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C:\soffelskript\AllSeis_01_12.doc Heinrich Soffel Seite 1 09.11.01 Grundvorlesung Sommersemester: Seismik, Seismologie, Geothermik 1. Seismik 1.1 Geschichte der Seismik und Seismologie 132 v.Chr. Seismoskop in China Geräte 1660 Hooke'sches Gesetz τ = E ε 17. Jahrh. Brechungsgesetz: Snellius Strahlengang: Fermat-Prinzip Wellenausbreitung: Huygens 19. Jahrh. Mechanik, Wellentheorie: 1. Hälfte Navier, Cauchy, Poisson, Voigt 2. Hälfte Bau von Seismographen: Ewing, Brassart. EM-Seismograph: Galizin Oberflächenwellen: Rayleigh, Love 1896 E. Wiechert (Erdkern) Dia 1906 Gutenberg (Kernradius) Dia -1930 Mintrop (künstl. Beben) Dia Mohorovicic, Krustendicke Conrad (Krustendiskont.) Dia Wiechert, Wegener: Eisseismik 1921 Gründung der SEISMOS 1922 Gründung der DGG 1924 Refraktionsseismik mit Sprengungen 1928 Wadati: Nachweis von Tiefbeben 1936 Lehmann: Innerer Kern Dia 1948 Helgolandsprengung 1949 Haslachsprengung ab 1950 Magnetbandregistrierung ab 1960 WWSSN, seismische Netze Genaue Analyse der Herdmechanik Intensivierung der marinen Seismik ab 1963 Digitale Aufzeichnungen 1966 Standardisierte Seismometer, Mars66 1968 Plattentektonik seismisch bestätigt 1969 Seismometer auf dem Mond ab 1970 3D Seismik, neue Anregungsquellen sprengstofflose Verfahren 1975 Erdbebenvorhersage in China Erfolge, Versagen ab 1983 Reflexionsseismik für Krustenunters. COCORP, DEKORP, BIRP, ... Feinstruktur der Lokationen von KTB ab 1985 Globale seismische Tomographie ab 1989 Regionalnetz in Deutschland Transalp IASPEI: Internationale Organisation der Seismiker in der IUGG 1.2 Ausbreitung seismischer Wellen

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Grundvorlesung Sommersemester: Seismik, Seismologie, Geothermik 1. Seismik 1.1 Geschichte der Seismik und Seismologie 132 v.Chr. Seismoskop in China → Geräte 1660 Hooke'sches Gesetz τ = E ⋅ ε 17. Jahrh. Brechungsgesetz: Snellius Strahlengang: Fermat-Prinzip Wellenausbreitung: Huygens 19. Jahrh. Mechanik, Wellentheorie: 1. Hälfte Navier, Cauchy, Poisson, Voigt 2. Hälfte Bau von Seismographen: Ewing, Brassart. EM-Seismograph: Galizin Oberflächenwellen: Rayleigh, Love 1896 E. Wiechert (Erdkern) → Dia 1906 Gutenberg (Kernradius) → Dia -1930 Mintrop (künstl. Beben) → Dia Mohorovicic, Krustendicke Conrad (Krustendiskont.) → Dia Wiechert, Wegener: Eisseismik 1921 Gründung der SEISMOS 1922 Gründung der DGG 1924 Refraktionsseismik mit Sprengungen 1928 Wadati: Nachweis von Tiefbeben 1936 Lehmann: Innerer Kern → Dia 1948 Helgolandsprengung 1949 Haslachsprengung ab 1950 Magnetbandregistrierung ab 1960 WWSSN, seismische Netze Genaue Analyse der Herdmechanik Intensivierung der marinen Seismik ab 1963 Digitale Aufzeichnungen 1966 Standardisierte Seismometer, Mars66 1968 Plattentektonik seismisch bestätigt 1969 Seismometer auf dem Mond ab 1970 3D Seismik, neue Anregungsquellen sprengstofflose Verfahren 1975 Erdbebenvorhersage in China Erfolge, Versagen ab 1983 Reflexionsseismik für Krustenunters. COCORP, DEKORP, BIRP, ... Feinstruktur der Lokationen von KTB ab 1985 Globale seismische Tomographie ab 1989 Regionalnetz in Deutschland

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1.2.1 Grundlagen der Elastizitätstheorie homogener und isotroper Medien, Kontinuumsmechanik

Ortsvektor x , Verschiebungsvektor u mit je 3 Komponenten, Indizes 1,2,3 Unter Einwirkung von Kräften kommt es zu → * Translation → ohne Deformation * Rotation → ohne Deformation * Deformation (engl.strain) → Volumenänderung, Formänderung ⇒ Modell mit Translation, Rotation, Deformation Bei Wellenausbreitung: alle 3 Prozesse mit komplizierten Teilchenbewegungen sind möglich. Deformationen sind vom Typ der räumlichen Ableitungen von u , d.h. ∂u/∂x, und sind dimensionslos. Größenordnung: ≈10−4 − 10−6. Beispiele: relative Längenänderungen δl/l, Volumenänderungen δV/V, Winkel γ=δs/l. ⇒ Abbildung mit den Deformations-Arten Kräfte K (Einheit: Newton, N) wirken auf: * Punkte (Punktkraft, am Punkt angreifend) * Volumen (z.B. Schwerkraft) * Flächen (Flächenkraft, Spannungen, engl. stress, τ ) {τ} = {Kraft/Fläche} = {N/m2} = 1 Pascal = 1 Pa Alte Einheiten: {τ}= {dyn/cm2}; 106{dyn/cm2} = 1 bar ≈ 1 atm. Umrechnungen: 1 bar = 100 000 = 105 Pa ;1 kbar = 100 MPa, Druck im Erdzentrum: ca. 3.5 Mbar = 350 GPa Druck an der Kruste-Mantel-Grenze: 10 kbar = 1GPa Flächenelement df, Flächennormale n Bezogen auf die Fläche ist τ aufspaltbar in τ⊥ und τ//, Normal- und Tangentialspannung ⇒ Aufspaltung in Tangential- und Normalspannung Wirken Kräfte nur in einer Richtung: → linearer Spannungszustand. Wirken die Kräfte nur in einer Ebene: → ebener Spannungszustand. Wirken drei gleich große Normalspannungen: → hydrostatischer Spannungszustand. Wirken nur Tangentialspannungen: → Torsions-Spannungszustand (Verdrillung). a) Volumendeformation δδV/V (Würfel→Würfel) δV = dx1 ⋅ dx2 ⋅ dx3 vor der Deformation, danach: δV' = dx1 (1+∂u1 /∂x1 )⋅dx2 (1+∂u2 /∂x2 ) ⋅dx3 (1+∂u3 /∂x3 ) Ausmultiplizieren und Vernachlässigen von Produkten kleiner Größen wie zum Beispiel (∂ui/∂xi)⋅(∂uj/∂xj) → δV' = δV(1+ ∂u1 /∂x1 + ∂u2 /∂x2 + ∂u3 /∂x3 ) + vernachlässigbare Terme Die relative Volumenänderung ist dann: (δV'-δV)/δV = (∂u1 /∂x1 + ∂u2 /∂x2 + ∂u3 /∂x3 ) = div u = Σ ∂ui /∂xi = ∂ui /∂xi (Abkürzung, Einstein-Summen-Konvention). Es

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ist damit: ∂ui /∂xi = εii = div u In der linearen Elastizitätstheorie werden höhere Ableitungen und Produkte von ∂ui /∂xi vernachläs-sigt. Dies ist gültig bei Wellenausbreitung, nicht aber bei Stoßwellen und Bruchvorgängen (z.B. im Herd). b) Scherdeformation, Rotation Es treten gemischte Ableitungen der Art ∂ui /∂xj auf. Summen und /oder Differenzen beschreiben Verscherungen bzw. Rotationen. In beiden Fällen ist: (δV'-δV)/δV= 0 (es tritt keine Volumenänderung auf). Notwendig für Scherdeformationen sind Tangentialspannungen τ//. Definition der Winkeländerungen und Rotationen: ε12= [1/2] ⋅ (∂u1 / ∂x2 + ∂u2 /∂x1 ) Bei einer Rotation ist ∂u1 / ∂x2 = − ∂u2 / ∂x1 und ε12 = 0. Ganz allgemein gilt: εik = 0. Wenn εik ≠ 0 treten Winkeländerungen auf. Der Deformationstensor lautet: ε11 ε12 ε13 δx1 uD = ε21 ε22 ε23 δx2 ε31 ε32 ε33 δx3

mit εii = ε11 + ε22 + ε33 als relative Volumenänderungen. Nur wenn alle 3 relativen Längenänderungen gleich groß sind, liegt eine reine Volumenänderung vor, sonst gibt es auch eine Form- oder eine Gestaltsänderung. Die reine Volumenänderung ist dann: ε = ε11 = ε22 = ε33 = εii / 3 . Man kann uD in 2 Anteile aufspalten: ε 0 0 δx1 ε11-ε ε12 ε13 δx1 uD = 0 ε 0 δx2 + ε21 ε22-ε ε23 δx2 0 0 ε δx3 ε31 ε32 ε33-ε δx3 und erhält eine Trennung in den rein volumetrischen (links) und der rein deviatorischen Teil (rechts). Wegen εij= [1/2] ⋅ (∂ui / ∂xj + ∂uj / ∂xi ) ist εij = εji . Der Verformungstensor hat bei isotropen und homogenen Körpern nur 6 unabhängige Komponenten. Hauptachsentransformation: Transformation des Koordinatensystems auf 3 orthogonale Achsen, in denen nur τ⊥ bzw. Längenänderungen εii wirksam sind. ε1 0 0 δx1 uD* = 0 ε2 0 δx2 0 0 ε3 δx3 Die Aufspaltung in den volumetrischen und in den deviatorischen Anteil ergibt dann:

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ε 0 0 δx'1 ε1-ε 0 0 δx'1 uD* = 0 ε 0 δx'2 + 0 ε2-ε 0 δx'2 0 0 ε δx'3 0 0 ε3-ε δx'3 In analoger Weise wie die Deformationen εij lassen sich auch die Spannungen τij durch den Spannungs-Tensor (Spannungsellipse) darstellen. τii, τjj, τkk sind die Normalspannungen, τij, τjk, τki sind die Tangentialspannungen. 1. Index: Kraftrichtung, 2. Index: Richtung der Flächennormalen df1 df = df2 df3 Spannungsvektor: si = Flächenkraft dki / Flächenelement dfi Ganz allgemein ist dk = τij ⋅ df , ausgeschrieben: τ11 τ12 τ13 df1 dk = τ21 τ22 τ23 df2 τ31 τ32 τ33 df3 Der (hydrostat.) Druck ist definiert als : p = − (τ11+τ22+τ33) / 3. Der Spannungstensor nach Aufspaltung in den volumetrischen und deviatorischen Anteil sieht dann wiefolgt aus: -p 0 0 τ11+p τ12 τ13 τij = 0 -p 0 + τ21 τ22+p τ23 0 0 -p τ31 τ32 τ33+p Man kann natürlich auch hier eine Hauptachsen-Transformation wie beim Verformungstensor durchführen (Spannungsellipse). Auch dieser Tensor ist wegen τij = τji symmetrisch. Grund: das Gesamtdrehmoment muß verschwinden. τ12⋅dx2⋅dx3⋅(1/2) ⋅ dx1 = τ21⋅dx1⋅dx3⋅(1/2) ⋅ dx2 ⇒ τ12 = τ21 Mohr'scher Kreis Es sei ein ebener Spannungszustand gegeben, mit 2 Normalspannungen τxx und τyy sowie 2 Tangentialspannungen τxy und τxy an den orthogonalen Seitenflächen eines Prismas. Auf einer gedachten 3. Fläche wirkt die Normalspannung τn und die Tangentialspannung τt. Beide hängen vom Winkel α ab. Es ist: τn(α) = (τxx+τyy)/2 + (τyy−τxx)/2 ⋅ cos(2α) τt(α) = (τyy−τxx)/2 ⋅ sin(2α) Bei Kenntnis von τxx und τyy lassen sich für beliebige Flächen unter dem Winkel α die Normal- und Tangentialspannungen berechnen. τt ist maximal bei für α=45° und besonders groß, wenn die Differenz von τxx und τyy wächst. Diese Bedingungen bestimmen den Bruchvorgang. ⇒ Folien zur Erläuterung des Mohr'schen Spannungskreises und der sich daraus ergebenden

Spezialfälle. c) Spannungs-Dehnungs-Beziehungen

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Bei inhomogenen und anisotropen Körpern sind die Beziehungen zwischen den Spannungen und den Verformungen sehr kompliziert, insbesondere dann, wenn Nichtlinearitäten beachtet werden müssen. Wir beschränken uns auf den Fall der linearen Theorie, sowie isotrope Medien. Schon einfache Fälle einer Anisotropie (Transversal-Isotropie bei Metamorphiten, Sedimenten) verursachen große Probleme. Beim linear-elastischen Körper gilt das Gesetz von Hooke, Hooke'scher Körper (z.B. Feder). τij = c ijkl ⋅ εkl 9 Komp. 81 Komp. 9 Komp. Aus Symmetriegründen gibt es aber nur: 6 Komp. 36 Komp. 6 Komp. Es ist: c ijkl = c klij , deshalb gibt es nur noch 21 unabhängige Komponenten (Spur: 6 + Nebenelemente: 15) im Fall geringster Symmetrie (triklines System). Bei Isotropie (kubisches System) gibt es nur noch 2 unabhängige Materialkonstanten. Nur in diesem Fall sind die Hauptachsen von εij und τij gleich orientiert, bei anisotropen Körpern nicht. d) Anwendung: Stab-Dehnungs-Versuch Es gibt eine Längenausdehnung und eine Querkontraktion. Zwischen den 3 Hauptspannungen τ1, τ2, τ3 und den 3 Hauptdeformationen ε1, ε2, ε3 gilt: τ1 = A⋅ε1 + B⋅ε2 + B⋅ε3 τ2 = A⋅ε2 + B⋅ε1 + B⋅ε3 τ3 = A⋅ε3 + B⋅ε2 + B⋅ε1 Nach Erweiterung der Gleichungen mit B⋅εi (i = 1,2,3) erhält man: τ1 = (A−B)⋅ε1 + B⋅(ε1+ε2+ε3) τ2 = (A−B)⋅ε2 + B⋅(ε1+ε2+ε3) τ3 = (A−B)⋅ε3 + B⋅(ε1+ε2+ε3) B: 1. Lamé'sche Konstante, λ : (A−B): 2. Lamé'sche Konstante, 2µ Damit wird τij = λ ⋅ εkk ⋅ δij + 2µ ⋅ εij δij = 1 bei i gleich j und δij = 0 bei i ungleich j (Kronecker-Symbol). e) Einige einfache Deformationszustände Allseitige Kompression: Druck p erzeugt Volumenreduktion: p = −K⋅δV/V ⇒ −δV/V = p/K = − div u = − εkk = − (ε11+ε22+ε33) Für die 3 Normalspannungen gilt folgendes: τ11 = λ ⋅ εkk + 2µ ⋅ ε11 τ22 = λ ⋅ εkk + 2µ ⋅ ε22 τ33 = λ ⋅ εkk + 2µ ⋅ ε33 Addition der 3 Gleichungen ergibt: τ11+τ22+τ33 = 3λ ⋅ εkk + 2µ ⋅ (ε11+ε22+ε33).

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Daraus folgt: − 3 p = (3λ + 2µ)⋅ εkk Mit p = − K ⋅ εkk folgt: K = (3λ + 2µ)/3 = λ + 2µ/3 bzw. λ = K − 2µ/3 Verscherung: Die Beziehung τij = λ ⋅ εkk ⋅ δij + 2µ ⋅ εij vereinfacht sich wegen i ungleich j und δij = 0 (Tangentialspannungen!) zu: τij = 2µ ⋅ εij

Der Drehwinkel ergibt sich zu: εij = γ = (1/2) ⋅ (∂ui / ∂xj + ∂uj / ∂xi) und reduziert sich auf: εij = γ = (1/2) ⋅ (∂ui / ∂xj). Man erhält nur noch: τij = 2µ ⋅ εij = 2µ ⋅ (1/2) ⋅ (∂ui /∂xj) = µ ⋅ (∂ui /∂xj). Dabei ist G= µ der Scherungsmodul. Stabdehnung: δl/l = ε33 = τ33 / E : relative Längenänderung. Poissonzahl σ: σ = − δd/d / δl/l = relative Breitenänderung / relative Längenänderung Es wirkt nur τ33 , τ11 und τ22 = 0. 0 = τ11 = λ ⋅ εkk + 2µ ⋅ ε11 0 = τ22 = λ ⋅ εkk + 2µ ⋅ ε22 τ33 = λ ⋅ εkk + 2µ ⋅ ε33 Addition ergibt: τ33 = (3λ + 2µ) ⋅ εkk , daraus folgt: εkk = τ33 / (3λ + 2µ) In die 3. Gleichung eingesetzt ergibt für ε33: ε33 = (λ + µ) / µ(3λ + 2µ) ⋅ τ33 = E ⋅ τ33 Daraus folgt: E = µ(3λ + 2µ) / (λ + µ) Aus der 2. bzw. 1. Gleichung erhält man: εkk = − (2µ/λ) ⋅ ε11 Eingesetzt in die 3. Gleichung ergibt: τ33 = λ ⋅ (− (2µ/λ) ⋅ ε11) + 2µ ⋅ ε33 = − 2µ ⋅ ε11 + 2µ ⋅ ε33 = = − 2µ ⋅ (ε11/ε33) ⋅ ε33 + 2µ ⋅ ε33 = = 2µ ⋅ σ ⋅ ε33 + 2µ ⋅ ε33 = ε33(2µσ+2µ) = ε33 ⋅ 2µ ⋅ (1+σ) Mit τ33 = E ⋅ ε33 folgt: E = 2µ (1+σ) und µ = G = E / 2(1+σ) Andere Relationen bei isotropen Körpern:

K == E / 3(1−−2σσ) und λλ== 2µµσσ/(1−−2σσ)

