung angedeutet dass die Gegner nicht Macht uumlber Jesus gewinnen Der Tod Jesu ist als bdquoErhoumlhung am Kreuzldquo der weltlich sichtbare Teil der Erhoumlhung in den Himmel Wegen dieser hintergruumlndigen Bedeutung kann auch von der Verherrlichung des Menschensohnes gesprochen werden sie geschieht uumlber den Weg ans Kreuz
bull In 627 erscheint der Menschensohn als kuumlnftiger Mittler einer bleibenden Speise Dies wird in zweifacher Weise entfaltet (1) Der MS ist selbst das Brot des Lebens va verbunden mit dem Motiv des bdquoHerabsteigens aus dem Himmelldquo (2) Der MS gibt sein bdquoFleisch und Blutldquo (651cndash58)
bull Vom kuumlnftigen Erscheinen des Menschensohns weiszlig das JohEv nichts Das damit traditionell verbundene Thema des Gerichts ist zwar belegt gehoumlrt aber nicht zum Profil des Menschensohns im JohEv (nur 527 angedeutet 939 nach 935)
112
Paulus und Johannes
VV16ndash21 Die Sendung des Sohnes zu Heil und Gericht
bull V16 fuumlhrt zunaumlchst die soteriologische Aussage von V15 weiter und gruumlndet sie in der Liebe Gottes zur Welt An die Stelle des Menschensohn-Titels tritt nun das absolut gebrauchte bdquoder Sohnldquo ndash fuumlr das JohEv der kennzeichnendste christologische Titel
Traditionsgeschichtlich ist er vom Sohn-Gottes-Titel zu unterscheiden ndash Die fruumlhjuumldischen Traditionen zum Sohn Gottes bieten ein weites Spektrum und
lassen sich nicht auf einen Traditionsbereich beschraumlnken So kann vom Koumlnig als Gottes Sohn gesprochen werden (2Sam 714 Ps 27 8927f dass diese Linie in die Messias-Erwartung eingegangen ist bleibt aber fraglich) ebenso vom Volk Israel (Ex 422f Hos 111) vorbildlichen Frommen (Weish 54f 212ndash20) oder Gliedern des himmlischen Hofstaats (Ps 291 897 sa Lk 2036)
ndash Hellenistische Vorstellungen duumlrften weniger als Einflussfaktor denn als Rezeptionsraum interessant sein vor allem im Blick auf die Herrscherideologie in der der Gottessohn-Titel eine Rolle spielte
ndash Im vorjoh Urchristentum ist va die ausdruumlckliche Verbindung von bdquoMessiasldquo und bdquoSohn Gottesldquo bezeugt (Mk 1461fpar Lk 132f) sowie die Verbindung des Titels mit der Sendung (Gal 44f Roumlm 83)
113
Paulus und Johannes
ndash Das absolut gebrauchte der Sohn ist wahrscheinlich bdquoeigenstaumlndige Konzeption der Urgemeindeldquo (F HAHN) christologische Zuspitzung der Vater-Anrede die Jesus seine Juumlnger als Gottes-Anrede gelehrt hat Mit diesem Titel verbindet sich vorjoh der Gedanke der Bevollmaumlchtigung (Mt 1127par 2818) sowie der exklusiven Bindung des goumlttlichen Heilshandelns (Mt 1127par)
Im JohEv vermischen sich beide Redeweisen So wird etwa die mit bdquoGottldquo und bdquoSohn Gottesldquo geknuumlpfte Sendungsaussage nun mit bdquodem Sohnldquo und bdquodem Vaterldquo verbunden
bull Die besondere Naumlhe Jesu zu Gott wird durch Erinnerungen an den Prolog noch unterstuumltzt (microονογενής Einziggezeugter [11418] εἰς τὸν κόσmicroον in die Welt [19])
bull Diese Naumlhe wird im weiteren Verlauf der Erzaumlhlung im Rahmen der Sohnes-Christologie besonders entfaltet vor allem im Aufweis der Einheit von Vater und Sohn Dabei geht es nicht um eine metaphysische Spekulation uumlber das innertrinitarische Zueinander und Ineinander der drei goumlttlichen Personen Gezeigt werden soll dass man in Jesus als dem Sohn dem Vater begegnet
114
Paulus und Johannes
