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Radioaktivität (RAD) Fakultät für Physik der Ludwig-Maximilians-Universität München – Grundpraktika (30. JULI 2018) Motivation und Versuchsziele Biologisch relevante Themen im Zusammenhang mit diesem Versuch sind Dosimetrie, Strahlungs- schäden, sowie Nachweis und Abschirmung ionisierender Strahlung. Mit einem Szintillationszähler wird γ-Strahlung registriert, um die Statistik des radioaktiven Zerfalls und die Wechselwirkung von Strahlung mit Materie zu studieren. Die Bestimmung der Absorption von γ-Strahlung durch Blei oder Aluminium in Abhängigkeit von der Schichtdicke dient zur Überprüfung des exponentiellen Schwächungsgesetzes und ergibt den Schwächungskoeffizienten. Ferner wird die 137 Cs-Aktivität einer bayerischen Milchpulverprobe vom 5. August 1986 gemessen. Teilversuche/Stichwortliste 1. Materie und Strahlung Aufbau des Atomkerns, Schreibweise zur Be- zeichnung eines Nuklides. β-, γ -Zerfall, Zerfälle des 137 Cs zum 137 Ba, Energieniveau-Schema und Spektrum von 137 Ba. Photo- und Comptoneffekt. 2. Zerfallsgesetz, Kalibrierung Aktivität, Zerfallsgesetz (ohne Herleitung), Zu- sammenhang zwischen Zerfallskonstante und Halbwertszeit. Bestimmung einer unbekannten Aktivität aus der eines Kalibrierpräparates. 3. Abstandsgesetz, Absorption Quadratisches Abstandsgesetz. Schwächungsko- effizient, Schwächungsgesetz, Halbwertsschicht- dicke. Experimentelle Methode zur Bestimmung der Halbwertsschichtdicke mit Absorberplatten und Kollimatoren, logarithmisches Auftragen. 4. Gamma-Spektroskopie Szintillator, Photomultiplier. Beziehung zwischen Strahlungsenergie und Signalhöhe. Komponenten des Messaufbaus. Region Of Interest. Warum misst man die Hintergrundstrahlung? I. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN I.1. Atomkerne Atomkerne bestehen aus positiv geladenen Protonen p und ungeladenen Neutronen n. Da die Ladung eines Protons genau eine (positive) Elementarladung beträgt, ist in einem neutralen Atom also die Anzahl der Proto- nen gleich der Anzahl der Hüllenelektronen. Ein Proton und ein Neutron haben etwa die gleiche Masse. Die Masse eines Elektrons ist hingegen 1836 mal geringer als die eines Protons und somit bei der Angabe einer Atommasse vernachlässigbar. Ein Nuklid ist gekennzeichnet durch eine bestimmte, feste Anzahl von Protonen, die Ordnungszahl Z und durch eine Neutronenzahl N . Die Massenzahl A = Z + N ist die Gesamtzahl aller Nukleonen, d.h. aller Proto- nen und Neutronen im Atomkern. Verwendet wird die Schreibweise: A Z Elementsymbol N oder verkürzt A Elementsymbol , denn die Anzahl von Protonen Z legt das Elementsym- bol eindeutig fest, und mit der Massenzahl A erhält man N = A - Z . Im Periodensystem sind die Elemente nach Anzahl ihrer Protonen angeordnet, denn Nuklide gleicher Protonenzahl haben unabhängig von ihrer Neu- tronenzahl dieselben chemischen Eigenschaften. Unter- scheiden sie sich in ihrer Neutronenzahl, so handelt es sich um verschiedene Isotope genau desselben chemi- schen Elements. Abb. 1 zeigt die drei Isotope des leichtesten Elements im Periodensystem: Wasserstoff, Deuterium und Triti- Abbildung 1: Isotope des Wasserstoffs. um, Abb. 2 die beiden stabilen Isotope des Elements Helium. Der Vollständigkeit halber sind auch Hüllen- elektronen eingezeichnet. Der Durchmesser der Kerne ist in Wirklichkeit jedoch fast 100000 mal kleiner als der des gesamten Atoms. Im folgenden werden die Hül- lenelektronen nicht mehr mit eingezeichnet. I.2. Radioaktivität Die Eigenschaft einiger Nuklide, sich ohne äussere Ein- wirkung unter Aussendung charakteristischer Strahlung

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Radioaktivität (RAD)

Fakultät für Physik der Ludwig-Maximilians-Universität München – Grundpraktika

(30. JULI 2018)

Motivation und Versuchsziele

Biologisch relevante Themen im Zusammenhang mit diesem Versuch sind Dosimetrie, Strahlungs-schäden, sowie Nachweis und Abschirmung ionisierender Strahlung.Mit einem Szintillationszähler wird γ-Strahlung registriert, um die Statistik des radioaktiven Zerfallsund die Wechselwirkung von Strahlung mit Materie zu studieren.Die Bestimmung der Absorption von γ-Strahlung durch Blei oder Aluminium in Abhängigkeit vonder Schichtdicke dient zur Überprüfung des exponentiellen Schwächungsgesetzes und ergibt denSchwächungskoeffizienten.Ferner wird die 137Cs-Aktivität einer bayerischen Milchpulverprobe vom 5. August 1986 gemessen.

Teilversuche/Stichwortliste

1. Materie und StrahlungAufbau des Atomkerns, Schreibweise zur Be-zeichnung eines Nuklides. β-, γ-Zerfall, Zerfälledes 137Cs zum 137Ba, Energieniveau-Schema undSpektrum von 137Ba. Photo- und Comptoneffekt.

2. Zerfallsgesetz, KalibrierungAktivität, Zerfallsgesetz (ohne Herleitung), Zu-sammenhang zwischen Zerfallskonstante undHalbwertszeit. Bestimmung einer unbekanntenAktivität aus der eines Kalibrierpräparates.

3. Abstandsgesetz, AbsorptionQuadratisches Abstandsgesetz. Schwächungsko-effizient, Schwächungsgesetz, Halbwertsschicht-dicke. Experimentelle Methode zur Bestimmungder Halbwertsschichtdicke mit Absorberplattenund Kollimatoren, logarithmisches Auftragen.

4. Gamma-SpektroskopieSzintillator, Photomultiplier. Beziehung zwischenStrahlungsenergie und Signalhöhe. Komponentendes Messaufbaus. Region Of Interest. Warummisst man die Hintergrundstrahlung?

I. PHYSIKALISCHE GRUNDLAGEN

I.1. Atomkerne

Atomkerne bestehen aus positiv geladenen Protonen pund ungeladenen Neutronen n. Da die Ladung einesProtons genau eine (positive) Elementarladung beträgt,ist in einem neutralen Atom also die Anzahl der Proto-nen gleich der Anzahl der Hüllenelektronen.

Ein Proton und ein Neutron haben etwa die gleicheMasse. Die Masse eines Elektrons ist hingegen 1836 malgeringer als die eines Protons und somit bei der Angabeeiner Atommasse vernachlässigbar.

Ein Nuklid ist gekennzeichnet durch eine bestimmte,feste Anzahl von Protonen, die Ordnungszahl Z und

durch eine Neutronenzahl N . Die Massenzahl

A = Z +N

ist die Gesamtzahl aller Nukleonen, d.h. aller Proto-nen und Neutronen im Atomkern. Verwendet wird dieSchreibweise:

AZElementsymbolN oder verkürzt AElementsymbol ,

denn die Anzahl von Protonen Z legt das Elementsym-bol eindeutig fest, und mit der Massenzahl A erhältman N = A−Z. Im Periodensystem sind die Elementenach Anzahl ihrer Protonen angeordnet, denn Nuklidegleicher Protonenzahl haben unabhängig von ihrer Neu-tronenzahl dieselben chemischen Eigenschaften. Unter-scheiden sie sich in ihrer Neutronenzahl, so handelt essich um verschiedene Isotope genau desselben chemi-schen Elements.

