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Stabilität von Dispersionen (Norbert Stock)

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Versuch K1

Stabilität von Dispersionen

Grundlagen

Eine kolloidale Verteilung der in einer kontinuierlichen Phase dispergierten Teilchen ist nur

stabil, solange die Teilchen durch abstoßende Kräfte auseinander gehalten werden.

Gegenwärtig sind drei Stabilisierungsmechanismen bekannt:

• elektrostatische Stabilisierung

• sterische Stabilisierung

• Verarmungsstabilisierung (depletion stabilisation).

Zur elektrostatischen Stabilisierung müssen an der Oberfläche der Teilchen Ladungen

vorhanden sein. Die Oberflächenladungen werden durch die Gegenionen (bei negativ

geladenen Oberflächenladungen also Kationen) kompensiert. Die Gegenionen (coun-

terions) sitzen nicht direkt auf der Oberfläche, sondern bilden eine diffuse Ionenschicht um

die Teilchen. Die Abstoßung zwischen den diffusen Ionenschichten stabilisiert die

Dispersion. Da zwischen den Teilchen auch die attraktiven van-der-Waals-Kräfte wirken,

werden die Dispersionen oder Emulsionen unter bestimmten Bedingungen instabil. Der

Einfluss beider Kräfte auf die Stabilität wird durch die DLVO-Theorie beschrieben (DLVO

von Derjaguin, Landau, Verwey und Overbeek).

Die sterische Stabilisierung tritt auf, wenn Makromoleküle (durch Adsorption oder kova-

lente Bindungen) an der Teilchenoberfläche angeheftet sind. Wenn das Lösungsmittel in

bezug auf die Makromoleküle der Hülle gut ist, können sich die Hüllen der Teilchen nicht

wesentlich ineinander schieben, und die Teilchen bleiben so weit voneinander entfernt,

dass die Dispersion stabil ist.

Im Idealfall tragen weder die Teilchenoberfläche noch die Makromoleküle Ladungen. Ge-

rade in technischen Systemen sind jedoch oft Ladungen vorhanden, so dass zusätzlich

zur sterischen Stabilisierung noch elektrostatische Wechselwirkungen auftreten

(elektrosterische Stabilisierung).

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Gelöste Polymere destabilisieren üblicherweise durch Verarmungseffekte (depletion

flocculation). Bei ausreichend hohen Polymerkonzentrationen kann in bestimmten Fällen

eine Restabilisierung erfolgen.

Elektrostatische Stabilisierung (DLVO-Theorie)

Die Gegenionen, welche die Oberflächenladungen kompensieren, bilden eine diffuse

Ionenschicht um die Teilchen (Gouy-Chapman-Schicht). Als Beispiel seien Teilchen mit

negativen Oberflächenladungen betrachtet. Die Verteilung der Gegenionen (hier der

Kationen) und der Coionen (hier der Anionen) wird durch den Verlauf des

elektrostatischen Potentials bestimmt. Es hat an der Teilchenoberfläche den Maximalwert

ψ0 (Oberflächenpotential) und fällt exponentiell in das Dispersionsmittel hinein ab. Daher

nimmt die Konzentration der Gegenionen von einem Maximalwert an der Oberfläche zur

Lösung hin exponentiell ab. Die Coionen werden von der Oberfläche abgedrängt, ihre

Konzentration steigt also zur Lösung hin an.

Charakteristische Größen sind:

• Oberflächenladung σ0

• Oberflächenpotential ψ0

• Potential in der diffusen Ionenschicht ψ

Potentiale werden meistens als reduzierte Größen ausgedrückt:

0RTvFz ψ= ψ=

RTvFy

mit v = Wertigkeit der Gegenionen, F = Faraday-Konstante, RT = thermische

Energie, z oder y = 1 entspricht ψ0 bzw. ψ = 25,7 mV (in Wasser bei 25 °C!)

• Debye-Hückel-Länge: ∑⋅⋅εε=⋅

⋅εε⋅

=κ i2i

0

2

0

2

cvRT

FIRT

F2

mit I = Ionenstärke, ε = rel. Dielektrizitätskonstante, ε0 = elektrische Feldkonstante,

ci = Konzentration der Ionen (mol/m3!)

