3.3Aluminiumboride und...

30
3.3 Aluminiumboride und -boridcarbide 3.3 Aluminiumboride und -boridcarbide 3.3.1 Allgemeines In der Literatur werden für sogenannte „höhere“ Aluminiumboride der nominel- len Zusammensetzung AlB 12 im Wesentlichen drei verschiedene Phasen [105–109] unterschiedlicher Zusammensetzung und häufig auch mit Kohlenstoff- oder Silici- umanteil diskutiert. Dies sind die α-Phase mit tetragonaler Elementarzelle, die β - Phase mit orthorhombischer Metrik und die γ -Phase [110, 111], die ebenfalls im orthorhombischen Kristallsystem kristallisiert. Für die Umwandlung von der α- zur β -Phase wird von einem Umwandlungspunkt von 1723 C [112] berichtet, eine Um- wandlung zur γ -Phase ist nicht bekannt. Das als α-AlB 12 bekannte Aluminiumborid wird in der Literatur mit chemisch wie kristallographisch sinnvollen Strukturen [113–115] beschrieben, aber auch Arbeiten mit offensichtlich fehlerhaften Strukturelementen [116] wie zu geringen Bor-Bor- und Aluminium-Bor-Abständen sind zu finden. Insbesondere die β -Phase von AlB 12 wird in der Literatur mehrfach [117, 118] nicht als ein binäres, sondern als ein ternäres Borid mit geringen Anteilen an Fremd- atomen beschrieben. Häufig wird vom Vorhandensein von Silicium und Kohlenstoff berichtet, die Vermutung liegt daher nahe, daß diese Fremdatome eine ähnlich sta- bilisierende Wirkung wie im Falle der als tetragonales Bor bezeichneten Verbindung B 50 C 2 [4] ausüben. In der Literatur wird u.a. über eine Verbindung der Zusammensetzung B 48 Al 3 C 2 [118] berichtet, die eine starke Ähnlichkeit mit der hier beschriebenen Verbindung Al 10.72 B 192 C 8 aufweist. Dies betrifft sowohl die Zusammensetzung, als auch die Kri- stallmetrik und die vorkommenden Struktureinheiten. Sie wird jedoch in einer an- deren Raumgruppe und mit unterschiedlichen Positionen der Aluminiumatome be- schrieben. Aufgrund der teilweise erheblichen Abweichungen in Struktur und Zusammen- setzung wurden diese Verbindungen erneut untersucht. 3.3.2 Al 12.47 B 176 (α-AlB 12 ) 3.3.2.1 Synthese Bei dem Versuch, borreiche Einlagerungsverbindungen mit der Struktur des β -rhomboedrischen Bor (Abschnitt 3.1) einkristallin zu erhalten, wurden u.a. Alumi- 167

Transcript of 3.3Aluminiumboride und...

Page 1: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.3 Aluminiumboride und -boridcarbide

3.3 Aluminiumboride und -boridcarbide

3.3.1 Allgemeines

In der Literatur werden für sogenannte „höhere“ Aluminiumboride der nominel-len Zusammensetzung AlB12 im Wesentlichen drei verschiedene Phasen [105–109]unterschiedlicher Zusammensetzung und häufig auch mit Kohlenstoff- oder Silici-umanteil diskutiert. Dies sind die α-Phase mit tetragonaler Elementarzelle, die β-Phase mit orthorhombischer Metrik und die γ-Phase [110, 111], die ebenfalls imorthorhombischen Kristallsystem kristallisiert. Für die Umwandlung von der α- zurβ-Phase wird von einem Umwandlungspunkt von 1723 ◦C [112] berichtet, eine Um-wandlung zur γ-Phase ist nicht bekannt.

Das als α-AlB12 bekannte Aluminiumborid wird in der Literatur mit chemisch wiekristallographisch sinnvollen Strukturen [113–115] beschrieben, aber auch Arbeitenmit offensichtlich fehlerhaften Strukturelementen [116] wie zu geringen Bor-Bor- undAluminium-Bor-Abständen sind zu finden.

Insbesondere die β-Phase von AlB12 wird in der Literatur mehrfach [117, 118]nicht als ein binäres, sondern als ein ternäres Borid mit geringen Anteilen an Fremd-atomen beschrieben. Häufig wird vom Vorhandensein von Silicium und Kohlenstoffberichtet, die Vermutung liegt daher nahe, daß diese Fremdatome eine ähnlich sta-bilisierende Wirkung wie im Falle der als tetragonales Bor bezeichneten VerbindungB50C2 [4] ausüben.

In der Literatur wird u.a. über eine Verbindung der Zusammensetzung B48Al3C2

[118] berichtet, die eine starke Ähnlichkeit mit der hier beschriebenen VerbindungAl10.72B192C8 aufweist. Dies betrifft sowohl die Zusammensetzung, als auch die Kri-stallmetrik und die vorkommenden Struktureinheiten. Sie wird jedoch in einer an-deren Raumgruppe und mit unterschiedlichen Positionen der Aluminiumatome be-schrieben.

Aufgrund der teilweise erheblichen Abweichungen in Struktur und Zusammen-setzung wurden diese Verbindungen erneut untersucht.

3.3.2 Al12.47B176 (α-AlB12)

3.3.2.1 Synthese

Bei dem Versuch, borreiche Einlagerungsverbindungen mit der Struktur desβ-rhomboedrischen Bor (Abschnitt 3.1) einkristallin zu erhalten, wurden u.a. Alumi-

167

Page 2: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

niumschmelzen verwendet. Hierbei reagieren die Einlagerungsverbindungen so ähn-lich wie elementares Bor und setzen sich zu Aluminiumboriden um. Das eingelagerteFremdatom hat hierauf keinen Einfluß, die Synthese gelingt auch mit elementaremBor.

500mg β-rhomboedrisches Bor wurde mit 2 g Aluminium-Flocken innig ver-mischt und in einem offenen Korundtiegel unter Argon im Rohrofen mehrere Wo-chen auf 1300 ◦C erhitzt. Alternativ gelang die Synthese auch im Induktionsofen bei1500 ◦C (fünf Tage). Das überschüssige Aluminium der Schmelze wurde mit halbkon-zentrierter Salzsäure gelöst, die erhaltenen Kristalle unter dem Mikroskop selektiertund einkristalldiffraktometrisch untersucht.

Generell erhält man bei diesen Synthesen immer ein Gemisch aus Einkristallenverschiedener Boride (AlB2, α- und β-AlB12), wobei insbesondere letztere häufigmiteinander und untereinander verwachsen sind.

3.3.2.2 Diffraktometrische Untersuchungen

Eine Indizierung des resultierenden Datensatzes gelang im tetragonalen Kristally-stem in den enantiomorphen Raumgruppen P 41212 (Nr. 92) oder P 43212 (Nr. 96)mit den in Tabelle 3.60 angegebenen Gitterparametern. Nach der Integration derReflexe wurde der Habitus des Kristalls mit Hilfe der Videokamera des Diffrakto-meters ermittelt. Nach dessen Optimierung (Programm XShape [34]) wurde einenumerische Absorptionskorrektur durchgeführt. Eine Strukturlösung mit direktenMethoden (Programm SHELX [35]) lieferte die Atomlagen der meisten Boratome(B12-Ikosaeder und B19-Einheit). Danach konnten die Atompositionen der übrigenBoratome sowie die Atompositionen und Besetzungsfaktoren der Aluminiumatomemittels Differenzfouriersynthesen bestimmt werden und die Verfeinerung wurde fürfast alle Atome mit anisotropen thermischen Auslenkungsparametern durchgeführt.Lediglich das Atom auf der Position Al3 wurde isotrop verfeinert.