ndash Diese Einheit zeigt sich als Einheit des Wirkens Die irdische Taumltigkeit des Sohnes ist ganz gebunden an den Vater Der Sohn tut nur das was der Vater ihn gelehrt (828) und ihm gesagt hat (1250) was er beim Vater gesehen (838) und gehoumlrt hat (840 1515) bdquoVon sich ausldquo tut und redet der Sohn nichts (828 1410) ja kann gar nichts tun (51930)
Durch diese Bindung soll nicht die Unterordnung des Sohnes ausgedruumlckt werden sondern seine Wuumlrde und Autoritaumlt ndash als Antwort auf deren Bestreitung die den literarischen Kontext abgibt So wird die Bindung denn auch umgekehrt Der Vater unterstuumltzt den Sohn durch sein Zeugnis (818 523ndash37) durch die Ehrung und Verherrlichung des Sohnes (854 174f 829)
ndash Die Einheit von Vater und Sohn kann auch direkt ausgesagt werden sei es unmittelbar unter dem Stichwort der Einheit (1030) oder dem der gegenseitigen Kenntnis (1015) oder vom gegenseitigen Ineinandersein (1038 141011 uouml) Grundgedanke Im Sohn begegnet der Vater
Die Glaubenden werden in die Einheit eingeschlossen (1420 172123) ihre Einheit soll derjenigen zwischen Vater und Sohn entsprechen (171122) Auch diese Einheit bleibt geoumlffnet ndash auf die Welt hin (1721)
115
Paulus und Johannes
bull Mit der Sohn-Christologie ist das Motiv der Sendung verbunden Jesus ist ausgegangen vom Vater und in die Welt gekommen er wird die Welt wieder verlassen und zum Vater zuruumlckkehren Die grundlegende Bedeutung dieses Motivkreises zeigt sich ndash in der Haumlufigkeit der Aussagen die alle Elemente (132 1628)
oder nur einen Teil des Motivkreises (zB 543 1010) benennen ndash in der Sendung als Gegenstand des Glaubens (1142 178 uouml) ndash in der Sendung als Gottespraumldikation (524 826 530 uouml)
Jesus darf also bdquonicht als eine Gestalt dieser Welt verstanden werdenldquo (R BULTMANN) Auszligerdem ist mit der Sendung der Gedanke rechtlicher Vollmacht und Verbindlichkeit verknuumlpft weshalb die Ablehnung des Gesandten einen Prozess ausloumlst
bull Ausdruumlcklich wird das Motiv der Sendung in V16 benannt die Liebe Gottes zur Welt In der Rede vom Geben des Sohnes (316) klingt die Passion an (sa VV14f) dennoch ist wie V17 zeigt der Bogen weiter gespannt und das Kommen des Sohnes in die Welt in den Blick genommen
Das Ziel der Sendung bekraumlftigt deren Grund in der Liebe Gottes in der grundsaumltzlichen Aussage von Rettung statt Gericht (317) und in bildhaften Ausdruumlcken (1010 1246 sa 1837)
116
Paulus und Johannes
bull Wir finden auch die Rede vom Gericht das sich im Wirken des Sohnes an der Welt vollzieht In der Stellung zu Jesus geschieht die Scheidung (κρίσιςkrisis) zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden die fuumlr die letzteren schon gegenwaumlrtig das Gericht(κρίσις krisis) bedeutet (318) Sie ziehen sich das Gericht selbst zu Das Wort das die Menschen retten sollte wird durch den Unglauben in das Gericht verkehrt
Daneben kann das Gericht auch als goumlttliche Verfuumlgung erscheinen (939) Beides schlieszligt sich nicht aus Dasselbe Geschehen wird von zwei Seiten aus betrachtet Goumlttliche Verfuumlgung kommt im Zusammenhang der Ablehnung Jesu zur Sprache In 519ndash30 geht es va um die Vollmacht Jesu die Gerichtsaussagen folgen erst nach denen zur Lebensvermittlung durch den Sohn