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Bei σ = 0.5 sind Körper inkompressibel, bei σ > 0.5 tritt Dilatanz auf, wobei sich der Körper mit zunehmender Deformation ausdehnt. Der allgemeine Spannungs-Dehnungsansatz lautet: τij = (K− 2G/3) E ⋅ div u ⋅ δij + 2G⋅εij f) Messung der Spannungs-Dehnungsbeziehungen, Ergebnisse ⇒ Abbildungen mit Druck- (Zug)Apparaturen, Einaxial- bis Triaxial-Pressen, Multi-Anvil-

Pressen, Pressen für höchste Drucke Stoßwellen, Erzeugung, Druckeichung Gesteuerte Pressen für δε/δt = const. Die Druckeichung erfolgt mit bekannten Phasenumwandlungen. Verformungen werden mit Dehnungsmeßstreifen gemessen. ⇒ Aufbau eines Dehnungsmeßstreifens ⇒ Tabellen mit Zahlenwerten für die Moduln von Mineralien und Gesteinen ⇒ Abhängigkeit vom Chemismus ⇒ Abhängigkeit der Moduln vom Druck ⇒ Temperatur-Abhängigkeit der Moduln ⇒ Abhängigkeit der Moduln untereinander ⇒ Reale und intrinsische Werte ⇒ Poisson-Körper, Hooke-Körper g) Rheologische Modelle Sie beschreiben den Zusammenhang zwischen stress und strain, auch unter Einbeziehung der Verformungsdauer. Einfache Grundkörper: Euklid-Körper: nicht deformierbar, K = ∞ Hooke-Körper: τ ∝ ε, linear deformierbar. Ersatzschaltbild: Feder. Newton'scher Körper: τ ∝ ∂ε/∂t, τ = η ⋅ (∂ε/∂t)n mit η als der Viskosität, in Pa⋅s. Für n=1: reiner Newton-Körper. n>1: Nicht-Newton-Rheologie. 1 Pa⋅s = 1 N⋅s/m2 = 10 Poise = 10 dyn⋅s/cm2 . St.Venant-Körper: Nachgebespannung, Bruch. Kombinierte rheologische Körper: Einfachster Fall: Maxwell-Körper. Serienschaltung von Hooke- und Newtonkörper. τ = ε⋅E + η⋅∂ε/∂t Hooke-Körper dominiert bei schnellem stress (z.B. Wellenausbreitung), Newton-Körper dominiert bei langsamem stress (z.B. Tektonik) ⇒ Folien mit Eigenschaften und Differentialgleichungen anderer rheologischer Körper. Größenordnungen von η in der Erde: ca. 1022 Poise = 1021 Pa⋅s

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Messung von η durch Langzeitversuche mit Pressen. Einfluß des Drucks auf η: η nimmt zu. Einfluß der Temperatur: η = ηo ⋅ eE/kT; ∂ε/∂t = ∂ε o /∂t ⋅ e

-E/kT

η nimmt mit steigender Temperatur ab, die Verformungsgeschwindigkeit ∂ε/∂t nimmt mit steigender Temperatur zu. ⇒ Arrhenius-Diagramm, ∂ε/∂t = ∂ε o /∂t o ⋅ e

-E/kT

h) Ableitung der Wellengleichung Flächenkräfte führen zu einer Beschleunigung des Volumenelements δV = δx1⋅δx2⋅δx3. Andere Volumenkräfte (z.B.Schwerkraft) seien = 0. Dichte: ρ; u

i: Verrückungen; x

i: Punktkoordinaten.

⇒ Folien mit Darstellung der Flächenkräfte. Für die Kraft in x1-Richtung gilt: ρ⋅δV⋅ ∂2u

1/∂t2 = δx2⋅δx3 (τ11(x1+δx1) − τ11⋅x1) + (Normal-Spannung)

+ δx2⋅δx1 (τ31(x3+δx3) − τ31⋅x3) + (Tangential-Spannung) + δx1⋅δx3 (τ21(x2+δx2) − τ21⋅x2) + (Tangential-Spannung) Taylor-Entwicklung und Abbruch nach dem 1. Term ergibt: τ11(x1+δx1) − τ11⋅x1= τ11(x1) + (∂τ11/∂x1)⋅δx1 + + (..... vern. Terme) − τ11⋅x1 = (∂τ11/∂x1)⋅δx1

Einsetzen und Kürzen mit δV = δx1⋅δx2⋅δx3 ergibt: ρ⋅∂2u

1/∂t2 = ∂τ11/∂x1 + ∂τ21/∂x2 + ∂τ31/∂x1

= ∂τij/∂xj = Div τij (Einstein-Summen-Konvention) Mit τij = λ ⋅ εkk ⋅ δij + 2µ ⋅ εij als stress-strain-Beziehung ergibt sich: ρ⋅∂2ui/∂t2 = ∂[λ⋅εkk⋅δij + 2µ⋅εij] /∂x

j =

= ∂[(K-2G/3) div u] /∂xi +∂[G(∂ui/∂xj+∂uj/∂xi)] /∂xj Bei homogenen, isotropen Medien können die Moduln als Konstante vor den Differentialoperator geschrieben werden. Man erhält dann: ρ⋅∂2ui/∂t2 = (K− 2G/3) ⋅ ∂/∂xi ⋅[div u] + G⋅∂2ui/∂xj∂xj + G⋅∂2uj/∂xi∂xj Mit G⋅∂2uj/∂xi∂xj = G⋅∂/∂xi ⋅[div u] können der 1. und der letzte Term zusammengefaßt werden und

ergeben: (K+G/3) ∂/∂xi ⋅ [div u]. Der 2. Term kann als Laplace-Operator angewandt auf u dargestellt werden: G∆u = G [(∂2u/∂x1

2) + (∂2u/∂x22) + (∂2u/∂x3

2)] = div grad ui Die Wellengleichung erhält dann die neue Form: ρ⋅∂2ui/∂t2 = (K+G/3) ⋅ grad div u +G ⋅ div grad u .

Mit der Identität div grad u = grad div u −− rot rot u und Einsetzen in die Wellengleichung ergibt sich:

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ρ⋅∂2ui/∂t2 = (K+4G/3) ⋅ grad div u −− G⋅ rot rot u. Der 1. Term ist wirbelfrei (rot grad a = 0), während der 2. Term quellenfrei (div rot a = 0) ist. 1.2.2 Seismische Raumwellen a) Geschwindigkeiten in Abhängigkeit von den Materialkonstanten (Elastische Module,

Dichte) Je nach der Art der sich ausbreitenden Deformationen (Kugelwelle, Zylinderwelle) und Entfernung von der Quelle (Nahfeld, Fernfeld: ebene Welle) sind in der allgemeinen Form der Wellengleichung ρ⋅∂2u/∂t2 = (K+4G/3) grad div u - G rot rot u die entsprechenden Ausdrücke für die Operatoren zu verwenden. Im Fall ebener Wellen (z.B. im Fernfeld der Quellen) sind die Beziehungen besonders einfach. u(t) hängt nur von einer einzigen Raumkoordinate (z.B. von x1 ab (1D-Wellen-gleichung). u1 (t,x1) u(t,x1) = u2 (t,x1) mit div u = ∂u1/∂x1 u3 (t,x1) ∂2u1/∂x1

2 ist dann grad div u = 0 und 0 0 rot rot u = -∂2u2/∂x1

2 -∂2u3/∂x1

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Einsetzen in die Wellengleichung liefert für die Verrückungen (Teilchenbewegungen) in den Richtungen ui folgendes:

ρ⋅∂2u1/∂t2=(K+4⋅G/3)∂2u1/∂x12 +0+0 (Longitudinalwelle)

ρ⋅∂2u2,3/∂t2 = 0+G⋅∂2u2,3/∂x12 (Transversalwelle)

Bei Transversalwellen ist Polarisation möglich! Polarisation gibt es auch in der Optik. Formel für die Longitudinalwelle: ∂2u1/∂t2=[(K+4⋅G/3)/ρ]⋅∂2u1/∂x1

2 = vp2⋅∂2u1/∂x12 = α2⋅∂2u1/∂x1

2

Formel für die (polarisierte!) Transversalwelle: ∂2u2,3/∂t2=[G/ρ]⋅∂2u2,3/∂x1

2 =vs2⋅∂2u2,3/∂x12 = β2⋅∂2u2,3/∂x1

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⇒ Teilchenbewegungen bei P- und S-Wellen Doppelbrechung (birefringerence, wie in der Optik), wenn G(x1) ≠ G(x2). Es ist stets vp > vs .

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(vp/vs)2 = (K+4⋅G/3)/G = (K/G) + (4/3).

Mit K = E/3(1−2σ) und G = E/2(1+σ) folgt:

(vp/vs)2 = [2(1+σ)/3(1−2σ) + 4/3] = [2(1−σ)/(1−2σ)] und damit

(vp/vs) = [2(1−σ)/(1−2σ)]0.5

Für einen Poisson-Körper mit σ = 0.25 (Standard-Wert bei Gesteinen!) ist: G = 3K/5 und E = 3K/2 und vp/vs = √3 = 1.732. Für σ = 0 ist vp/vs = √2 und für σ = 0.5 (Gase,

Flüssigkeiten) ist vp/vs = ∞. Dort ist bei endlicher P-Wellengeschwindigkeit die

Ausbreitungsgeschwindigkeit von S-Wellen gleich Null. Einfluß der Lithologie: Basische Gesteine: vp/vs > √3 ; Saure Gesteine: vp/vs < √3. Das vp/vs − Verhältnis kann daher für Aussagen zur Lithologie verwendet werden. Folien bzw. Dias: ⇒ vp und vs von Mineralien und Gesteinen ⇒ vp und vs als Funktion des Druckes (reale und instrinsische Werte = Werte ohne Porenraum) ⇒ vp und vs als Funktion der Temperatur ⇒ vp und vs in Kruste, Mantel (Phasenübergänge!) und Kern (Wechsel von Material und

Aggregatzustand) ⇒ vp und vs der Standard-Erdmodelle Korrelation von Dichte und seismischen Geschwindigkeiten (Nafe-Drake, Birch) und Anwendungen in der Geophysik ⇒ Nafe-Drake und Birch-Beziehungen Der seismische Parameter φ = vp

2 − 4vs2/3 = K/ρ ist eine wichtige Informationsquelle für die

Dichteverteilung in der Erde. An den Stellen im Erdinnern, wo seismischen Diskontinuitäten festgestellt werden, ändert sich auch die Dichte. Beipiel: Moho, 400 − und 670 km – Diskontinuität (Phasenübergänge von Olivin), Mantel-Kern-Grenze. Typische Werte für φ: Erdoberfläche 10 Kruste 20 Mantel 80 Kern/Mantel-Grenze 120 Äußerer Kern 65 Erdzentrum 110 b) Lösungen der Wellengleichung, Harmonische Wellen, Absorption Wie man bei den Wellengleichungen ∂2u1/∂t2 = α2⋅∂2u1/∂x1

2 und ∂2u2,3/∂t2 = β2⋅∂2u2,3/∂x12 durch

Einsetzen und 2-maliges Differenzieren zeigen kann (Übungen) sind Funktionen des Typs ui(t,x1) = Fi (x1- ci⋅t) + Gi (x1+ ci⋅t)

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Lösungen der Wellengleichung. Ganz allgemein können auch bei harmonischen Wellen harmonische Funktionen (sin-, cos-, e-Funktionen) des Arguments (k⋅x ± ω⋅t) als Lösungsansatz verwendet werden. Dabei ist k=2⋅π/L die Wellenzahl und ω die Kreisfrequenz. Auch Summen dieser Lösungen sind wieder Lösungen der Wellengleichung. Fourier-Analyse und -Synthese, Filterverfahren, Signalverarbeitung. ⇒ Folien zur Signalausbreitung In der Zeit ∆t bewegt sich das Signal um den Weg ∆x weiter. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist dabei c = ∆x/∆t (Phasengeschwindigkeit). Bei Dispersion (Abhängigkeit der Geschwindigkeit von der Periode) und Absorption (Abhängigkeit der Dämpfung von der Periode) verändert sich die Signalgruppe. Die Einhüllende der Wellengruppe bewegt sich dann mit der Gruppengeschwindigkeit. ⇒ Folien, Phasen- und Gruppengeschwindigkeit Diskussion der Zusammenhänge zwischen Frequenz ν, Wellenlänge L, Ausbreitungsgeschwindigkeit c, Periode T, Wellenzahl k = 2π/L. ⇒ Folie, Zusammenhänge c, L, ω, T, ν Wie schon früher anhand der Wellengleichung ρ⋅∂2u/∂t2 = (K+4G/3) grad div u − G rot rot u bzw. ∂2u/∂t2 = vp

2 grad div u – vs2 rot rot u

erklärt, kann man diese in einen wirbel- und in einen quellenfreien Anteil zerlegen. Im Falle der P-Wellen ist die Verrückung u wirbelfrei und kann durch das Verrückungspotential Φ in der Form u = grad Φ dargestellt werden. Die Wellengleichung lautet dann: ∂2Φ/∂t2 = vp

2 div grad Φ = vp2 ∆ Φ .

Bei Kugelwellen ist Φ = Φ (r, Θ, λ, t). Bei P-Wellen gibt es nur Verrückungen in r-Richtung, alle anderen Verrückungen verschwinden. Man erhält: ∂2Φ/∂t2 = vp

2 ⋅ 1/r ⋅ ∂2 (r ⋅ Φ)/∂r2 bzw. ∂2(r ⋅ Φ)/∂t2 = vp2 ⋅ ∂2(r ⋅ Φ)/∂r2

als 1-dimensionale Wellengleichung in r-Richtung. Man sieht, daß bei der Kugelwelle die Amplitude mit 1/r abnimmt (die Energie muß sich auf eine immer größere Fläche der Wellenfront verteilen!). Für Φ (r,t) wählen wir den Ansatz: Φ (r,t) = (1/r) ⋅ F (t−r/vp) Den Verrückungsvektor u erhalten wir aus dem Potential Φ durch u = grad Φ = ∂/∂r[(1/r) ⋅ F (t−r/vp)] = = − r −2 ⋅ F (t-r/vp) − (1/r⋅vp)⋅F' (t−r/vp) = = Nahfeld + Fernfeld = ∼ 1/r2 ∼ 1/r Den Effekt des Nahfeldes kann man bereits nach 2-3 Wellenlängen vernachlässigen. Er ist aber wichtig in der unmittelbaren Nähe der Quelle (Bruch, Bebenherd).

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Absorption Bei der Wellenausbreitung bewegen sich die Teilchen gegeneinander. Umwandlungen von Bewegungsenergie durch Reibung in Wärme. Dies kann bei einer ebenen Welle in folgender Form in der Wellengleichung berücksichtigt werden: u(r,t) = u0(r,t)⋅(u0/r)⋅ e−α⋅r ⋅ cos (ω⋅t − k⋅r) α {in m−1} ist dabei der Absorptionskoeffizient. Experimentell ist das Produkt α⋅L ≈ konstant. Mit Geschwindigkeit c und Frequenz ν = c/L und Einführung des Gütefaktors Q erhält man: α = π⋅ν/Q⋅c = π/Q⋅L . Daraus folgt: α⋅L = π/Q bzw. Q = π/α⋅L Q ist dabei mit dem Energieverlust eine Welle nach Zurücklegung einer Wellenlänge bezogen auf die eingelaufene Energie (δE/E) verknüpft über: Q = 2 ⋅ π / (δE/E) = 2 ⋅ π ⋅ E / δE. Q ist damit unabhängig von der Wellenlänge. Wird keine Energie absorbiert (δE=0), so ist Q = ∞. Totale Absorption: Q ⇒ 0. Aus α⋅L = π/Q = konstant folgt, daß Signalanteile mit großen Wellenlängen weniger, solche mit kurzen Wellenlängen mehr gedämpft werden. Daraus resultiert eine Signalveränderung während des Laufweges. Die Erde wirkt als Tiefpaßfilter. Die Q-Werte für P- und S-Wellen sind unterschiedlich. ⇒ QP > QS ⇒ Werte für Q in Kruste, Mantel und Kern, auf dem Mond. Ursachen der Absorption: i) intra-molekulare Reibung, Reibung an Korngrenzen und Mikrorissen. Geschmolzene Anteile der Gesteine (Asthenosphäre) erniedrigen Q. Bei Annäherung an den Schmelzpunkt nimmt Q ab. Kleine Q-Werte sind im inneren Kern zu erwarten, weil dort auch die S-Wellen-Geschwindigkeiten im Vergleich zu den P-Wellen recht niedrig sind. Im flüssigen äußeren Kern ist QS gleich Null. ii) Absorption durch Vielfach-Streuung (z.B. im Regolith auf dem Mond), oder auch durch streuende Objekte und Flächen ganz allgemein. Der Effekt ist in der heterogenen Erdkruste größer als im Erdmantel. In der Nähe der Quelle überwiegt der Geometrie-Effekt (prop. r−1) den Absorptionseffekt (prop. (u0/r)⋅ e−α⋅r), im Fernfeld ist es umgekehrt. 1.2.3 Oberflächenwellen Freie Oberflächen erlauben eine fast ungehinderte Teilchenbewegung nach oben und z.T. auch nach der Seite. Es gelten deshalb andere Randbedingungen für die Spannungsverteilungen, die bei der Wellenausbreitung beachtet werden müssen. Ende des letzten Jahrhunderts haben sich Rayleigh und Love mit den Theorien der Oberflächenwellen beschäftigt. Erst viel später wurden durch entsprechende Messungen auch diese Wellen seismisch bestätigt.

