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Differentiell-algebraische Gleichungen vom Index 1 Beispiel: Das unged ¨ ampfte mathematische Pendel (der L ¨ ange 1 und der Masse 1) wird unter Verwendung des Auslenkwinkels ϕ bekanntlich beschrieben durch die gew ¨ ohnliche Differentialgleichung ϕ ′′ = -g sin ϕ. Verwendet man Euklidische Koordinaten (y 1 ,y 2 ) der Endmasse, so liefert das New- tonsche Gesetz die Bewegungsgleichungen y ′′ 1 = -zy 1 y ′′ 2 = -zy 2 - g (1) mit einem Lagrangeschen Parameter z (t). Zus ¨ atzlich muss die Nebenbedingung y 2 1 + y 2 2 =1 (2) erf ¨ ullt sein. DAE vom Index 1 -1-

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Differentiell-algebraische Gleichungen vom Index 1

Beispiel: Das ungedampfte mathematische Pendel (der Lange 1 und der Masse 1)wird unter Verwendung des Auslenkwinkels ϕ bekanntlich beschrieben durch diegewohnliche Differentialgleichung

ϕ′′ = −g sinϕ.

Verwendet man Euklidische Koordinaten (y1, y2) der Endmasse, so liefert das New-tonsche Gesetz die Bewegungsgleichungen

y′′

1 = −zy1

y′′

2 = −zy2 − g

}

(1)

mit einem Lagrangeschen Parameter z(t). Zusatzlich muss die Nebenbedingung

y21 + y2

2 = 1 (2)

erfullt sein. 2

DAE vom Index 1 -1-

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Bei der Simulation des dynamischen Verhaltens von Mehrkorpersystemen

oder elektrischen Schaltkreisen treten haufig Systeme auf, die aus Dif-

ferentialgleichungen und aus algebraischen Gleichungen bestehen. In

diesem Fall spricht man von differentiell-algebraischen Systemen oder

kurz DAE.

Man hat dann das Differentialgleichungssystem auf der Mannigfaltigkeit

zu losen, die durch die algebraischen Gleichungen gegeben it. Klar ist,

dass dies nur moglich ist, wenn der Anfangspunkt auf der Mannigfaltig-

keit liegt. Einen solchen Anfangsvektor nennt man konsistent.

Die Theorie der differentiell-algebraischen Gleichungen ist wesentlich

schwieriger als die der gewohnlichen Differentialgleichungen und ist

Gegenstand aktiver Forschung. Einen Eindruck von der Theorie erhalt

man in den Buchern von Ascher, Petzold oder Hairer, Wanner, ei-

ne ausfuhrliche Darstellung in Griepentrog, Marz oder Hairer, Lubich,

Roche.

DAE vom Index 1 -2-

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Die allgemeinste Form eines (autonomen) DAE Systems ist

F (u, u′) = 0. (3)

Dass wir ein von der unabhangigen Variable unabhangiges System betrachten, bedeutetwieder keine Einschrankung, denn wir konnen auch hier den allgemeinen Fall durcheine zusatzliche Gleichung x′ = 1 auf den autonomen Fall zuruckfuhren.

Ist∂

∂u′F (u,u′)

eine regulare Matrix, so kann man nach dem Satz uber implizite Funktionen dieGleichung F (u,u′) = 0 nach u′ auflosen, d.h. es gibt eine Funktion f mit

F (u,u′) = 0 ⇐⇒ u′ = f(u),

und das DAE System ist tatsachlich ein gewohnliches Differentialgleichungssytem in

impliziter Form.

DAE vom Index 1 -3-

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Ist∂

∂u′F (u,u′)

singular, so ist die Auflosung nach u′ nicht (notwendig) moglich. Haufig kann manaber durch weiteres Differenzieren des DAE Systems nach der unabhangigen Variableein gewohnliches Differentialgleichungssystem fur u aufstellen.

DefinitionDas differentiell-algebraische System

F (u′, u) = 0

besitzt den Index m, wenn m ∈ IN die minimale Zahl von Differentiationen ist, so dassdas System

F (u,u′) = 0,d

dxF (u,u′) = 0, . . . ,

dm

dxmF (u, u′) = 0

aufgelost werden kann in ein Differentialgleichungssystem

u′ = Φ(u).

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Beispiel

Ein gewohnliches Differentialgleichungssystem

y′ = f(y)

hat als DAE den Index 0.

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BeispielFur das semi-explizite System differentiell-algebraischer Gleichungen

y′ = f(y,z)

0 = g(y,z)

setzen wir voraus, dass∂

∂zg(y,z)

regular ist. Wir differenzieren die zweite Gleichung:

∂yg(y,z)y′ +

∂zg(y,z)z′ = 0,

und erhalten als Differentialgleichung fur z

z′ = −∂

∂zg(y, z)−1 ∂

∂yg(y,z)f(y,z).