Für die Raumgruppe P 41212 konvergierte der Flack-Parameter gegen Eins, diekorrekte Raumgruppe ist daher P 43212. Die Struktur wurde invertiert und die Ver-feinerung abgeschlossen. Die Verbindung kann hingegen auch in der RaumgruppeP 41212 kristallisieren, Beweis dafür ist das häufige Auftreten von Kristallen, derenStruktur nur als racemischer Zwilling gelöst werden kann.

Tabelle 3.60 zeigt die Meßparameter sowie die kristallographischen Daten derEinkristallmessung von Al12.47B176, Tabelle 3.61 die ermittelten Atomlagen und Ta-belle 3.62 die thermischen Auslenkungsparameter.

168

Page 3: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.3 Aluminiumboride und -boridcarbide

Elementarzelleninhalt Al12.47B176

Summenformel Al1.56B22

Diffraktometer STOE IPDSEinkristalldiffraktometer

Wellenlänge [Å] 0.71073Temperatur [K] 293Max. 2θ [◦] 51.93Zahl d. gemessenen Reflexe 19837Zahl unabhängiger Reflexe 1434Raumgruppe P 43212, Nr. 96a, b [Å] 10.204(2)c [Å] 14.331(3)V [Å3] 1492.1(4)Formeleinheiten (Z) 8Dichte (berechnet) [g/cm3] 2.492Rint 0.0741Rwp 0.1070Rp (alle Reflexe) 0.0522Rp (Reflexe > 4σ) 0.0474Zahl der Parameter 236Restelektronendichte [e/Å3] +0.37 / -0.30

Tabelle 3.60: Meßparameter und kristallographische Daten von Al12.47B176

Nr. Typ x y z Uiso Besetzungs- Wyck.faktor

B01 B 0.7597(4) 0.2951(4) 0.8889(3) 0.0056(13) 1 8bB02 B 0.6890(4) 0.0458(4) 0.7686(3) 0.0059(8) 1 8bB03 B 0.7765(4) 0.8918(4) 0.7546(3) 0.0061(8) 1 8bB04 B 0.6917(4) 0.3779(4) 0.7946(3) 0.0043(8) 1 8bB05 B 0.8622(4) 0.3864(4) 0.8145(3) 0.0048(8) 1 8bB06 B 0.8889(4) 0.3968(4) 0.9415(3) 0.0056(8) 1 8bB07 B 0.3786(4) 0.6033(4) 0.0947(3) 0.0064(8) 1 8bB08 B 0.7741(4) 0.5304(4) 0.7797(3) 0.0061(8) 1 8b

Tabelle 3.61: Atomlagen von Al12.47B176

169

Page 4: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

Nr. Typ x y z Uiso Besetzungs- Wyck.faktor

B09 B 0.6084(4) 0.5201(4) 0.8310(3) 0.0056(8) 1 8bB10 B 0.7606(4) 0.1282(4) 0.8720(3) 0.0062(8) 1 8bB11 B 0.9587(4) 0.3938(4) 0.6177(3) 0.0058(9) 1 8bB12 B 0.8640(4) 0.0406(4) 0.7912(3) 0.0048(8) 1 8bB13 B 0.0402(4) 0.3480(4) 0.0086(3) 0.0071(8) 1 8bB14 B 0.8029(4) 0.7957(4) 0.6551(3) 0.0075(8) 1 8bB15 B 0.0608(4) 0.6889(4) 0.7251(3) 0.0069(8) 1 8bB16 B 0.2928(4) 0.4598(4) 0.0779(3) 0.0065(8) 1 8bB17 B 0.7928(4) 0.6143(4) 0.6744(3) 0.0060(8) 1 8bB18 B 0.1780(4) 0.2717(4) 0.9541(3) 0.0074(9) 1 8bB19 B 0.3316(4) 0.3316(4) 0 0.006(2) 1 4aB20 B 0.8819(4) 0.5325(4) 0.5888(3) 0.0067(9) 1 8bB21 B 0.9426(4) 0.6859(4) 0.6396(3) 0.0060(8) 1 8bB22 B 0.1867(4) 0.0928(4) 0.9484(3) 0.0075(9) 1 8bB23 B 0.0359(4) 0.0359(4) 0 0.007(2) 1 4aAl1 Al 0.8929(4) 0.1868(5) 0.0909(3) 0.012(2) 0.242(6) 8bAl1a Al 0.8690(2) 0.1979(2) 0.0090(2) 0.0070(6) 0.690(6) 8bAl2 Al 0.5121(2) 0.4187(2) 0.0591(2) 0.0089(9) 0.475(6) 8bAl3 Al 0.7897(7) 0.0197(7) 0.6260(5) 0.007(3) 0.151(5) 8b

Tabelle 3.61: Atomlagen von Al12.47B176

Nr. U11 U22 U33 U12 U13 U23

B01 0.007(2) 0.002(2) 0.007(2) 0.002(2) -0.001(2) 0.003(2)B02 0.006(2) 0.007(2) 0.005(2) -0.003(2) -0.002(2) -0.002(2)B03 0.005(2) 0.007(2) 0.007(2) -0.001(2) 0.000(2) 0.001(2)B04 0.001(2) 0.006(2) 0.006(2) -0.001(2) 0.001(2) 0.001(2)B05 0.005(2) 0.004(2) 0.006(2) 0.001(2) -0.002(2) 0.000(2)B06 0.006(2) 0.006(2) 0.005(2) 0.002(2) 0.002(2) 0.001(2)B07 0.003(2) 0.008(2) 0.008(2) 0.001(2) 0.001(2) 0.002(2)B08 0.006(2) 0.006(2) 0.006(2) -0.002(2) -0.004(2) 0.001(2)B09 0.006(2) 0.007(2) 0.004(2) -0.001(2) -0.000(2) 0.002(2)B10 0.007(2) 0.006(2) 0.005(2) -0.000(2) 0.003(2) 0.001(2)B11 0.006(2) 0.007(2) 0.004(2) -0.003(2) 0.001(2) -0.001(2)B12 0.004(2) 0.007(2) 0.004(2) 0.001(2) -0.001(2) 0.001(2)B13 0.005(2) 0.004(2) 0.012(2) -0.002(2) 0.000(2) -0.000(2)

Tabelle 3.62: Anisotrope Anteile der thermischen Auslenkungsparameter vonAl12.47B176

170

Page 5: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.3 Aluminiumboride und -boridcarbide

Nr. U11 U22 U33 U12 U13 U23

B14 0.010(2) 0.007(2) 0.005(2) 0.002(2) -0.001(2) -0.000(2)B15 0.003(2) 0.008(2) 0.010(2) -0.002(2) -0.003(2) 0.000(2)B16 0.006(2) 0.006(2) 0.007(2) 0.001(2) -0.004(2) 0.002(2)B17 0.006(2) 0.003(2) 0.009(2) -0.001(2) 0.002(2) 0.003(2)B18 0.006(2) 0.011(2) 0.004(2) 0.002(2) -0.001(2) 0.002(2)B19 0.007(2) 0.007(2) 0.006(3) 0.001(2) -0.001(2) -0.001(2)B20 0.008(2) 0.006(2) 0.006(2) -0.002(2) 0.003(2) -0.002(2)B21 0.009(2) 0.005(2) 0.004(2) -0.001(2) 0.004(2) 0.000(2)B22 0.008(2) 0.005(2) 0.009(2) -0.000(2) 0.001(2) -0.000(2)B23 0.007(2) 0.007(2) 0.006(3) -0.001(2) 0.001(2) -0.004(2)Al1 0.005(3) 0.008(3) 0.022(3) -0.004(2) 0.006(2) -0.000(2)Al1a 0.0033(8) 0.0048(9) 0.013(1) -0.0005(6) 0.0017(6) -0.0006(6)Al2 0.005(2) 0.006(2) 0.015(2) 0.004(1) 0.001(1) -0.0006(9)