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Arten und Eigenschaften der Oberflächenwellen: * Rayleighwellen sind vertikal polarisiert. Teilchenbewegung ist vertikal und in Ausbreitungsrichtung vorwärts und rückwärts. * Love-Wellen sind horizontal polarisiert und bilden sich in einem weichen Material über einem harten Untergrund aus. ⇒ Folien mit den Teilchenbewegungen der Oberflächenwellen. Die Amplituden nehmen exponentiell mit der Tiefe ab, und zwar in Abhängigkeit von der Wellenlänge. Bei einem geschichteten Untergrund mit c = f(z) gibt es Dispersion, d.h. die Geschwindigkeit ist abhängig von der Wellenlänge. Die Geschwindigkeit der Oberflächenwellen ist eine Funktion der Poisson-Zahl ν und hängt damit auch vom Verhältnis vp/vs ab. Für einen Poisson-Körper mit ν= 0.25 ist vOberflächenwelle = 0.92 ⋅ vs. Die Oberflächenwellen kommen daher in einem Seismogramm immer als letztes Signal an. ⇒ Bild mit vOberflächenwelle = f (ν) Diskussion der Dispersion der Geschwindigkeiten: c = ω/k : Phasengeschwindigkeit u = ∂ω/∂k : Gruppengeschwindigkeit u(ω) = ∂ω/∂k = ∂/∂k (k⋅c) = c+k⋅∂c/∂k = c − L⋅∂c/∂L Bei u>c: normale Dispersion Bei u<c: anomale Dispersion Wenn u(ω) mit ω= 2πν (d.h. abnehmender Wellenlänge L) zunimmt, hat man inverse Dispersion. Wenn u(ω) mit ω = 2πν (d.h. abnehmender Wellenlänge L) abnimmt, hat man reguläre Dispersion. Der letzte Fall ist bei der Erde gegeben. Bei der Erde nimmt die Geschwindigkeit mit der Tiefe zu. Oberflächenwellen langer Periode dringen tiefer ein und haben eine größere Ausbreitungsgeschwindigkeit als kurzwellige Oberflächenwellen. Bei Fernbebenaufzeichnungen ist diese Dispersion deutlich zu sehen. ⇒ Fernbeben mit regulärer Dispersion der Oberflächenwellen * Oberflächenwellen als Störsignal in der Seismik * Airy-Phase * Weitere Wellenarten in der Seismik * Ähnlichkeit mit Wasserwellen, Unterschiede 1.2.4 Strahlenseismik: Reflexion und Refraktion a) Vorbemerkungen Die Ausbreitung seismischer Wellen kann man unter Verwendung zweier Prinzipen beschreiben. * Huygens-Prinzip der fortschreitenden Wellenfronten, und * Strahlenseismik

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Beide Prinzipien haben sich auch in der Optik bewährt und es gibt zahlreiche Ähnlichkeiten in der Betrachtungsweise bei Optik und Seismik. Unterschiede: In der Optik gibt es nur Transversal-Wellen, in der Seismik Transversalwellen und Longitudinalwellen, die sich an Grenzflächen sogar in Form von Wechselwellen neu aus der jeweils anderen Welle bilden können. Dies bedingt in der Seismik wesentlich komplizierte Abbildungen von Strukturen als in der Optik. Je nach Problemstellung ist die eine oder die andere Betrachtungsweise bei der Ausbreitung seismischer Signale vorteilhafter. In der Vorlesung werden beide Gesichtspunkte, je nach Fall, verwendet. Bei vielen Verfahren der angewandten Seismik interessieren hauptsächlich die Laufzeiten der P-Wellen. Erst in der jüngsten Zeit werden möglichst auch die S-Wellen ausgewertet. Bei der Erdbebenseismik hat man schon immer P- und S-Wellen als gleichwertig angesehen. In zunehmendem Maße werden bei seismischen Auswertungen auch die Amplituden und die Fre-quenzen der Signale sowie die frequenzabhängige Dämpfung bei der Modellbildung berücksichtigt. Häufig fehlt die Möglichkeit, das gesamte ausgestrahlte und empfangene Wellenfeld zu registrieren. In vielen Fällen genügt die Registrierung der z-Komponente der Bodenbewegung. Für Analysen des vollständigen Wellenfeldes reichen die bisherigen Rechnerkapazitäten noch nicht aus. b) Ableitung des Reflexions- und des Brechungs-Gesetzes Hier hat sich das Prinzip von Fermat bewährt. Danach ist die Laufzeit eines Signals von der Quelle zum Empfänger ein Extremum (meist ein Minimum). ⇒ Abbildung zur Ableitung des Reflexions-Gesetzes Laufzeit t = Laufweg / Geschwindigkeit _______ ___________ t = √(h1

2 + x2) / v1 + √(h22 + (d−x)2) / v2

∂t/∂x = 0 ⇒ 1 2⋅x 1 2(d−x) (−1) 0 = + 2 v1⋅√(h1

2 + x2) 2 v2⋅√(h22 + (d−x)2)

⇒ sin i1 / v1 = sin i2 / v2 Beim reflektierten Strahl kann die gleiche Ableitung verwendet werden. Der Strahl kehrt wieder in das obere Medium mit der Geschwindigkeit v1 zurück. Man erhält analog: sin i1 / v1 = sin i2 / v1 → i1 = i2 ⇒ die beiden Winkel sind gleich. Bei schrägem Einfall werden an der Grenzfläche Wechselwellen erzeugt. Dies kann man aus der Teilchenbewegung an der Grenzfläche ableiten. Aus einer einfallenden P-Welle wird: * eine reflektierte P-Welle * eine reflektierte S-Welle, vertikal polarisiert * eine refraktierte P-Welle

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* eine refraktierte S-Welle, vertikal polarisiert Aus einer einfallenden S-Welle wird (bei vertikaler Polarisation): * eine reflektierte P-Welle * eine reflektierte S-Welle, vertikal polarisiert * eine refraktierte P-Welle * eine refraktierte S-Welle, vertikal polarisiert

* Aus einer einfallenden S-Welle wird (bei horizontaler Polarisation) * eine reflektierte S-Welle, horiz. Polarisiert * eine refraktierte S-Welle, horiz. Polarisiert

Hierbei treten also keine Wechselwellen auf! ⇒ Folie mit Wechselwellen Für Wechselwellen gilt das Reflexions- und Refraktionsgesetz in gleicher Weise. zur Berechnung der Winkel sind die Geschwindigkeiten der P- und S-Wellen zu berücksichtigen. Die vielen Grenzflächen im Erdinnern in Verbindung mit dem Auftreten von Wechselwellen be-dingen eine sehr hohe Anzahl von Sekundärstrahlen mit zusätzlichen Laufwegen. Damit ist die Entstehung langer Wellenzüge in einem Seismogramm mit zunehmender Entfernung von der Quelle verbunden, auch wenn das ausgesandte Signal nur ganz kurz war. Wie oben schon erwähnt, können beim gegenwärtigen technischen Stand noch nicht alle eintreffenden Signale im Einzelnen ausgewertet werden. Grenzwinkel der Totalreflexion: bei i2 = 90° ist sin i2 = 1. Man spricht vom kritischen Winkel ikrit. Nach dem Brechungsgesetz ist sin ikrit = v1 / v2 . Der kritische Winkel tritt auch bei den Wechselwellen auf. Bei i=ikrit läuft die Welle in der Grenzfläche und strahlt wieder unter dem kritischen Winkel Wellen bzw. Strahlen in das obere Medium ab. Anwendung des Prinzips von Fermat zur Berechnung des Laufweges eines Strahls von einer Quelle zu einem Empfänger unter Nutzung eines Laufweges in einem Medium höherer Geschwindigkeit. ⇒ Folie mit Laufweg, v1 im oberen, v2 im unteren Medium. Dazwischen eine ebene

Grenzfläche. Es gibt natürlich im Medium der Geschwindigkeit v1 einen kürzesten Weg, den der geraden Verbin-dung. Gesucht ist aber der Strahl, der von der Quelle auf die Grenzfläche mit v = v1 zuläuft, sich dort mit der Geschwindigkeit v2 fortpflanzt und von dort mit v = v1 zum Empfänger zurückkehrt. Insgesamt gibt es 3 Teilwege: von der Quelle zur Grenzfläche, entlang der Grenzfläche und von dieser zurück zum Empfänger. Laufzeit t = Laufwege/Geschwindigkeiten _______ __________ t=√(h1

2 +x2)/v1 + (y-x)/v2 + √(h22+(d−y)2)/v1

______ Extremwert: ∂t/∂x = 0 = x/(v1⋅√(h1

2+x2)) − 1/v2 liefert: sin ix / v1 = 1/v2 und sin ix = v1/v2 Extremwert: ∂t/∂y = 0 __________ 0 = 1/v2 + (−1)(d−y)/v1⋅√(h2

2+(d−y)2) liefert: sin iy / v1 = 1/v2 und sin iy = v1/v2

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Die Strahlen auf die Grenzfläche zu und von der Grenzfläche weg treffen diese unter dem kritischen Winkel der Totalreflexion. Die letztere bezeichnet man als die "Mintrop-Welle". Diese war noch Ende der 20-er Jahre unter den Seismikern umstritten und war Gegenstand eines Patents von Mintrop. ⇒ Dias, Folien Brechungsgesetz * Konstruktion der Ausbreitung einer P-Welle in einer Schicht über einem Halbraum nach Huygens. Entstehung der direkt gelaufenen Welle, der reflektierten Welle, der sogenannten Kopfwelle und der Mintropwelle. Man sieht, wie an entfernten Stationen die Signale nacheinander eintreffen. Die S-Wellen und die Wechselwellen werden nicht gezeigt. ⇒ Konstruktion der Wellenausbreitung, 1- Schichten-Fall Optische Sichtbarmachung der Mintropwelle und auch anderer Wellen mit dem Verfahren der Schlierenoptik. ⇒ Dias zur Schlierenoptik 1.2.5 Laufzeitkurven, Scheingeschwindigkeiten Ein Seismogramm enthält die zeitliche Abfolge der nacheinander eintreffenden Signale. Laufzeitunterschiede gibt es aufgrund der verschiedenen Ausbreitungsgeschwindigkeiten von P-, S- und Oberflächenwellen und aufgrund der unterschiedlichen Laufwege. Hinzu kommt noch das Problem mit den konvertierten Phasen (Wechselwellen). Viele Seismogramme z.B. längs eines Profils werden zu einer Seismogramm-Montage zusammengestellt. Laufzeitkurven sind Verbin-dungslinien von Seismogramm zu Seismogramm zwischen den Ankunftszeiten gleichartiger Signale (z.B. der P- oder S-Wellen). Einfachstes Modell (1-Schichten-Fall): Homogene, isotrope Deckschicht der Geschwindigkeit v1 unterlagert von einem ebenso gearteten Halbraum der Geschwindigkeit v2. Es gibt 3 Haupt-Strahlenwege von der Quelle Q zum Empfänger E: * Direkter Strahl von Q nach E. v = v1. * An der Grenzfläche reflektierter Strahl, v = v1. * Strahl, der unter ikrit. auf die Grenzfläche zuläuft (v = v1), in dieser sich mit v = v2 fortpflanzt und dann wieder mit v = v1 unter i = ikrit. den Empfänger E erreicht. Konventionelle Laufzeitkurven: Ordinate: Laufzeit t; Abszisse: Entfernung x, ∆. Die Steigung der Laufzeitkurve, ∆t/∆x = 1/v, entspricht einer reziproken Geschwindigkeit. Bei der direkt gelaufenen Welle stehen die Wellenfronten senkrecht auf der Erdoberfläche. Der Wellenstrahl verläuft parallel zur Oberfläche. Die aus der reziproken Steigung dieses Laufzeitkurvenastes abgeleitete Geschwindigkeit entspricht der Materialgeschwindigkeit v1 der Deckschicht. Bei der reflektierten und der Mintropwelle kommen die Strahlen schräg von unten und die Wel-lenfronten bilden den sogenannten Emergenzwinkel iem mit der Oberfläche. ⇒ Wellenfronten, Emergenzwinkel iem

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Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Signals an der Erdoberfläche ist wieder Weg/Zeit = δx/δt. Mit sin iem = v1⋅ δt/δx folgt für die Steigung der Laufzeitkurve: δt/δx = sin iem / v1 = p = Strahlparameter. Dies ist der Benndorf'sche Satz. Die Größe p ist der Strahlparameter. Er entspricht dem aus dem Brechungsgesetz bekannten Verhältnis von sin iem und der Geschwindigkeit v. Der reziproke Wert von p, also 1/p wird als Scheingeschwindigkeit V = 1/p bezeichnet. Obwohl sich in der Deckschicht nur Wellen mit der Geschwindigkeit v1 ausbreiten können, ist die Signalgeschwindigkeit durch das von unten schräge Auftreffen der Wellenfront größer. Bei der Mintrop-Welle entpricht der Emergenzwinkel dem kritischen Winkel der Totalreflexion. Die Scheingeschwindigkeit ist dann gleich der Materialgeschwindigkeit v2 unterhalb der Grenzschicht. Bei einem Mehrschichtenmodell (z.B. parallele Schichtung) legt der Strahlparameter p in eindeutiger Weise den Verlauf des Strahls im Untergrund fest. Wenn v im Mittel nach unten zunimmt, kehrt der Strahl immer wieder, z.T. aber erst nach einem langen Wege, an die Erdoberfläche zurück. In der untersten Schicht ist der Strahlenverlauf horizontal. Die Geschwindigkeit V in diesem Scheitelpunkt ist gleich dem reziproken Strahlparameter V = 1/p. Bisher haben wir bei den Laufzeitkurven nur die P-Wellen betrachtet. Würde man zusätzlich noch die S-Wellen und sämtliche konvertierte Phasen berücksichtigen, so kämen sehr komplizierte Lauf-zeitkurven zustande. Unter Reflexionsseismik versteht man Experimente, bei denen die Beobachtungsstationen im unterkritischen Entfernungsbereich, als nicht zu weit von der Quelle entfernt angeordnet sind. Das Verfahren ähnelt einem Echolot. Die Strahlen gehen ± vertikal nach unten und wieder an die Erd-oberfläche zurück. Für die Geschwindigkeiten gilt angenähert: v = v⊥. Bei der Weitwinkel-Reflexionsseismik beobachtet man reflektierte Strahlen auch außerhalb des kritischen Bereichs, auch Strahlen, die total reflektiert wurden. Sie kommen dann schräg von unten. Die Geschwindigkeit v hat einen Wert zwischen v⊥ und v//. Dies ist bei anisotropen Gesteinen zu berücksichtigen.

In der Refraktionsseismik beobachtet man zum Teil in sehr großen Entfernungen die verschiedenen Scheingeschwindigkeiten, die uns die Materialgeschwindigkeiten aus großen Tiefen liefern. Bei diesem Verfahren gibt es einen stetigen Übergang zur Seismologie, was die Instrumentierung und Auswertung anbetrifft. Für die Geschwindigkeiten gilt angenähert: v ≈ v//. Auf die einzelnen Verfahren (Reflexions- und Refraktionsseismik) wird später nochmals eingegangen werden.

1.3 Seismometrie und seismische Meßtechnik a) Vorbemerkungen Seismische Signale werden durch natürliche Ereignisse (natürliche Bodenunruhe, Erdbeben) oder durch künstliche Schallquellen angeregt.

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Natürliche Vorgänge sind: Wind, Dünung, Brandung, Einsturz von Höhlen, Bergstürze, Meteoriteneinschläge, Bruchvorgänge im Erdinnern (Erdbeben)..... Künstliche Quellen sind: Störwellen der Technik und des Verkehrs, Hammerschläge, Fallgewichte, Klein- und Großsprengungen, Vibratoren, Traktoren, Sägewerke, Kernsprengungen....... ⇒ Seismische Quellen, typische Signalfrequenzen ⇒ Meßsituation: Quelle → Medium → Empfänger Auf der Empfängerseite: Meßgeräte zur Aufnahme der Bodenbewegung, möglichst in 3 Komponenten. Größenordnung der Amplituden: nm...µm... mm Natürliche Frequenzen: ... kHz ...... 1/1000 Hz ... Man benötigt Geräte, die auch kleinste Amplituden noch sichtbar machen: deshalb sind starke Vergrößerungen notwendig. Man empfängt Nutzsignale (Signal, S) und Störsignale (Noise, N). Meist ist S/N << 1. Verbesserung des S/N-Verhältnisses durch ausgefeilte Methoden (Filterung, Stapelung, Signalanalyse..), die auch in der Nachrichtentechnik verwendet werden. Neben den Geräten zur Datenaufnahme (Seismometer) benötigt man solche für die Daten-weiterleitung und Konservierung. Hierbei sind die modernen Möglichkeiten der EDV unverzichtbar geworden. → Auswirkung auf die Ausbildung der Studierenden. b) Theorie der Seismometer Seismograph = Seismometer + Registriereinheit Erste Meßgeräte in China: Seismoskope Klassische Instrumente: rein mechanische Geräte. Wiechert-Seismometer seit etwa 1900: große Masse, kleine Reibung, geringe Vergrößerung. Galizin (ca 1905): Elektromechanischer Wandler Grundprinzip aller klassischen Seismometertypen: * Trägheitsseismometer = Pendel + Dämpfung + elektromechanischer Wandler. Neue Entwicklung: Wegmesser mit automatischer Rückführung. Dies sind die Standardgeräte der Angewandten Seismik und Erdbebenseismik. Das Signal ist ∝ ∂u/∂t, es sind also Geschwindigkeitsmesser. Ohne elektromechanische Wandler: das Signal ist ∝ u (Wegmesser). * Deformations (strain)-Seismometer, zur Registrierung extrem langperiodischer Effekte, z.B. langperiodische Oberflächenwellen und Eigenschwingungen der Erde (T ≈ 1 - 60 Min.). Signal ist ∝ u. Die Aufstellung ist unterirdisch. Beispiel: Schiltach-Observatorium im Schwarzwald. * Druckaufnehmer, Signal ist ∝ ∂2u/∂t2, Beschleunigungsaufnehmer. Verwendung als Hydrophone (See-Seismik) und bei der Modellseismik. ⇒ Abbildungen mit diversen Seismometertypen ⇒ Verschiedene Möglichkeiten zur Dämpfung. Um extrem lange Eigenperioden zu erhalten, wird vom Prinzip der Astasierung Gebrauch gemacht. ⇒ Grundprinzip des elektromechanischen Wandlers.