bull Der Gedanke des selbstverschuldeten Gerichts wird in VV19ndash21 ausgefuumlhrt zunaumlchst in deutlichem Ruumlckgriff auf den Prolog (V1919) Die Ablehnung des Lichts wird mit dem Hang der Menschen zur Finsternis erklaumlrt Sie scheuen das Licht weil ihre Bosheit darin aufgedeckt wuumlrde
Diese Erklaumlrung ist als Ruumlckschluss aus der erfahrenen Ablehnung der Christus-Botschaft zu verstehen Die bdquoBosheitldquo besteht nicht in moralisch verwerflichem Handeln sondern im Unglauben
117
Paulus und Johannes
Auch auf der positiven Seite wird nicht analysiert von welchen Voraussetzungen her die getroffene Entscheidung moumlglich ist Vielmehr erweist die Tatsache dass einer glaubt (bildlich bdquozum Licht kommtldquo) dass er auf der Seite Gottes steht
Textpragmatisch sind diese Verse als Aufruf zum Glauben zu lesen Auch V18 meint nicht eine einmal getroffene Entscheidung sei unumkehrbar (bdquoist schon gerichtetldquo) Es wird die Dimension offengelegt um die es in Glaube und Unglaube geht
118
Die Ich-bin-Worte I ndash Herkunft der Bilder
Paulus und Johannes sect211
Diskutiert wird ob die joh Ich-bin-Worte aus der atl-juumldischen Tradition oder vor gnostischem Hintergrund zu erklaumlren sind Schon aus literarhistorischen Gruumlnden ist dem ersten Bereich groumlszligeres Gewicht zuzuerkennen doch schlieszligt das gnostischen Einfluss in Einzelfaumlllen nicht notwendig aus
Brot des Lebens
bull Die Vorstellung einer Speise die ewiges Leben schenkt reicht bis in die mythischen Uumlberlieferungen Babyloniens zuruumlck Ein konkreter Anknuumlpfungspunkt fuumlr das bdquoBrot-Wortldquo ist aber nur in der juumldischen Schrift Joseph und Aseneth zu finden (1 Jh vCndash1 Jh nC)
bull Nach der Bekehrung isst Aseneth von einer Honigwabe (Anspielung auf die Manna-Tradition) die ihr der houmlchste Engel reicht Der kommentiert den Vorgang bdquoSiehe doch du aszligest Brot (des) Lebens und trankst Kelch (der) Unsterblichkeit und hast dich gesalbt (mit) Salbe (der) Unverweslichkeitldquo (JosAs 16)
119
Paulus und Johannes
Licht der Welt
bull bdquoLichtldquo gehoumlrt zu den bdquoUrwoumlrternldquo in denen sich grundlegende menschliche Erfahrungen ausdruumlcken Als Gegensatz zur Finsternis ist Licht ein verbreitetes Heilssymbol
bull In juumldischer Tradition kann bdquoLicht der Weltldquo fuumlr die Tora den Tempel Israel ua verwendet werden Qumran kennt den Gegensatz von Licht und Finsternis Deutero-Jesaja spricht mit universaler Ausrichtung vom Gottesknecht als dem bdquoLicht der Voumllkerldquo (Jes 426 496)
bull Die Licht-Metaphorik ist in der Gnosis von grundlegender Bedeutung ein umfassender Bezug auf die Welt ist dort wegen deren negativer Wertung aber nicht belegt
Insgesamt kann man in den meisten Faumlllen eine Verbindung der Bilder zur atl-juumldischen Tradition herstellen Grenzen solcher Ableitung zeigen sich am ehesten beim Bild von der Tuumlr und dem (auf ein Ziel hinfuumlhrenden) Weg Im Blick auf die formale Struktur ist dagegen eher eine Verbindung zur hellenistisch-gnostischen Welt herzustellen Ich-bin-Wort mit nachfolgendem Bildwort Entscheidungsruf und Heilsverheiszligung
In jedem Fall gilt Die verwendeten Bilder sind als Heilsbegriffe gepraumlgt
120
Die Ich-bin-Worte II ndash Licht der Welt
Paulus und Johannes sect212
Kontextuelle Vorbereitung bull Das Lichtwort ist anders als das Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo im Kontext kaum vorbereitet