Tabelle 3.62: Anisotrope Anteile der thermischen Auslenkungsparameter vonAl12.47B176

3.3.2.3 Strukturbeschreibung

Die Struktur des Al12.47B176 besteht aus einem Boratomnetzwerk mit darin ein-gelagerten Aluminiumatomen auf teilbesetzten Positionen. Das Boratomnetzwerkläßt sich in zwei Teile unterteilen. Das erste Strukturelement sind leicht gewinkelte(168.7◦) Ketten von Boratomikosaedern (Abb. 3.63), die sich in einem Abstand von1.720(6)Å zueinander befinden. Diese durchziehen in a- und b-Richtung die Struk-tur. In den so entstehenden Zwischenräumen befindet sich ein Raumnetzwerk ausEinheiten des zweiten Strukturelements, der B19-Einheit (Abb. 3.65(a)). Sie bestehtaus zwei über eine Dreiecksfläche verknüpften Ikosaedern, denen jeweils ein Atomfehlt. Diese B19-Einheiten sind im Abstand von 1.7206Å in Form eines verzerrt-tetraedrisch koordinierten (Abb. 3.64) Raumnetzwerks miteinander verbunden. Die-ses Raumnetz ist mit den Ikosaederketten über das Atom B23 ebenfalls verzerrttetraedrisch (67.6◦ zu zwei Atomen der B19-Einheit und 104.3◦ zu zwei Atomenunterschiedlicher Ikosaeder der Ikosaederkette) verbunden (Abb. 3.65(a)). Ringför-mig das Atom B23 umgebend befinden sich mit Abständen von 2.489(5)Å (Al1),2.377(2)Å (Al1a), 2.785(3)Å (Al2) und 2.598(8)Å (Al3) die Aluminiumatome. Hier-bei unterschreitet der Abstand zwischen Al1 und Al1a mit 1.203(5)Å den doppeltenKovalenzradius eines Aluminiumatoms deutlich. Deren Gesamtbesetzungsfaktor istjedoch kleiner Eins und diese Positionen sind nur wechselseitig besetzt.

171

Page 6: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

Abbildung 3.63: Gewinkelte Ketten aus Boratom-Ikosaedern in der Struktur vonAl12.47B176 (70% Atomaufenthaltswahrscheinlichkeit)

172

Page 7: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.3 Aluminiumboride und -boridcarbide

Abbildung 3.64: Raumnetz aus verzerrt-tetraedrisch koordinierten B19-Einheiten inder Struktur von Al12.47B176 (70% Atomaufenthaltswahrscheinlichkeit)

173

Page 8: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

(a) (b)

Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von Al12.47B176, (a) B19-Einheit, (b)Koordination des interstitiellen Boratoms B23 durch Aluminium, zwei Boratom-Ikosaeder und eine B19-Einheit (70% Atomaufenthaltswahrscheinlichkeit)

3.3.2.4 Schlußfolgerung

Die Struktur entspricht nahezu dem in der Literatur von Higashi [113] beschriebe-nen Strukturmodell. Dort hingegen wird ein weiteres, fünftes, Aluminiumatom miteinem Besetzungsfaktor von ≈2.5% beschrieben. Kasper [114] erhielt kurz daraufein nahezu identisches Strukturmodell mit Hilfe der zuvor publizierten Daten. Aucher fand zusätzliche Elektronendichte durch Differenzfouriersynthesen und ordnetesie einem weiteren Aluminiumatom zu, äußerte aber Zweifel diesbezüglich.

In der hier vorgestellten Verbindung ist eine solche Aluminiumatomposition nichtfestzustellen. Die in der Differenzfourierkarte verbleibenden Maxima weisen zwar dienötige Elektronendichte für ein Aluminiumatom mit einem entsprechenden Beset-zungsfaktor auf, befinden sich aber alle in einem Abstand von unter einem Ångströmvon einem Boratom entfernt. Die Besetzung einer solchen Position mit einem Alu-miniumatom ist kristallographisch nicht sinnvoll.

3.3.3 Al10.72B192C8 (β-AlB12)

3.3.3.1 Synthese

Al10.72B192C8 (β-AlB12) wurde aus einem identischen Ansatz wie auch Al12.47B176

(α-AlB12) erhalten (siehe Abschnitt 3.3.2.1).

174

Page 9: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.3 Aluminiumboride und -boridcarbide

3.3.3.2 Diffraktometrische Untersuchungen

Die Kristalle wurden einkristalldiffraktometrisch untersucht, wobei nur wenige nichtmiteinander verwachsen waren und eine eindeutige Indizierung zuließen. Eine In-dizierung gelang im orthorhombischen Kristallystem mit den in Tabelle 3.63 an-gegebenen Gitterparametern. Nach der Integration der Reflexe wurde der Habitusdes Kristalls mit Hilfe der Videokamera des Diffraktometers ermittelt. Nach dessenOptimierung (Programm XShape [34]) wurde eine numerische Absorptionskorrekturdurchgeführt.

Die in der Literatur für β-AlB12 häufig angegebene Raumgruppe Imma (Nr. 74)erwies sich als nicht geeignet. Der Kristall erfüllte die Reflexionsbedingung h+k = 2n

für beobachtete Reflexe mit den Indices (hk0). Diese Reflexe wären in RaumgruppeImma ausgelöscht. Auch die von Meyer [118] für die sehr ähnliche VerbindungB48Al3C2 angegebene Raumgruppe Ima2 (Nr. 46) ist hier sicherlich falsch, da Reflexemit den Indices (0kl) und der Reflexionsbedingung k + l = 2n ausgelöscht sind,Reflexe dieser Indices mit der Reflexbedingung k, l = 2n aber beobachtet werden.

Daher wurde Raumgruppe Iba2 (Nr. 45) gewählt, zu der alle beobachteten Re-flexbedingungen passen. Eine Strukturlösung mit direkten Methoden (ProgrammSHELX [35]) ergab wie bei der Struktur von Al12.47B176 neben falsch bestimmtenAtompositionen Teile der strukturbestimmenden Boratomikosaeder. Danach konn-ten die Atompositionen der übrigen Boratome sowie die Atompositionen und Beset-zungsfaktoren der Aluminiumatome aus Differenzfouriersynthesen bestimmt werden.Leider gelang die Verfeinerung der Boratome des ikosaedrischen Gerüsts wie auchdes verbrückenden Kohlenstoffatoms nur mit isotropen thermischen Auslenkungs-parametern. Die Aluminiumatom-Splitlagen Al1a/b und Al2a/b wurden jeweils mitgemeinsamen thermischen Auslenkungsparametern anisotrop verfeinert.