Abb. 1 zeigt die drei Isotope des leichtesten Elementsim Periodensystem: Wasserstoff, Deuterium und Triti-

Abbildung 1: Isotope des Wasserstoffs.

um, Abb. 2 die beiden stabilen Isotope des ElementsHelium. Der Vollständigkeit halber sind auch Hüllen-elektronen eingezeichnet. Der Durchmesser der Kerneist in Wirklichkeit jedoch fast 100000 mal kleiner alsder des gesamten Atoms. Im folgenden werden die Hül-lenelektronen nicht mehr mit eingezeichnet.

I.2. Radioaktivität

Die Eigenschaft einiger Nuklide, sich ohne äussere Ein-wirkung unter Aussendung charakteristischer Strahlung

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Abbildung 2: Isotope des Heliums.

in einen anderen Kern umzuwandeln, bezeichnet manals Radioaktivität.

β- und γ-Zerfall

Nur wenige Isotope eines Elements sind stabil. So neigtbereits der Kern des Tritiums dazu sich in Helium um-zuwandeln. Die Kernumwandlung besteht darin, dasseines der Neutronen unter Aussendung eines Elektronssich in ein Proton verwandelt. Diesen Umwandlungs-prozess bezeichnet man als β-Zerfall oder genauer β−-Zerfall, da das emittierte Elektron negativ geladen ist.

Die Geschwindigkeiten der Elektronen beim β-Zerfallsind sehr gross (bis zu 99% der Lichtgeschwindigkeit),und entsprechend gross sind die kinetischen Energien.Darin liegt die Gefährlichkeit dieser sogenannten β-Strahlung für lebende Organismen begründet. Beach-ten Sie, dass die Elektronen der β-Strahlung aus demAtomkern, nicht der Elektronenhülle kommen.

Auch freie Neutronen können sich in Protonen umwan-deln (vgl. Abb. 3). Der Energieerhaltungssatz erfordert,dass beim β−-Zerfall immer auch ein sog. Antineutri-no ν freigesetzt wird. Dieses zeigt jedoch fast gar keineWechselwirkung mit Materie, weshalb es biologisch oh-ne Belang ist und im Folgenden vernachlässigt wird.

Schwerere Kerne wie Cs, das im vorliegenden Prakti-kumsversuch die Hauptrolle spielt, erreichen nach Aus-senden des β−-Teilchens im Regelfall zunächst einensog. angeregten Zustand des Tochterkerns (in Abb. 4:Barium mit * versehen). Die Anregungsenergie wird erstdanach in Form von (hochenergetischer) elektromagne-tischer Strahlung, der sog. γ-Strahlung, abgegeben. DerWert ihrer Energie ist charakteristisch für den jeweiligenβ−-Zerfall und kann zur Identifizierung des Strahlers

Abbildung 3: Zerfall eines freien Neutrons, die Halbwertszeit(s.u.) beträgt dabei 12 Minuten.

Abbildung 4: Beispiel für einen β−-Zerfall mit anschließen-dem γ-Zerfall.

(z.B. bei radioaktiver Verseuchung) herangezogen wer-den. γ-Strahlung wirkt wie extrem energiereiche Rönt-genstrahlung auf Organismen. Im Gegensatz zur β−-Strahlung, die schon durch eine 1 mm dicke Alumini-umschicht stets fast völlig absorbiert wird, läßt sich γ-Strahlung durch Materie lediglich schwächen, nie jedochvöllig abschirmen. Denken Sie an das hohe Durchdrin-gungsvermögen von Röntgenstrahlen.

α-Zerfall

Bei schweren Kernen wird in zunehmenden Maße der sog.α-Zerfall beobachtet. Abb. 5 zeigt den von Marie Curie nach-gewiesenen α-Zerfall des Radiums. Dabei emittiert der zer-fallende Kern einen ganzen Heliumkern. Die Bindungsener-

Abbildung 5: Typischer α-Zerfall mit γ-Zerfall in Folge.

gie innerhalb dieses Heliumkerns ist derart hoch, dass es fürden zerfallenden Kern nur möglich ist, jeweils das Viereren-semble als Ganzes auszusenden. Die kinetischen Energiender α-Teilchen liegen im gleichen Bereich wie die der β−-Teilchen. Wegen der sehr viel höheren Masse erreichen dieα-Teilchen meist aber nur 10% der Lichtgeschwindigkeit.

I.3. Zerfallsgesetz

Der radioaktive Zerfall eines einzelnen speziellen radio-aktiven Atomkerns ist nicht vorhersagbar und nicht be-einflussbar, weshalb man ihn als statistischen Prozessbezeichnet. Trotzdem kann der statistische Zerfall ra-dioaktiver Kerne mathematisch beschrieben werden.

Die Anzahl der Zerfälle, die pro Sekunde in einer radio-aktiven Probe stattfinden, bezeichnet man als AktivitätA der Probe. Die Einheit der Aktivität ist Bq (Becque-rel). Es gilt: 1 Bq = ein Zerfall pro Sekunde.

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Betrachtet man die Änderung dN der Zahl der Zerfälleim Zeitintervall dt, so ist die Aktivität gegeben durch:

A = −dNdt

. (1)

Trotz des Minus in der Gleichung ist die Aktivität po-sitiv, denn die Anzahl der Kerne nimmt ab – ihre Än-derung dN ist negativ.

Der Zerfall eines bestimmten Kerns wird nicht durchden Zerfall anderer Kerne beeinflußt, und je mehr (nochnicht zerfallene) Kerne vorhanden sind, desto mehr kön-nen auch zerfallen. Also ist die Aktivität einer radioakti-ven Substanz proportional zur Anzahl N der instabilen(aber noch nicht zerfallenen) Kerne:

A = λN . (2)

Hierbei ist λ die sogenannte Zerfallskonstante mit derEinheit 1/s.

Aus Gln. (1) und (2) folgt:

dNdt

= −λN ⇒

∫ N

N0

dNN

= −λ

∫ t

0

dt .

Hierbei beschreibt N0 die zu dem Zeitpunkt t = 0 vorhande-ne Anzahl der Kerne. Die Berechnung der obigen Integraleergibt:

lnN − lnN0 = lnN

N0= −λt .

Aus der Gleichheit rechts folgt durch Anwenden der e-Funktion

eln(N/N0) =N

N0= e−λt .

Auflösen nach N ergibt das sog. Zerfallsgesetz:

N(t) = N0 · e−λt . (3)

Ist die Anzahl der Kerne N0 zur Zeit t = 0 bekannt,so lässt sich hiermit die Anzahl der Kerne N zu einembeliebigen späteren Zeitpunkt t berechnen. Der Verlaufvon Gl. (3) ist in Abb. 6 dargestellt.

N

N(0)

N(0)2

N(0)e

Ùt

T1/2

00

Abbildung 6: Zum Zerfallsgesetz, Schreibweise: N(0) = N0.

Nach der Halbwertszeit T1/2 ist per definitionem dieHälfte der Kerne zerfallen. Setzt man diesen Wert inGl. (3) ein, so folgt

N0

2= N(T1/2) = N0 · e−λT1/2 .

Daraus ergibt sich folgender Zusammenhang zwischender Halbwertszeit und der Zerfallskonstanten:

T1/2 =ln 2

λ. (4)

Einsetzen von Gl. (3) in Gl. (2) ergibt für die Aktivität

A = A0 · e−λt (5)

mit der Anfangsaktivität A0 = λ ·N0 zur Zeit t = 0.