Jesus eroumlffnet mit dieser Selbstbezeichnung einen neuen Abschnitt von Auseinandersetzungen die aber nicht an der Lichtsymbolik ansetzen
bull Denkbar ist eine verdeckte Anspielung auf die Festbeleuchtung des Laubhuumlttenfestes (s 7237) die einen Rahmen fuumlr die Lichtsymbolik abgeben koumlnnte Ausdruumlcklich erwaumlhnt ist der Festbrauch nicht
Das Lichtwort bull Die personale Wendung der Lichtmetaphorik ist mit einer universalen Bestimmung
verbunden Jesus unterliegt in seiner Heilsbedeutung keiner Beschraumlnkung er ist Licht der Welt Dennoch koumlnnte der Begriff bdquoWeltldquo auch unterschwellig negativ besetzt sein als die Groumlszlige die die Offenbarung in Jesus ablehnt
bull Die Rede von Nachfolge hat nicht mehr den spezifischen Klang des Hinterhergehens hinter Jesus Nachfolge ist hier kaum von glauben zu unterscheiden
bull Das bdquoGehen in der Finsternisldquo bezieht sich nicht auf eine ethische Qualifizierung des Lebenswandels sondern auf die Situation des Menschen in Unheil und Gottesferne ndash fuumlr die Glaubenden wird dies ausgeschlossen positiv gefuumlllt mit der Wendung bdquoLicht des Lebensldquo
121
Paulus und Johannes
Verankerung im Gesamtwerk
bull Die Lichtmetaphorik wird in der an Kap 8 anschlieszligenden Heilung des Blindgeborenen weiter verfolgt (94f) Jesus erweist sich als Licht der Welt indem er dem Blinden das Augenlicht schenkt
bull Mit der Bezeichnung Jesu als Licht ist der Gedanke einer begrenzten Zeit verknuumlpft das Licht scheint nicht immer ist gebunden an die Phase des irdischen Wirkens Jesu (1235f auch 95)
bull Die Lichtmetaphorik ist im Prolog stark vertreten und reicht bis zum Abschluss des oumlffentlichen Wirkens Jesu Sie lebt von der Gegenuumlberstellung zur Finsternis und wird deshalb nur dort aktiviert wo das Scheinen des Lichtes in der Dunkelheit erzaumlhlt wird (Jesus in der Welt) bzw dort wo grundsaumltzlich geklaumlrt wird was sich in der Erzaumlhlung ereignet (Prolog) Geht es um die Binnenperspektive (Abschiedsreden Passions- und Ostertradition) passt die Lichtmetaphorik nicht
122
Die Ich-bin-Worte III ndash die uumlbrigen Worte
Paulus und Johannes
Auferstehung und Leben (1125f) bull Die Auferstehungshoffnung wird personal interpretiert So ist Auferstehung nicht allein
durch ein vergangenes Ereignis (Auferstehung Jesu) fuumlr die Zukunft der Glaubenden verbuumlrgt (Auferstehung der Glaubenden) Wer an Jesus glaubt hat aufgrund seiner Gemeinschaft mit ihm schon teil an Auferstehung und Leben das Jesus selber ist
bull Den Glaubenden wird eine Lebenszusage uumlber den Tod hinaus verheiszligen (1125b) fuumlr sie wird die Wirklichkeit des Sterbens sogar ganz negiert (1126) Es geht also um das was den Glaubenden jetzt schon gegeben ist Die Entscheidung zwischen Tod und Leben faumlllt durch die Stellung des Menschen zu Jesus Christus (su Folie 133)
Der gute Hirt (101114) bull Dieses Bild ist verbunden mit dem Motiv der Fuumlrsorge die bis zur Lebenshingabe reicht ndash
kontrastiert mit dem Verhalten des Lohnhirten (1012f) Dabei wird vor allem die freie Hingabe Jesu betont (niemand hat Macht ihm das Leben zu nehmen) und so die Liebe als Motiv seines Handelns ins Spiel gebracht (s 1513)
bull Auszligerdem ist das Hirtenbild mit dem Motiv des gegenseitigen Kennens verknuumlpft im Sinne personaler Gemeinschaft Sie hat in der Verbundenheit Gottes mit Jesus ihr bdquoUrbildldquo (1015) In den Abschiedsreden wird dieser Gedanke vertieft (172123)