Das semi-explizite System hat also den Index 1.

DAE vom Index 1 -6-

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Beispiel

Wir betrachten das semi-explizite System

y′ = f(y,z)

0 = g(y)

Die erste Differentiation liefert

0 =∂

∂yg(y)y′ =

∂yg(y)f(y,z).

Die Losung liegt also nicht nur auf der Mannigfaltigkeit, die durch

0 = g(y) definiert ist, sondern (versteckt) auch auf der durch

0 =∂

∂yg(y)f(y,z)

definierten.

DAE vom Index 1 -7-

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Erneutes Differenzieren liefert

∂2g

∂y2(f ,f) +

∂g

∂y

∂f

∂yf +

∂g

∂y

∂f

∂zz′ = 0.

Ist die Matrix∂g∂y

∂f∂z regular, so erhalt man hieraus

z′ = −

(∂g

∂y

∂f

∂z

)−1(∂2g

∂y2(f ,f) +

∂g

∂y

∂f

∂yf

)

,

und das System besitzt den Index 2.

DAE vom Index 1 -8-

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Beispiel

Das Pendelproblem in kartesischen Koordinaten besitz den Index 3, denn

als System 1. Ordnung hat es die Gestalt

y′

1 = y2

y′

2 = −y5y1

y′

3 = y4;

y′

4 = −y5y3 − g

0 = y21 + y2

3 − 1;

(4)

Differenzieren der letzten Gleichung liefert

0 = 2y1y′

1 + 2y3y′

3,

d.h. unter Benutzung der 1. und 3. Gleichung des Systems (4)

0 = y1y2 + y3y4. (5)

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Durch erneutes Differenzieren erhalt man

0 = y′

1y2 + y1y′

2 + y′

3y4 + y3y′

4 = y22 − y5y

21 + y2

4 − y5y23 − gy3,

und hieraus folgt mit der dritten Differentiation

0 = 2y2y′

2 − y′

5y21 − 2y5y1y

1 + 2y4y′

4 − y′

5y23 − 2y5y3y

3 − gy′

3,

d.h. unter Benutzung von (4) und (5)

0 = −y′

5(y21 + y2

3) − 4y5y1y2 − 4y5y3y4 − 3gy4 = −y′

5 − 3gy4.

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Eine Einbettungsmethode

Wir betrachten der Einfachheit halber ein semi-explizites System von

differentiell-algebraischen Gleichungen

y′ = f(y,z) (6)

0 = g(y,z). (7)

Wir setzen voraus, dass die Jacobi Matrix

∂zg(y,z) (8)

in einer Umgebung der Losung von (6), (7) regular sei, so dass das

System den Index 1 besitzt.

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Dann kann man nach dem Satz uber implizite Funktionen Gleichung

(7) lokal nach z auflosen, z = G(y), und die DAE (6), (7) geht uber

in die gewohnliche Differentialgleichung

y′ = f(y,G(y)). (9)

(9) heißt die zu (6), (7) gehorige Zustandsraumgleichung.

DAE vom Index 1 -12-

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Wenn die Funktion G bekannt ist, liegt es naturlich nahe, die Diffe-

rentialgleichung (9) numerisch mit einem der diskutierten Verfahren zu

behandeln.

I.a. ist aber nur die Existenz der Funktion G durch den Satz uber

implizite Funktionen gesichert, die explizite Auflosung von (7) aber

nicht moglich.

Man benotigt daher Verfahren zur Losung von DAEs.

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Eine Moglichkeit ist, anstatt (6), (7) die singulare Storung

y′ = f(y,z) (10)

εz′ = g(y,z). (11)

fur ε > 0 mit einem der bekannten Verfahren zu behandeln und in dem

resultierenden Verfahren ε = 0 zu setzen.

Wir demonstrieren das Vorgehen fur das (implizite) Runge–Kutta Ver-

fahren.

DAE vom Index 1 -14-

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Wendet man dieses auf (10), (11) an, so erhalt man im n-ten Schritt

bei bekannten Naherungen yn ≈ y(xn) und zn ≈ z(xn)

Y i = yn + h

s∑

j=1

βijf(Y j,Zj) (12)

εZi = εzn + h

s∑

j=1

βijg(Y j,Zj) (13)

yn+1 = yn + h

s∑

i=1

γif(Y i,Zi) (14)

εzn+1 = εzn + h

s∑

i=1

γig(Y i,Zi). (15)

DAE vom Index 1 -15-

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Dies ist eine alternative Darstellung des impliziten Runge-Kutta Verfahrens, das furdie autonome gewohnliche Differentialgleichung lautet:

ki = f(yn + h

s∑

j=1

βijkj), i = 1, . . . , s,

yn+1 = yn + h

s∑

i=1

γiki

Mit

Yi = yn + h

s∑

j=1

βijkj

ist dies aquivalent

Yi = yn + h

s∑

j=1

βijf(Yj), i = 1, . . . , s,

yn+1 = yn + h

s∑

i=1

γif(Yi).