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Eine Leiterschleife (Innenwiderstand Ri) bewegt sich im Magnetfeld B. Es kommt zu einer Relativgeschwindigkeit v zwischen Spule und Magnet. Der induzierte Strom sei Iind; die Länge der Leiterschleife: l; die Relativgeschwindigkeit sei v = ∂x/∂t ; das Lorentzfeld ist E = v x B. Nach dem Induktionsgesetz gilt: Uind = ∫E ⋅ ds = l ⋅ B ⋅ ∂x/∂t. Der induzierter Strom ist: Iind = Uind / (Ri + Ra) Die Kraft auf die Leiterschleife ist: K = B x l ⋅ Iind. Die Kraft K ist negativ (Energiesatz, Lenz'sche Regel) und versucht die Bewegung zu hemmen. Es kommt deshalb zu einer Dämpfung. K = B ⋅⋅ l ⋅ Iind = − B ⋅ l ⋅ Uind /(Ri + Ra). Mit Uind = ∫E⋅ds = l ⋅ B ⋅ ∂x/∂t ergibt sich: K = − (B⋅⋅ l)2 ⋅ ∂x/∂t / (Ri + Ra) = − d ⋅ ∂x/∂t, dabei ist d der Dämpfungsfaktor. Die induzierte Ausgangsspannung Ua ist: Ua = Ra ⋅ Iind = [(l⋅B⋅Ra)/(Ri + Ra)] ⋅ ∂x/∂t = G ⋅ ∂x/∂t, d.h. Ua ∝ Geschwindigkeit ∂x/∂t. G = l⋅B⋅Ra/(Ri + Ra) = l⋅B/(1+Ri/Ra) ist die Generatorkonstante. Diese (damit auch der Verstärkungsgrad und die Dämpfung) können über den Außenwiderstand Ra verändert werden. Maximale Dämpfung bei Ra=0. Seismometer werden daher beim Transport zusätzlich zur mechanischen Arretierung auch kurz geschlossen, um sie zusätzlich zu dämpfen. ⇒ Vorführung der Wirkung von Ra=0. c) Ableitung der Seismometergleichung ⇒ Abbildung mit Definition der Parameter zr = zm − zo : Relativbewegung Masse/Gehäuse wm = wg − zm : Relativbewegung Masse/Boden ∂2/∂t2 : 2. zeitliche Ableitung. Die Trägheitskräfte ergeben sich zu: − m⋅∂2wm (t)/∂t2 = − m⋅[∂2wg (t)/∂t2 +∂2zm(t)/∂t2] = − m⋅[∂2wg(t)/∂t2 +∂2zr(t)/∂t2], da ∂2z0(t)/∂t2 = 0 (diese Bedingung entspricht der Ruhelage). Die Federkraft ist: −k⋅zr(t) und ist ∝ Weg. Die Dämpfungskraft ist: −d⋅∂zr (t)/∂t , ∝ Geschw. Aus der Bedingung Σ Kräfte = 0 folgt: −m⋅[∂2wg(t)/∂t2+∂2zr(t)/∂t2] − d⋅∂zr(t)/∂t − k⋅zr (t)=0 Division mit m ergibt: ∂2zr(t)/∂t2 + (d/m)⋅∂zr (t)/∂t + (k/m)⋅zr(t) = − m⋅(∂2wg(t)/∂t2) Dies ist eine inhomogene Differentialgleichung, die Gleichung einer angeregten, gedämpften Schwingung. Die Bauform der Seismometer spielt keine Rolle.

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Man führt folgende Abkürzungen ein: k/m = ω0 und d/m = 2⋅ε. Die normalisierte Seismometergleichung lautet: ∂2z(t)/∂t2 + 2⋅ε⋅∂z(t)/∂t + ω0

2 ⋅z(t) = − ∂2w(t)/∂t2

ω0 = 2π/T0 = 2⋅π⋅ν, mit T0 als Eigenperiode und ν als Eigenfrequenz des ungedämpften Systems.

D = ε/ω0 : Dämpfungskonstante.

Da man k, m und ε von der Konstruktion her verändern kann, sind die Eigenschaften der

Seismometer manipulierbar. Sie ändern sich bei einem System mit der Zeit (elastische Nachwirkungen, Korrosion) und müssen immer wieder überprüft und nachgeeicht werden. ⇒ Eichung im Praktikum

d) Ausschwingtest zur Eichung

Wenn die äußeren Kräfte − ∂2w(t)/∂t2 = 0 gesetzt werden, so erhält man eine homogene Differentialgleichung der Form:

∂2z(t)/∂t2 + 2 ⋅ ε ⋅ ∂z(t)/∂t + ω0

2 ⋅ z(t) = 0 Wir erzeugen eine Ablenkung z(t) = a0 für t<0 und geben ab t = 0 das System frei. Es vollführt dann eine Schwingung mit Dämpfung, wobei die Einhüllende zeitlich exponentiell abnimmt. ⇒ Abbildung mit Ausschwingvorgang, f(D) Ansatz für die Lösung der Diff.Gl.: z(t) = A ⋅ eα⋅t

Es sind: ∂z(t)/∂t = A ⋅ α ⋅ eα⋅t und ∂2z(t)/∂t2 = A ⋅ α2 ⋅ eα⋅t . Eingesetzt und Division mit A⋅eα⋅t ergibt die quadratische Gleichung: α2 + 2 ⋅ ε ⋅ α + ω0

2 = 0 . Diese hat die Lösungen: α1,2 = − ε ± ( ε2 − ω0

2 )1/2 Man bekommt unterschiedliches Verhalten des schwingenden Systems, je nach den Größen ε2 und ω0

2. Zur Erinnerung: D = ε/ω0 1. Fall: ( ε2 > ω0

2 ) und damit D <1. Dann ist: ( ε2 − ω02 )1/2 = i (ω0

2 − ε2)1/2 Man erhält eine gedämpfte Schwingung der Art: z(t)=(a0/cosΦ)⋅e−ε⋅t ⋅ cos[ω0 (1−D2)1/2 ⋅ t − Φ], mit D = ε/ω0 und Φ = arc sin ε/ω0. Die Eigenfrequenz ν des Systems ist nicht mehr ν = ω0/2π , sondern mit ν = ω0 (1−D2)1/2/2π etwas geringer (die Eigenperiode T=1/ν ist etwas länger als beim ungedämpften Fall). Es tritt auch eine Phasenverschiebung Φ auf, die auch vom Dämpfungsgrad abhängt.

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2. Fall: Bei D>1 ist ε>ω0 und es gibt eine überkritische Dämpfung. Nach Auslenkung kriecht die Masse auf ihre Ruhelage zu. Solche Seismometer sind zu "steif" und reagieren nicht richtig. Außerdem ist die Empfindlichkeit zu gering. 3. Fall: Bei D = 1 ist ε = ω0 gibt es die asymptotische Dämpfung, es bildet sich gerade keine Schwingung aus und das "Zurückkriechen" geht schnell vor sich. Man hat dann für die quadratische Gleichung die Lösung: α = − ε und z(t) = A⋅eα⋅t. Es ist dann auch cos Φ = 1 und z(t) vereinfacht sich zu: z(t) = a0 ⋅ (eα⋅t) ⋅ (ε⋅t + 1) In der Praxis ist der Fall D>1 (Schwingfall) der interessantere, allerdings stellt man das System so ein, daß es keine oder fast keine Resonanzüberhöhung gibt. Die Eigenfrequenz ist dann etwas erniedrigt. Wir hatten abgeleitet: ωD = 2πνD = 2π/TD = ω0 (1−D2)1/2 = 2π (1-D2)1/2/T0 Daraus folgt: TD/T0 = 1 / (1−D2)1/2 und TD = T0 / (1−D2)1/2. Das Verhältnis zweier im Abstand T = TD aufeinanderfolgenden Amplituden ist: z(t) / z(t+T) = e−εt /e−ε(t + T) = eεT

Die Größe λ = ln (eεT) = εT = εTD bezeichnet man als das logarithmische Dekrement. Eine andere Schreibweise ist: λ = ε ⋅ T0 / (1−D2)1/2 = 2 ⋅ π ⋅ ε/ω0 ⋅ (1−D2)1/2 = 2 ⋅ π ⋅ D/(1−D2)1/2 Daraus folgt: D = λ / (4π2+λ2)1/2 Man kann auch die Amplituden eines Maximums und des folgendes Minimums zur Bestimmung von λ verwenden, muß den Wert aber dann verdoppeln. Mit dem Ausschwingversuch können alle mechanischen Größen des Systems bestimmt werden. ⇒ Versuche im Praktikum Seismik e) Harmonische Anregung Schütteltische ermöglichen die Eichung realer Seismometer im gebrauchsfähigen Zustand, einschließlich Registriereinheit. Setzt wextern (t) = w0(ω) ⋅ei⋅ω⋅t ⋅ (sin- oder cos-Funktion) Die 2. zeitliche Ableitung liefert: (∂2/∂t2)⋅wextern (t) = −ω2 ⋅ w0(ω) ⋅ ei⋅ω⋅t Die träge Masse führt eine Schwingung aus: z(t) = z0(ω) ⋅ ei⋅ω⋅t ; Die 2. Ableitung lautet dann:

(∂2/∂t2)⋅z0(t) = − ω2 ⋅ z0(ω) ⋅ ei⋅ω⋅t

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Eingesetzt in die normalisierte Seismometer-Gleichung liefert die komplexe Übertragungs-Funktion, d.h. das Verhältnis der Bewegung von träger Masse zu Bodenbewegung: z0(ω) / w0(ω) = ω2 / [(ω0

2 − ω2) + 2⋅ε⋅i⋅ω] Aufteilung in Real- (→Amplitude)- und Imaginärteil (→ Phase) liefert: z0(ω) / w0(ω) = ω2 ⋅ eiΦ / [(ω0

2 − ω2) + 2⋅ε⋅i⋅ω]1/2 Für die Phase Φ erhält man: tan Φ = sin Φ / cos Φ = ε / (ω0

2 − ε2)1/2 = = − 2 D ω0 ω / (ω0

2 − ω2) Resonanz tritt bei ω0

2 = ω2 auf. Dort ist tan Φ = ∞ und Φ = 90°. Bei ω < ω0 ist Φ < 90° und bei ω >

ω0 ist Φ > 90°, unabhängig von der Dämpfung D. Es ist

0° ≤ Φ ≤ 180°. Für D = 0 ist Φ = 90°. Dieser Zustand ist als Resonanzkatastrophe bekannt, weil dort die Amplitude unendlich groß wird. ⇒ Diagramm mit Übertragungsfunktion f(ω/ω0) und Phasenverschiebung f(ω/ω0). Bei 0 ≤ D ≤ 0.5 bildet sich ein Resonanzmaximum aus, das bei Seismometern unerwünscht ist. Für D ≈ 0.6 wird für ω/ω0 > 1.5 ein Plateau erreicht. Bei diesem die Übertragungsfunktion z0(ω)/w0(ω) konstant. Das Gerät wirkt als Wegaufnehmer. Für D >> 2 ist z0(ω) / w0(ω) ∝ ω. Das Gerät wirkt als Geschwindigkeits-Aufnehmer. Für D < 1 ist z0(ω) / w0(ω) ∝ ω2. Das Gerät wirkt als Beschleunigungsaufnehmer. Bei modernen, sehr langperiodischen Breitband-Seismometern benutzt man kapazitive oder induktive Wegaufnehmer und mißt die Kraft auf die träge Masse (Kraftaufnehmer). f) Seismometergleichung bei elektromechanischen Wandlern Träge Masse: entweder eine Spule oder ein Magnet. ⇒ Grundschema eines elektromechanischen Seismometers Wir hatten aus dem Induktionsgesetz die Generatorkonstante G abgeleitet. Es war

Ua = Uind = G⋅∂x/∂t Wir mulitiplizieren die Seismometergleichung mit G, leiten sie nochmals nach t ab und erhalten: G⋅∂3z(t)/∂t3 + G⋅2⋅ε⋅∂2z(t)/∂t2 + G ⋅ω0

2 ⋅ ∂z(t)/∂t = − G⋅∂3w(t)/∂t3

Mit Ua = Uind = G⋅∂x/∂t ergibt sich:

∂2U(t)/∂t2 + 2⋅ε⋅ ∂U(t)/∂t + ω0

2 ⋅ U(t) = − G ⋅ ∂2v(t)/∂t2

wobei v(t) = ∂w(t)/∂t die Geschwindigkeit ist.

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Formal ist diese Gleichung identisch mit der normalen Seismometergleichung, anstelle der Amplitude z(t) tritt die Geschwindigkeit v(t) auf. Es treten für unterschiedliche Dämpfungen die gleichen Effekte auf (Kriechen, Resonanz, usw.). Beim mechanischen Seismometer galt: z0/w0= f(ω/ω0). Beim elektromechanischen Geophon gilt: Uind/v = f(ω/ω0). Im Plateau haben wir einen geschwindigkeits-proportionalen Aufnehmer, im linearen Anstieg der Kurve einen beschleunigungs-proportionalen Aufnehmer. Beim Ausschwingtest erhalten wir analog:

U(t) = (−ω0 ⋅ a0 ⋅ G/cosΦ) ⋅ e−εt ⋅ sin[ (ω02 − ε2)1/2 ⋅ t]

Die Empfindlichkeit ist: E(ω) = Uind(ω)/v(ω) = G ⋅ ω2 / [(ω2 − ω0

2) + 4 ⋅ ω2 ⋅ ε2]1/2 Die Phasenverschiebung beträgt: Φ = arc tan [− 2Dω0 ⋅ ω/(ω0

2 − ω2)] + 90°. Die zusätzlichen 90° stammen von der zeitlichen Ableitung aus dem Induktionsgesetz (aus einer sin-Funktion wird eine cos-Funktion). Im Resonanzfall ist Φ = 90° + 90° = 180°. Bei der marinen Seismik (Seeseismik) können diese elektromechanischen Aufnehmer nicht eingesetzt werden. Hier gibt es Druckaufnehmer (Hydrophone), die mit piezoelektrischen Kristallen arbeiten (Barium-Titanat). Die Signale U(t) sind ∝ ∂2x/∂t2. Die einzelnen Aufnehmer werden zu Ketten verbunden (streamer), die bis zu 2 km lang sein können. Entsprechende Hydrophonketten kann man auch in wassergefüllte Bohrlöcher hängen. Miniaturisierte piezoelektrische Aufnehmer finden auch in der Modellseismik Verwendung, sowohl als Signalempfänger als auch als Signalgeber. g) Störsignalunterdrückung Störsignale können in der Regel als statistischer Noise betrachtet werden. Bei Geophonen vermeidet man die Einstreuung von technischen und natürlichen Magnetfeldern durch entgegengesetzt gewickelte Aufnahmespulen. Das S/N- (Signal/Noise)- Verhältnis kann durch Signalwiederholungen verbessert werden, wobei sich S/N mit n1/2 verbessert, dabei ist n die Anzahl der summierten Signale. ⇒ Beispiel der S/N-Verbesserung durch Aufsummierung von Signalen mit überlagertem Noise. Bündelung von Geophonen in der Angewandten Seismik: Geophon-Abstand: λ/2 der an der Erdoberfläche entlang laufenden Oberflächenwellen. Die Nutzsignale kommen von unten und verstärken sich. ⇒ Schema der Bündelung, Signalverbesserung ⇒ Mehrfachüberdeckung → später bei der Weitwinkel- und Steilwinkelseismik.

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1.4 Verfahren der Angewandten Seismik a) Vorbemerkungen Die Anfänge der Angewandten Seismik gehen auf die Zeit 1910-1920 im Göttinger Institut zurück. E.Wiechert: Anregung seismischer Wellen durch Sprengungen und durch (L.Mintrop) Fallgewichte. 1922: Gründung der Firma Seismos, der ersten Geophysik-Firma der Welt. Patente auf das Refraktionsverfahren. Auffinden von Erdöllagerstätten in Norddeutschland und USA (Texas, Oklahoma) durch die Prospektion von Erdölfallen am Rand von Salzstöcken. ⇒ Plakat im Hörsaal, Erdölfalle in der Umgebung von Salzstöcken Inzwischen sind die seismischen Verfahren unverzichtbar beim Auffinden von Erdöl und Erdgas. Weltweit fließen über 70% aller Mittel für die Prospektion auf Lagerstätten in die Seismik. b) Refraktionsseismik Die Grundlagen wurden schon abgeleitet, zumindest für den einfachsten Fall einer Deckschicht konstanter Dicke mit v = v1 auf einem homogenen Untergrund mit v = v2. ⇒ Abbildung mit Schema der Refraktionsmethode: Überholentfernung, Intercept-Zeit,

Benndorf'scher Satz mit Strahlparameter p = sini1/v1 = sini2/v2 = sini3/v3 = ⋅⋅⋅ = ∂t/∂x = 1/V, mit V als Scheingeschwindigkeit, aus dem sich der Strahlenverlauf ergibt, auch bei einem Mehrschichtenmodell. Ein-Schichten-Fall , Ableitung. Spezieller Fall: horizontaler Refraktor

Allgemeiner Fall: geneigter Refraktor, Neigung α. ⇒ Allgemeiner Fall: geneigter Refraktor, Definition der Parameter Bei Schuß und Gegenschuß ergeben sich Unterschiede in den Laufzeitkurven (LZK) der reflektierten und der refraktierten Wellen. Die LZK der direkt an der Erdoberfläche entlang laufenden Welle bleibt jedoch unverändert. Wegen der Neigung treten bei Schuß und Gegenschuß unterschiedliche Scheingeschwindigkeiten auf, weil die Emergenzwinkel i um ±α verändert werden. Es ist: Vbergauf > Vbergab . Vbergauf = VAB = v1/sin (ic − α) und Vbergab = VBA = v1/sin (ic + α) Ferner sind die Interceptzeiten τA−B und τB−A ungleich. Sei ∆ die Distanz Quelle-Geophon:

tA(∆) = τA + ∆/VAB und tB(∆) = τB + ∆/VBA. "Schuß" "Gegenschuß" Die beiden Interceptzeiten betragen:

τA = 2⋅hA⋅cos ic/v1 bzw. τB = 2⋅hD⋅cos ic/v1,

wobei hA und hD die Lottiefen zur geneigten Grenzschicht unter Quelle und Empfänger darstellen. Die Laufzeit der refraktierten Welle bei einem geneigten Refraktor kann man wieder nach dem Fermat'schen Prinzip berechnen.