123
Paulus und Johannes
Der wahre Weinstock (1515)
bull Auch dieses Bild betont die Verbundenheit Jesu mit den Glaubenden hier vor allem ausgedruumlckt durch das Motiv des gegenseitigen Ineinanderbleibens ndash passend zum Bild Weinstock und Rebzweige (155) sind nicht voneinander zu trennen Zugleich ist die Uumlberordnung Jesu ausgedruumlckt die Rebe bringt nur am Weinstock Frucht (154)
bull Die Rede vom Fruchtbringen wird nicht naumlher erlaumlutert im joh Schrifttum spielt sie sonst keine groszlige Rolle Sie kann auf ein in Glaube und Liebe bewaumlhrtes Leben zielen aber auch auf das endguumlltige Heil (s 156)
Die Tuumlr (1079)
bull Jesus erscheint als Tuumlr zu de Schafen wenn er bdquoDieben und Raumlubernldquo gegenuumlbergestellt wird (107f) Das Bild mischt sich mit dem vom guten Hirten Als Tuumlr zu den Schafen erweist Jesus dass es neben ihm keinen gibt der einen legitimen Anspruch auf die Schafe erheben kann er allein ist der Hirte Weil bdquoDiebe und Raumluberldquo nicht durch die Tuumlr eintreten entlarven sie sich als Nichthirten
bull Jesus erscheint aber auch als Tuumlr fuumlr die Schafe (109) Er allein ist in seiner Person der Durchgang zum Heil wie zunaumlchst im Bildfeld (bdquoWeide findenldquo) dann auch grundsaumltzlich gesagt wird (bdquoLeben in Fuumllleldquo 1010)
124
Paulus und Johannes
Weg Wahrheit und Leben (146) Als einziger Weg zum Heil wird Jesus auch in 146 praumlsentiert In der bildhaften Aufzaumlhlung dominiert aufgrund des Kontextes (144f) das Motiv des Weges die beiden anderen Begriffe sollen wohl als Erlaumluterung des ersten verstanden werden
(Zum Wort vom bdquoBrot des Lebensldquo su Folien 136-144)
125
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
126
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie I
Paulus und Johannes sect221
bdquoLamm Gottesldquo und Paschalamm
bull Nach der joh Chronologie stirbt Jesus am Vortag des Paschafestes zu der Zeit da im Tempel die Paschalaumlmmer geschlachtet werden (1914 1828)
bull In Joh 1936 wird eine Bestimmung zum Paschalamm als Schriftzitat auf Jesus angewendet (Ex 1246 mit Einfluss aus LXXPs 3321 doch die Ex-Stelle dominiert)
bdquoLamm Gottesldquo und Suumlhnevorstellung
bull Die Aussage das Lamm Gottes nehme die Suumlnde der Welt weg laumlsst sich der Suumlhnevorstellung zuordnen In der Suumlhne wird die Moumlglichkeit gewaumlhrt von den negativen Folgen der Suumlnde loszukommen Suumlhne ist nicht Forderung eines versoumlhnungsunwilligen Gottes sondern umgekehrt Ausdruck der Versoumlhnungsbereitschaft Gottes Zur Zeit des Zweiten Tempels war Suumlhne meist kultisch gedacht gebunden an ein bestimmtes Ritual
bull In der urchristlichen Tradition war die Suumlhnevorstellung ein wesentliches Element der Deutung des Todes Jesu nicht nur in kultischen Kategorien gedacht
127
Paulus und Johannes
bull In Joh 129 ist der Grundgedanke von Suumlhne deutlich Es geht um Befreiung von Suumlnde gebunden an ein bestimmtes Geschehen Durch die Lamm-Metaphorik besteht eine innere Verbindung zum Tod Jesu (auch wenn eine suumlhnende Bedeutung des Paschalammes nicht gesichert ist) ndash Moumlglicher Anknuumlpfungspunkt fuumlr die joh Aussage war Jes 53 ein wichtiger Bezugstext fuumlr
die Deutung des Todes Jesu im Urchristentum (sva Jes 53412 Tragen der Suumlnden 537 Vergleich mit einem Lamm)