I.4. Wechselwirkung von γ-Strahlung mit Materie

Im Sinne der biologischen Strahlenwirkung ist die Io-nisation durch Röntgen- oder γ-Strahlung von beson-derer Bedeutung. Ionen werden im Wesentlichen durchfolgende drei Mechanismen erzeugt. Sie sind in Abb. 7veranschaulicht. Paarbildung tritt im Versuch nicht auf.

1. Photoeffekt

Ein Elektron ist umso fester an den positiven Atomkerngebunden, je stärker die Coulomb’sche Anziehungskraftist. Diese ist am geringsten für äußere, sog. Valenzelek-tronen, und am größten für Elektronen auf den innerenSchalen. Um ein Hüllelektron aus seiner Bindung zu lö-sen, muß die jeweils charakteristische Ionisierungsener-gie Wion (bei Metallen auch Austrittsarbeit genannt)aufgebracht werden. Die Energie eines absorbierten γ-Quants wird nur teilweise hierfür verbraucht, den Restübernimmt das freie Elektron als kinetische Energie:

hf = Wion +Wkin . (6)

Da die Energie der γ-Quanten sehr viel größer als dieBindungsenergie der Elektronen ist, können wir bei derDiskussion der Vorgänge im Szintillatorkristall (s. II.3.)statt Gl. (6) vereinfachend annehmen:

hf ≈ Wkin . (7)

2. Comptoneffekt

Beim Comptoneffekt prallt ein γ-Quant auf ein Elek-tron. Energie und Impuls werden nur zum Teil an dasElektron abgegeben. Den Restbetrag übernimmt ein zu-

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4

+

Elektron

K L . . .

h f.

-

Photoeffekt

+

Elektron

K L . . .

-

h f. h f. '

Comptoneffekt

+K L . . .h f.

-

Paarbildung + Positron

Elektron

Abbildung 7: Ionisierungsmechanismen beim Auftreffen vonγ-Strahlung auf Materie: Photo- und Comptoneffekt; Paar-bildung.

sätzlich emittiertes Quant hf ′. Der Energieerhaltungs-satz lautet dabei:

hf = hf ′ +Wkin . (8)

Die Frequenzverschiebung des gestreuten γ-Quants hf ′

hängt vom Streuwinkel ab.

3. Paarbildung

Ist die Energie hf eines γ-Quants groß genug, um der dop-pelten Ruhemasse eines Elektrons me im Sinne der Einstein-schen Gleichung E = mc2 zu entsprechen, so kann in derNähe eines Atomkerns auf Grund der Ladungserhaltung dasγ-Quant in ein Elektron und ein Positron – ein positiv ge-ladenes Elektron – zerfallen. Da beide gleich große Massenhaben, gilt:

hf ≥ 2mec2.

Energie wird bei diesem Prozess direkt in Masse umgewan-delt. Paarbildung kann nie spontan im Vakuum eintreten,da dies den Impulserhaltungssatz verletzen würde: Von der

(sich fortbewegenden) Mitte der Verbindungslinie zwischenElektron und Positron aus betrachtet fliegen beide Teilchenin exakt entgegengesetzter Richtung auseinander. Der Ge-samtimpuls in diesem Bezugssystem ist nach der Paarbil-dung also Null, obwohl das einfallende γ-Quant den Impulshf/c hat. Eben diesen Impulsbetrag übernimmt der schwereAtomkern.

I.5. Absorption von γ-Strahlung

α, β und γ-Strahlung werden unterschiedlich stark vonMaterie absorbiert. Die Absorption ist außerdem mate-rialabhängig. Hier betrachten wir γ-Strahlung, die nuraus Quanten einer bestimmten Energie besteht.

In Abb. 8 ist ein Absorber dargestellt. Die links einfal-lende Zahl von γ-Quanten sei N0, während N die Zahlnach der Schwächung durch die Materialdicke dx ist.Die Schwächung dN der Strahlung wächst offenbar mitder bereits durchdrungenen Schichtdicke dx und ist fer-ner proportional zur Teilchenzahl N , die auf die Schichtauftrifft. Es gilt also

dN = −µN · dx .

µ ist der Schwächungskoeffizient – eine Materialkon-stante mit der Einheit 1/m. Das negative Vorzeichenbeschreibt die Abnahme der Teilchenzahl beim Durch-gang durch die Materieschicht. Durch Umformen diesergleichung erhält man einen Ausdruck, der die gleicheStruktur hat wie die Kombination von Gln. (1) und (2):

dNdx

= −µN .

Die Berechnung von N(x) läuft deshalb genauso wiedie von N(t) In Abschnitt I.3. Die Absorption in einer

N N0

x0

Abbildung 8: Zur Absorption von γ-Strahlung: Vorausset-zung ist die Lage der Materieschicht senkrecht zur einfallen-den Strahlung.

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3r

r

2r

quelleStrahlen−

������

������

Abbildung 9: Von den γ-Quanten, die die graue Fläche im Abstand r durchdringen, trifft nur 1/4 die graue Fläche bei 2r.

Schicht der Dicke x wird daher durch

N(x) = N0 · e−µx (9)

beschrieben. Die Halbwertsschichtdicke d1/2, also die-jenige Dicke, bei der die Zahl der durchgekommenenγ-Quanten auf die Hälfte abgesunken ist, erhält mananalog zur Halbwertszeit:

d1/2 =ln 2

µ. (10)

Also sind d1/2 und µ die zu T1/2 und λ korrespondie-renden Größen.

I.6. Schutz vor ionisierender Strahlung

β-Strahlung wird durch eine 1 mm dicke Aluminium-schicht schon fast völlig absorbiert. Die maximale Reich-weite von α-Strahlen in Luft liegt unter 10 cm. Bereitsein Blatt Papier absorbiert α-Strahlen fast völlig. Diesliegt in den großen Massen der Helium-Kerne, sowie dergroßen (zweifach positiven) Ladung begründet.

α- und β-Strahlung spielen also bei äußerer Strahlen-exposition des Körpers nur eine untergeordnete Rolle.Ganz anders jedoch liegen die Dinge, wenn α- oder β-Strahler inkorporiert, also eingeatmet werden (Plutoni-umstaub oder uranhaltiger Staub in Bergwerken), bzw.mit der Nahrung aufgenommen werden (137Cs nachdem Tschernobylunfall 1986). Hier sind es nämlich dieSchleimhäute, die die Strahlung absorbieren.

Die Hauptrolle bei äußerer Strahlenbelastung spielt dieγ-Strahlung. Die Halbwertsschichtdicke von Blei be-trägt für γ-Strahlung knapp 1,5 cm im ungünstigstenFall. Eine 1,5 cm dicke Bleischicht bewirkt also eine Ab-schirmung bestimmter γ-Strahlen auf 50%, und 3 cmBlei lassen immer noch 25% durch.

Eine zusätzliche Maßnahme zum Selbstschutz, die un-mittelbar einleuchtet, ist die möglichst kurze Aufent-haltszeit in der Nähe einer Strahlenquelle. Wie wir im

nächsten Abschnitt sehen werden, ist allerdings der ef-fektivste Schutz vor γ-Strahlung ein möglichst großerAbstand von der Strahlenquelle.

I.7. Abstandsgesetz

In Abb. 9 ist eine punktförmige Quelle mit konstanterAktivität dargestellt, die in alle Richtungen gleichmä-ßig strahlt. Die Zahl N der (pro Zeit) von der Quelleausgehenden Quanten oder Teilchen, die auf die graueFläche treffen, hängt offensichtlich vom Abstand r zwi-schen Quelle und Fläche ab. Verdoppelt sich der Ab-stand auf 2r, so verteilt sich dieselbe Zahl von Quantenauf das Vierfache der Fläche. D.h. die graue Fläche imAbstand 2r wird nur von einem Viertel getroffen. Die-selbe Fläche im Abstand 3r wird nur noch von einemNeuntel getroffen.