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⇒ Definition der Größen bei der Anwendung des Fermat'schen Prinzips im Fall einer geneigten Schicht.

t(∆) = AA''/v1 + A''G''/v2 + G''G/v1 = (hA + hG) / v1⋅cos ic + [A'G' − (hA + hG)⋅tan ic] / v2. Mit tan ic = sinic /cosic und sinic = v1/v2 ergibt sich: t(∆) = ∆cosα / v2 + (hA + hG) ⋅ cos ic / v1 Mit hA = hG + ∆⋅sin α bzw. hG = hA − ∆⋅sin α kann man hA bzw. hG eliminieren und erhält: tup(∆) = 2⋅hA⋅cos ic / v1 + ∆⋅sin (ic − α) / v1 = 2⋅hA⋅cos ic / v1 + ∆⋅(1/Vup) und analog: tdown(∆) = 2⋅hG⋅cos ic / v1 + ∆⋅sin (ic + α) / v1 = 2⋅hG⋅cos ic / v1 + ∆⋅(1/Vdown). Für α=0 erhalten wir für sin (ic + α) / v1 = sin ic / v1 = 1 / v2. Mit Hilfe der Additionstheoreme trigonometrischer Funktionen kann man den kritischen Winkel ic bzw. ikrit und die Neigung α getrennt darstellen. Dazu benötigen wir v1 sowie die beiden Scheingeschwindigkeiten Vup und Vdown. Es ist: ic = 0.5⋅[arc sin v1 / Vdown + arc sin v1 / Vup] und α = 0.5⋅[ arc sin v1 / Vdown − arc sin v1 / Vup ] Nur bei ganz kleinen Neigungen (wenige Grade) gilt näherungsweise: 1 / v2 = 0.5⋅[1 / Vup + 1 / Vdown] Die Lottiefen unter Quelle und Geophon: hA = v1 ⋅ τA / 2 cos ic ; hG = v1 ⋅ τB / 2 cos ic ; Man kann auch die beiden Überholentfernungen (∆ü) verwenden, um die Tiefen zu bestimmen:

z = 0.5 ⋅ (∆ü) ⋅ [(v2 − v1) / (v2 + v1)]1/2

Bei Mehrschichtenmodellen gibt es mehrere Refraktionsäste mit den entsprechenden Intercept-Zeiten und Überholentfernungen. Man löst dann das Modell von oben nach unten (seismic stripping). Reduzierte Laufzeitkurven Bei sehr langen Refraktionsprofilen treten Laufzeiten von vielen Minuten auf. Die Zeit-Achse wird damit sehr lang. Um diese zu reduzieren, haben sich die reduzierten LZK bewährt. Dabei wird die Laufzeit um den Betrag ∆/v verringert: t = tgem − ∆/v . Als Reduktionsgeschwindigkeit wählt man meist die Geschwindigkeit der 2. oder einer noch tiefer gelegenen Schicht. ⇒ Abbildung mit der Auswirkung der Laufzeitreduktion. Bei dieser Darstellung werden Interceptzeiten und Überholentfernungen nicht verändert. Man kann die Zeitachse dehnen und so die Zeitauflösung erhöhen. ⇒ Beispiele für reduzierte LZKen langer Profile

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⇒ komplizierte LZK bei gekrümmten Flächen ⇒ Beispiele im Skript, Verweis auf Übungen im Seismik-Praktikum Beliebige Geschwindigkeits-Tiefenfunktionen Beschreibung von beliebigen v(z)-Funktionen durch dünne Schichten variabler Geschwindigkeiten. Wenn die Beobachtungsdichte nicht ausreicht, können die einzelnen Laufzeitäste nicht mehr als Geradenstücke aufgelöst werden. Die LZK erscheint dann als gekrümmte Kurve. Nach dem Benndorf'schen Satz gilt: Strahlparameter p = sin i /v(z) = 1/v(Zs) = 1/V = dt/d∆ = Steigung der LZK. Zs ist dabei die Scheiteltiefe des Strahls, der dort horizontal verläuft. ⇒ stetig gekrümmte LZK, Scheitelgeschwindigkeit, Definition der im Folgenden verwendeten

Größen.

Die Bestimmung der Scheiteltiefe Zs ist ein schwieriges Problem. →Verfahren von Herglotz und Wiechert, → Lösung einer Integralgleichung:

Z(v) = (1/π) ∫ Ar cos h (V(∆) / V0) dx Die Integration erfolgt von 0 bis zur Entfernung ∆. Das Herglotz-Wiechert-Verfahren funktioniert nur, wenn v(z) entweder konstant ist oder mit der Tiefe monoton zunimmt. Es gibt Fehler, wenn Schichten mit erniedrigten Geschwindig-keiten vorkommen (sogenannte Kanäle). Solche Kanäle gibt es in der Kruste (low velovity zones) und im Oberen Mantel (Asthenosphäre). Mit dem Herglotz-Wiechert-Verfahren gelang es B. Gutenberg (1912), den Kernradius zu bestimmen. → Spezialliteratur, Spezialvorlesung Seismologie. Einfachster Fall: v(z) = v0 + a⋅z , lineare Zunahme von v mit der Tiefe. Der Wellenstrahl wird zum Kreisbogen mit dem Krümmungsradius ρ. ρ = v / (sin i ⋅ grad v) = v / (sin i ⋅ ∂v/∂z) = V/(∂v/∂z) = 1/p⋅(∂v/∂z) = konstant für (∂v/∂z) = konstant, was ja der Fall sein soll. Ausrüstung der Refraktionsseismik Die Entfernungen können bei der Refraktionsseismik einige tausend km betragen (Anregung durch Kernsprengungen), daher gibt es in der Instrumentierung stetige Übergänge zur Seismologie, was die Empfänger anbetrifft. * Standardausrüstung: Mittelperiodische Seismometer (Eigenfrequenz: 1-4 Hz); * Mehrkomponentenregistrierung (X,Y,Z); * Eng besetzte Langauslagen in Profilrichtung möglichst einige Meßpunkte pro Wellenlänge. * Digitale Datenerfassung; * Neuerdings Stationsbestimmung mit GPS. ⇒ Vorstellung der Geräte im Praktikum Seismik

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Spezialverfahren: Fächerschießen Das Fächerschießen ist eine Methode zur schnellen Ermittlung von Bereichen mit Geschwindigkeitsanomalien und damit zur Ortung von Störkörpern, Grenzflächenneigungen, Messung der Anisotropie der Geschwindigkeiten. ⇒ Prinzip des Fächerschießens Beispiele von refraktionsseismischen Messungen ⇒ Standard-Kurzprofile in der Angewandten Seismik ⇒ Netz der Refraktionsprofile in Deutschland ⇒ Profile der Europäischen NS Geotraverse (EGT) ⇒ Alpenmessungen ⇒ PNE-Profile in der ehemaligen UdSSR Auswertung refraktionsseismischer Messungen a) Ein- oder Mehrschichtenfall, horizontale Schichtgrenzen, 1-D-Modell Die (meist mit vred = v2 reduzierten) LZK sind recht einfach über die von oben nach unten verlaufende Auswertung über intercept-Zeiten τi bzw. Überholentfernungen ∆ü zu interpretieren → seismic stripping. b) Ein- oder Mehrschichtenfall, geneigte Schichtgrenzen, 1.5-D-Modell Auswertung wie bei a), jedoch unter Beachtung der unterschiedlichen intercept-Zeiten τi bzw. Überholentfernungen ∆ü und Scheingeschwindigkeiten Vup und Vdown bei Schuß und Gegenschuß. Übungen im seismischen Praktikum. c) 2-D-Geschwindigkeitsverteilung (gute Näherung, wenn die Profile ⊥ zum Streichen verlaufen). Ray-Tracing-Verfahren unter Anwendung des Benndorf'schen Satzes, wonach der Strahlparameter p den Verlauf des Strahls bestimmt. ⇒ Prinzip des ray tracing Verfahrens Man gibt einen Strahl mit dem Strahlparameter p0 ein, verfolgt seinen Verlauf bis zurück zum Geophon an der Erdoberfläche und berechnet aus den Geschwindigkeiten und Laufwegen die Gesamtlaufzeit. Wiederholung der Rechnung für p0+∆p, ......., p0+n⋅∆p. Man erstellt so eine künstliche LZK für die Ersteinsätze der P-Wellen, (häufig auch der S-Wellen) und ändert das Modell so lange ab, bis eine Übereinstimmung mit der gemessenen LZK hergestellt werden kann, und zwar für Schuß und Gegenschuß. ⇒ Beispiel für eine Modellierung mit ray tracing ⇒ ray tracing-Modellierung für EGT-Profil ⇒ ray tracing-Modellierung für Alpenquerprofil Für flächenhafte Refraktionsseismik gibt es auch schon die Möglichkeit einer 2.5 - 3D-Modellierung.

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1.4.2 Verfahren der Reflexions-Seismik a) Vorbemerkungen Im Gegensatz zur Refraktionsseismik wird hier in der Nähe der seismischen Quelle beobachtet. Man registriert Strahlen, die ± senkrecht gelaufen sind. Während in der Refraktionsseismik die Laufzeit bei der Ordinate nach oben aufgetragen wird, trägt man sie bei der Reflexionsseismik nach unten auf. Man erhält dann eine Vorstellung von den Reflektoren im Untergrund, wie bei einem Echolot. b) Reflexionsverfahren ⇒ Prinzip und Strahlengang der Reflexions-Seismik, Definition der Größen Laufzeit = Laufweg / Geschwindigkeit T = (O→R + R→∆) / v = (∆2 + 4⋅h2)1/2 / v Für einen Beobachter an der Stelle des Geophons scheint der Strahl über den Punkt R vom Spiegelpunkt S her zu kommen. Umformen der obigen Gleichung liefert die Beziehungen: ∆2 + 4⋅h2 = v2T2 bzw. T2 = 4⋅h2 / v2 + ∆2 / v2 = T0

2 + ∆2 / v2

Dies ist die Gleichung einer Hyperbel. T0 ist die Lotzeit für den vertikal verlaufenden Strahl. ⇒ Reflexionshyperbel und LZK der direkt gelaufenen Welle Definition der Lotzeit T0. In großer Entfernung nähert sich die Reflexionshyperbel der LZK der direkt gelaufenen Welle. Unendlich hohe Scheingeschwindigkeit bei ∆ = 0 (im Ursprung des Die Laufzeitunterschiede zwischen T0 und den Laufzeiten der um ∆ seitlich versetzten Geophone nennt man den move out (m.o.). Der m.o. ist bei einem horizontalen Reflektor zum Zentrum symmetrisch. Man nennt ihn auch den normal move out (n.m.o.). c) x2-T2-Verfahren Trägt man x2 gegen T2 auf, so erhält man aus der Hyperbel eine Gerade der Steigung 1/v2. Die gemittelte Steigung, daraus die Wurzel, ergibt die sogenannte rms-(random mean square)-Geschwindigkeit. Sie ist die mittlere Geschwindigkeit des vertikal laufenden Strahls. ⇒ Übungen zu x2-T2-Verfahren im Seismik-Praktikum d) Geneigter Reflektor Die Laufzeit-Hyperbel wird bei einem geneigten Reflektor seitlich verschoben. T2 = (∆ − 2⋅h⋅sinα)2 / v2 + (2⋅h⋅cosα)2 / v2

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Dies ist die Gleichung einer Hyperbel, die um ∆s = 2⋅h⋅sinα nach der Seite verschoben ist. Der eine Ast der Hyperbel schneidet dabei auf der einen Seite den Ast der LZK der direkt gelaufenen Welle. Der move out ist zum Zentrum nicht mehr symmetrisch. Es tritt bei Geophonabständen ± ∆ eine Laufzeitdifferenz ∆T auf, der sogenannte dip move out (d.m.o.). Die Laufzeitdifferenz kann verwendet werden, um die Neigung des Reflektors zu bestimmen. ⇒ Auswertung des d.m.o. im Seismik-Praktikum Die Steigung der Hyperbel ist gleich Null im Zentrum (bzw. im Scheitelpunkt der Hyperbel) und nimmt mit zunehmender Distanz ∆ ab. Aus der lokalen Steigung der Reflexionshyperbel (Scheingeschwindigkeit V(∆)) kann v abgeleitet werden. Es ist dies eine mittlere Geschwindigkeit für den gesamten Laufweg des Strahls von oben nach unten und wieder zurück. ∂T/∂∆ = 1/V = (1/v1) ⋅ (∆ − 2⋅h⋅sinα) / [(∆ − 2⋅h⋅sinα)2 + (2⋅h⋅cosα)2]1/2

= (1/v1)2 ⋅ (∆ − 2⋅h⋅sinα) / T = x / v1

2 ⋅ T. Daraus folgt: v1 = (x⋅V / T)1/2 V: Scheingeschwindigkeit; x: Distanz ∆ vom Scheitelpunkt aus gemessen. e) Amplituden der Reflexionen (senkrechter Strahlengang) Amplituden-Reflexionskoeffizient R = Arefl. /Aeinf. = ur0 / ue0 Amplituden-Durchlaßkoeffizient D = Adurchgel. / Aeinf. = ud0 / ue0

Beide Koeffizienten hängen von den Wellenwiderständen Zi auf beiden Seiten der Grenzfläche ab. Zi = ρi⋅vi . Zi wird auch als seismische Impedanz bezeichnet. Bei senkrechtem Einfall kann man R und D mit Hilfe von Stetigkeitsbedingungen an der Grenzfläche relativ leicht ableiten. Bei schrägem Einfall und der damit verbundenen Entstehung konvertierter Phasen (Wechselwellen) ist die Sache komplizierter (→ Spezial-Literatur und -Vorlesung). ⇒ Bild mit vertikalem Strahlengang und Erläuterung der Stetigkeitsbedingungen In z = 0 gilt für die Verrückungen: ue + ur = ud Für die Spannungen gilt: τ⊥e + τ⊥r = τ⊥d. Die Winkelgeschwindigkeiten gilt: v1 ⋅ k1 = v2 ⋅ k2 = ω = 2 ⋅ π ⋅ ν = 2 ⋅ π ⋅ v / λ. Wir betrachten zunächst die vertikal einfallende P-Welle. Wir haben folgende Verrückungen: ue = ue0 sin (k1⋅z − ω⋅t) ↓ abwärts ur = ur0 sin ( − k1⋅z − ω⋅t) ↑ aufwärts ud = ud0 sin (k2⋅z − ω⋅t) ↓ abwärts Für die Spannung gilt: τ⊥ = τzz = τ3 = (K + 4⋅G/3) ⋅ εzz Mit (K + 4⋅G/3) = v2 ⋅ ρ und εzz = ∂u/∂z folgt: τzz = v2 ⋅ ρ ⋅ ∂u/∂z Einsetzen der Ausdrücke für ue, ur, ud ergibt: ∂ue/∂z = k1⋅ue0⋅cos (k1⋅z − ω⋅t) ↓ abwärts ∂ur/∂z = − k1⋅ur0⋅cos (− k1⋅z − ω⋅t) ↑ aufwärts

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∂ud/∂z = k2⋅ud0⋅cos (k2⋅z − ω⋅t) ↓ abwärts Eingesetzt in die Stetigkeitsbedingungen für die Spannungen ergibt: v1

2 ⋅ ρ1 ⋅ k1 ⋅ u e0 ⋅ cos(k1⋅z − ω⋅t) − v12 ⋅ ρ1 ⋅ k1 ⋅ u r0 ⋅ cos(− k1⋅z − ω⋅t) =

= v22 ⋅ ρ2 ⋅ k2 ⋅ u d0 ⋅ cos(k2⋅z − ω⋅t)

In der Grenzfläche (bei z = 0) sind alle cos-Terme gleich und können gekürzt werden. Es verbleibt: v1

2 ⋅ ρ1 ⋅ k1 ⋅ ue0 − v12 ⋅ ρ1 ⋅ k1 ⋅ ur0 = v2

2 ⋅ ρ2 ⋅ k2 ⋅ ud0 Mit v1 ⋅ k1 = v2 ⋅ k2 = ω können wir mit ω ≠ 0 dividieren und schreiben: v1 ⋅ ρ1 ⋅ (ue0 – ur0) = v2 ⋅ ρ2 ⋅ ud0 Daraus ergibt sich mit Z i = v i ⋅ ρi schließlich nach Auflösung: ur0 / ue0 = R = (v1 ⋅ ρ1 − v2 ⋅ ρ2) / ( v1 ⋅ ρ1 + v2 ⋅ ρ2) = (Z1 − Z2) / (Z1 + Z2) und ud0 / ue0 = D = 2⋅v

1⋅ρ1 / (v1⋅ρ1 + v2⋅ρ2) = 2⋅Z1 / (Z1 + Z2)

Aus ue0 + ur0 = ud0 folgt nach Division mit ue0

1 + ur0 / ue0 = ud0 / ue0 und 1 + RAmpl. = DAmpl. Dies äußert sich mit einem Phasensprung an der Grenze. Für die Energiereflexion und den Energiedurchlaß gilt: REnergie = [(Z1 – Z2) / (Z1 + Z2)]2 und DEnergie = 4⋅Z1⋅Z2 / (Z1 + Z2)

2

⇒ Übung: Zeige, daß damit der Energiesatz erfüllt wird, wonach DEnergie + REnergie = EEnergie

⇒ R und D bei schrägem Einfall ⇒ R und D-Werte bei typischen Grenzen innerhalb der Erde ⇒ Definition multipler Reflexionen ⇒ Multiple Reflexionen innerhalb von Schichten ⇒ Multiple und direkte Reflexionen im Vergleich ⇒ Amplitudenabnahme bei Mehrfachreflexionen f) Ablauf einer reflexionsseismischen Messung Seismischer Trupp: Truppführer (Geophysiker, Geologe, Geodät) EDV-Fachmann für Datenaufnahme Vermessungsingenieur für Vermessungsaufgaben (Profile, Meßpunkte) Hilfskräfte für Auf- und Abbau der Geophone

