1.3 Mehrelektronensysteme
1.3.1 Helium
Dies ist ein Drei-Teilchen-System.
Hamilton-Operator:
Ĥ =~̂p212m
+~̂p222m− 2e
2
4π�0r1− 2e
2
4π�0r2︸ ︷︷ ︸H0
+2e2
4π�0r12︸ ︷︷ ︸H1
Näherung:
• unendlich schwerer Kern
• nicht relativistisch
Eigenzustand: beschreibt Orte und Spins beider Elektronen
Systeme identischer Teilchen Postulat: Elementarteilchen (z.B. Elektronen) sind identischund nicht unterscheidbar⇒ physikalisches System muÿ gleiche Eigenschaften haben bei Austausch zweier Teilchen⇒ für Gesamtwellenfunktion muÿ gelten: |Ψ(1, 2, 3, . . . )|2 = |Ψ(3, 2, 1, . . . )|2 mit 1, 2, 3, . . . iden-
tische Teilchen.
Der Teilchenaustausch wird beschrieben durch einen Permutationsoperator:
PijΨ(. . . , i, . . . , j, . . . ) = Ψ(. . . , j, . . . , i, . . . )
In Matrixschreibweise für 2 Teilchen:
P12 =(
0 11 0
)Für 4 Teilchen:
P34 =
1 0
10 1
0 1 0
Die Eigenwerte von Pij sind in jedem Fall ±1. Damit gibt es zwei Möglichkeiten:
• Ψ(1, 2, 3, . . . ) = +Ψ(3, 2, 1, . . . ) → Bosonen
• Ψ(1, 2, 3, . . . ) = −Ψ(3, 2, 1, . . . ) → Fermionen
Hängt mit Spin zusammen:Bosonen: ganzzahliger Spin (S = 0, 1, 2, . . . )Fermionen: halbzahliger Spin (S = 12 ,
32 ,
52 , . . . )
Damit: Für Elektronen (Fermionen) ist die Gesamtwellenfunktion antisymmetrisch unter Teilchen-austausch.
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Systeme zweier Elektronen Darstellung der Wellenfunktion als Produkt aus Orts-Wellenfunktionund Spin-Wellenfunktion.Einzelnes Elektron:
Ψ = Φ(~r)︸︷︷︸Ort
· χ︸︷︷︸Spin
Zwei Elektronen:Ψ(1, 2) = Φ(~r1, ~r2) · χ(1, 2)
Forderung der Antsymmetrie:Ψ(1, 2) = −Ψ(2, 1)
Ist erfüllt, falls:
1. Orts-Wellenfunktion sym., Spin-Wellenfunktion antisym.
2. Orts-Wellenfunktion antisym., Spin-Wellenfunktion sym.
Untersuchung von Spin- und Orts-Wellenfunktion:
Spinfunktion:Bemerkung: Es gibt verschiedene Schreibweisen für SpinzuständeSpin:s = 12 ,ms =
12 ,Teilchen 1:
|+〉1 =(
10
)1
= χ+(1) = α(1)
s = 12 ,ms = −12 ,Teilchen 1:
|−〉1 =(
01
)1
= χ−(1) = β(1)
Also: System aus zwei Spins hat Gesamtspin ~S = ~s1+~s2 mit Operatoren ~̂S2, Ŝz und Eigenzuständen|S,mS〉 mit S = 0, 1 und mS = −S, . . . , S.Damit gilt:
~̂S2 |S,mS〉 = S(S + 1)~2 |S,mS〉Ŝz |S,mS〉 = mS~ |S,mS〉
Darstellung in der Basis der Einzelspinzustände (mit Hilfe der Clebsch-Gordon-Koe�zienten):
|S,mS〉|1, 1〉 = χ+(1)χ+(2)
|1, 0〉 = 1√2
(χ+(1)χ−(2) + χ−(1)χ+(2))
|1,−1〉 = χ−(1)χ−(2)
Dies ist ein �Triplett� aus drei symmetrischen Funktionen
|0, 0〉 = 1√2
(χ+(1)χ−(2)− χ−(1)χ+(2))
Dies ist ein �Singulett�, d.h. eine antisymmetrische Funktion.