Diese Abhängigkeit der Zahl der auftreffenden Teilchenpro Fläche (und pro Zeit) vom Abstand r beschreibtallgemein das quadratische Abstandsgesetz1:

N(r) = C ·1

r2, (11)

mit einer Proportionalitätskonstante C, die im Versuchnicht weiter relevant ist.

Der einfachste und wirksamste Schutz besteht also dar-in, möglichst großen Abstand zur Quelle zu halten. DieSache ist sicherer als vermutet, weil der Mensch in derRegel „linear“ denkt. Vierfacher Abstand bringt nurnoch ein Sechzehntel der Strahlenbelastung mit sich;ein Arbeitsabstand von 5 m statt 0,5 m bedeutet nurnoch 1% der Belastung.

1 Üblicherweise wird das quadratische Abstandsgesetz für dieauftreffende Intensität formuliert, die als Energie pro Zeit undFläche definiert ist. Die Einführung dieses Begriffs an dieserStelle ist jedoch didaktisch nicht notwendig.

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Bleikammer

Einschub

Elektronik−Modul

Szintillationszähler

USB−Kabel

Rechner mitAnalysesoftware

Abbildung 10: Versuchsaufbau: Die Versorgung des Zäh-lers mit Hochspannung (High Voltage) erfolgt über dasElektronik-Modul direkt am Zähler, welches auch als Vor-verstärker dient. Die Verbindung zwischen Messrechner undDetektor wird durch das USB-Kabel hergestellt.

II. TECHNISCHE GRUNDLAGEN

II.1. Zubehör

137Cs-Präparat, Milchpulverprobe, Bleikammer mitPräparatschieber, 2 Kollimatoren, Aluminium- undBleiplatten mit Einsatz für Kammer, Hebevorrichtungfür Kollimatoren, Messschieber, Szintillationszähler mitPhotomultiplier und Elektronik-Modul (ORTEC digi-BASE), Messrechner mit USB-Verbindung zum Detek-tor, Demonstrationsaufbau mit Oszilloskop.

II.2. Funktionsprinzip der Gesamtanordnung

Die Bleikammer (s. Abb. 10) dient zur Abschwächuungder natürlichen Hintergrundstrahlung im Raum, die dasMessergebnis verfälschen würde.Der Szintillationszähler liefert für jedes registrierte γ-Quant einen Spannungsimpuls. Die Höhe eines solchenImpulses ist der Energie des γ-Quants proportional. DasElektronik-Modul arbeitet als Verstärker und Vielka-nalkanalysator, d.h. es sortiert die verstärkten Impulsenach ihrer Höhe und verteilt sie auf viele kleine Ener-gieintervalle gleicher Breite (1024 Kanäle). Dabei ent-spricht ein Kanal einem bestimmten Energieintervall.Schließlich zeigt die Software MAESTRO die zu jedem Ka-nal registrierte Impulszahl in einem Histogramm aufdem Bildschirm an.

II.3. γ-Spektroskopie mit dem Szintillationszähler

Zum Nachweis ionisierender Strahlung nutzt man we-sentlich die Tatsache aus, dass geladene Teilchen undγ-Strahlen Materie ionisieren oder Atome anregen kön-nen. Der einfachste Nachweis verläuft mit Hilfe einesSofortbildfilms oder einer fotographischen Platte – wiebei A.H. Becquerels Entdeckung. Sichtbar machen kannman die Spuren ionisierender Teilchen z.B. mit Hilfe ei-ner Nebelkammer. Besondere praktische Bedeutung ha-ben die Ionisationskammer, das Geiger-Müller-Zählrohrund – wie hier im Versuch – der Szintillationszähler.

Bei der γ-Spektroskopie werden nicht nur einzelne γ-Quanten nachgewiesen, sondern auch deren Energi-en Eγ = hf erfasst. Das Resultat einer γ-spek-troskopischen Messung sind Häufungen von Zähl-ereignissen bei bestimmten Energien – das sogenannteγ-Spektrum, das charakteristisch für die γ-Quelle ist.

Ein dazu verwendbarer Szintillationszähler ist prinzipi-ell aus einem Szintillator, einem Photomultiplier undeinem Verstärker aufgebaut. Abb. 11 zeigt schematischdie Vorgänge in einem sog. Szintillatorkristall (meistTl-dotiertes NaI). Die in den Zähler einfallenden γ-Quanten lösen im Szintillatorkristall Lichtblitze aus,deren Anzahl zur Energie des γ-Quants proportionalist: „Energie“ wird vom Kristall in „Photonenanzahl“übersetzt. Die Photonen treffen auf die Photokathode(FK) des Photomultipliers und erzeugen dort Elektro-nen (Photoeffekt). Jedes einzelne Elektron setzt an denDynoden D1, D2. . . eine wachsende Zahl weiterer Elek-tronen frei, weil die Dynoden über eine Spannungstei-lerschaltung die Elektronen stufenweise beschleunigen,bis am Ende die Anode A von einem gut messbarenStromstoß getroffen wird.

Am Ausgang des Photomultipliers entsteht ein Strom-puls (Ladung pro Zeit) der durch einen Arbeitswider-stand RA in einen Spannungspuls umgewandelt wird.Der zeitliche Verlauf solch eines Spannungsimpulseskann mit dem Oszilloskop am Demonstrationsaufbaudargestellt werden (Abb. 12). Die Spannung Umax

ist proportional zur Zahl der primär im NaI-Kristallerzeugten Lichtblitze und damit zur Energie des γ-Quants, das den Impuls ausgelöst hat. Damit läßt sichdie Energie des γ-Quants durch eine Spannungsmes-sung bestimmen. Um zu vermeiden, dass auch externesLicht Signale auslöst, ist der gesamte Szintillationszäh-ler lichtdicht eingeschlossen. Für die γ-Strahlung stelltdas verwendete Aluminiumgehäuse kein nennenswertesHindernis dar. β-Strahlung wird jedoch praktisch völligabgeschirmt.

Mit Hilfe eines Vielkanalanalysators gelingt es, Rück-schlüsse auf die Energie der einfallenden γ-Strahlungzu ziehen. Jedes γ-Quant hat seine bestimmte Energie,also sind die registrierten Impulse unterschiedlich hoch(Abb. 13, oben). Die Signale, deren Impulshöhe in ei-nem definierten Bereich liegt, werden mit Hilfe des Ana-lysators einem gemeinsamen Kanal zugeordnet. Sämtli-che Kanäle sind nach der Impulshöhe, d.h. nach zuneh-

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7

+

Szintillator-Kristall

Erde

zumVerstärker

Hochspannung Uo

FK

AC

gestoßeneElektronen

Gamma-Quant

Foto-Elektron

Loch

Photon(sichtb. Licht)

e-

D1

D4

D3

D2

R1 R4 R5

RA

R6R3R2

Abbildung 11: Aufbau und Wirkungsweise eines Szintillationszählers mit Photomultiplier.

mender Energie sortiert. Die Ordinate gibt dabei an,wie viele Impulse der entsprechenden Höhe bis dato re-gistriert wurden. So entsteht das γ-Spektrum auf demBildschirm (Abb. 13, unten).

Das dargestellte Spektrum ist charakteristisch für das un-tersuchte γ-strahlende Nuklid und kann als „Fingerprint“zu seiner Identifizierung verwendet werden. Dies ist – nebenseiner größeren Empfindlichkeit – die entscheidende Stärkedes Szintillationszählers gegenüber einem einfachen Geiger-Zähler. Wenn Sie wissen, welches Isotop strahlt, genügt letz-teres; wenn Sie erst herausfinden müssen, „was“ da strahlt,brauchen Sie z.B. einen (viel teureren) Szintillationszähler.