Tabelle 3.63 zeigt die Meßparameter sowie die kristallographischen Daten derEinkristallmessung von Al10.72B192C8, Tabelle 3.64 die ermittelten Atomlagen undTabelle 3.65 die thermischen Auslenkungsparameter.

Elementarzelleninhalt Al10.72B180C8

Summenformel Al1.34B22.5CDiffraktometer STOE IPDS

EinkristalldiffraktometerWellenlänge [Å] 0.71073

Tabelle 3.63: Meßparameter und kristallographische Daten von Al10.72B192C8

175

Page 10: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

Temperatur [K] 153Max. 2θ [◦] 58.85Zahl d. gemessenen Reflexe 11787Zahl unabhängiger Reflexe 2023Raumgruppe Iba2 (Nr. 45)a [Å] 10.165(2)b [Å] 12.461(2)c [Å] 12.669(3)V [Å3] 1604.7(5)Formeleinheiten (Z) 8Dichte (berechnet) [g/cm3] 2.546Rint 0.0682Rwp 0.1358Rp (alle Reflexe) 0.0654Rp (Reflexe > 4σ) 0.0436Zahl der Parameter 123Restelektronendichte [e/Å3] +0.62 / -0.54

Tabelle 3.63: Meßparameter und kristallographische Daten von Al10.72B192C8

Nr. Typ x y z Uiso Besetzungs- Wyck.faktor

B01 B 0.2526(4) 0.9325(6) 0.9040(4) 0.006(2) 1 8cB02 B 0.3270(4) 0.0789(5) 0.9375(4) 0.0023(9) 1 8cB03 B 0.1795(5) 0.0779(6) 0.6267(4) 0.009(2) 1 8cB04 B 0.3716(4) 0.9208(5) 0.9866(4) 0.0038(9) 1 8cB05 B 0.1438(4) 0.0833(5) 0.0785(4) 0.008(1) 1 8cB06 B 0.3716(5) 0.0767(6) 0.0770(4) 0.011(2) 1 8cB07 B 0.1364(4) 0.9229(5) 0.9836(4) 0.006(1) 1 8cB08 B 0.1797(4) 0.0838(5) 0.9406(4) 0.006(1) 1 8cB09 B 0.2549(4) 0.0598(7) 0.1599(5) 0.009(2) 1 8cB10 B 0.2505(3) 0.1684(6) 0.0387(5) 0.004(2) 1 8cB11 B 0.3253(5) 0.0819(6) 0.6214(4) 0.012(2) 1 8cB12 B 0.2441(3) 0.3321(6) 0.0268(5) 0.009(2) 1 8cB13 B 0.0897(4) 0.1701(5) 0.8553(4) 0.0033(9) 1 8cB14 B 0.4114(5) 0.1672(5) 0.8568(4) 0.0046(9) 1 8c

Tabelle 3.64: Atomlagen von Al10.72B192C8

176

Page 11: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.3 Aluminiumboride und -boridcarbide

Nr. Typ x y z Uiso Besetzungs- Wyck.faktor

B15 B 0.4117(5) 0.1718(6) 0.7066(4) 0.009(1) 1 8cB16 B 0.0430(5) 0.1712(6) 0.1637(4) 0.010(2) 1 8cB17 B 0.4545(5) 0.1682(6) 0.1614(4) 0.010(2) 1 8cB18 B 0.9932(2) 0.0819(2) 0.7798(6) 0.0067(4) 1 8cB19 B 0.0915(5) 0.1659(6) 0.7035(4) 0.010(2) 1 8cB20 B 0.1233(2) 0.3119(2) 0.7808(6) 0.0072(5) 1 8cB21 B 0.5075(2) 0.0824(2) 0.7795(6) 0.0070(5) 1 8cB22 B 0.3760(2) 0.3156(2) 0.7778(5) 0.0065(5) 1 8cB23 B 0.9553(4) 0.1754(5) 0.9033(4) 0.0034(9) 1 8cB24 B 0.4545(4) 0.8233(5) 0.9051(4) 0.0029(9) 1 8cC1 C 0.2502(2) 0.3707(3) 0.7833(7) 0.0078(5) 1 8cAl1a Al 0.25211(8) 0.1571(2) 0.7833(3) 0.0049(3) 0.681(2) 8cAl1b Al 0.2541(2) 0.1042(5) 0.7787(8) 0.0049(5) 0.258(4) 8cAl2a Al 0 0 0.0276(5) 0.0053(7) 0.59(2) 4bAl2b Al 0 0 0.053(2) 0.005(2) 0.21(2) 4b

Tabelle 3.64: Atomlagen von Al10.72B192C8

Nr. U11 U22 U33 U12 U13 U23

Al1a/b 0.0047(5) 0.0041(7) 0.0060(6) 0.002(1) -0.0003(7) 0.0005(4)Al2a/b 0.004(2) 0.0079(9) 0.0042(2) 0 0 -0.005(2)

Tabelle 3.65: Anisotrope Anteile der thermischen Auslenkungsparameter vonAl10.72B192C8

3.3.3.3 Strukturbeschreibung

Die Struktur von Al10.72B192C8 ist aus verbrückten Boratom-Ikosaederketten aufge-baut. Zwei unterschiedliche Ketten aus Boratom-Ikosaedern durchziehen die Struk-tur in b-Richtung (Abb. 3.66), wobei eine Kette von den Boratomen B01-B12 unddie andere von den Boratomen B13-B24 gebildet wird. Hierbei weisen die Ikosa-eder innerhalb einer Kette einen Abstand von 1.6787(3)Å bzw. 1.6770(3)Å auf, dieKetten sind nicht gewinkelt. Sie stehen zueinander „auf Lücke“, sie sind um eine hal-be Ikosaederlänge gegeneinander verschoben. Diese Ketten sind untereinander imAbstand von 1.8-1.9Å verknüpft und bilden das Boratom-Raumnetz der Struktur.Zwischen den Ketten bleiben kanalartige Zwischenräume frei, in die die Aluminium-

177

Page 12: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

und Kohlenstoffatome eingelagert sind. Durch die Tatsache, daß Ikosaeder nichtsphärisch sind, variiert die Größe des Kanals - zum einen kann eine Ikosaederspitzezum Zentrum des Kanals weisen, zum anderen eine Ikosaederfläche. Aus diesem nurgeringen Unterschied resultiert die pseudotetragonale Symmetrie der Struktur unddie ausgeprägte Neigung zur Bildung von Zwillingsdomänen und Stapelfehlordnun-gen.

Daher sind die Kanäle nicht zylindrisch, es resultieren zwei verschiedene Artenvon Lücken: in der größeren der beiden Lücken ist das Kohlenstoffatom und dieAluminiumatome Al1a/Al1b jeweils verzerrt-tetraedrisch von Boratom-Ikosaedernkoordiniert (Abb. 3.67(a)), in der kleineren der beiden Lücken sind die Aluminiu-matome Al2a/Al2b verzerrt-oktaedrisch von Boratom-Ikosaedern koordiniert (Abb.3.67(b)). Die Boratome sind 2-2.5Å von den Aluminiumatomen entfernt.

Die Aluminiumatome sind sowohl teilbesetzt als auch fehlgeordnet, so daß fürdie zwei möglichen Atompositionen jeweils Splitlagen definiert wurden. Diese weiseneinen äußerst geringen Abstand zueinander auf und sind daher nur wechselseitigbesetzt. Die Summe der Besetzungsfaktoren der Splitlagen ist aber kleiner Eins.