Ortsfunktion:
Auch diese kann symmetrisiert werden.
symmetrisch:
Φsym(1, 2) =1√2
(Φa(1)Φb(2) + Φb(1)Φa(2))
bei gleicher Fkt.:
Φsym = Φa(1)Φa(2)
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antisymmetrisch:
Φanti(1, 2) =1√2
(Φa(1)Φb(2)− Φb(1)Φa(2))
bei gleicher Fkt.: kein Φantimöglich
Allgemein: Antisymmetrisierung von Gesamt-Wellenfunktion durch �Slater-Determinante�:
N Teilchen:
Ψ =1√N !
∣∣∣∣∣∣∣∣∣Ψa(1) Ψb(1) . . . Ψν(1)Ψa(2) Ψb(2) . . . Ψν(2)
...Ψa(N) Ψb(N) . . . Ψν(N)
∣∣∣∣∣∣∣∣∣Ein Teilchenaustausch entspricht einer Reihenvertauschung in der Determinante; dies führt zu ei-nem Vorzeichenwechsel, erzeugt also genau das gewünschte Verhalten.
Folge der Antisymmetrisierung: Zwei Fermionen dürfen niemals identische Einzelzustände anneh-men (die Einzelzustände dürfen nicht in allen Quantenzahlen übereinstimmen)
Beweis: Falls Ψa = Ψb folgt
Ψ =1√N !
∣∣∣∣∣∣∣∣∣Ψa(1) Ψa(1) . . . Ψν(1)Ψa(2) Ψa(2) . . . Ψν(2)
...Ψa(N) Ψa(N) . . . Ψν(N)
∣∣∣∣∣∣∣∣∣ = 0Es existiert in diesem Fall keine antisymmetrische Wellenfunktion auÿer der trivialen FunktionΨ = 0.
Daraus folgt für ein Vielelektronensystem: jede mögliche Einteilchen-Ortswellenfunktion kann mitgenau zwei Elektronen �besetzt� werden (mit entgegengesetztem Spin).
Helium-Grundzustand Hamilton:
H =~p212m− 2e
2
4π�0r1︸ ︷︷ ︸Wassersto�artig!
+~p222m− 2e
2
4π�0r2︸ ︷︷ ︸genauso︸ ︷︷ ︸
H0
+2e2
4π�0r12︸ ︷︷ ︸Repulsion︸ ︷︷ ︸
H1
Bei Vernachlässigung von H1:Ortswellenfunktion für einzelnes Elektron im niedrigsten Zustand (Wassersto�-1s-Funktion fürZ=2):
Ψ1s =1√π
(2a0
)3/2e−2r/a0
Gesamtwellenfunktion damit (Singulett):
Ψ(1, 2) = Ψ1s(~r1)Ψ1s(~r2)︸ ︷︷ ︸symmetrisch
[1√2
(χ+(1)χ−(2)− χ−(1)χ+(2))]︸ ︷︷ ︸antisymmetrisch
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Schematische Beschreibung:
Energie:
E =< H0 >Ψ= 2(−z2Ry
n2)z=2,n=1
= −108.9 eV
Aber: die Abstoÿung der Elektronen wurde vernachlässigt! Berechnung der Abstoÿung in Störungs-theorie (1. Ordnung):
< H1 >Ψ =ˆ ˆ
Φ∗1s(~r1)Φ∗1s(~r2)
e2
4π�0r12Φ1s(~r1)Φ1s(~r2)d~r1d~r2
=58
ze2
4π�0a0= 34 eV
Damit ist die Energie des Grundzustands (in Störungsrechnung 1. Ordnung):
< H >Ψ = < H0 >Ψ + < H1 >Ψ= −74.8 eV
Experimenteller Wert: −79.005 eV
Ursache der Abweichung: die Wellenfunktionen verändern sich durch die Repulsion der Elektronen
Zentralfeldnäherung, Kon�guration Die Anwesenheit mehrerer Elektronen im Atom führtfür ein gegebenes Elektron zur Abschwächung des Coulomb-Potentials des Kerns. Mittelung überdie Positionen der anderen Elektronen führt zu �e�ektivem� Zentralpotential VC(r).