II.4. Radioaktive Präparate, Spektrum von 137Ba

Verwendet wird ein Schieber mit einem fest montier-ten, kalibrierten 137Cs-Präparat (Abb. 14). 137Cs bildetsich in einem Kernreaktor aus 235U durch wiederholtenβ-Zerfall (die Halbwertszeiten liegen bei wenigen Minu-ten). 137Cs ist β-aktiv mit einer Halbwertszeit von 30,1Jahren. Sein Zerfallsprodukt ist das γ-aktive 137Ba∗:

137

55Cs → 137

56Ba∗ + 0

−1e . (12)

U

t

0

Umax

Abbildung 12: Szintillationszähler: zeitlicher Verlauf desSpannungsimpulses am Ausgang.

1

2

3

4

1 2 3 4 5 Kanal

Anzahl derEregnisse

5

t

U

0

1

2

3

4

5

0

Anzahl derEreignisse

Abbildung 13: Impulshöhenanalyse.

Die angeregten 137Ba∗-Kerne gehen unter Emission vonγ-Strahlung der Energie2 662 keV mit einer Halbwerts-zeit von 2,55 Minuten in den Grundzustand über:

137

56Ba∗ → 137

56Ba + γ . (13)

Beide Zerfälle sind in Abb. 15 dargestellt. Wegen dersehr viel größeren Halbwertszeit von 137Cs gegenüberder von 137Ba∗ wirkt das Cäsium-Präparat wie ein γ-Strahler mit nahezu konstanter Aktivität. Das beim137Cs-Zerfall entstehende 137Ba∗ ist innerhalb einer hal-ben Stunde praktisch vollständig zerfallen.

Abb. 16 zeigt das Spektrum von 137Ba∗. Zu erwar-ten wäre lediglich eine Linie im Histogramm bei genau662 keV, die aus der γ-Emission des angeregten Kernsstammt. Jedoch detektiert der Zähler deutlich mehr alsnur γ-Quanten mit einer Energie von 662 keV, die di-rekt von der Quelle stammen. Einige γ-Quanten erlei-

2 Die Energie der γ-Quanten wird in Elektronenvolt (eV) oderKilo-Elektronenvolt (keV) gemessen: 1 eV = 1,6 · 10

−19 J.

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8

100 n

Ci

Cs-1

37

DelrinBlei PVC Präparat

Abbildung 14: Schieber mit 137Cs-Präparat, oben: Seitenan-sicht, unten: Sicht von oben.

den Energieverluste – z.B. durch den Compton-Effekt.Diese energieärmeren γ-Quanten erzeugen das „Gebir-ge“ unterhalb von 662 keV in Abb. 16. Weiterhin istdie Linie selbst durch den Energieaustausch bei denStoßprozessen verbreitert. Um also die ungestreuten γ-Quanten zu registrieren, wird während des Versuchs imSpektrum eine Region Of Interest (ROI) um die Liniebei 662 keV festgelegt. Man wählt also nur solche Zähl-ereignisse aus, deren Impulshöhe und damit auch derenEnergie in einem definierten Bereich liegt.

II.5. Messung der Aktivität

Leider ist eine unbekannte Aktivität AX nicht direktmessbar. Der Zähler registriert nur eine Anzahl NX vonZählereignissen innerhalb der gewählten Messzeit tX.

Bei der Registrierung von Zerfallsereignissen ist näm-lich zu berücksichtigen, dass der Zähler in der Regelnicht alle real auftretenden Zerfälle nachweisen kann.Dies hat zwei Hauptgründe. Erstens wird ein Teil derγ-Quanten, die den Zähler treffen, nicht von ihm ab-sorbiert und somit nicht gezählt. Und zweitens erfasstder Zähler lediglich einen eingeschränkten Raumwinkel-bereich. In Abb. 10 „guckt er ja nur von oben“, wäh-rend die Probe natürlich in alle Richtungen strahlt. DieMessanordnung besitzt also eine gewisse Nachweiswahr-scheinlichkeit ǫ ≤ 1, mit der sich nun eine Beziehungzwischen der Anzahl der Zählereignisse und der Aktivi-

2,55 min

30,1 a

662 keV

0 keV

β (5,3 %)−

−β (94,7 %)Cs13755

Ba13756

γ

Abbildung 15: Zerfall von 13755Cs und Energieniveau-Schema

von 13756Ba.

N

662 keV E

Compton−Ereignisse

Photopeak

Abbildung 16: Reales Spektrum von 137Ba∗ nach einigerMesszeit. Die Säule entspricht der theoretischen Erwartung.

tät angeben lässt:

NX = ǫ · AX · tX .

So kann aus der Messung einer Anzahl von Zählereig-nissen NX für eine Probe X ihre Aktivität AX indirektbestimmt werden, wenn man eine weitere Messung un-ter gleichen apparativen Gegebenheiten mit einem Prä-parat bekannter Aktivität durchführt. Dies erfolgt imVersuch mit dem kalibrierten 137Cs-Präparat:

AX

ACs

=tCs

tX·NX

NCs

, (14)

wobei der Faktor tCs/tX nur dann eine Rolle spielt,wenn die Messzeiten unterschiedlich sind.

Im Versuch wird der Messwert NX für eine Milchpul-verprobe nur wenig über der Anzahl der Zählereignisseliegen, die man sowieso ohne das Vorhandensein irgend-einer Strahlenquelle misst. Deshalb muss man letzte-ren Wert für die sogenannte Hintergrundstrahlung imMessraum zusätzlich messen und von NX subtrahieren.

II.6. Analyse der Messunsicherheit

Die statistische Unsicherheit bei Messungen radioakti-ver Zerfälle ist bei N gemessenen Zählereignissen

∆N =√N . (15)

Damit ist die relative Unsicherheit

∆N

N=

√N

N=

100%√N

also nur abhängig von der Gesamtzahl der gemessenenEreignisse. Bei N = 100 beträgt wegen

√N = 10 die re-

lative Unsicherheit 10%; bei 10000 Ereignissen beträgtsie wegen

√N = 100 nur noch 1%.

Empfindliche Zählgeräte können hohe Impulsratenschon in kurzer Zeit messen. Aber auch kleinere Ge-räte (wie im Praktikum) liefern zuverlässige Resultate,wenn man nur lange genug misst.

Page 9: Radioaktivität (RAD) · 2 Abbildung 2: Isotope des Heliums. in einen anderen Kern umzuwandeln, bezeichnet man als Radioaktivität. β- und γ-Zerfall Nur wenige Isotope eines Elements

9

Abbildung 17: Monitorbild von MAESTRO mit Spektrum der Hintergrundstrahlung. Soll die Anzeige des Fensters Peak

Info für die ROI gelten, muss – wie hier abgebildet – der vertikale Cursor im rot markierten Bereich liegen.

II.7. Bedienung des Rechners

Seit kurzem steht ein neuer, moderner Aufbau zur Ver-fügung, bei welchem der Vielkanalanalysator in einemElektronik-Modul (ORTEC digiBASE) eingebaut ist,welches direkt mit dem Szintillationsdetektor verbun-den ist. Die für den Betrieb des Detektors notwendi-ge Hochspannung wird also nicht vom Rechner erzeugt,sondern erst im Elektronik-Modul. Auch Vorverstärker-und Vielkanalelektronik sind bereits im Elektronik-Modul enthalten. Die Übertragung der Messdaten anden Rechner erfolgt damit vollständig digital.

Nach dem Start des Datennahme-Programms MAESTROund einer Messung erscheint am Monitor ein Fensterähnlich zu Abb. 17. Das große Fenster zeigt das aufge-nommene Spektrum. Dies ist ein Histogramm, in demdie Anzahl der gezählten Ereignisse gegen die Kanal-nummer (zwischen 0 und 1023) aufgetragen wird. JedeKanalnummer entspricht einer bestimmten Energie.