ndash Vor diesem Hintergrund ist eine suumlhnetheologische Deutung von Joh 1934 (Blut und Wasser aus der Wunde Jesu) moumlglich
bull Die Suumlhnevorstellung koumlnnte auszligerdem in 651c und 1719 zu finden sein
128
Bedeutung des Todes Jesu fuumlr die joh Christologie II
Paulus und Johannes sect222
Zum Stellenwert der Suumlhne
bull Grundsaumltzlich lassen sich in der Formulierung bdquoChristus ist fuumlr uns gestorbenldquo zwei Nuancen erkennen bdquoanstelle vonldquo und bdquozugunsten vonldquo Kann man in dem bdquofuumlr unsldquo grundsaumltzlich den Gedanken der Suumlhne erkennen
Ja wenn nicht durch einen besonderen Kontext geklaumlrt ist in welchem Sinn Jesus bdquoan unserer Stelleldquo oder bdquozu unseren Gunstenldquo gestorben ist
bull Das JohEv liefert mit der Gesandtenchristologie einen Kontext der ein anderes Verstaumlndnis jenes bdquofuumlrldquo nahe legt
Der Tod Jesu hat hier Bedeutung bdquounter dem Vorzeichen der Heimkehr zu Gottldquo (UB MUumlLLER) Der Weg des Gesandten wird in der Ruumlckkehr zum Vater durch den Tod hindurch vollendet als zu Gott Erhoumlhter eroumlffnet Jesus Leben fuumlr die Glaubenden (zB 313ndash15 1232 142f)
129
Paulus und Johannes
Die theologische Bedeutung des Todes Jesu im Rahmen der Sendungschristologie
bull Ob Joh eine ausgesprochene Kreuzestheologie vertritt in der dem Kreuz eine spezifische Heilsbedeutung zukommt ist strittig Von der Konzeption der Sendungschristologie (so) her duumlrfte die Frage eher zu verneinen sein Erhoumlhung zu Gott und Kreuzigung fallen nicht zusammen (sa 2017) ndash auch wenn die Rede von Erhoumlhung hintergruumlndig geoumlffnet ist auf die Kreuzigung als irdisch sichtbarer Teil des Geschehens der Ruumlckkehr
bull Auch wenn das Kreuz also nicht im Zentrum joh Soteriologie steht muumlssen die beschriebenen suumlhnetheologische Akzente deshalb aber nicht geleugnet werden Sie stehen nicht in Widerspruch zur Deutung des Kreuzes im Rahmen der Sendungschristologie Auszligerdem kann Joh durchaus mit dem Motiv des bdquoSterbens fuumlrldquo theologisch arbeiten (s S66) Der Tod Jesu ist fuumlr Joh mehr als nur Durchgangsstadium auf dem Weg in die Herrlichkeit
130
Bedeutung des Todes Jesu III ndash Aspekte des bdquoSterbens fuumlrldquo
Paulus und Johannes sect223
Der Lebenseinsatz Joh 1011ndash15 bull In der Hirtenrede ist das Motiv der Lebenshingabe (neben dem Gedanken der Vollmacht)
auf den Einsatz fuumlr die Schafe hin akzentuiert 101115 Betont wird die besondere Beziehung zwischen Hirt und Schafen
bull So ist der Hirte dadurch ausgezeichnet dass er fuumlr die ihm Anvertrauten sorgt In den Kategorien der Sendungschristologie Jesus haumllt an dem vom Vater empfangenen Auftrag auch angesichts des Todes fest nur so eroumlffnet er Leben fuumlr die Glaubenden
bull Damit wird der Tod Jesu in einer bestimmten Hinsicht akzentuiert Seine Ruumlckkehr zum Vater erweist nicht nur Treue zu seinem Auftrag sondern auch seine Fuumlrsorge fuumlr die Glaubenden
Joh 1512ndash14 bull Durch die Stichworte bdquoFreundeldquo und bdquoLiebeldquo wird ein neuer Akzent in der Beziehung zu den
Glaubenden gesetzt So kann der Lebenseinsatz unter dem Aspekt der Vorbildhaftigkeit zur Sprache kommen Die Lebenshingabe Jesu wird zum Modell fuumlr die Juumlnger
bull Als Ausdruck unuumlberbietbarer Liebe ist die Lebenshingabe in die Sendung Jesu integriert In der Erfuumlllung seines Auftrags als der gesandte und zuruumlckkehrende Sohn erweist Jesus seine Liebe (131)