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Anregung seismischer Wellen (meist P-Wellen): Sprengungen (0.1 - 1 kg), Fallgewichte, Air Gun (bei mariner Seismik), Vibroseis, ........................ ⇒ Energievergleich verschiedener Anregungen ⇒ Vibroseis-Signalform, Up- und Downsweep ⇒ Korrelogramm, Äquivalenz mit Impulsverfahren (Sprengung) ⇒ Optimierung der Korrelogramme ⇒ Signal/Noise-Verbesserung durch Wiederholungen (Stapelungen, Filterung) g) Seismisches Abbilden in der Reflexionsseismik Ziel: Darstellung der Reflektoren in ihrer räumlich exakten Position im Untergrund. Daher ist es zweckmäßig, T nach unten positiv aufzutragen. Die Laufzeit entspricht dem Laufweg nach unten und wieder zurück: two way traveltime, TWT. Statische Korrekturen berücksichtigen die Topographie. Dazu muß v der oberen Schichten bekannt sein. Man erhält v aus: kurzen Refraktionslinien, Bohrlochversenkmessungen. Dynamische Korrekturen erzeugen aus der Reflexionshyperbel Einsätze, bei denen der m.o. beseitigt ist. ⇒ Reflexionshyperbel mit m.o. und ohne m.o. nach der dynamischen Korrektur. Auch hierfür ist v(z) notwendig. Man kann aber v(z) bestimmen, indem man für die dynamische Korrektur so lange die Geschwindigkeit variiert, bis der m.o. beseitigt ist. Lotzeit T0 = [T2(∆) − ∆2 / v2]1/2 Die Reflexionen von einem ebenen Reflektor erscheinen dann alle zur gleichen Zeit und es sieht aus, als ob alle Strahlen vertikal verlaufen wären. Man kann dann auch die Signale mehrerer benachbarter Spuren summieren bzw. stapeln. Die Geschwindigkeit, bei der ein optimales Signal entsteht, nennt man Stapelgeschwindigkeit. ⇒ Beispiel für Verbesserung durch dynamische Korrektur Die Stapelung mehrerer Spuren nach dynamischer Korrektur führt zur sogenannten Mehrfachüberdeckung und → common midpoint (cmp)-Familien. In der Praxis sind bisher schon 240-fach-Überdeckungen verwendet worden. Das S/N-Verhältnis konnte dabei um √240 ≈ 15 verbessert werden. ⇒ Prinzip der cmp-Familien f) Migration Ein Reflektor muß nicht notwendigerweise senkrecht unter dem Schußpunkt liegen. Vielmehr bilden die geologischen Grenzen im Untergrund kompliziert geformte Flächen, manchmal wirken auch schräg im Untergrund liegende Störungszonen und geneigte Schichtflächen als Reflektor. Beispiel bei KTB: Fränkische Linie als großräumiger schräg nach NE einfallender Reflektor. ⇒ KTB-Geologie und Lage der Reflektoren

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Sehr kleinräumige geologische Strukturen (<L) wirken als Streuer und erzeugen durch Diffraktion hyperbelförmige Reflexionsäste. ⇒ Reflexionshyperbeln auf DEKORP-2 Profil Geneigte Reflektoren erzeugen d.m.o. und offset der Hyperbeln. Schräg von der Seite kommenden Signale täuschen eine falsche Entfernung zum Reflektor vor (Beispiel KTB). Bei der Migration werden die reflektierenden Raumelemente in ihre räumlich richtige Lage zurückgeführt. Einfachstes Verfahren: Isochronen-Migration. ⇒ Prinzip der Isochronen-Migration Alle eingezeichneten Strahlen von der Quelle Q zum Geophon E zeigen alle die gleiche Laufzeit. Die reflektierenden Flächenelemente F liegen auf einer Ellipse. Wenn man über viele Kombinationen Q→F→G verfügt, so kann man die möglichen reflektierenden Flächenelemente bestimmen, indem man die Ellipsen zum Schnitt bringt. Hilfreich bei der Ortung von reflektierenden Schichten wäre, wenn in der Reflexionsseismik stets in 3-Komponenten registriert würde, was in der Regel wegen des Experimentellen Aufwandes nicht gemacht wird. ⇒ Beispiel für unmigrierte und migrierte Sektion Näheres → Spezialvorlesung und Praktikum g) Beispiele für reflexionsseismische Großprogramme Landseismik: DEKORP, ECORS, COCORP, BIRP, TRANSALP, KTB-Vorerkundung, Sub-Moho-Reflexionen, Bedeutung der Reflexionsseismik für die Prospektion auf Öl- und Gaslagerstätten. h) Marine Reflexionsseismik Signalanregung durch Air-Gun-Arrays, Pulser, Sparker. Signalempfang über Streamer. Es sind hohe Meßgeschwindigkeiten möglich. ⇒ Meßbeispiel für Seeseismik 2. Seismologie Alle natürlichen Erscheinungen in Zusammenhang mit der Ausbreitung von Deformationen in der Erde und an der Erdoberfläche rechnet man zur Seismologie. Man unterscheidet 3 große Themenfelder: * Eigenschwingungen der Erde, * die natürliche Bodenunruhe und * die Erdbeben. a) Eigenschwingungen der Erde Sie wurden bereits vor ihrem experimentellen Nachweis durch Love (1911) vorhergesagt. Er schätzte die Periode T auf ≈ 60 Minuten. Abschätzung aus:

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⇒ Abschätzung der Periode der Grundmoden:

T ≈ Längenskala ⋅ √ (Dichte/Modul). Eigenschwingungen der Erde können mit Strain-Seismometern (Horizontalkomponente) und mit Gravimetern (Vertikalkomponente) gemessen werden. Elektromechanische (klassische) Seismometer sind zu kurzperiodisch und zu unem-pfindlich bei diesen extrem langen Perioden. Anregung der Eigenschwingungen durch: a) sehr starke Erdbeben, wie sie im Jahr nur 5 − 20 Mal vorkommen, b) explosive Vulkane, c) Meteoriteneinschläge. Grundmoden der Schwingungen: Ballon-Mode, Fußball-Mode, Twisting-Mode. ⇒ Abbildung der Grundmoden, typische Perioden der einzelnen Moden Die Schwingungen sind gedämpft: Mittlere Werte für Q der Erde ≈ 100 ... 6000, je nach Mode und damit Eindringtiefe der Deformation. ⇒ Registrierte Eigenschwingung mit Dämpfung Erwartete Perioden bei anderen Planeten (bisher noch nicht gemessen): Mond (15 min), Mars (32 min), Venus (51 min). Wenn einmal auf diesen Planeten Seismometer installiert werden können, werden die Eigenschwingungen wichtige Daten über den inneren Aufbau liefern. b) Natürliche Bodenunruhe (B.U.) ⇒ Abbildungen mit Registrierungen der (B.U.) ⇒ Spektrum der B.U., Maximum bei 10 − 12 sec Systematische Erforschung der B.U. durch Beno Gutenberg (≈1920). 3 Hauptursachen: * Durch den Menschen verursacht: Industrie, Verkehr, Elektrischer Strom (50 Hz, 16.7 Hz), Traktoren, Sägewerke. Die Signale sind hochfrequent: 1−100 Hz. * Regen und Wind (1−100 Hz), wetterabhängig, abhängig von Jahreszeiten. * Brandung an den Steilküsten. Quellen: Biscaya, Bretagne, Norwegen. Hauptperioden: 6−12 s. B.U. besteht aus Oberflächen(Rayleigh)-Wellen. Die B.U. ist bei schlechtem Wetter besonders stark, auch tagsüber stärker als nachts. Weicher Untergrund ergibt höhere B.U. als anstehender Fels. Dies ist wichtig bei der Auswahl von seismischen Beobachtungspunkten und Standorten von Observatorien. ⇒ Bodenunruhe-Vergleich von verschiedenen Observatorien Besondere Art der Bodenunruhe: Vulkanischer Tremor. Ursachen bisher noch nicht geklärt. Man vermutet, daß es stehende Wellen im Schlot sind.

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c) Erdbeben Erdbeben zählen zu den folgenschwersten Naturkatastrophen mit ≈ 15 000 Toten pro Jahr. ⇒ Bebenschäden im Vergleich mit anderen Natur-Katastrophen ⇒ Tabelle mit den folgenschwersten Beben seit 1200 Jahren Ziele der wissenschaftlichen Seismologie: * Erfassung bebenreicher und bebenarmer Gebiete (Risiko-Abschätzungen) * Exakte Lokalisierung der Beben * Erforschung des Bruchmechanismus bei Beben (Herdlösung) * Forschungen zur Erdbebenvorhersage * Bebenwarndienste für die Öffentlichkeit * Bauvorschriften für bebensichere Gebäude und Industrieanlagen 2.1 Allgemeine Grundlagen der Seismologie Globale Verteilung der Erdbeben ist ungleich und ermöglicht die Einteilung der Erde in seismisch aktive, weniger aktive und inaktive Gebiete. Dies ist wichtig für die lokale Risikoabschätzungen. ⇒ Karte der globalen Seismizität ⇒ Karte der lokalen Seismizität 2.1.1 Ursachen für die Beben Beben entstehen durch * Einsturz von Höhlen und durch Bergstürze. Diese Beben beinhalten keine großen Energien und haben mehr lokale Bedeutung (<1% aller Beben). * Bruchvorgänge in Zusammenhang mit Gebirgsbildung und Plattentektonik (90% aller in Beben frei gesetzten Energie). Diese Beben finden meist an Plattenrändern statt und kennzeichnen diese Zonen (→ frühere Abbildung). * Etwa 10% der seismischen Energie wird innerhalb der Platten frei gesetzt (Intraplatten-Seismizität) und sind Belege dafür, daß sich die an den Plattengrenzen erzeugten Spannungen bis weit in das Innere der Platten ausbreiten. ⇒ natürliche und künstliche seismische Ereignisse ⇒ Modell der Plattentektonik mit Interplatten- Seismizität. Elemente: Subduktion,

Transformstörungen, Vulkanismus, Herdmechanik Die Seismologie war in den 60er Jahren eine wichtige Stütze für Absicherung der Theorie der Plattentektonik und lieferte zusammen mit der Paläomagnetik die notwendigen direkten Beweise. Bruchvorgänge und damit Beben gibt es nur in den Bereichen, in denen die Erde vorwiegend spröde auf Spannungen reagiert und (in Form eines Scherbruchs) bricht. Es kommt daher immer auf die Stärke von Tangentialspannungen τt an, die dann bekanntlich besonders groß sind, wenn τxx − τyy besonders groß ist (→ Ableitung der Hauptspannungen, Mohr'scher Kreis). → Hypothese von Byerlee. ⇒ Byerlee-Hypothese In der kontinentalen Erdkruste liegt die maximale Bebenhäufigkeit in einer Tiefe von 12 − 15 km.

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⇒ Tiefenverteilung der Beben in SW-Deutschland ⇒ Die Hauptbebenzonen in Deutschland sind: Egerland, Hohenzollerngraben, Ober- und

Niederrhein, Alpennordrand. Viele Bundesländer unterhalten einen regionalen Erdbebendienst, mit einer Haupt- und vielen Satellitenstationen (z.B. Fürstenfeldbruck mit Stationen im Bayr. Wald und am Alpennordrand). Alle Hauptstationen sind zu einem Deutschen Regionalnetz verknüpft. Zentrum ist das Stationsnetz Gräfenberg bei Erlangen. ⇒ Stationen im deutschen Regionalnetz ⇒ Gräfenberg-Array ⇒ Überregionale und globale seismische Netze Entsprechende Netze gibt es auch in allen Nachbarländern, und auch global gesehen. Die Seismologen arbeiten weltweit in einem Verbund und sammeln die Daten in nationalen und in-ternationalen Zentren (Straßburg, Edinburgh, Boulder, Moskau). Von dort können die Originalregi-strierungen wichtiger Beben per internet bezogen werden. Dies ist ein wichtiger Service zur schnellen Erkennung von Erdbebengefährdungen, zur Information der Behörden und für die internationale Forschung. 2.1.2 Definitionen Der Bebenherd ist der Bereich, in dem der Bruchvorgang stattgefunden hat. Den eigentlichen Bebenherd bezeichnet man als das Hypozentrum, die Tiefenlage als Herdtiefe h0. Der darüber an der Erdoberfläche liegende Ort ist das Epizentrum. Die Bruchzeit ist die Herdzeit. ⇒ Definition von Epi- und Hypozentrum Die Entfernungen ∆ zur Beobachtungsstation werden als Epi- bzw. Hypozentralentfernung bezeichnet. ∆ wird in der Seismologie in km oder in Grad (°) angegeben. Die in der Abbildung definierten Größen zählen zu den sogenannten Herdparametern. Hypozentren können bis maximal etwa 700 km tief liegen (Wadati), und zwar nur im Bereich von Subduktionszonen. Der sonst weiter oben liegende Übergang von spröde zu duktil ist in diesen abtauchenden kalten Platten nach unten verlagert. 2.2 Klassifizierung der Bebenstärke Die großen Beben zu Beginn der Jahrhunderts (Messina, San Francisco) brachten für die wissenschaftliche Seismologie einen großen Aufschwung. Man verwendet zur Klassifizierung 2 verschiedene Skalen, von denen die eine (z.B. nach Mercalli-Skala) die Wirkung an der Erdoberfläche beschreibt, die andere etwas über die im Herd frei gesetzte Energie aussagt (Richter-Skala). 2.2.1 Makroseismische Skalen Diese gehen auf Mercalli zurück und auf die Folgen des Messina-Bebens. Mit Skalen dieser Art wird die lokal beobachtete Wirkung eines Bebens in 7 oder 12 Stufen beschrieben, je nach den Auswirkungen auf den Menschen, Gebäude oder auf die Landschaft. Japanische Skala: 7 Stufen; Schweizer Skala: 10 Stufen; Sonstige Skalen in Europa und Amerika: 12 Stufen.

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⇒ 12-stufige Skala, etwas vereinfacht ⇒ 7-stufige und verbindliche 12-stufige Skalen ⇒ Skalenvergleich: siehe Skript Die Unterschiede der 12-stufigen Skalen sind minimal. Die Wirkungen werden durch Fragebogenaktionen erfaßt. Daraus werden Isoseistenkarten erstellt. ⇒ Isoseistenkarte für Augsburg-Beben ⇒ Isoseistenkarte für Egerland-Beben Bestimmung der maximalen Epizentralintensität gibt auch Auskunft über die dort frei gesetzte Energie und erlaubt eine Abschätzung der bei Beben aufgetretenen Boden-Amplituden, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen (über die Frequenzen) und damit auf die möglichen Schäden für Gebäude. Das Schütterungsgebiet gibt auch Auskunft über die mögliche Tiefenlage und die Orientierung der Bruchfläche im Raum (→ Abstrahlcharakteristik → später). Schwächen dieses Verfahrens: Es hängt ab von: * Besiedlungsdichte, * Bausubstanz, * Geologie des Untergrundes (besonders hohe Schäden durch Oberflächenwellen bei lockerem Untergrund), * z.T. ist wenig Objektivität gegeben. Die Zahl N der Beben innerhalb eines Beobachtungszeitraums und deren Intensitäten I folgt einem halblogarithmischen Gesetz der Art: log N ∝ I . Man kann mit solchen Daten aus den beobachteten Intensitäten Wahrscheinlichkeiten für Beben bestimmter, auch höherer Intensitäten und damit Aussagen für die Sicherheit von Bauwerken ableiten. ⇒ Zahl der Beben als Funktion der Intensität ⇒ Intensitätswahrscheinlichkeiten für Deutschland ..................................................... ⇒ Intensitätswahrscheinlichkeiten für Deutschland 2.2.2 Quantitative Messung der Bebenstärke Diese Untersuchungen gehen auf Gutenberg und Richter (USA) in den 30er Jahren zurück. Die dünne Besiedlung des Landes erlaubte keine "Fragebogenaktionen" zur Ermittlung der Bebenintensitäten und man mußte die Charakterisierung der Bebenstärke auf eine bessere Basis stellen. Experimentell wurde für die Maximalamplitude A der Oberflächenwellen folgendes empirisches Entfernungsgesetz gefunden: log A ∝ ∆, also eine Abnahme mit der Entfernung ∆. Für 2 Beben aus der Entfernung ∆ gilt:

log A1 (∆) − log A2 (∆) = const. ⇒ Abbildung mit log Amplituden als f(∆) Die lokale Magnitude ML (auch MWA genannt), definiert man mit Hilfe eines Seismographen vom Typ Wood-Anderson, einem mechanischen System. ⇒ Registrierung eines WA-Seismographen

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ML = MWA = 3, wenn bei ∆ = 100 km Entfernung die Amplitude 1 mm bei der Oberflächenwelle auftritt (→ Skript). ⇒ Diagramm zur Bestimmung von ML. Andere, moderne Seismometer, müssen auf das WA-Seismometer umgeeicht werden. Die von Richter eingeführte Magnitudenberechnung gilt nur für oberflächennahe Beben (Regionalbeben) in nicht allzugroßer Entfernung (<1000 km). Sie gilt auch nicht für Tiefbeben, denn dort ist log A1 (∆) − log A2 (∆) ≠ const. , und abhängig von Herdtiefe, Epizentralentfernung und der Periode. Raumwellenmagnitude (nach Gutenberg & Richter, 1956) Mb = log10 (A/T) + Q(h, ∆) A: Bodenamplitude der P-Welle in µm. Dies erfordert eine genaue Eichung der Seismographen. T ist die Periode in s (0.1<T<3.0 s). Q(h, ∆) ist eine Skalierungsfunktion, abhängig von der Herdtiefe und der Epizentralentfernung ∆. Die Formel gilt für ∆ > 16° ( ≈ 1800 km). Sie kann auf alle Arten von Raumwellen (P,SV,SH) angewandt werden, allerdings sind unterschiedliche Q(h, ∆)-Werte erforderlich. Oberflächenwellenmagnitude MS MS = log10 (A/T) + 1.66 log ∆ + 3.3 A: Oberflächenwellenamplitude (halbe Doppelamplitude) in µm (nach Restitution des Signals). T: Periode in s, 18s < T < 22 s ( also ≈ 20 s, wie beim WA). ∆: Epizentraldistanz in Grad , 20° < ∆ < 160°. Die Formel gilt für Herdtiefen < 60 km. ⇒ Formeln zur gegenseitigen Umrechung der Magnituden, verschiedene Magnituden-