DAE vom Index 1 -16-

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Ist die Matrix B := (βij) der Gewichte im Runge-Kutta Verfahrenregular, so erhalt man aus (13)

εZi = εzn + h

s∑

j=1

βijg(Y j,Zj)

hg(Y i,Zi) = ε

s∑

j=1

ωij(Zj − zn), (16)

wobei B−1 =: (ωij) bezeichnet.

Setzt man diesen Ausdruck in εzn+1 = εzn + h∑s

i=1γig(Y i,Zi) ein, so

kann man diese Gleichung durch ε kurzen.

Setzt man schließlich noch ε = 0 in (13), so erhalt man das Verfahren

DAE vom Index 1 -17-

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Y i = yn + h

s∑

j=1

βijf(Y j,Zj) (17)

0 =

s∑

j=1

βijg(Y j,Zj) (18)

yn+1 = yn + h

s∑

i=1

γif(Y i,Zi) (19)

zn+1 =(

1 −

s∑

i,j=1

γiωij

)

zn +s

i,j=1

γiωijZj. (20)

DAE vom Index 1 -18-

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Die numerische Losung (yn+1,zn+1) wird i.a. nicht auf der Mannigfal-

tigkeit liegen, die durch g(y,z) = 0 definiert ist.

Dies kann man jedoch erreichen, wenn man in dem System (17), (18),

(19), (20) die Gleichung (20) ersetzt durch

g(yn+1,zn+1) = 0. (21)

DAE vom Index 1 -19-

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In diesem Fall gilt wegen (18) Zj = G(Y j) und wegen (21) auch

zn+1 = G(yn+1). Das Verfahren (17), (18), (19), (21) ist daher

aquivalent dem zu Grunde liegenden Runge-Kutta Verfahren fur die

Zustandsraumgleichung (9). Es heißt daher Zustandsraumverfahren.

Vorteil der Zustandsraummethode ist es, dass keine Konvergenztheo-

rie notig ist. Die Ergebnisse fur gewohnliche Anfangswertaufgaben

ubertragen sich sofort auf DAEs. Man kann ferner das Verfahren sofort

mit einem expliziten Runge-Kutta Verfahren als Basis verwenden. An-

dererseit geben theoretische Ergebnisse uber die Einbettungsmethode

Einsichten uber singular gestorte Probleme.

DAE vom Index 1 -20-

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Probleme mit Massenmatrizen

Viele differentiell-algebraische Probleme haben die Gestalt

Mu′ = F (u) (22)

mit einer konstanten Matrix M .

Das semi-explizite Problem (6), (7) ist ein Spezialfall hiervon mit

M =(

I OO O

)

, u =(

yz

)

.

DAE vom Index 1 -21-

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Ist M regular, so konnen wir jedes Verfahren der vorhergehenden

Abschnitte auf das System

u′ = M−1F (u)

anwenden und die entstehenden Formeln mit M multiplizieren, um

zu einem Verfahren fur die DAE (22) zu gelangen. Fur ein implizites

Runge-Kutta Verfahren erhalt man auf diese Weise

M(U i − un) = h

s∑

j=1

βijF (U j) (23)

M(un+1 − un) = h

s∑

i=1

γiF (U i). (24)

DAE vom Index 1 -22-

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Aus (23) erhalt man wie im letzten Abschnitt mit der Matrix B−1 =

(ωij)

hF (U i) =

s∑

j=1

ωijM(U j − un),

und das Runge-Kutta Verfahren erhalt die Gestalt

M(U i − un) = h

s∑

j=1

βijF (U j) (25)

un+1 =(

1 −

s∑

i,j=1

γiωij

)

un +s

i,j=1

γiωijU j. (26)

DAE vom Index 1 -23-

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Dieses Verfahren ergibt auch einen Sinn, wenn die Matrix M singular

ist. In diesem Fall ist das System (22) aquivalent einem semi-expliziten

System (6), (7), und das Verfahren (25), (26) enspricht der Einbet-

tungsmethode (17) – (20).

Dies sieht man so ein: Mit dem Gaußschen Eliminationsverfahren mit

totaler Pivotsuche kann man reguare Matrizen S und T bestimmen mit

M = S(

Ir OO O

)

T , (27)

wobei r den Rang von M bezeichnet.