Einstellungen und Messen

High Voltage: Die am Photomultipier angelegteHochspannung kann im Einstellungsdialog (s.Abb. 18) im Tab High Voltage im Bereich von0 V bis 1200 V variiert werden.

Gain: Die Verstärkung der vom Photomultiplier kom-menden Spannungsimpulse wird im Tab Ampli-fier zwischen 0.40 und 1.20 variiert.

Real Time: Die echte Messdauer (in s) wird im TabPresets unter Real Time eingestellt. Ohne Ein-stellung läuft die Messung so lange, bis sie mitSTOP beendet wird.

ROI: Der in Abb. 17 rot eingefärbte Teil des Hi-stogramms ist eine definierte Region of In-terest. Diese selektieren Sie, indem Sie unterDrücken der Maustaste einen Bereich markierenund mit Rechtsklick Mark ROI markieren. MitRechtsklick Peak Info im rot markierten Bereichwerden Informationen zur ROI wie in Abb. 17dargestellt. Dabei bezeichnet Gross Area dieAnzahl der Ereignisse im ausgewählten Energie-bereich. Dieser Wert wird laufend aktualisiert. Dieübrigen dort gezeigten Werte spielen in diesemVersuch keine Rolle.Mit Rechtsklick Sum wird zusätzlich auch in derStatusleiste unten links die Anzahl der Ereignisseim selektierten Bereich unter ROI sum is : ange-zeigt. Dieser Wert wird nicht aktualisiert.

GO / STOP: GO in der Iconleiste (s. Abb. 19) startetdie Datenerfassung oder setzt eine unterbroche-ne Datenerfassung fort. Mit STOP unterbrechenSie die Messung. Ändert man die Messparame-ter nicht, so kann die Messung sinnvoll fortgesetzt

Page 10: Radioaktivität (RAD) · 2 Abbildung 2: Isotope des Heliums. in einen anderen Kern umzuwandeln, bezeichnet man als Radioaktivität. β- und γ-Zerfall Nur wenige Isotope eines Elements

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Abbildung 18: Einstellung der Betriebsparameter in MA-ESTRO über das Pulldown-Menü Acquire → MCB Pro-

perties: Verstärkung (oben), Hochspannung (mitte) undMesszeit (unten).

werden und das Histogramm wird weiter aufge-füllt. Achtung: Werden die Parameter hingegengeändert, sollten Sie unbedingt das Histogrammvor der neuen Messung löschen.

Clear Detector/Buffer: Ein Klick auf das 5. Icon derIconleiste (s. Abb. 19) – rechts neben STOP –löscht das aktuelle Histogramm.

A (Vertical Auto Scale): Die Skalierung der y-Achse des Spektrums erfolgt automatisch, wenndas A in der Iconleiste aktiviert ist.

Abbildung 19: Iconleiste des Programms MAESTRO.

III. VERSUCHSDURCHFÜHRUNG

Die Aktivität aller verwendeten Präparate

liegt deutlich unter der gesetzlichen, für

Lehrzwecke vorgeschriebenen Höchstgrenze.

III.1. Vorbereitung der Messungen

TeilversuchEinstellung der Softwareparameter zur Messung unge-streuter γ-Quanten.

Messgrößen

• Softwareparameter: High Voltage, Gain, RegionOf Interest (ROI)

• Beobachtung: Pulsformen der Signale am Oszillo-skop des Demonstrationsaufbaus (Skizze!)

DurchführungStarten Sie das Programm MAESTRO for Windows, undschieben Sie das 137Cs-Präparat in die Bleikammer.Der Szintillationszähler sollte am Griff (nicht am USB-Kabel) festgehalten werden und vorsichtig (Photomul-tiplierröhre aus Glas und evakuiert!) so weit abgesenktwerden, bis er unten in der Kammer aufsitzt (evtl. mitdem Kunststoffstab nachhelfen). Zur Messung sollte dieBleikammer mit dem Deckel verschlossen bleiben.

- Alte ROI löschen: Entfernen Sie ggf. über das Me-nü ROI → Clear All alle von der vorherigenGruppe erzeugten ROIs.

- Verstärkung einstellen: Die Verstärkung (Gain)sollte so gewählt sein, dass sich das Spektrummöglichst weit über das Anzeigefenster erstrecktAcquire → MCB Properties → Amplifier.

- Hochspannung einstellen: Wählen Sie einen geeig-neten Wert für die am Photomultiplier anliegen-de Hochspannung aus, so dass das Spektrum et-wa wie in Abb. 16 aussieht Acquire → MCBProperties → High Voltage. Probieren Sieca. 700V aus und – falls nötig – erhöhen Sieschrittweise den Wert. Die nötige Spannung hängtvom jeweiligen Exemplar des Szintillationsdetek-tors ab.

Wenn Sie die Datenaufnahme starten, können Sie dasγ-Spektrum am Bildschirm wachsen sehen. Die 662 keV-Linie von 137Cs sollte deutlich zu erkennen sein und inder rechten Hälfte liegen. Wenn das nicht der Fall ist,müssen Sie die Verstärkung oder Hochspannung abän-dern. Damit Sie Ihre Änderungen gut erkennen, müssenSie ggf. das alte Spektrum löschen.

- Spektrum löschen: Z.B. mit Acquire → Clear.

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11

Eine erste Datenaufnahme kann beendet werden, wenndas Spektrum etwa wie in Abb. 16 aussieht. Um diegraphische Darstellung besser zu skalieren, können SieVertical Auto Scale aktivieren.

Es existiert ein Aufbau mit anderer Hard- und Softwarezu Demonstrationszwecken. Zum besseren Verständnisbetrachten Sie dort das Oszilloskopbild. Versuchen Siezu verstehen, welcher Zusammenhang zwischen den Si-gnalen am Oszilloskopbild des Demonstrationsaufbausund dem dargestellten Spektrum herrscht:

- Stimmen die Formen der angezeigten Spannungs-impulse mit Abb. 12 überein?

Setzen der Region Of Interest

In den folgenden Versuchen sollen nur diejenigen Impul-se gezählt werden, die von γ-Quanten aus einem vorge-gebenen Energiebereich stammen. Um diesen Bereicheinzugrenzen, werden auf dem Bildschirm Marken ge-setzt: Wählen Sie durch Drücken der linken Maustasteund Ziehen einen Bereich von Kanälen aus, das (einwenig mehr als) die 662 keV-Linie beinhaltet. Um die-sen Bereich zu markieren, klicken Sie mit der rechtenMaustaste in Ihren gewählten Bereich.3 Im sich öffnen-den Menü wird mit Auswahl von Mark ROI dieserBereich rot markiert. Wenn Sie nach einem Rechtsklickauf den gewählten Bereich nun Sum wählen, wird un-ten links im Fenster die Anzahl der Ereignisse in derROI angezeigt. Die Grenzen der ROI können Sie sichunter File → ROI Report. . . anzeigen lassen, wennSie Print to display mit einem Häkchen aktivierenund auf OK klicken.4

Die eingestellten Parameter Hochspannung, Verstär-kung und Region Of Interest sollen im folgenden nichtmehr verändert werden.

III.2. Abstandsgesetz

TeilversuchÜberprüfung des quadratischen Abstandsgesetzes.