Damit lautet der Hamilton-Operator in �Zentralfeldnäherung�:
H =~p212m
+ VC(r1) +~p222m
+ VC(r2)
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Keine Kopplung zwischen Elektronen! Damit ist die (genäherte) Lösung:
Ψ(1, 2) = Φ(~r1)Φ(~r2)χ(1)χ(2)
Die Φ(~r) sind Wellenfunktionen für ein einzelnes Elektron im kugelsymmetrischen Potential. Dahersind sie wie beim Wassersto�-Atom charakerisiert durch Quantenzahlen nr, l, ml bzw. n, l, ml. Esgibt aber einen Unterschied: wegen der Form von Vc(r) gilt nicht mehr die n-Entartung!
Energieschema für Einzelelektronenzustände:
Damit lassen sich die Zwei-Elektronen-Zustände des Helium-Atoms als �Kon�guration� schreiben:
Grundzustand:Ortswellenfunktion Ψ(1, 2) = Φ1s(~r1)Ψ1s(~r2)Kon�guration: 1s2 (Exponent=Besetzung)
1. angeregter Zustand:Ψ(1, 2) = Φ1s(~r1)Ψ2s(~r2)Kon�guration: 1s12s1
Energie der Zustände:E = En1,l1 + En2,l2
aber: vernachlässigt Ein�uÿ der Austausch-Symmetrie (plus Korrelationen der Elektronenbewe-gung)
Austauschwechselwirkung Auswirkung der Symmetrisierung der Wellenfunktion:Für ~r1 = ~r2 = ~r gilt:
Φsym(~r, ~r) =1√2
(Φa(~r)Φb(~r) + Φb(~r)Φa(~r))
=2√2
Φa(~r)Φb(~r)
|Φsym(~r,~r)|2 = 2|Φa(~r)Φb(~r)|2
= 2|Φa(~r)|2|Φb(~r)|2
Φanti(~r, ~r) =1√2
(Φa(~r)Φb(~r)− Φb(~r)Φa(~r))
= 0|Φanti(~r, ~r)|2 = 0
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⇒ bei symmetrischen Ortswellenfunktion ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, beide Teilchen an ei-nem Ort zu �nden, bei antisymmetrischen Wellenfunktionen ist sie Null!
Das bedeutet: die elektrostatische Repulsion ist stärker bei der symmetrischen Ortswellenfunktion!
Berechnung der Repulsion:
< H1 > =ˆ ˆ
1√2
(Φ(~r1)Φb(~r2)± Φb(~r1)Φa(~r2))∗︸ ︷︷ ︸+ für sym., - für antisym.
e2
4π�0r121√2
(Φa(~r1)Φb(~r2)± Φb(~r1)Φa(~r2))d~r1d~r2
=12
ˆ ˆ|Φa(~r1)|2|Φb(~r2)|2
e2
4π�0r12d~r1d~r2 +
12
ˆ ˆ|Φb(~r1)|2|Φa(~r2)|2
e2
4π�0r12d~r1d~r2
± 12
ˆ ˆΦ∗a(~r1)Φb(~r1)Φ
∗b(~r2)Φa(~r2)
e2
4π�0r12d~r1d~r2
± 12
ˆ ˆΦ∗b(~r1)Φa(~r1)Φ
∗a(~r2)Φb(~r2)
e2
4π�0r12d~r1d~r2
= K ± J
K: Coulomb-Integral (klassisch: Wechselwirkung zweier Ladungsdichten)J: Austauschintegral
Vorzeichen + für eine symmetrische Ortswellenfunktion ⇒ Antisymmetrische Spin-Funktion (Sin-gulett)Vorzeichen - für eine antisymmetrische Ortswellenfunktion ⇒ symmetrische Spin-Funktion (Tri-plett)
Folgerung: Triplettzustand ist stärker gebunden als der Singlettzustand! (keine direkte Wechsel-wirkung der Spins, sondern E�ekt der Coulomb-Wechselwirkung!)
Bemerkung: fallsΦa = Φb gilt Φsym = Φa(1)Φa(2), Φantisym = 0 und < H1 >Φsym= KBei gleichem Einzelzustand gibt es keine energetische Anhebung des Singulett-Zustands.
Grund.: bei Besetzung verschiedener Orbitale führt die Antisymmetrisierung dazu, dass sich jedesElektron in beiden Orbitalen aufhält.
Ψ =1√2
(Φa(1)Φb(2)± Φb(1)︸ ︷︷ ︸Elektron 1 in Φa undΦb!
Φa(2))
Dies führt im Prinzip zu zeitabhängigen Ortserwartungswerten.