Definitionen Bei einem Beben freigesetzte Energie Sie wird mit folgender Näherungsformel bestimmt: log10 E = 4.8 + 1.5 ⋅ MS (1 Joule = 1 Watt⋅s) log10 E = 11.8 + 1.5 ⋅ MS (1 erg = 10−7 Watt⋅s) Beispiel: MS = 6 → E = 10 (4.8 + 1.5 ⋅ 6) J = 10 13.8 J = 10 20.8 erg Eine Magnitudenänderung von 0.3 entspricht etwa dem Faktor 2 in der Energie. Größte bisher beobachtete Magnitude: MS ≈ 8.6, dies entspricht E = 1018 J oder 1025 erg. ⇒ Vergleich verschiedener Energiebeträge pro Jahr (Solarenergie, Beben, Energieverbrauch)

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Da die Bruchfestigkeit der Gesteine eine Obergrenze hat und mechanische Spannungen nur einen begrenzte Energiemenge speichern können, ist die Magnitude nach oben mit etwa 8.8 − 9.0 begrenzt und die Richterskala damit auch. Nach unten (zu kleinen Energien hin) ist die Skala offen, nach oben hingegen nicht, wie in den Medien immer behauptet (nach oben offene Richterskala). Magnitudenhäufigkeit Ähnlich wie die Intensitäten folgt die Häufigkeit N von Beben einer bestimmten Magnitude MS einer log/normal-Verteilung: log N ∝ MS. ⇒ Abbildung mit log N ∝ MS Zu kleinen Magnituden hin knickt die Kurve ab. Dies ist wahrscheinlich ein Artefakt, denn viele kleine Bruchvorgänge werden nicht registriert. Der lineare Teil kann wiefolgt dargestellt werden: log10 N = a0 − b0 ⋅ MS N: Anzahl der Beben mit Magnitude ≥ MS a0: Maß für die Aktivität b0: "Zerbrechungsgrad" einer Herdregion. 0.4 < b0 < 1.8. Mittelwert für : b0 ≈ 0.75. ⇒ Beispiel für Magnitudenhäufigkeitskurven In der Seismologie wird der physikalisch nicht so gut definierte Parameter Magnitude mehr und mehr durch das sogenannte Seismische Moment ersetzt. Hierzu wird der ganze spektrale Gehalt eines Seismogramms verwendet und nicht nur die spezielle Periode von 20 s wie bei der klassischen Definition. Einzelheiten werden in Spezialvorlesungen behandelt. 2.3 Modellvorstellungen vom Bebenherd Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden (nachdem es gelungen war, Bebenherde zu lokalisieren) die Beziehungen zwischen Erdbeben und Tektonik dokumentiert (→ Verwerfungen in geologischen Aufschlüssen). Methodischer Durchbruch: Messina-Beben und San Francisco-Beben (1906) , MS ≈ 8.3. ⇒ Dia-Serie mit Beispielen für Vertikal- und Horizontaltektonik Blattverschiebungstheorie von Reid, Ablauf des Bruchvorganges: * Elastische Deformationen, die an einigen Stellen zu Spannungsspitzen führen. * lokaler Bruch, elastisches Zurückfeder (elastic rebound) * Das Signal breitet sich auf der Bruchfläche mit der Geschwindigkeit der Scherwelle aus. Der Bruchvorgang geht so weit, bis die Bruchspannung des Materials nicht mehr überschritten wird. * Seismische Energie ist umgewandelte Deformationsenergie. Die Hypothesen von Reid sind noch weitgehend gültig. Herdfläche kann beliebig im Raum orientiert sein und erreicht nur bei Flachbeben die Erdoberfläche. Beim Bruchvorgang gibt es eine typische Abstrahlcharakteristik. Sie hängt von den Vorgängen der Quelle ab. Die dabei auftretenden Kräfte müssen in der Wellengleichung als zusätzliche Kraft f (z.B. als Flächenkraft) berücksichtigt werden. ρ⋅∂2/∂t2=(λ+2⋅µ) grad div u − µ ⋅ rot rot u + f .

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2.3.1 Abstrahlcharakteristiken verschiedener Quellen Man mißt in Stationen um die Quelle herum die Polarität und die Amplituden (A) der Erstausschläge. a) Explosion mit Dynamit, Kernsprengung, Air Gun: → Nur Abstrahlung von P-Wellen, A = const. gleichmäßig in alle Raumrichtungen. Keine direkte S-Wellen-Anregung. Erste Bewegung geht stets vom Herd weg. Überall gleiche positive Polarität des Ausschlages. b) Einzelkraft in eine Richtung: Abstrahlung von P- und S-Wellen. c) Kräftepaar (single couple), z.B. bei der Verschiebung zweier Platten. Typische Abstrahlung von P-Wellen mit 4 Keulen, dazu S-Wellen-Abstrahlung in zwei Keulen. A = f (Azimut). ⇒ Abstrahlcharakteristik eines single couple für P- und S-Wellen. d) Zwei orthogonale Kräftepaare (double couple) und deren Abstrahlcharakteristik. Gleiche P-Wellenabstrahlung wie beim single couple, aber nunmehr S-Wellen-Abstrahlung mit 4 Keulen. A = f (Azimut) mit je 4 Keulen. ⇒ Abstrahlcharakteristik eines double couple für P- und S-Wellen. Bei Scherbrüchen tritt eine Abstrahlcharakteristik der P-und S-Wellen wie beim double couple auf. 2.4 Herdflächenlösung Man kann aus der Polaritäts- und Amplitudenverteilung der Erstausschläge der P- und S-Wellen auf die Lage der Herdfläche und den Bruchvorgang schließen. Dazu benötigt man eine ausreichend große Anzahl von Stationen. Über eine bekannt vorausgesetzte v(z) werden die Strahlen auf eine Kugel um den Herd projiziert → Herdkugel, Herdflächenlösung. Schwarz (weiß): positive (negative) Polarität des Erstausschlage ⇒ Konstruktion der Herdkugel Ein Bruch erfolgt in der Fläche maximaler Tangentialspannungen, d.h. unter 45° zur maximalen Spannung. Im Vergleich zum double couple ist τmax in der Richtung des Zentrums der beiden schwarzen Felder gerichtet. Welche der beiden im double couple-Modell möglichen Bruchflächen vorliegt, muß mit Hilfe geologischer Überlegungen geklärt werden. ⇒ Charakteristische Herdkugeln für verschiedene typische Bruchvorgänge

(Blattverschiebungen, Auf- und Abschiebungen, komplizierte Brüche) ⇒ Beispiele von realen Herdlösungen 2.5 Lokalisierung von Herden, Herdzeit Nimmt als Näherung eine Punktquelle an. Herdkoordinaten: Geogr. Breite Φ0, Geogr. Länge λ0, Tiefe h0 und Herdzeit t0. Je länger der Laufweg eines Strahls, desto größer ist der Laufzeitunterschied von P- und S-Welle. → ts−p = ts − tp . ⇒ Seismogramm mit Laufzeitunterschied ts−p

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Bestimmung der Herdzeit im Wadati-Diagramm, mit einer Darstellung von Laufzeiten der Art: ts−p = f (tabs). Man projiziert die Gerade der Funktion ts−p = f (tabs) auf den Zeitpunkt, in dem die P- und die S-Welle gleichzeitig abstrahlten und erhält so die Herdzeit t0. ⇒ Diagramm zur Bestimmung der Herdzeit Berechnung der Epizentralentfernung ∆E = s: Geht aus von ts−p = ts − tp = (s / vs) − ( s / vp) = s ( 1 / vs −1 / vp). Auflösung nach s und Erweiterung der rechten Seite mit vp ergibt: → s = ts−p ⋅vp / (vp / vs −1) → s = ts−p⋅vp / (√3 −1) = ts−p⋅vp ⋅1.366. m = (√3 −1) ist die Steigung der Geraden im Wadati-Diagramm. Bei Beben in der Kruste (mit vp= 6 km/s und Poisson-Zahl σ = 0.25) muß man also ts−p mit 8.2 km/s multiplizieren, um die Epizentralentfernung ∆ zu erhalten. ⇒ Wadati-Diagramm, ts−p = f (tp). Die Steigung ist:

(√3 −1) = 0.732 bei einem Poisson-Körper (σ = 0.25). ⇒ Wadati-Diagramm, Island (Magma-Kammer) Mit einer einzigen Station kann man nur die Epizentral-(Hypozentral)-Entfernung bestimmen. Die Azimutrichtung kann man in etwa aus dem Erst-ausschlag abschätzen. Mit einem ganzen Stationsnetz kann man die Herdlage genau bestimmen und den Fehler abschätzen. ⇒ Beispiel für Verfahren mit Kreisen, Schnittpunkt in der Tiefe ergibt Herdtiefe h0. Eine

genaue Bestimmung von h0 ist nur mit Stationen im Bebengebiet möglich. Ein weiteres Verfahren: Hyperbelverfahren. Hier benötigt man nur die Einsatzzeiten der P-Wellen an wenigstens 3 Stationen A,B und C: tp

A, tpB,

tpC. Die 3 Stationen sind die Brennpunkte dreier Hyperbeln. Diese sind die geometrischen Orte für

die Epizentralentfernungen: s = v (tp

A − tpB). Man erhält also:

sAB = v(tp

A − tpB);

sBC = v(tpB − tp

C); sAC = v(tp

A − tpC);

Am gemeinsamen Schnittpunkt der 3 Hyperbeln liegt der Herd. ⇒ Beispiel Hyperbelmethode: → Skript Seismisches Netz: Netz von Stationen mit großen Abständen zwischen den Stationen, ∆ >> Wellenlängen L. Beispiel: Deutsches Regionalnetz, internationale Netze. Seismisches Array: Netz von Stationen mit kleinen Abständen zwischen den Stationen, ∆ ≈ Wellenlänge L, oder ∆ kleiner als L. Man kann dann die einzelnen Phasen der Wellen verfolgen. Beispiel: Gerres-Array.

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2.6 Herdparameter, Herdmechanismus, Seismisches Moment Die Herdfläche stellt eine Bruchfläche dar, die als eine ebene Fläche oder als ein Kompositum aus Flächen angesehen werden kann. Sie hat eine bestimmte Fläche A0, die in km2 angegeben wird. Beim Aufbau einer Spannung baut sich zunächst eine elastische Deformation auf (→ Modell von Reid). Beim lokalen Überschreiten einer Nachgebespannung (→ Rheologie, St. Venant-Körper) entsteht ein Bruch, der sich mit maximal Scher-wellengeschwindigkeit ausbreitet. Da die Gesteine als klüftige Modellmedien aufgefaßt werden können und Gleit-Reibung<Haft-Reibung ist, entsteht aus einem lokalen Bruch eine größere endliche Herdfläche. Auf dieser Vorstellung baut das Brun'sche Herdmodell auf (→ Skript und Spezialvorlesungen). Auf der Herdfläche A0 gibt es einen Verschiebungsbetrag d0 (Dislokation). Sei µ0 die Scherfestigkeit der Gesteine, so bezeichnet man als das seismische Moment folgende Größe: M0 = µ0 ⋅ d0 ⋅ A0. Bei Energiebetrachtungen in der Seismologie wird, in Zusammenhang mit der Diskussion der Magnituden bereits angemerkt, neuerdings anstelle der Magnitude das seismische Moment verwendet. Während bei der Magnituden-bestimmung (z.B. bei MS) nur die Periode T ≈ 20 s verwendet wird, berücksichtigt das seismische Moment das ganze Spektrum. In einem doppellogarithmischen Diagramm wird die spektrale Energie gegen die Frequenz der Signale aufgetragen. Bei niedrigen Frequenzen ergibt sich ein Plateau, bei hohen Frequenzen ein linearer Abfall. → Eckfrequenz νc. Diese steht in Beziehung zur Magnitude. ⇒ Eckfrequenz, Energiespektrum eines Bebens. Verweis auf → Spezialvorlesung Seismologie. Solche Betrachtungen lassen sich nur auf große Beben, nicht aber auf kleine regionale Beben anwenden. Dort verwendet man nach wie vor die Magnituden. 2.8 Ausbreitung von Erdbebenwellen Für Erdbeben lassen sich, ähnlich wie bei der Refraktionsseismik, Laufzeitkurven erstellen. Die Entfernung ∆ wird dabei meist in Grad angegeben (180° ≈ 20000 km). Es können auch reduzierte Laufzeitkurven verwendet werden, z.B. mit vred = 8 km/s. Bei der Analyse der Scheingeschwindigkeiten muß berücksichtigt werden, daß die Erde keine ebene Platte, sondern eine Kugel darstellt. Auf das Verfahren von Herglotz und Wiechert wurde bereits hingewiesen. Das erste v(R)-Modell wurde von Gutenberg und Wiechert um 1912 erstellt. Seither gab es zahlreiche Arbeiten zum Thema v(R), die zu einer inzwischen sehr gut abgesicherten Wert für den Kernradius führten (→ PREM-Modell). ⇒ Schema der LZK in der Seismologie 2.8.1 Lokale und regionale Beben Es treten bei lokalen Beben z.T. große Ähnlichkeiten mit der Refraktionsseismik auf. Man erkennt direkte, reflektierte und refraktierte Wellen, ferner das Auftreten konvertierter Phasen. Die Grenze

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Kruste/Mantel (Mohorovicic-Diskonti-nuität wurde zunächst durch seismologischen Beobachtungen im Wiener Becken nachgewiesen!). ⇒ Beispiel für ein Regionalbeben: Niederrhein (Roermond) am 13.4.1992 mit den einzelnen

Phasen. Weiteres Beispiel → Skript, Spezialvorlesung. 2.8.2 Teleseismische Beben, ∆∆ > 10°° Für die einzelnen Strahlen und Wellentypen hat sich eine besondere Nomenklatur für die direkten, ein- und mehrfach reflektierten sowie die den Kern durchquerenden Strahlen eingebürgert. Die ersten globalen LZK wurden in den 30er Jahren von Jeffreys und Bullen erstellt, und seither im Rahmen der IASPEI ständig auf der Basis der Analyse in Datenzentren verbessert. ⇒ Nomenklatur der einzelnen Phasen ⇒ LZK von Jeffreys und Bullen, typische Äste, Auswertung eines Bebens, Phasenbestimmung ⇒ LZK des Modells IASP 91 Im Bereich ∆ > 103° gibt es durch die Schattenwirkung des Kerns keine starken Einsätze von direkt gelaufenen P-Wellen mehr, sondern bis 140° nur noch ganz schwache Amplituden. → Schattenzone. Im äußeren Kern breiten sich nur P-Wellen aus. Aus der Analyse der Seismischen Daten (und mit Hilfe von anderen geophysikalischen Daten) wurden Standard-Erdmodelle erstellt: → PREM ⇒ PREM-Modell für v(R): Asthenosphäre, Phasenumwandlungen im Oberen Mantel, D''-

Schicht, Geschwindigkeitsabfall im Kern, Werte im Inneren Kern ⇒ Phasenumwandlungen des Olivins. 2.8.3 Oberflächenwellen Diese entstehen, wenn das Hypozentrum nahe der Oberfläche liegt. Die Dispersionskurven sind für verschiedene Lithosphären unterschiedlich. ⇒ Dispersionskurven in Abhängigkeit von der Lithosphärenstruktur ⇒ Dispersionskurven in der Angewandten Seismik 2.9 Schadenswirkung von Beben Durch die Zusammenhänge zwischen Tektonik und Magnitude bzw. Maximal-Intensitäten sind in Europa nur Intensitäten < 8 zu erwarten, in Deutschland sogar < 7. Hauptschäden werden durch die horizontalen Boden-Beschleunigungen verursacht. Durch vertikale Beschleunigungen sind auch Gebäude, Brücken (Resonanzen!) und Berghänge gefährdet. Man unterscheidet zwischen Primärschäden und Sekundärschäden (z.B. durch Brände, Überflutungen). ⇒ Bilder mit großen Erdbebenschäden

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Im zirkumpazifischen Raum sind Tsunami-Wellen potentielle große Gefährdungen. ⇒ Modell der Tsunami-Entstehung ⇒ Bilder von Tsunami-Schäden 2.10 Residuen Hier gibt es methodische Analogien zur Methode des Fächerschießens in der Refraktionsseismik. Man betrachtet im Prinzip die Laufzeitunterschiede gegenüber dem Erwartungswert durch ein Standard-Erdmodell (Jeffreys-Bullen, PREM, IASP91). Die Ursache für Signalverzögerungen oder-Verfrühungen können quellen- oder stationsseitig sein. Für die stationsseitigen Effekte untersucht man relative Residuen (Bezug auf eine Basis- oder Referenz-Station im Untersuchungsgebiet). ⇒ Beispiel für eine Residuen-Untersuchung 2.12 Seismische Tomographie Dies ist im Grund eine Erweiterung der Untersuchung von Residuen und dient dem Nachweis von Bereichen mit anomalen Geschwindigkeiten innerhalb der Erde. Insbesondere die S-Wellen reagieren empfindlich auf anomale Temperaturen. Dabei ist vs mit T antikorreliert. Positive (negative) Residuen entsprechen möglicherweise erniedrigten (erhöhten) Temperaturen. Positive Residuen werden auch als abtauchende Platten mit niedrigen Temperaturen und höherer Dichte interpretiert. ⇒ Diaserie mit Tomographie-Profilen ⇒ Neue Manteltomographie 2.12 Erdbebenvorhersage Dies ist ein alter Wunsch der Seismologen. ⇒ Vorführung eines Brucheffektes (Holzstäbe) Wichtige Erscheinung in Zusammenhang mit einem Bruchvorgang: Dilatanz. Statistische Verfahren: * Betrachtung des Bebenrisikos allgemein (z.B. mit Hilfe von Intensitätskarten) * Wiederholungsneigung von Erdbeben (Schwärme) * Seismic Gap (zeitlich und räumlich) Vorläuferphänomene: a) Physiologische Phänomene b) Geodätische Verfahren c) Geochemie - Geologie d) Geophysikalische Verfahren ⇒ Liste mit Vorläuferphänomenen