Messgrößen

• Messreihe: Anzahl der Zählereignisse Ni mit i =1, 2, 3 Kollimatoren

3 Evtl. müssen Sie vorher noch den ’List Mode’ durch Klick aufdas 6. Icon („Schriftrolle“ in Abb. 19) deaktivieren.

4 Mit einem Rechtsklick auf den gewählten Bereich undanschließender Auswahl von ROI → Save File. . . kön-nen Sie vorsichtshalber Ihre ROI speichern. Bitte spei-chern Sie die Datei auf dem Desktop unter dem Namen<Gruppe>_<Initialen>.Roi, wobei Sie die Angaben inspitzen Klammern jeweils geeignet ersetzen müssen (z.B.X1_ABCD.Roi).

DurchführungNachdem Sie die ROI gesetzt haben, kann unter ROI→ Peak Info die Anzahl der Zählereignisse (GrossArea) angezeigt werden. Bei einer Messzeit von jeweils30 s messen Sie mit einen, zwei und drei Kollimatorenals Abstandshalter. Den dritten Kollimator müssen Sievon einem anderen Arbeitsplatz leihen.

Nach der Messung von N1 berechnen Sie, welche WerteN erw

2und N erw

3für zwei und drei Kollimatoren gemäß

dem quadratischen Abstandsgesetz zu erwarten sind.Schätzen Sie bereits am Arbeitsplatz ab, ob Ihre Mes-sung mit dem Abstandsgesetz verträglich erscheint.

III.3. Absorption von γ-Strahlung

TeilversuchÜberprüfung des Schwächungsgesetzes und Bestim-mung der Halbwertsschichtdicke von Aluminium oderBlei.

Messgrößen

• Dicken der Absorberplatten

• Anzahl der Zählereignisse N0 ohne absorbierendesMaterial

• Messreihe: Anzahl der ZählereignisseN(xi) in Ab-hängigkeit von der Dicke der absorbierenden Me-tallschicht

• Anzahl der Zählereignisse NHG für die Hinter-grundstrahlung in der Bleikammer ohne Absorber

• Messzeiten der obigen Messungen

DurchführungLassen Sie sich ein Absorbermetall aushändigen: Alu-minium (Al) oder Blei (Pb). Die Messung der Dickender Absorberplatten erfolgt mit dem Messschieber.

Bestücken Sie die Bleikammer mit dem ersten Kollima-tor, der leeren Fassung für die Absorberplatten und demzweiten Kollimator wie in Abb. 20 (links). Schieben Sie

Präparat

1. Kollimator

2. Kollimator

Absorber-

Platten

Zählerkristall

Abbildung 20: Schnitt durch die Bleikammer bei der Absorp-tionsmessung.

Page 12: Radioaktivität (RAD) · 2 Abbildung 2: Isotope des Heliums. in einen anderen Kern umzuwandeln, bezeichnet man als Radioaktivität. β- und γ-Zerfall Nur wenige Isotope eines Elements

12

den Szintillationszähler so weit wie möglich nach unten.Führen Sie das 137Cs-Präparat unten in den Einschubder Kammer ein.

- Wählen Sie eine Messzeit von 2 Minuten. NotierenSie die Anzahl der Ereignisse unter ROI → PeakInfo (Gross Area) oder ROI → Sum.

- Wiederholen Sie die Messung entweder mit∗ einer, drei, fünf und sechs Al-Platten oder∗ einer, zwei, drei und vier Pb-Platten.

Nehmen Sie das 137Cs-Präparat aus der Bleikammer,und verschließen Sie sie wieder mit dem leeren Prä-parathalter (ohne Plastikschälchen). Entfernen Sie alleAbsorberplatten aus der Fassung.

- Messen Sie acht Minuten lang die Hintergrund-strahlung.

Entfernen Sie die beiden Kollimatoren und die Fassungfür die Absorberplatten.

III.4. 137Cs-Aktivität einer Milchpulverprobe

TeilversuchBestimmung der 137Cs-Aktivität einer bayerischenMilchpulverprobe vom 5.8.1986, ca. 3 Monate nach demTschernobyl-Unfall.

Messgrößen

• Aktivität des 137Cs-Präparats (eingraviert)

• Masse der Milchpulverprobe (eingraviert)

• Anzahl der Zählereignisse mit 137Cs-Präparat

• Anzahl der Zählereignisse mit Milchpulverprobe

• Anzahl der Zählereignisse für die Hintergrund-strahlung in der Bleikammer

• Messzeiten der obigen Messungen

DurchführungSetzen Sie den Szintillationszähler direkt über dem Ein-schub auf – ohne Kollimatoren. Notieren Sie die ein-gravierte Aktivität Ihres 137Cs-Präparats; sie ist in derveralteten Einheit nCi (Nano-Curie) angegeben. Es gilt:1 Ci = 3,7 · 1010 Bq.

- Messen Sie die Zählereignisse des kalibrierten Prä-parats im Einschub eine Minute lang.

Schieben Sie den Präparathalter mit Probe (ca. 2 gMilchpulver) in die Bleikammer.

- Notieren Sie Anzahl der Ereignisse nach einerMesszeit von 15 Minuten. Die Aktivität der Probeliegt nur wenig über der Hintergrundaktivität.

Wegen der niedrigen Aktivität ist eine Messung der Hin-tergrundstrahlung hier unabdingbar. Nehmen Sie dieProbe aus der Bleikammer und verschließen Sie sie wie-der mit dem leeren Präparathalter.

- Messen Sie 15 Minuten die Hintergrundstrahlung.

IV. AUSWERTUNG

IV.1. Vorbereitung der Messungen

Beschriften Sie Ihre Skizze des Oszilloskopbildes:

• Welche Pulse entsprechen der 662 keV-Linie undwelche den Compton-Ereignissen?

IV.2. Abstandsgesetz

Bestimmen Sie die Messunsicherheiten ∆Ni für alle dreiMessungen gemäß Gl. (15). Berechnen Sie außerdem aus∆N1 die Unsicherheiten für die erwarteten Werte N erw

2

und N erw3 .

Stimmen Ihre Messwerte mit den Erwartungen inner-halb der Unsicherheiten überein? Hat sich Ihre Schät-zung am Arbeitsplatz als richtig erwiesen?

IV.3. Absorption von γ-Strahlung

Berechnen und tabellieren Sie für alle Messungen ausden gemessenen Zählereignissen die entsprechendenNetto-Zählereignisse (= Zählereignisse − Hintergrund-wert):

• Dazu müssen Sie für die Hintergrundstrahlungdie gemessene Anzahl der Zählereignisse mit demFaktor 1/4 (= 2 min/8 min) multiplizieren.

• Subtrahieren Sie diesen Wert jeweils von den fünfMesswerten aus der Absorptionsmessung.

Nach dem Absorptionsgesetz gilt für die Anzahl derZählereignisse N (nach Hintergrund-Subtraktion):

lnN = −µ · x+ lnN0 .

• Tragen Sie die Messpunkte (x, lnN) in ein Dia-gramm ein und ermitteln Sie die Geradensteigung.

Vergleichen Sie den resultierenden Schwächungs-koeffizienten mit dem Literaturwert im Anhang. Be-rechnen Sie schließlich gemäß Gl. (10) die Halbwerts-schichtdicke d1/2 Ihres Absorbermaterials für γ-Strahlung mit einer Energie von 662 keV. Geben Siejeweils auch die (aus den Grenzgeraden resultierenden)Unsicherheiten an.

IV.4. 137Cs-Aktivität einer Milchpulverprobe

Die 137Cs-Präparate hatten die eingravierte Aktivitätim Januar 1979. Berechnen Sie die gegenwärtige Akti-vität des Präparats.

Die Berechnung der Aktivität der Milchpulverprobe er-folgt mit Gl. (14) mit den folgenden Zwischenschritten:

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• Korrigieren Sie die gemessene Anzahl der Zähl-ereignisse vom 137Cs-Präparat mit einem Faktor,der den unterschiedlichen Messzeiten entspricht.