Beispiel: 1s, 2s-Orbital
Ueberlagerung mit pos. Vorzeichen: Φ1s + Φ2s:
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erhöhte Aufenthaltswahrscheinlichkeit für kleine r
mit neg. Vorzeichen: Φ1s − Φ2s:
für gröÿere r (tatsächlich zeitabhängig)
Daraus folgt: besetzen beide Elektronen (Φ1s+ Φ2s) oder (Φ1s−Φ2s), sind sie sich näher, besetzensie (Φ1s + Φ2s) und (Φ1s − Φ2s), sind sie stärker getrennt! Der Austausch (die Symmetrisierung)führt also zu einer Korrelation der Elektronenbewegung! (und dies ist nicht möglich für ein einzelnesOrbital)
L-S-Kopplung (ab jetzt: Einzelelektronenzustände in Kleinbuchstaben, Vielelektronenzuständein Groÿbuchstaben beschrieben)
Austauschwechselwirkung �erzwingt� Kopplung der Elektronenspings zu de�niertem Gesamtspin:
~S = ~s1 + ~s2
.(durch elektrostatische Wechselwirkung, nicht durch Dipol-Dipol-Wechselwirkung!)
Bei Vernachlässigung der Spin-Bahn-Kopplung ist weiterhin der Gesamtbahndrehimpuls eine Er-haltungsgröÿe:
~L = ~l1 +~l2
(aber: wegen der Repulsion sind ~l1 und ~l2 nicht mehr konstant. Es gilt: [L̂, Ĥ] = 0, aber [~̂l1, Ĥ] 6=0, [~̂l2, Ĥ] 6= 0)
Damit: Bezeichnung der Zweielektronenzustände durch die Quantenzahlen L und S:
2s+1L
Aufgrund der (schwachen) l-s-Kopplung koppeln ~L und ~S weiter zu ~J :
~J = ~L+ ~S
Bezeichung:2s+1LJ
Für die Quantenzahlen gilt:
L = l1 + l2, l1 + l2 − 1, |l2 − l1|S = 0, 1J = L+ S,L+ S − 1, |L− S|
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Damit ergibt sich folgendes Termschema für das Helium-Atom
Nur einfach angeregte Zustände 1s1nl1 sind hier anegeben; doppelt angeregte Zustände nl1n′l′1 sindautoionisierend und daher nur sehr kurzlebig!
1.3.2 Aufbauprinzip der Atome
Schematisch: Kon�gurationenEinzelelektronenzustände (Näherung)
Hundt'sche Regeln:
• im Grundzustand koppeln die Elektronenspins zum gröÿtmöglichen Gesamtspin
• für bis zu halbgefüllten Schalen koppeln L und S zum minimal möglichen J
• für mehr als halbgefüllte Schalen zum maximal möglichen J
Weiterhin: gefüllte Schalen haben Gesamtdrehimpuls und -spin L = 0, S = 0; nur die Valenzelek-tronen bestimmen also L und S eines Atoms!
1.3.3 Veränderung der Drehimpulskopplung für groÿe Z
Bisher angenommen:s-s-Kopplung zu S; l-l-Kopplung zu L, dann L-S-Kopplung zu J
(L-S-Kopplung, bzw. Russel-Saunders-Kopplung).
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Grund: s-s-Wechselwirkung ist stärker als l-s-Wechselwirkung.
Dies hängt aber von der Kernladungszahl ab: die l-s-Wechselwirkung wächst mit Z4, die s-s-Wechselwirkung nur mit Z2. Für sehr groÿe Z dominiert damit die l-s-Wechselwirkung!In diesem Fall ergibt sich:l-s-Kopplung zu j, dann j-j-Kopplung zu J
(�j-j-Kopplung�)
Sichtbar z.B. am angeregten Zustand np1(n+ 1)s1 der 4. Hauptgruppe:
Pb: zwei j-Zustände:
1.3.4 Untersuchung der elektrischen Struktur: XPS (x-ray photoelectron spectros-copy)
Photoe�ekt:Ekin = hν − Ebin
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(Koopman-Theorem)
Messung der kin. Energie ⇒ Spektrum
Umrechnung in Bindungsenergie: (Ebin = hν − Ekin)
Technik:
(Energieanalysator, läÿt Elektronen einer Energie passieren)
Variation der Spannung am Analysator ⇒ Spektrum der kinetischen Energien.
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