Die Ausdehnung der diffusen Ionenschicht wird durch 1/κ bestimmt. Bei einem Abstand

x = 1/κ von der Oberfläche ist ψ = ψ0/e. Mit 1/κ wird aber nicht die volle Ausdehnung der

diffusen Ionenschicht erfasst. Da das Potential asymptotisch gegen Null geht, ist die

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diffuse Ionenschicht etwa 5 · 1/κ dick (ψ/ψ0 = e-κx: für x = 4,6 · 1/κ wird ψ = 0,01 ψ0). Die

diffusen Ionenschichten reichen daher bei niedrigen Salzkonzentrationen weit in die

Lösung hinein. Wichtig ist, dass die Ausdehnung unabhängig von der Oberflächenladung

bzw. dem Oberflächenpotential ist.

Die elektrostatische Wechselwirkung VR zwischen den Teilchen kann näherungsweise be-

rechnet werden:

plättchenförmige Teilchen (in Wasser bei 298 K):

[ ]2d222

10R m/Je

v10147,0V κ−− γ

κ⋅=

kugelförmige Teilchen:

[ ]Jeva10461,0V H2

210

Rκ−− γ⋅=

mit ( ) ( )1e/1e 2/z2/z +−=γ

Die Energie VR hängt von dem Oberflächenpotential (über γ), der Salzkonzentration (über

κ) und der Wertigkeit (über v, κ und γ) ab.

Abbildung 1: Elektrostatische Wechselwirkung VR zwischen kugelförmigen Teilchen (Radius a = 100 nm) für Oberflächenpotentiale z = 2 und z = 4. Die Elektrolytkonzentration ist durch κ ausgedrückt.

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Im Gegensatz zur elektrostatischen Abstoßung ist die van-der-Waals-Anziehung VA weit-

gehend unabhängig von der Elektrolytkonzentration. Zur Berechnung dienen einfache

Näherungsformeln:

kugelförmige Teilchen: [ ]JHa

12AVA ⋅−=

dicke Plättchen: 2A d48AVπ

−=

A = Hamaker-Konstante: = (15-30) · 10-20 J für Metalle

(1-5) · 10-20 J für Oxide und Silicate

(0.3-5) · 10-20 J für Salze

(0.3-1.4) · 10-20 J für Polymere

Die von der Elektrolytkonzentration weitgehend unabhängige van-der-Waals-Anziehung

VA und die vom Salzgehalt empfindlich abhängige elektrostatische Abstoßung VR überla-

gern sich zur Gesamtwechselwirkungskurve VT = VA + VR. Der typische Verlauf dieser Kur-

ve ist in Abb. 1 gezeigt. Da bei sehr kleinen Abständen der numerische Wert von VA immer

größer als der von VR ist, entsteht ein Potentialmaximum (bei κd ≈ 1), das zu kleinen

Abständen hin steil abfällt. Da bei direktem Kontakt der Teilchen die Bornsche Abstoßung

VB wirksam wird, bildet sich ein tief liegendes primäres Minimum, das allerdings für die

Stabilität bzw. Repeptisation kaum Bedeutung hat. Bei großen Abständen liegt das sehr

flache sekundäre Minimum.

Bei sehr niedriger Salzkonzentration ist nur eine geringe Abstoßung vorhanden. Unter

diesen Bedingungen ist eine kolloidale Dispersion nicht besonders stabil, eher als labil zu

bezeichnen, so dass Sekundäreffekte (Anisometrie der Teilchen, ungleichmäßige La-

dungsverteilung, Verunreinigungen, Alterungsprozesse) leicht destabilisieren. Richtig sta-

bil wird die Dispersion erst, wenn ein ausgeprägtes Maximum Vm = VT,max ausgebildet wird.

Weiterer Salzzusatz erniedrigt Vm sehr schnell. Wenn Vm ≈ 0 wird, ist die Dispersion nicht

mehr stabil, sie koaguliert. Die dazu notwendige Salzkonzentration heißt kritische Koa-

gulationskonzentration cK. Um diese zu erreichen, muss Vm nicht Null werden. Infolge ihrer

thermischen Energie können die Teilchen noch Barrieren in der Größenordnung von 10 –

15 kT überwinden, es genügt also, wenn Vm < 10 – 15 kT wird.