178

Page 13: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.3 Aluminiumboride und -boridcarbide

Abbildung 3.66: Darstellung der Elementarzelle von Al10.72B180C8, lineare Ketten ausBoratom-Ikosaedern entlang der b-Achse (70% Atomaufenthaltswahrscheinlichkeit)

179

Page 14: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

(a) (b)

Abbildung 3.67: Darstellungen der Struktur von Al10.72B180C8, (a) verzerrt-tetraedrische Koordination von Al1a/Al1b und C1, (b) verzerrt-oktaedrischeKoordination von Al2a/Al2b (70% Atomaufenthaltswahrscheinlichkeit)

3.3.3.4 Schlußfolgerung

Die Struktur ähnelt stark der von Meyer [118] mit ähnlichen Gütefaktoren(Rp = 0.064 (alle Reflexe)) ermittelten Struktur von B48Al3C2, muß aber in eineranderen Raumgruppe beschrieben werden. Dadurch reduziert sich die Zahl der Bor-atompositionen von 28 auf 24, die Zahl der Aluminiumatompositionen von fünf aufvier und die Zahl der Kohlenstoffatompositionen von zwei auf eine. Die Anordnungder Boratom-Ikosaeder, der Aluminium- und Kohlenstoffatome zueinander sprichtaber für die Tatsache, daß es sich hier um dieselbe Verbindung handelt.

Unklar ist die Art des die Ikosaederketten verbrückenden Atoms. Auch wenndieses Atom nur isotrop verfeinert werden konnte, so handelt es sich hierbei wahr-scheinlich um ein Kohlenstoffatom. Ein Boratom an dieser Stelle bewirkt eine Ver-schlechterung aller Gütefaktoren (z.B. Rp für Reflexe > 4σ von 0.0436 nach 0.0468).Auch der Abstand zum nächstgelegenen Boratom von 1.63(1)Å ist nicht signifikant,da die Abstände zwischen den Ikosaederketten von den Aluminiumatomen mitbe-stimmt werden. Eine klare Unterscheidung zwischen Kohlenstoff und Bor ist aufBasis von Röntgendaten nicht möglich.

180

Page 15: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.4 Sonstige Boride

3.4 Sonstige Boride

3.4.1 Si3.22B27.48

3.4.1.1 Literatur

Ein binäres Siliciumborid mit rhomboedrischer Elementarzelle, welches neben derbekannten Verbindung SiB6 mit orthorhombischer Elementarzelle [119] existiert,wurde schon in 1960er Jahren [6,120,121] entdeckt und mit einer Zusammensetzungvon SiB2.89 bis SiB4 beschrieben. Beide Strukturvorschläge stellen einen Großteilder Struktur korrekt dar, weisen jedoch strukturelle Fehler auf. So besetzen in die-sen Strukturen Silicium und Bor eine gemeinsame Atomposition, die zusammen miteiner weiteren Boratomposition einen Ikosaeder bildet. Eine Besetzung dieser Posi-tion mit Silicium ist chemisch gesehen unwahrscheinlich. Desweiteren unterschreitetdie Entfernung dieser Atomposition zur nächsten symmetrieäquivalenten Lage dendoppelten Kovalenzradius eines Siliciumatoms deutlich und ist somit kristallogra-phisch nicht sinnvoll. Dieses Siliciumborid wurde daher erneut synthetisiert undseine Struktur mit modernen einkristalldiffraktometrischen Methoden gelöst.

3.4.1.2 Synthese

Ein mittels Lichtbogensynthese hergestelltes borreiches Borid wurde im Induktions-ofen in einer Siliciumschmelze24 auf 1500 ◦C erhitzt, mehrere Tage bei dieser Tem-peratur gehalten und über einen Zeitraum von 12 Stunden auf Raumtemperaturabgekühlt. Das überschüssige Silicium wurde mit heißer, konzentrierter Natronlau-ge entfernt, die Kristalle unter dem Mikroskop selektiert und einkristalldiffraktome-trisch untersucht.

3.4.1.3 Diffraktometrische Untersuchungen

Die erhaltenen Datensätze ließen sich im trigonalen Kristallsystem indizieren undwurden in Raumgruppe R 3m (Nr. 166) mit Hilfe direkter Methoden (ProgrammSHELX [35]) gelöst. Die erhaltenen Atompositionen wurden dann mit anisotropenthermischen Auslenkungsparametern verfeinert.

Im Rahmen der Untersuchungen wurden acht ähnlich gute Kristalle aus zweiverschiedenen Ansätzen untersucht und individuell verfeinert. Tabelle 3.66 vergleicht

24Fa. Merck, Reinheit > 99%

181

Page 16: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

die gefundenen Gitterparameter sowie die Gütefaktoren der Verfeinerungen und dieBesetzungsfaktoren der teilbesetzten Atompositionen aller Messungen sowie derenMittelwerte. Diese Werte resultieren aus den am Diffraktometer ermittelten Datensowie den Ergebnissen der Verfeinerungen unter Vernachlässigung der jeweiligenStandardabweichungen.

Nr. MFFS18-1 MFFS18-2 MFFS18-3 MFFS18-4 MFFS18-5

a, b (Å) 6.355 6.343 6.350 6.322 6.343c (Å) 12.790 12.772 12.796 12.727 12.774V (Å3) 447.4 445.0 446.8 440.6 445.1Rp (> 4σ) 0.0417 0.0371 0.0369 0.0364 0.0329Rwp 0.0982 0.1002 0.0952 0.1001 0.0885Besetzungsfaktor Si1 0.538 0.535 0.539 0.539 0.537Besetzungsfaktor B2 0.532 0.522 0.529 0.528 0.527

Tabelle 3.66: Vergleich der einzelnen Messungen von Einkristallen von Si3.22B27.48

Nr. MF260-1 MF260-2 MF260-3 Mittelwert(alle Messungen)

a, b (Å) 6.342 6.354 6.354 6.35(2)c (Å) 12.745 12.750 12.745 12.77(3)V (Å3) 444.94 445.80 445.69 445(3)Rp (> 4σ) 0.0380 0.0373 0.0382Rwp 0.0920 0.0909 0.0866Besetzungsfaktor Si1 0.542 0.543 0.536 0.539(3)Besetzungsfaktor B2 0.522 0.530 0.539 0.528(6)

Tabelle 3.66: Fortsetzung

Tabelle 3.67 zeigt die Meßparameter sowie die kristallographischen Daten der Ein-kristallmessung von Si3.22B27.48 (Messung MFFS18-5), Tabelle 3.68 die ermitteltenAtomlagen und Tabelle 3.69 die thermischen Auslenkungsparameter.