DAE vom Index 1 -24-

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Setzt man M = S(

Ir OO O

)

T in Mu′ = F (u) ein, multipliziert man

mit S−1 und verwendet man die transformierten Variablen

Tu =(

yz

)

,

so erhalt man

(

y′

0

)

= S−1F(

T−1

(

yz

) )

=:

(

f(y,z)g(y,z)

)

, (28)

ein semi-explizites Problem (6), (7). Ein Anfangswert u0 ist konsistent,

wenn F (u0) im Wertebereich der Matrix M liegt.

DAE vom Index 1 -25-

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Setzt man (27) in (25), (26) ein und verwendet man die transformierten

Variablen

TU j =:(

Y j

Zj

)

, Tun =:(

yn

zn

)

,

so geht das Verfahren (25), (26) uber in die Formeln (17) – (20). Damit

gelten alle Resultate fur das semi-explizite Problem (6), (7) und die

Einbettungsmethode auch fur Probelme des Typs (22).

DAE vom Index 1 -26-

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Mehrschrittverfahren

Auch Mehrschrittverfahren lassen sich leicht auf semi-explizite DAEs

ubertragen. Wendet man ein Mehrschrittverfahren auf die Einbettung

(10), (11) einer semi-expliziten DAE an, so liefert dies

k∑

i=0

aiyn+i = h

k∑

i=0

bif(yn+i,zn+i) (29)

ε

k∑

i=0

aizn+i = h

k∑

i=0

big(yn+i,zn+i). (30)

DAE vom Index 1 -27-

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Setzt man hier wieder ε = 0, so erhalt man das eingebettete Verfahren

k∑

i=0

aiyn+i = h

k∑

i=0

bif(yn+i,zn+i) (31)

0 = h

k∑

i=0

big(yn+i,zn+i). (32)

Dieser Zugang wurde erstmals von Gear fur BDF Methoden fur

differentiell-algebraische Systeme vorgeschlagen und in einem ersten

(sehr erfolgreichen) Code fur DAEs umgesetzt.

DAE vom Index 1 -28-

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Wie vorher kann man 0 = h∑k

i=0big(yn+i,zn+i) ersetzen durch

g(yn+k,zn+k) = 0

und erhalt die zugehorige Zustandsraummethode.

Ferner kann man das Verfahren sofort auf das Problem (22) ubertragen

und erhalt

M

k∑

i=0

aiun+i = h

k∑

i=0

biF (un+i). (33)

DAE vom Index 1 -29-

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Fur Mehrschrittverfahren gilt das folgende Konvergenzresultat:

Satz 5.2

Das semi-explizite Problem (6), (7) erfulle die Voraussetzung (8)

( ∂∂zg(y,z) regular in einer Umgebung der Losung).

Das Mehrschrittverfahren (∑k

i=0aiyn+i = h

∑k

i=0bifn+i), das (31), (32) zu

Grunde liegt, besitze die Ordnung p, und es mogen die Punkte 0 und

∞ im Stabilitatsgebiet liegen. Ferner habe der Fehler des Anfangsfeldes

yj, zj, j = 0, . . . , k − 1, die Große O(hp). Dann erfullt der globale

Fehler

yn − y(xn) = O(hp), zn − z(xn) = O(hp),

fur xn − x0 = nh ≤ const.

Beweis: s. Hairer und Wanner, p. 383

DAE vom Index 1 -30-

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Beispiel:

Wir betrachten erneut das Beispiel von Robertson:

y′

1 = −0.04y1 + 104y2y3, y1(0) = 1

y′

2 = 0.04y1 − 104y2y3 − 3 · 107y22, y2(0) = 0

y′

3 = 3 · 107y22, y3(0) = 0.

Summiert man die drei Gleichungen, so folgt

y′

1 + y′

2 + y′

3 = 0, d.h. y1 + y2 + y3 = const,

und aus den Anfangsbedingungen folgt y1 + y2 + y3 = 1.

DAE vom Index 1 -31-

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Damit ist die Anfangswertaufgabe aquivalent dem differentiell-

algebraischen Problem

y′

1 = −0.04y1 + 104y2z1

y′

2 = 0.01y1 + 104y2z1 − 3 · 107y22

0 = y1 + y2 + z1 − 1

, y(0) =

(

100

)

. (34)

DAE vom Index 1 -32-

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Naturlich kann man hier die letzte Gleichung nach z1 auflosen und erhalt

die Zustandsraumgleichung

y′

1 = −0.04y1 + 104y2(1 − y1 − y2)

y′

2 = 0.04y1 + 104y2(1 − y1 − y2) − 3 · 107y22

, y(0) =(

10

)

.

(35)

DAE vom Index 1 -33-

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Mit ode15s der ODE-Suite von MATLAB erhalt man in allen drei Fallen

die bereits bekannte Losung. Dabei werden (mit AbsTol=10−12) fur das

Originalproblem 83345 flops, fur (34) 89355 und fur die Zustandsraum-

gleichung (35) 59250 flops benotigt. 2

DAE vom Index 1 -34-