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Zukunftsperspektiven der Vorhersage. Vergleich mit Wettervorhersagen. 2.13 Abstrahlungscharakteristiken von Kernsprengungen und Erdbeben im Vergleich Bei Kernsprengungen werden von der Quelle zunächst nur P-Wellen abgestrahlt, und zwar in allen Raumrichtungen mit der gleichen Energie. An allen Beobachtungsstationen tritt, unabhängig vom Azimut, die gleiche positive Polarität des P-Wellen-Signals auf. Die typische Abstrahlcharakteristik eines double couple oder eines single couple liegt nicht vor. Ein weiterer Unterschied zu Erdbeben liegt darin, daß bei einer Kernexplosion praktisch keine Oberflächenwellen abgestrahlt werden. ⇒ Vergleich Erdbeben und Kernsprengung aus der gleichen Region in Mittelasien 2.14 Mondbeben, Signalform Die Signale der Mondbeben sind nicht klar strukturiert mit P-, S- und Oberflächenwellen wie bei der Erde. Vielmehr schwillt die Amplitude des Signals an und klingt allmählich ab. Dies wird mit der wasserfreien und stark zerklüfteten Gesteinsstruktur an der Mondoberfläche erklärt (random walk Modell der Strahlen). Auch bei der Erde zeigen stark streuende geologische Körper ähnliche Signalformen wie beim Mond, aber nicht so extrem ausgeprägt. Man kann hier die Streu-Coda zur Modellierung eines streuenden Körpers verwenden. 3. Geothermik Spekulationen über die Temperatur im Erdinnern: Kelvin, Mitte des 19. Jahrhunderts. Er berechnete aus der Abkühlung der Erde das Alter der Erde und kam mit Werten von einigen Millionen Jahren zu einem damals unerhört großen Alter. Der Wert stellte sich dann als falsch heraus, weil er die radio-aktive Wärmeproduktion noch nicht kannte. Der Vulkanismus nährte die Vorstellung von einem flüssigen Erdinnern. ⇒ Mundus subterraneus, A. Kirchner Ergebnisse der Seismologie vor 100 Jahren (Wiechert und andere): Existenz eines flüssigen Erdkerns mit einem festen Mantel der außen spröde ist (→Erdbeben). Labordaten über die Schmelzpunkte der Gesteine und des möglichen Kernmaterials unter den hohen Drucken des Erdinnern (abgeleitet aus einem Dichte-Modell) geben die realistischen Temperaturbereiche an, mit denen wir im Erdinnern rechnen müssen. 3.1 Grundlagen, Definitionen Temperatur in °C bzw. K, − 273,16°C = 0 Kelvin {K} Wärmemenge Q in Joule J, 1 J = 1 Watt s (Ws) = 2,7778 ⋅10−7 kWh = 0,2388 cal = 0,2388 ⋅10−3 kcal = 6,24 ⋅1018 eV = 107erg ; 1 cal = 4,186 Ws (J), mechan. Wärmeäquivalent

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Spezifische Wärme c = (1/Masse) ⋅ ∆Q/∆T in cal ⋅ Grad−1 ⋅ Gramm−1 = = 4,186 ⋅ J ⋅ g−1 ⋅ grad−1 = 1,163 kWh / g ⋅ grad c ist ein Maß für die Fähigkeit eines Körpers, Wärme pro Masseneinheit zu speichern. Es ist cp/cv = 1 + α ⋅ γ ⋅ T, dabei sind: α: thermischer Ausdehnungs-Koeffizient, mit α ca. 10−6.... 10−5 γ: Grüneisenparameter ( 1.....2 ). ⇒ Abbildung mit Grüneisenparameter als Funktion des Erdradius Bei Festkörpern ist α klein und cp ≈ cv. Die spezifische Wärme ist abhängig von Druck und Temperatur. ⇒ Abbildung mit c = f (T) Die spezifische Wärme von Wasser ist sehr groß (Freiheitsgrade der Translation und der Rotation!) und sie bestimmt maßgeblich den Wert für Gesteine. Bei Gesteinen ist daher cnaß > ctrocken. Latente Wärme L in cal/Gramm muß hinzugeführt werden oder entsteht beim Wechsel des Aggregatzustandes. L ist wichtig für den Wärmehaushalt und die Temperaturen an der Erdoberfläche (Umwandlung des Wassers in andere Aggregatzustände von Eis über Wasser zu Dampf, und umgekehrt). Latente Wärme entsteht auch an der Grenze innerer zu äußerer Kern. Wärmeproduktion A Wichtigster Beitrag in der Erde ist der Zerfall radioaktiver Elemente und die dabei entstehende Absorption der α-, β- und γ- Strahlung im Gestein. Umrechnungsfaktoren: 10−12 cal/sec ⋅ cm3 = 4,186 µ Watt/m3 bzw. 1 µWatt/m3 = 23,89 ⋅ 10−14 cal/sec ⋅ cm3. Wärmestromdichte q Wärme, die pro Zeiteinheit durch eine Fläche hindurchfließt. Einheiten, Umrechnungsfaktoren: 10−6 cal/cm2 ⋅ sec = 1 Heat Flow Unit = 1 HFU = 41,86 ⋅ 10−3 Watt/m2. Der mittlere Wärmestrom der Erde beträgt etwa 1.5 ... 2 HFU. 3.2 Wärmetransportmechanismen Es gibt 3 wichtige Prozesse: * Wärmeleitung durch Gitterschwingungen (Phononen), ohne Materialtransport, * Konvektion (mit Materialtransport). Dies ist ein wichtiger und sehr effektiver Beitrag im Erdinnern, * Strahlung. Die EM-Strahlung nach dem Gesetz von Stefan-Boltzmann geht ∝ T4. Sie ist nur bei hohen Temperaturen wirksam, z. B. im Unteren Mantel und im Kern. 3.3 Klassische Wärmeleitung, Fourier-Gesetz ⇒ Modell der Wärmeleitung von warm nach kalt. Der Wärmefluß q ist ein Vektor. Es ist:

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q = − k ⋅ ∂T/∂y = − k ⋅ grad T k ist dabei die Wärmeleitfähigkeit und sie ist bei isotropen Medien ein Skalar, bei anisotropen Medien ein Tensor 2. Stufe → qi = − kij ⋅ grad T. Die Größe κ = k/ρ⋅c nennt man die Temperaturleitfähigkeit, mit ρ: Dichte und c: spezifische Wärme. 3.3.1 Messung von q und k Die Definitionsgleichung qi = − kij ⋅ grad T ist zugleich die Meßvorschrift. a) Messung von q Man bestimmt über Temperatursonden (Thermoelemente, Widerstandsthermometer) in Bergwerken, Bohrlöchern, eingedrungene Meßsonden) grad T und multipliziert diesen mit der Wärmeleitfähigkeit k. Störfaktoren bei der Bestimmung von q: Konvektion warmer oder kalter Wässer im Gebirge, topographische Effekte, Wirkung der letzten Eiszeit (Vordringen einer Kältewelle in den Untergrund). Korrekturen: → Spezial-Literatur. ⇒ Meßbeispiel von KTB mit Störeffekten b) Messung von k Stationäre Messung (→ Skript) über definierte Wärmezufuhr und Temperaturmessungen. Experimentell sehr aufwendiges Verfahren. Instationäre Messung: Punktuelle oder linienhafte Wärmequelle, von der aus man die Ausbreitung der Wärme über Tempe-raturmessungen bestimmt. Man mißt dabei die Größe κ und erhält k aus k = κ ⋅ ρ ⋅ c. ⇒ Wachsmethode auf einer angeschliffenen Gesteinsoberfläche ⇒ Prinzip der Linienquellen-Methode ⇒ Meßkurve mit Ableitung der Größe κ ⇒ Anisotropie von k an KTB-Probe ⇒ k-Werte von Gesteinen, k(P), k(T) ⇒ k-Werte im Vergleich mit technischen Stoffen c) Globale Verteilung der Q-Werte Mittlerer globaler Wert für q: qMittelwert = 1.5 HFU bzw. 60 mW/m2

⇒ Tabelle mit globalen q-Werten ⇒ Histogramm der q-Werte Plateauwert für den allgemeinen Wärmestrom aus dem Erdinnern (≈ 30 ⋅ 10−3 Watt/m2, der lokal bzw. regional erhöht (erniedrigt) ist durch: * Vulkanismus * geothermische Aktivität (warme Quellen!) * Verwitterungsprozesse (Eiserner Hut, Deponien) bzw.

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* kalte Sedimentauflagen * Tiefseegräben d) Wärmestromkarten ⇒ Globale Karte ⇒ Wärmestromwerte im Bereich der mittelozeanischen Schwellen ⇒ Karte von Deutschland, mit Anomalien ⇒ Tabelle mit Ursachen des Wärmestroms ⇒ Wärmequellen im Erdinnern, Bilanzen 3.4 Radiogene Wärmeproduktion A A wird gemessen in µW/m3 oder µW/kg. ⇒ Tabelle mit den wichtigsten radiogenen Isotopen, Halbwertszeiten und

Wärmeproduktionsdaten Aus den geochemisch oder radiologisch bestimmten Konzentrationen ci an Uran, Thorium und

Kalium lassen sich die Wärmeproduktionen mit Hilfe folgender Formeln berechnen. A in µW/m3 : A= 10−5 ⋅ ρ ⋅ (9,52 ⋅ cU + 2,56 ⋅ cTh + 3,48 ⋅ cK) Die Dichte ρ wird dabei in kg/m3 gemessen, cU und cTh in ppm und cK in %. Beispiel: ρ = 2,67 ⋅ 103 kg/m3, cU = 4,75 ppm, cTh = 18,5 ppm und cK= 3,8 %. Daraus ergibt sich: A = 10−5 ⋅ 2,67 ⋅ 103 ⋅ (9,52 ⋅ 4,75 + 2,56 ⋅ 18,5 + 3,48 ⋅ 3,8) → A = 2,86 µW/m3. U, Th und K sind inkompatible Elemente, die sich insbesondere in den sauren Gesteinen der Erdkruste anreichern. Anreicherung auch in Tonsteinen. ⇒ Wärmeproduktionsrate von Gesteinen ⇒ Durchschnittswerte erschiedener Lithologien ⇒ Abnahme von A mit der Tiefe (Lachenbruch) ⇒ Korrelation von A mit der Dichte ⇒ Korrelation von A mit vp ⇒ A-Werte bei KTB 3.5 Wärmeleitung im Erdinnern Wir betrachten die Erwärmung eines Volumenelements bei Wärmezufuhr durch Leitung und lokaler Wärmeproduktion. Wir betrachten den Wärmefluß durch eine Fläche hindurch und formen das Flächenintegral nach dem Satz von Gauß in ein Volumenintegral um: ∫∫ q ⋅ df = ∫∫∫ div q ⋅ dV Mit q = − k ⋅ grad T folgt:

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− k ∫∫∫ div grad T ⋅ dV = − k ∫∫∫ ∆T ⋅ dV, wobei ∆ der Laplace-Operator ist. Die Wärmeproduktion führt in der Zeit dt zu einer Wärmezufuhr von : dQ = A ⋅ dV ⋅ dt. Sei δT/δt der Temperaturanstieg, so ergibt sich für dQ: dQ = ρ ⋅ c ⋅ (δT/δt) ⋅ dV ⋅ dt Als Bilanz von Wärmegewinn und Wärmeverlust durch Leitung ergibt sich: dQ = ρ ⋅ c ⋅ (δT/δt) ⋅ dV ⋅ dt = k ⋅ div grad T ⋅ dV ⋅ dt + A ⋅ dV ⋅ dt Division mit ρ ⋅ c ⋅ dV ⋅ dt und Auflösung nach δT/δt ergibt die Temperaturänderung δT/δt: δT/δt = (k/ρ ⋅ c) ⋅ div grad T + A / ρ ⋅ c − v grad T Leitungsterm Wärmeprod. Konvektion Im stationären Fall ist δT/δt = 0 und man erhält (bei Vernachlässigung der Konvektion) die Poisson-Gleichung: div grad T = ∆T = − A / k. Ohne Wärmeproduktion erhält man die Laplace-Gleichung: div grad T = ∆T = 0. Bei der Berechnung von vertikalen Temperaturprofilen im Erdinnern kann man stets vom stationären Fall ausgehen, und von einem Wärmestrom in z-Richtung. ∂2T/∂z2 = − A / k → k (∂2T/∂z2) = − A Mit k = const ergibt sich: ∂(k ⋅ ∂T/∂z)/∂z = − A = − ∂(qz/∂z) → qz = A ⋅ dz Das bedeutet, daß bei der Temperaturverteilung mit der Tiefe zum Leitungsterm noch ein Wärmeproduktionsterm hinzukommt. Dieser Anteil vermindert die Temperatur im Erdinnern. Bei der Berechnung der Temperaturzunahme mit der Tiefe wendet man folgende Formel an: T(z) = T0 + (qz,Leitung − ∑ An ⋅ dn) ⋅ ∑dn / kn Dabei ist T0 die Temperatur an der Erdoberfläche. Explizit geschrieben für ein Modell bestehend aus n horizontalen Schichten der Wärmeleitfähigkeit ki mit den Grenzflächen in den Tiefen zi bei Vernachlässigung der Wärmeproduktion A(z): T(z) = T0 + qz,Leitung ⋅ (z1/k1 + (z2−z1)/k2 + (z3−z1)/k3 +... ⇒ Temperaturprofile mit und ohne Wärmeproduktion 3.6 Temperaturverlauf im Erdinnern Hierfür verwendet man eine Reihe geophysikalischer und mineralogischer Daten: * Seismik (Diskontinuitäten, Geschwindigkeiten) * Aggregatzustände * Dämpfung von Wellen * Geochemische Daten * Schmelzpunkte als f(P)

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⇒ Wärmeleitungswerte im Erdinnern (PREM) ⇒ Wahrscheinliches Temperaturprofil, Stacey ⇒ Wahrscheinliches Temperaturprofil (PREM) 3.7 Störkörper der Wärmeleitung bzw. Wärmeproduktion Störkörper der Wärmeleitung bzw. der Wärmeproduktion zeigen Anomalien des Wärmestroms, die mit entsprechenden Schwereanomalien verglichen werden können. Grundlage für den Vergleich: Laplacegleichung (LG) bzw. Poissongleichung (PG). Geothermik: LG: ∆T = 0 PG: ∆T = A(z) Gravimetrie: LG: ∆W = 0 PG: ∆W = 4 ⋅ π ⋅ G ⋅ σ Der Zusammenhang zwischen beiden Anomalien, derjenigen der Wärmestromdichte q und die des Schwerefeldes g sieht folgendermaßen aus: q = g ⋅ A / 4 ⋅ π ⋅ G ⋅ σ Daher ergeben sich auch für Anomalien der Wärmestromdichte die gleichen Relationen zwischen Tiefenlage der Quelle und Halbwertsbreite wie bei Schwereanomalien. 3.7 Vordringen von Wärmewellen ins Erdinnere Zeitliche Variationen der Temperaturen an der Erdoberfläche dringen in den Boden ein: Tages-, Jahresschwankungen, Effekte der Eiszeiten. Effekt der Sonne: qSonne = 2 (± 2%) cal cm−2 min−1 = 3,3 ⋅ 10−2 cal cm−2 s−1 = 1,05 ⋅ 106 cal cm−2 Jahr−1

Dies ist die (breitenabhängige) Solarkonstante. 35% werden reflektiert, 19% wird absorbiert, 46% erreichen die Erdoberfläche. Bezogen auf die gesamte Erdoberfläche sind dies:

qSonne = 5,6 ⋅ 1023 cal / Jahr Im Vergleich dazu beträgt der gesamte terrestrische Wärmefluß nur q = 2,6 ⋅ 1020 cal / Jahr. Unterschied: circa Faktor 2000. Man kann hier schon erkennen, daß die Gewinnung von Erdwärme gegenüber der Energie, die uns die Sonne liefert, ein mühseliges Unterfangen darstellt. Definition von Größen: T0: Mittlere Temperatur; Tt: Temperatur zur Zeit t;

Tn: Amplitude der Temperatur, ϕn: ihre Phase.

Das Eindringen der Temperaturwelle in den Boden hängt ab von der Periode der zeitlichen Temperaturvariationen und der Temperaturleitfähigkeit κ des Untergrundes.

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T(z,t) = T0 + Tn ⋅ [e -z⋅√(n⋅ω/2⋅κ)] ⋅ sin [n ⋅ ω ⋅ t − z ⋅ √(n ⋅ ω/ 2 ⋅ κ) − ϕn] = Anfangstemperatur + Dämpfungsterm ⋅ Schwingungsterm

Der Dämpfungsterm Tn⋅ [e −z⋅√(n⋅ω/2⋅κ)] = Tn ⋅ [e −α⋅z], mit α = √(ω / 2 ⋅ κ) beschreibt die

Änderung der Temperatur mit der Tiefe. Die Phasenverschiebung mit der Tiefe wird vom Term ϕ = z ⋅ √(ω / 2 ⋅ κ) = α ⋅ z beschrieben. Die Tiefe z erhält man zu: z = ϕ ⋅ √(2 ⋅ κ / ω) = ϕ ⋅ √(2 ⋅ κ / 2 ⋅ π ⋅ to) = ϕ ⋅ √(κ / π ⋅ to), mit to = 182 Tagen als Wellenlänge.

Beispiele: Optimale Tiefe eines Kellers. Die Kältewelle des Winters soll im Sommer gerade die Tiefe des Kellers erreichen. Werte für κ (in cm2 s−1): Ton, Mergel: 1,0 ⋅ 10−2; Kalkstein: 1,05 ⋅ 10−2; Sandstein: 1,65 ⋅ 10−2. Mit κ = 10−2 cm2 s−1, ϕ = π und to = 182 Tagen erhält man:

z = 7,02 m für die optimale Tiefe des Kellers. Der Einfluß der letzten Eiszeit reicht unerwartet tief und wirkt sich auf die Temperaturverteilung der obersten Bereiche bis in circa 500 m Tiefe aus. Dies war ein wichtiges und ganz überraschendes Ergebnis der KTB-Bohrung.