Elementarzelleninhalt Si3.22B27.48

Summenformel Si0.54B4.58

Diffraktometer STOE IPDSEinkristalldiffraktometer

Tabelle 3.67: Meßparameter und kristallographische Daten von Si3.22B27.48 (MessungMFFS18-5)

182

Page 17: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.4 Sonstige Boride

Wellenlänge [Å] 0.71073Temperatur [K] 153Max. 2θ [◦] 58.26Zahl. d. gemessenen Reflexe 1980Zahl unabhängiger Reflexe 168Raumgruppe R 3m, Nr. 166a, b [Å] 6.343(2)c [Å] 12.774(4)V [Å3] 445.1(2)Formeleinheiten (Z) 6Dichte (berechnet) [g/cm3] 1.446Rint 0.0434Rwp 0.0885Rp (alle Reflexe) 0.0411Rp (Reflexe > 4σ) 0.0329Zahl der Parameter 18Restelektronendichte [e/Å3] +0.24 / -0.24

Tabelle 3.67: Meßparameter und kristallographische Daten von Si3.22B27.48 (MessungMFFS18-5)

Nr. Typ x y z Uiso Besetzungs- Wyck.faktor

Si1 Si 0 0 0.4052(2) 0.0097(5) 0.537(6) 6cB1 B 0.2231(4) 0.1115(2) 0.1202(2) 0.0183(6) 1 18hB2 B 0.1572(3) 0.3144(7) 0.0266(3) 0.014(2) 0.53(2) 18h

Tabelle 3.68: Atomlagen von Si3.22B27.48 (Messung MFFS18-5)

Nr. U11 U22 U33 U12 U13 U23

Si1 0.0081(5) 0.0081(5) 0.0129(7) 0 0 0.0040(3)B1 0.017(2) 0.0130(8) 0.026(2) 0.0017(4) 0.0033(7) 0.0086(6)B2 0.011(2) 0.010(2) 0.022(2) -0.001(2) 0.0000(6) 0.0048(9)

Tabelle 3.69: Anisotrope Anteile der thermischen Auslenkungsparameter vonSi3.22B27.48 (Messung MFFS18-5)

183

Page 18: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

3.4.1.4 Strukturbeschreibung

Die Struktur von Si3.22B27.48 (Abb. 3.68(b)) und die der in der Literatur als B13C2

[122] beschriebenen Phase (Abb. 3.68(a), aus historischen Gründen häufig auch als„B4C“ bezeichnet) weisen eine große Ähnlichkeit auf. Das Grundgerüst beider Struk-turen bildet ein verzerrt-tetraedrisches Raumnetzwerk aus Boratom-Ikosaedern ähn-lich dem des α-rhomboedrischen Bor. Im B13C2 befindet sich auf der c-Achse einelineare B-C-B-Substruktur, wohingegen diese Position im Si3.22B27.48 von einer et-was über halbbesetzten Silicium-Doppelhantel (Abstand Si–Si: 2.422(3)Å) ausge-füllt wird. Im Gegensatz zur Struktur des B13C2 ist eine der beiden die Ikosaederbildenden Boratompositionen ebenfalls nur etwas über halbbesetzt.

(a) (b)

Abbildung 3.68: Ikosaederdarstellungen von (a) „B13C2“ und (b) Si3.22B27.48 (70%Atomaufenthaltswahrscheinlichkeit)

3.4.1.5 DFT-Rechnungen

Für Si3.22B27.48 wurden CPA-DFT-Rechnungen (Programm FPLO mit CPA-Option,rhomboedrische Elementarzelle, 1728 k-Punkte, 189 irreduzible k-Punkte, 12×12×12

184

Page 19: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.4 Sonstige Boride

Gitter, Abbruchkriterium 10−6 Hartree) mit den gemittelten Gitterparametern undBesetzungsfaktoren der Einkristall-Einzelmessungen durchgeführt. Die Unterbeset-zung der Silicium- und der Boratomposition wurde durch Einfügen von Fehlstellenausgeglichen. Diese Fehlstellen wirken sich verständlicherweise stark auf die elek-tronische Struktur der Verbindung aus, weshalb die erhaltene Auftragung der Zu-standsdichte gegenüber der hypothetischen, vollbesetzten Struktur (Abb. 3.69) eineerhebliche Verbreiterung der Zustände zeigt. Sie erlaubt daher wenig Aussagen überdie elektronische Struktur der Verbindung.

Sowohl die Zustandsdichte als auch die Darstellung der Bandstruktur der hypo-thetischen Verbindung Si6B36 (Abb. 3.70) zeigt, daß es sich hierbei um ein Halb-metall handeln würde: es existieren wenige, die Fermi-Energie schneidende Bänder,was auf metallische Leitfähigkeit schließen läßt. Jedoch befindet sich oberhalb dieserBänder eine 1.64 eV breite Bandlücke. Die Bänder oberhalb dieser Bandlücke stün-den also erst bei erhöhter Temperatur für den Ladungstransport zur Verfügung.

Abbildung 3.69: Zustandsdichten von Si3.22B27.48 und der hypothetischen VerbindungSi6B36

185

Page 20: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

Abbildung 3.70: Bandstruktur-Ausschnitt von Si6B36 (hypothetische Struktur)

3.4.1.6 Schlußfolgerung

Durch die Teilbesetzung der Silicium- sowie einer der Boratompositionen ist die ausder Struktur rechnerisch ermittelte Dichte sehr gering, in der Regel weisen borrei-che Boride eine Dichte von > 2 g/cm3 auf. Die Auswertung der Einkristalldaten läßtjedoch reproduzierbar keine höhere Besetzung dieser Atompositionen zu. Eine Veri-fizierung der geringen Dichte durch pyknometrische Messungen könnte hier Klarheitbringen.

3.4.2 CaxBa1-xB6

3.4.2.1 Synthese

Mit dem Ziel, ein ternäres Chrom-Wolframborid [123] einkristallin zu erhalten wurdeChrom25 mit Wolfram26 und Bor27 vermischt und in einer Aluminiumschmelze imInduktionsofen auf 1500 ◦C erhitzt, mehrere Tage auf dieser Temperatur gehalten

25Fa. Chempur, 99.9%, Pulver26Fa. Chempur, 99.95%, Pulver27β-rhomboedrisch, Fa. H.C. Starck, >98%, Pulver

186

Page 21: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.4 Sonstige Boride

und im Verlauf von 12 Stunden auf Raumtemperatur abgekühlt. Das überschüssigeAluminium wurde mit halbkonzentrierter Salzsäure entfernt.

Offensichtlich war das verwendete Chrom mit Calcium, Barium und in Spu-ren auch mit Strontium verunreinigt, welches sich mit Bor zu Einkristallen einesgemischten Calcium-Barium-Hexaborids umsetzte. Weiterhin wurden in der Pro-be pulverförmige Chromboride sowie einkristalline Aluminiumboride gefunden. DieKristalle wurden unter dem Mikroskop selektiert und einkristalldiffraktometrischuntersucht.

3.4.2.2 Diffraktometrische Untersuchungen

Der erhaltene Datensatz ließ sich im kubischen-primitiven Kristallsystem indizieren.Die Strukturlösung wurde in Raumgruppe Pm 3m (Nr. 221) durchgeführt, wobei mitdirekten Methoden (Programm SHELX [35]) alle Atompositionen bestimmt werdenkonnten.

Tabelle 3.70 zeigt die Meßparameter sowie die kristallographischen Daten vonCaxBa1-xB6 (Messung MFFS27-1), Tabelle 3.71 die ermittelten Atomlagen und Ta-belle 3.72 die thermischen Auslenkungsparameter.