• Berechnen Sie die Netto-Zählereignisse, die alleinder Milchpulverprobe entspringen, indem Sie dieHintergrundmessung berücksichtigen.

• Die Unsicherheit des Netto-Milchpulverwertes er-gibt sich als Summe der Unsicherheiten von Milch-pulvermessung und Hintergrundmessung.

Bei Nahrungsmitteln wird oft die spezifische Aktivi-tät in Bq/kg angegeben. Berechnen Sie die spezifischeAktivität Ihrer Probe, und beurteilen Sie sie vor demHintergrund des EU-Grenzwertes für Radiocäsium von370 Bq/kg für Milch und Kleinkindernahrung – in Ja-pan liegt der entsprechende Grenzwert bei 50 Bq/kg.

Berechnen Sie auch die relative Unsicherheit Ihrer Ak-tivitätsmessung bei der Milchpulverprobe. BerechnenSie, wie genau Ihre relative Unsicherheit gewesen wä-re, wenn Sie mit 100 Mal so langer Messzeit gemessenhätten (vgl. II.6.).

V. ANHANG

Schwächungskoeffizient µ (Eγ ≈ 662 keV)- Al 0,2 1/cm- Pb 1,2 1/cm

Halbwertszeit T1/2

- 137Cs 30,1 a- 137Ba∗ 2,55 min

Einheiten- Elektronenvolt: 1 eV = 1,6 · 10−19 J- Curie: 1 Ci = 3,7 · 1010 Bq

VI. STRAHLENSCHUTZ

VI.1. Abschätzung zur Dosimetrie im Praktikum

Wir haben keine Sinnesorgane, die uns vor einer schädi-genden Strahlendosis warnen; wir sind gegen sie „blind“.Im Versuch konnten Sie jedoch die Strahlung nachwei-sen, sowie ihre Intensität und Energie quantitativ be-stimmen. Außerdem können wir oftmals – wie hier –das Ausmaß einer Strahlendosis abschätzen. Die Bear-beitung dieser Aufgabe ist freiwillig; für den 2. Schrittbenötigen Sie die Begriffe des folgenden Abschnitts.

1. Schritt:Die von der Quelle ausgehenden Quanten durchdringendie Kugeloberfläche O = 4πr2. Wie groß ist die Zahlder γ-Quanten, die Ihren Körper während der Prakti-kumszeit von 3 Std. treffen, wenn Sie sich im Abstandr = 1m von der Quelle befinden? Die heutige Aktivitätdes Cs-Präparats haben Sie schon berechnet (vgl. IV.4).

Die Größe der exponierten Körperoberfläche schätzenSie nach Augenmaß ab.

2. Schritt:Wie groß ist folglich die im Körper deponierte Äquiva-lentdosis H , wenn ein γ-Quant eine Energie von 662 keVhat? Vergleichen Sie diesen Wert mit der natürlichenStrahlenbelastung – siehe dazu VI.2.

VI.2. Dosimetrie

Genau wie Pharmazeutika kann aber auch ionisierendeStrahlung in geeigneter Dosierung zu therapeutischenZwecken erfolgreich eingesetzt werden. Entscheidend istimmer die Minimierung der Dosis – und damit uner-wünschter Nebenwirkungen – bei Maximierung der ge-wünschten Wirkung.

Die Energiedosis D beschreibt die in der Masse m ab-sorbierte Strahlungsenergie E:

D =E

mmit [D] =

Jkg

= Gy (Gray).

Man muss berücksichtigen, dass biologische Strahlen-schädigungen nicht nur von der im Gewebe deponiertenEnergie, sondern auch von der Art der Strahlung ab-hängig sind. Wird z.B. bei einer Energiedosis von 1 Gydurch β-Strahlen von insgesamt 50 Zellen im statisti-schen Mittel nur eine geschädigt, so werden bei dersel-ben Energiedosis durch α-Strahlen 20 mal so viele ge-schädigt (s. Abb. 21). Quantitativ beschreibt dies für je-de Strahlenart ein ihr spezifischer Strahlungswichtungs-faktor q. Definitionsgemäß beträgt er 1 für β- und γ-Strahlen, und für α-Strahlen ist qα = 20.

Die Äquivalentdosis H ist definiert als das Produkt ausdem dimensionslosen Strahlungswichtungsfaktor undder Energiedosis:

H = q ·D mit [H ] = q · Gy = Sv (Sievert).

Es gilt z.B. für β- und γ-Strahlen: 1 Gy entspricht 1Sv, und für α-Strahlen: 1 Gy entspricht 20 Sv. Die Ein-heit Sievert lässt den direkten Vergleich völlig unter-schiedlicher Strahlenbelastungen – auch von gemischten

β α

Abbildung 21: Illustration des Strahlungswichtungsfaktors.

Page 14: Radioaktivität (RAD) · 2 Abbildung 2: Isotope des Heliums. in einen anderen Kern umzuwandeln, bezeichnet man als Radioaktivität. β- und γ-Zerfall Nur wenige Isotope eines Elements

14

Tabelle I: Gewebewichtungsfaktoren seit 2007.

Organ/Gewebe w

Rotes Knochenmark 0,12Lunge 0,12Brust 0,12Keimdrüsen 0,08Schilddrüse 0,04Knochenoberfläche 0,01übrige Organe/Gewebe 0,51

Strahlenarten – im Hinblick auf ihre Gefährlichkeit fürMensch und Tier zu.

Das Strahlenrisiko durch eine gegebene Äquivalentdo-sis H ist umso höher, je kürzer die Zeit t war, in dersie verabreicht wurde. Regenerationsmechanismen desKörpers kommen bei kurzen Zeiten weniger gut zumTragen. Um diese Tatsache zu berücksichtigen, definiertman die Äquivalentdosisleistung

.

H = H/t. Die natür-liche Strahlenbelastung betrug im März 1994 lokal inMünchen

.

H = 0,16 µSv/h.

Bei der Berechnung des Strahlenrisikos spielt es eineentscheidende Rolle, welches Organ, bzw. Gewebe derStrahlung ausgesetzt wird. Generell sind Strukturenmit hoher Zellteilungsrate stärker gefährdet. Empiri-sche Untersuchungen von Strahlenschädenhäufigkeitenhaben entsprechende Gewebewichtungsfaktoren w erge-ben (vgl. Tab. I), mit deren Hilfe man eine jeweiligeeffektive Dosis für das betreffende Organ berechnet.

Für eine Ganzkörperbestrahlung (GK) ergibt sich derWichtungsfaktor zu: wGK = (0,12 + 0,12 + 0,12 +0,08 + 0,04 + 0,01 + 0,51) = 1,00. Erhält ein Pati-ent bei einer Schilddrüsenbestrahlung 50 mGy durch β-und γ-Strahlung, so beträgt die effektive Dosis 1 · 0,04 ·50 mGy = 2,0 mSv, wenn kein weiteres Organ bestrahltwurde.

Die Strahlenempfindlichkeit des Menschen lässt sichqualitativ folgendermaßen zusammenfassen:

• groß für blutbildende Organe, z.B. Milz und Kno-chenmark, Wachstumszonen des Knochengewebes

• mittel für Fortpflanzungsorgane, Haut, Lunge,Gefäßwände, Magen- und Darmwände

• geringer für Zellen des Muskelgewebes, des Ner-vengewebes und Gehirns.

Unten finden Sie einige Strahlenbelastungswerte für denMenschen.

Tabelle II: Ungefähre Strahlenbelastung pro Jahr durch. . .

Ursache Belastung in mSv

natürliche Quellen 2,4medizinische Diagnostik (2004) 1,8

medizinische Therapie 0,2Kernwaffenversuche (1963/64) 0,2Kernwaffenversuche (heute) <0,01