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Die Koagulation ist ein kinetisches Phänomen, das mit mehr oder weniger großer Ge-

schwindigkeit abläuft. Es wird zwischen der langsamen und der schnellen Koagulation

unterschieden. Bei der schnellen Koagulation ist keine Energiebarriere zwischen den

Teilchen vorhanden; jeder Zusammenstoß führt dann zur Aggregation. Der Beginn der

schnellen Koagulation liegt bei der Konzentration, bei der das Maximum der Potentialkurve

fast Null (kleiner 10 - 15 kT) wird (Abb. 2). Bei der langsamen Koagulation ist noch eine

Energiebarriere vorhanden. Dadurch können nur Teilchen aggregieren, welche die nötige

Energie haben, um die Energiebarriere zu überwinden.

Zur Bestimmung des ck-Wertes der schnellen Koagulation können dynamische Methoden

angewendet werden. Hierbei wird nach Elektrolytzusatz die Trübungsänderung mit einem

Photometer als Funktion der Zeit betrachtet. Eine einfache, aber sehr wichtige Methode ist

die visuelle Bestimmung der Trübung nach 24 h (Reagenzglastest). Der ck-Wert ist bei

einwertigen Gegenionen wesentlich kleiner als bei zweiwertigen Ionen und noch kleiner

bei dreiwertigen, weil höher geladene Gegenionen die diffusen Ionenschichten stärker

Abbildung 2: Überlagerung der elektrostatischen Abstoßung VR, Bornschen Abstoßung VB und der van-der-Waals-Anziehung VA zur Gesamtwechsel-wirkungskurve VT = VR + VB + VA. Vm = VT, max.

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komprimieren als einwertige. Nach der empirischen Regel von Schulze und Hardy sind zur

Koagulation 25-150 mmol/l einwertige, 0.5-3 mmol/l zweiwertige und 0.01-0.1 mmol/l

dreiwertige Gegenionen erforderlich.

Versuch

Stellen Sie durch Einwage von 100 mg Natriummontmorillonit und Auffüllen mit dest.

Wasser auf 100 ml Gesamtvolumen eine Dispersion her. Dazu wird diese mindestens 3

Stunden geschüttelt (Assistent fragen) und anschließend 1 Stunde in ein Ultraschallbad

gestellt. In Abbildung 3 ist die Schichtstruktur des trockenen Natriummontmorillonit zu

sehen.

Abbildung 3: 2:1-Tonmineral-Struktur von Natriummontmorillonit

Stellen sie nun in geeigneter Menge folgende Salzlösungen her:

NaCl: 25 mmol/l

CaCl2: 1 mmol/l

LaCl3: 0.5mmol

Achten Sie auf eine möglichst genaue Einwaage, da kleine Einwaagefehler relativ starke

Auswirkungen mit sich führen!

In drei Reihen von Tablettenröhrchen werden 0.1 - 1.0 ml (0.1 ml Schritte) der

angegebenen Salzlösung (NaCl: 25 mmol/l, CaCl2: 1 mmol/l, LaCl3: 0.5mmol) pipettiert,

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mit bidest. Wasser auf 1.0 ml aufgefüllt und mit 1.0 ml Dispersion versetzt. Die Gläschen

werden verschlossen und kräftig geschüttelt. Nach 24 Stunden kann die Stabilität der

Dispersionen visuell beurteilt werden.

Als ck-Wert wird die Salzkonzentration definiert, bei der eine deutliche Veränderung des

Systems zu erkennen ist. Zum Vergleich dient eine Probe ohne Salzzusatz.

Protokoll

Ihr Protokoll sollte folgende Dinge enthalten:

1. Eine kurze Beschreibung der Problemstellung zum Versuch.

2. Die ck-Werte bei den drei verschiedenen Salzlösungen.

3. Kritische Überprüfung, ob die Schulze-Hardy-Regel erfüllt ist, oder nicht.

Gehen Sie bitte auf folgende Fragen kurz ein:

1) Welche Faktoren beeinflussen die Stabilität einer Dispersion?

2) Wie kann die Stabilität einer Dispersion verändert werden?

3) Wie kann eine Siliciumdioxiddispersion sterisch stabilisiert werden?

4) Wie hängen die kritische Koagulationskonzentration und der isoelektrische Punkt

zusammen?

Literatur LAGALY, G.; SCHULZ, O.; ZIMEHL, R., Dispersionen und Emulsionen, Steinkopff Verlag,

Darmstadt, 1997.

THEODOOR J., OVERBEEK G., The rule of Schulze and Hardy, Pure and Appl. Chem., Vol.

52, 1980, pp. 1151-1161.