Summenformel CaxBa1-xB6

Diffraktometer STOE IPDSEinkristalldiffraktometer

Wellenlänge [Å] 0.71073Temperatur [K] 293Max. 2θ [◦] 57.71Zahl d. gemessenen Reflexe 1344Zahl unabhängiger Reflexe 34Raumgruppe Pm 3m, Nr. 221a [Å] 4.1643(7)V [Å3] 72.22(3)Formeleinheiten (Z) 1Dichte (berechnet) [g/cm3] 2.657Rint 0.0858Rwp 0.0418Rp (alle Reflexe) 0.0150

Tabelle 3.70: Meßparameter und kristallographische Daten von CaxBa1-xB6

(Messung MFFS27-1)

187

Page 22: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

Rp (Reflexe > 4σ) 0.0150Zahl der Parameter 6Restelektronendichte [e/Å3] +0.37 / -0.27

Tabelle 3.70: Meßparameter und kristallographische Daten von CaxBa1-xB6

(Messung MFFS27-1)

Nr. Typ x y z Uiso Besetzungs- Wyck.faktor

Ca1 Ca 0 0 0 0.0068(4) 0.87824 1aBa1 Ba 0 0 0 0.0068(4) 0.12176 1aB1 B 0.5 0.5 0.2019(8) 0.0053(9) 1 6f

Tabelle 3.71: Atomlagen von CaxBa1-xB6 (Messung MFFS27-1)

Nr. U11 U22 U33 U12 U13 U23

Ca1 0.0068(4) 0.0068(4) 0.0068(4) 0 0 0Ba1 0.0068(4) 0.0068(4) 0.0068(4) 0 0 0B1 0.006(2) 0.006(2) 0.004(2) 0 0 0

Tabelle 3.72: Anisotrope Anteile der thermischen Auslenkungsparameter vonCaxBa1-xB6 (Messung MFFS27-1)

Vier gute Einkristalle aus über zehn insgesamt konnten aus dem Ansatz iso-liert werden und wurden einzeln verfeinert. Hierbei war es nötig, den Gesamtbe-setzungsfaktor der Metallposition auf Eins zu fixieren sowie den anisotropen Anteildes thermischen Auslenkungsfaktors der Bariumatomposition mit dem der Calci-umatomposition zu koppeln. Andernfalls war eine stabile Verfeinerung der Bariu-matomposition nicht möglich. Daher kann der Faktor „x“ in CaxBa1-xB6 nur ohneStandardabweichungen angegeben werden.

Tabelle 3.73 zeigt die Gitterparameter und die Elementverteilungen dieser Ver-feinerungen, Abb. 3.71 die Auftragung der ermittelten Gitterparameter gegen denCalciumgehalt der vermessenen Kristalle. Als Referenz sind die Gitterparameter vonCaB6 [124] (a = 4.1525(2)Å) und von BaB6 [125] (a = 4.2615(7)Å) aufgetragen.Man sieht, daß die Aufweitung der Elementarzelle gut mit dem Gehalt an Bariumkorreliert. Sowohl die hier vorgestellten Messungen als auch die Messungen der Re-ferenzmaterialien wurden bei Raumtemperatur durchgeführt.

188

Page 23: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.4 Sonstige Boride

MFFS27-1 MFFS27-2 MFFS27-3 MFFS27-8

Ca1 0.87824 0.93112 0.88478 0.86650Ba1 0.12176 0.06888 0.11522 0.13349a [Å] 4.1643(7) 4.1606(9) 4.1661(7) 4.1678(7)

Tabelle 3.73: Besetzungsfaktoren und Gitterparameter von Ca und Ba in CaxBa1-xB6

Abbildung 3.71: Auftragung des Gitterparameters a gegen den Ca-Gehalt für CaB6,BaB6 und CaxBa1-xB6

3.4.2.3 Strukturbeschreibung

Die ermittelte Struktur von CaxBa1-xB6 entspricht der des CaB6, bei der das Me-tallatom im Ursprung der Zelle zu liegen kommt und sich ein B6-Oktaeder in derenMitte befindet (Abb. 3.72). Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Mischbe-setzung der Metallatomposition durch Calcium und Barium. Der Abstand der Bora-tome zueinander (Messung MFFS27-1) ist wie in allen Hexaboriden vom CaB6-Typinnerhalb des Oktaeders mit 1.756(5)Å größer als der Abstand zwischen den Okta-edern (1.682(7)Å), der Abstand der Metallatome entspricht dem Gitterparameter.

189

Page 24: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

Abbildung 3.72: Darstellung der Struktur von CaxBa1-xB6 (70% Atomaufenthalts-wahrscheinlichkeit)

3.4.2.4 Mikroskopische Untersuchungen

Einkristalle der Substanz wurden in einem Achatmörser fein gemahlen, auf mitKohlenstoff beschichtete Kupfernetze aufgetragen und im Transmissionselektronen-mikroskop mit angeschlossenem EDS-Detektor qualitativ untersucht. Das EDS-Spektrum (Abb. 3.73) zeigt das Vorhandensein von Bor, Calcium und Barium, aberauch geringe Mengen von Strontium. Weiter enthält die Probe Kupfer aus demKupfernetz sowie Kohlenstoff, der sowohl vom Netz als auch aus der Probe stam-men kann. Geringe Spuren von Silicium und Sauerstoff sind aufgrund der Härte derHexaboride wahrscheinlich durch Abrieb des Achatmörsers eingetragen worden.

190

Page 25: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.4 Sonstige Boride

Abbildung 3.73: EDS-Spektrum von Einkristallen von CaxBa1-xB6

3.4.2.5 DFT-Rechnungen

Für CaxBa1-xB6 (Programm FPLO mit CPA-Option, Gitterparameter und Beset-zungsfaktoren von Messung MFFS27-1, 1728 k-Punkte, 84 irreduzible k-Punkte,12 × 12 × 12 Gitter, Abbruchkriterium 10−6 Hartree) sowie CaB6 und BaB6 (Pro-gramm FPLO, Gitterparameter und Atompositionen aus der Literatur, 1728 k-Punkte, 84 irreduzible k-Punkte, 12×12×12 Gitter, Abbruchkriterium 10−6 Hartree)wurden DFT-Rechnungen durchgeführt, die Auftragung der Zustandsdichten zeigtAbb. 3.74. Durch die Normierung auf die Fermi-Energie sind die Zustandsdichtenauf den niedrigen s- und p-Orbitalen der Metallatome verschoben. Gemeinsam ha-ben diese Verbindungen jedoch die äußerst niedrige Zustandsdichte an und oberhalbder Fermi-Energie, ohne jedoch eine Bandlücke auszubilden. An der Fermi-Energieselbst fällt die Zustandsdichte von CaB6 und BaB6 kurz (für ca. 0.01 eV) auf Nullab, um danach wieder leicht anzusteigen, die Zustandsdichte von CaxBa1-xB6 fällthier nicht ganz bis Null ab. Dies mag jedoch der verringerten Genauigkeit bei CPA-Rechnungen geschuldet sein.

Die Auftragungen der Bandstrukturen von CaB6 (Abb. 3.75) und BaB6

191

Page 26: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

(Abb. 3.76) verdeutlichen dies, man erkennt Überschneidungen eines Valenzbandesmit einem Leitungsband am Punkt „X“ der Brillouinzone. Dies würde eine schlechtemetallische Leitfähigkeit dieser Verbindungen erwarten lassen. Allerdings sind er-fahrungsgemäß mittels DFT-Methoden für 0K bestimmte Bandlücken tendenziellzu klein.

Aktuelle experimentelle Arbeiten auch an Einkristallen widersprechen sich indieser Hinsicht. Leitfähigkeitsmessungen ergeben sowohl halbleitende [126] als auchmetallische bzw. halbmetallische Eigenschaften [127, 128]. Direkte Untersuchungender elektronischen Bandstruktur mittels ARPES28 ergeben für diese Verbindungenjedoch den Fall einer Bandlücke von ≈1 eV mit einer Ausbuchtung der Fermiober-fläche am X-Punkt, welche zu einer Ein-Elektronen-Tasche führt [129, 130]. DiesesVerhalten wird mit einer schon vorhandenen Dotierung oder einer Nichtstöchiome-trie der untersuchten Kristalle erklärt.