131
Paulus und Johannes
bdquoSterben fuumlr das Volkldquo ndash bdquonicht fuumlr das Volk alleinldquo (1147ndash52)
bull Im Rat des Kajaphas hat das bdquofuumlrldquo den Sinn von bdquoanstelle vonldquo In der Wahl zwischen dem Tod eines Menschen und der Vernichtung des ganzen Volkes ist es besser den einen anstelle aller zu bdquoopfernldquo
bull Der Hohepriester ist prophetisches Werkzeug in der Hand Gottes er hat in einem anderen Sinn Recht als er meint Der Evangelist wiederholt seine Worte ndash und erweitert sie
bull bdquoNicht fuumlr das Volk alleinldquo ndash damit ist der Gedanke der Stellvertretung durchbrochen Das bdquofuumlrldquo betrifft auch die zerstreuten Kinder Gottes
bull Zugleich verschiebt sich der Blick auf das Ziel des Sterbens Jesu die Sammlung der zerstreuten Kinder Gottes Dies ist nicht das Werk des Gekreuzigten sondern des in den Himmel Zuruumlckgekehrten der den Geist sendet und in den Glaubenden Wohnung nimmt (1423)
132
Glauben nach dem JohEv I ndash christologischer und eschatologischer Charakter
Paulus und Johannes sect231
Anerkennung eines Anspruchs
bull Die Formulierung bdquoglauben anldquo (πιστεύειν εἰς) ist bis auf 141 (Erinnerung der Juumlnger an ihren Gottesglauben) immer mit Jesus als Objekt des Glaubens verbunden Dabei geht es in erster Linie nicht um das Moment des Vertrauens sondern um die Anerkennung des Heilbringeranspruchs Jesu
Dies ergibt sich durch parallel eingesetzte Erlaumluterungen (zB 43942 114245) aus der Umschreibung dessen an den zu glauben ist (zB 318 629) oder auch aus dem erzaumlhlerischen Kontext (zB 1041f12934) 731)
bull Dieselbe Ausrichtung zeigt sich wenn bdquoglaubenldquo absolut steht oder durch einen Dass-Satz erlaumlutert wird Im ersten Fall ergibt sich dies meist aus dem Kontext (zB 1750 935) im zweiten aus dem Inhalt der angefuumlgten Saumltze (zB 669 1127 1410 1627)
bull Ist bdquoglaubenldquo mit einem Dativobjekt verbunden laumlsst sich kein spezifischer einheitlicher Sinn erheben (etwa den Worten Jesu glauben jemandem als Zeugen glauben) Die Wendung ist offen fuumlr verschiedene Nuancen
133
Paulus und Johannes sect2323
Glaube und Lebensgewinn
bull Dass der Glaube zum Leben fuumlhrt ist an vielen Stellen in unterschiedlicher Ausdrucksweise entfaltet (zB 31518 635 1246)
bull Der soteriologische Charakter des Glaubens ergibt sich aus der Einheit von Geber und Gabe des Heils im JohEv Indem der Glaube Gemeinschaft mit dem begruumlndet der das Leben ist hat er das Leben
bull Die grundsaumltzliche Bedeutung des christologischen und soteriologischen Charakters des Glaubens zeigt sich darin dass der urspruumlngliche Buchschluss beide Momente anfuumlhrt (2030f)
Glaube aufgrund der Begegnung mit Jesus
bull Auf der narrativen Ebene wird der christologische Charakter des Glaubens dadurch inszeniert dass Glaube in der Begegnung mit Jesus entsteht ndash auch wenn Menschen vorbereitend wirken koumlnnen (1353941 145f47ndash49 43942)
bull Diese Begegnung ist ndash durch das Wirken des Parakleten (su Folie 157) ndash durch die Zeiten hindurch moumlglich
134
Glauben nach dem JohEv II ndash Akzente des johanneischen Glaubensverstaumlndnisses
Paulus und Johannes sect2412
Bildhafte Ausdruumlcke
bull Parallel zu bdquoglaubenldquo kann zu Jesus kommen stehen (zB 635 737f 540 sa 63744f65)