Abbildung 3.74: Zustandsdichten von CaxBa1-xB6, CaB6 und BaB6

28Angle-Resolved Photoemission Spectroscopy

192

Page 27: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3.4 Sonstige Boride

Abbildung 3.75: Bandstruktur-Ausschnitt von CaB6

Abbildung 3.76: Bandstruktur-Ausschnitt von BaB6

193

Page 28: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

3 Spezieller Teil

3.4.2.6 Schlußfolgerung

Bisher waren Hexaboride mit CaB6-Struktur nur von Calcium oder Barium bekannt,von einem gemischten Borid dieses Typs wurde bisher nicht berichtet. Die gefundeneVerbindung CaxBa1-xB6 weist eine Varianz des Faktors „x“ auf, er nimmt in denvermessenen Kristallen Werte von 0.86650 bis 0.93112 an. Der Gitterparameter akorreliert gut mit der ermittelten Zusammensetzung und mit den Literaturwertenfür CaB6 und BaB6. DFT-Rechnungen lassen eine ähnliche elektronische Strukturwie die der binären Erdalkalimetall-Hexaboride erwarten.

194

Page 29: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

4 Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte die Hochtemperatursynthese binärer undternärer Boride erfolgreich durchgeführt werden. Hierzu wurde ein Hochfrequenz-Induktionsofen mit Schutzgasanschluß und computergestützter Steuerung aufgebautund betrieben. Diese Apparatur erlaubt den Zugang zu phasenreinen Pulvern sowieEinkristallen von Boriden und anderen Verbindungen über die Route der Hochtem-peratursynthese.

Im Zuge der Erforschung der Einlagerungsverbindungen des β-rhomboedrischenBor konnten die binären Verbindungen Mn11.73B308.70, Zr5.63B311.45, Si3.28B311.15,Ni3.38B316.11 und Sc10.37B309.59 sowie die ternäre Verbindung Al6Cu5.40B319.64 in ein-kristalliner Form synthetisiert und strukturell untersucht werden. Einige dieser Ver-bindungen sind jedoch möglicherweise im Strukturmodell des β-rhomboedrischenBor nicht vollständig zu beschreiben und erfordern die weitere Aufklärung, so dieSuche nach einer durch Einlagerung der Metalle ausgelösten Überstruktur.

Weiter wurden mittels Lichtbogensynthesen diverse, leider mit anderen Phasenverunreinigte, ternäre borreiche Boride gefunden und ihre Zusammensetzung mitmikroskopischen Methoden bestimmt. Die Existenz dieser Verbindungsklasse ist alsounbestreitbar, es sind jedoch weitere Versuche zur Darstellung von phasenreinenPulvern und Einkristallen notwendig.

Die in der Literatur uneinheitlich beschriebene Zusammensetzung der Dibori-de von Wolfram, Molybdän und Rhenium konnte zweifelsfrei geklärt werden. Das„strittige“ zusätzliche Boratom im Zentrum der gewellten Boratomringe der Struk-turen muß ein Artefakt vorheriger Messungen sein und ist nicht vorhanden, womitdiese Verbindungen ein Metall-Bor-Verhältnis von 1:2 statt 1:2.5 (Mo,W) bzw. 1:3(Re) aufweisen. Dies zeigen die WDS-Messungen sowie die Neutronenbeugungsexpe-rimente an dargestellten Pulverproben zweifelsfrei. Das Wolframdiborid weist eineFehlordnung entlang der kristallographischen c-Achse auf, was sich in Form vonsystematischen Reflexverbreiterungen bei der Messung mit Röntgen- und Neutro-nenstrahlung zeigt. Dies führt auch zu Problemen bei der Indizierung der W2B4-Einkristalle. Hier könnte eine Untersuchung im hochauflösenden Transmissions-elektronenmikroskop Klarheit bringen.

195

Page 30: 3.3Aluminiumboride und -boridcarbidetuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1030/4/Frotscher-Dissertation-Teil4.pdf · 3 Spezieller Teil (a) (b) Abbildung 3.65: Darstellungen der Struktur von

4 Zusammenfassung und Ausblick

Durch die Tatsache, daß sich in den Phasendiagrammen der Systeme auf beidenSeiten weitere Boride befinden, bildet sich bei der Synthese häufig ein geringer Anteileiner Fremdphase. Da diese strukturell bekannt sind, kann ihr Auftreten bei der Ver-feinerung der Daten als Nebenphase berücksichtigt werden. Im System Wolfram-Borwurden die Verbindungen WB und WB4 zur Verwendung als Kalibrationsstandardhergestellt und deren Struktur und Zusammensetzung mit Röntgen- und Neutro-nenbeugungsmethoden verifiziert.

Eine weitere, in der Literatur als Molybdändiborid beschriebene Verbindung,konnte als nichtstöchiometrisches Borid der Zusammensetzung MoB2-x charakteri-siert werden, welches im AlB2-Typ kristallisiert. Hierbei erlaubt die Variation desFaktors x eine gewisse Phasenbreite. Eine diesem Borid entsprechende Verbindungin den Systemen Wolfram-Bor und Rhenium-Bor wurde nicht gefunden.

Im System Aluminium-Bor konnten zwei Boride, die ursprünglich als α-AlB12

und β-AlB12 beschrieben wurden, einkristallin hergestellt und strukturell charakteri-siert werden. Während die α-Modifikation, Al12.47B176, ein reines binäres Aluminium-borid ist, wird die β-Modifikation offensichtlich nur unter Einbau von Verunreinigun-gen in die Struktur gebildet und ist in Wahrheit ein ternäres Aluminiumborcarbidmit der Zusammensetzung Al10.72B192C8.

Bei Versuchen mit elementarem Silicium als Schmelzenmaterial konnten Kristalleeines bereits bekannten, in der Literatur aber fehlerhaft beschriebenen binären Silici-umborids gewonnen werden. Die Verbindung weist die Zusammensetzung Si3.22B27.48

auf und ist eng mit der Struktur des Borcarbids B13C2 verwandt.Als weiteres Novum gelang die Synthese des ersten bekannten ternären Hexabo-

rids mit CaB6-Struktur im System Calcium-Barium-Bor. Dieses wurde einkristallinerhalten und durch die Auswertungen der Messungen mehrerer Einkristalle konnteeine lineare Korrelation zwischen dem Calcium- bzw. Bariumgehalt und dem Gitter-parameter a hergestellt werden. Die Verbindung kann also als CaxBa1-xB6 beschrie-ben werden. Qualitative EDS-Messungen bestätigen das Vorkommen von Calcium,Barium und Bor in den Kristallen.

Von allen Strukturen wurden Berechnungen der elektronischen Struktur mit Hil-fe der Dichtefunktionaltheorie durchgeführt. Eine erfolgreiche Konvergenz der Rech-nungen ist für Strukturen mit Teilbesetzung und/oder großer, komplexer Elementar-zelle nicht immer möglich. Dies trifft auch auf die Strukturen der borreichen Boridezu. Die Auftragung der Zustandsdichte sowie die Darstellungen der Bandstrukturerlauben Hinweise auf die elektronische Struktur dieser Phasen.

196