bull Sachlich dem Glauben entsprechend kann auch von nachfolgen die Rede sein (1246812) Dies ergibt sich wie auch bei einigen Belegen zum vorigen Punkt daraus dass beide Ausdruumlcke mit derselben Verheiszligung verbunden sind In der Hirtenrede (Kap 10) steht das Nachfolgen in Zusammenhang mit dem Houmlren der Stimme des Hirten ndash ebenfalls eine Nuance joh verstandenen Glaubens (su)
Houmlren und Sehen
bull Das Houmlren (und Bewahren oder Annehmen) der WorteGebote Jesu kann mit dem Glauben parallelisiert werden (524 1247f318 178 8511126)
bull auch das Sehen Jesu kann den Sinn von bdquoglaubenldquo annehmen (640 124445) bdquoJesus sehenldquo meint also nicht nur den Vorgang sinnlicher Wahrnehmung
135
Paulus und Johannes sect2434
Lieben bull Die Parallelisierung in 1627 bindet bdquoglaubenldquo und bdquoliebenldquo zusammen Die Liebe zu Jesus ist daran geknuumlpft dass man sich an sein Wort bzw Gebot haumllt (141521) ndash das bedeutet dass man glaubt bull Im Glauben geht es aber nicht nur um die Liebe zu Jesus Als Gebot Jesu erscheint die gegenseitige Liebe der Juumlnger (1334f 1512) Die christologische Vorgabe bleibt dabei gewahrt (bdquowie ich euch geliebt habeldquo Sendung des Sohnes als Ausdruck der Liebe Gottes)
Erkennen
bull bdquoGlaubenldquo und Erkennen (γινώσκειν) koumlnnen unmittelbar aufeinander folgen (zB 669 1038) oder sich auf dieselben Objekte richten (zB 1142173 141120) Das Verhaumlltnis beider Begriffe zueinander ist nicht im Sinne einer Stufenfolge zu bestimmen Sie erhellen sich gegenseitig und bleiben aufeinander bezogen
bull Mit bdquoerkennenldquo ist entsprechend biblischem Sprachgebrauch kein intellektueller Akt bezeichnet sondern ein Gemeinschaft stiftender und vertiefender Vorgang Dieses im Glauben selbst enthaltene Moment wird durch die Zusammenstellung mit dem bdquoErkennenldquo verstaumlrkt
136
Die Brotrede (Joh 626ndash59)
Paulus und Johannes sect2512
Der Kontext Suche nach Jesus bull Das Motiv der Menge verbindet Speisungserzaumlhlung (61ndash15) und Brotrede
bull Nach der von Jesus herbeigefuumlhrten Trennung (614f) begibt sich die Menge auf die Suchenach Jesus (624)
Erster Aufruf zum Glauben VV26ndash29
bull Diese Suche greift Jesus in seiner Antwort auf eine vordergruumlndig bleibende Frage (625 bdquoWann bist du hierher gekommenldquo) auf ndash und kritisiert sie als oberflaumlchlich (V26)
bull Bereits hier deutet sich das Scheitern der Kommunikation zwischen Jesus und der Menge an auch wenn die Situation im Aufruf von V27 noch offen scheint
bull Dass die Brotmetaphorik letztlich auf den Glauben zielt zeigt sich in der Antwort Jesu (in V29) auf die Frage nach den Werken Gottes
137
Paulus und Johannes sect253
Jesu Antwort auf die Zeichenforderung VV30ndash35
bull Die Zumutung der Glaubensforderung beantwortet die Menge mit der Zeichenforderung ironischerweise mit Bezug auf eine wunderbare Speisung (Manna) ndash gerade waren sie Zeugen eines solchen von Jesus gewirkten Wunders und haben Jesus deshalb gesucht
bull Die Antwort Jesu greift die Rede vom bdquoBrot aus dem Himmelldquo auf und veraumlndert die zeitliche Perspektive auf die Gegenwart (bdquonicht Mose hat gegeben sondern mein Vater gibtldquo) Das Manna erscheint nicht als typologischer Vorverweis sondern ist als Himmelsbrot relativiert
bull Die Wende von der Sache zur Person die in V35 eindeutig erfolgt ist fuumlr die