53 Vol. 18,1980, pp. 53-58 - edoc.hu-berlin.de

6
Knoll, Wisser und Rautenstrauch: Diskelektrophorese der Urinproteine und N-Acetylglucosaminidaseausscheidung 53 J. Clin. Chem. Clin. Biochem. Vol. 18,1980, pp. 53-58 Vergleichende Untersuchung zur diagnostischen Wertigkeit von Diskelektrophorese der Urinproteine und N-Acetylglucosaminidaseausscheidung zur Erkennung von tubul ren Nierensch digungen bei chronischer Polyarthritis 1 ) Von E. ΚηοΙΙ,Η. Wisser und H. Rautenstrauch Abteilung f r Klinische Chemie und Abteilung f r Nephrologie, Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart (Eingegangen am 21. Mai/6. August 1979) Zusammenfassung: Es wird ein Verfahren zur Bestimmung des Enzyms N-Acetyl-j3-D-glucosaminidase in gelfiltrierten Urinen beschrieben. Die einzelnen Reaktionsparameter wurden berpr ft und die Zuverl ssigkeitskriterien der Methode ermittelt. Die Stabilit t des Enzyms im Urin bei verschiedenen Temperaturen wurde ber einen Zeitraum von 6 Wochen untersucht. Die Ausscheidung der N-Acetyl- -D-glucosaminidase ist - ebenso wie die Analyse der Urinproteine mit der Disk- elektrophorese eine empfindliche Kenngr e f r renale Sch digungen. An einer Stichprobe von 50 Patienten mit chronischer Polyarthritis wurde ein Vergleich beider Verfahren ber ihre diagnostische Wertigkeit zur Erkennung von renalen Sch digungen durchgef hrt. Beide Verfahren sind in ihrer Aussagekraft als gleichwertig anzusehen. Comparative study of the diagnostic value of disc electrophoresis of urinary proteins and measurement of the excretion of N-acetylglucosaminidase for the detection of renal tubule damage in chronic polyarthritis Summary: A method is described for the determination of the enzyme N-acetyl^S-ZJ-glucosaminidase in gel-filtered urine. The individual reaction parameters were tested, and the reliability of the method was determined. The stability of the enzyme in urine was investigated at different temperatures over a 6 week period. The excretion of N-acetyl-j3-£)-glucosaminidase, like the analysis of urinary proteins by disc electrophoresis, is a sensitive parameter for renal damage. The two methods were compared, using 50 random urine samples from patients with chronic polyarthritis; both methods were found to have equal diagnostic value. Einf hrung ^. A . « · *T * * i>- j- r%- Die Bestimmung von Enzymen im Harn ist fur die Diag- ... ντ- ι ι τ> Α + si\ τ\- nostik von Nierenerkrankungen von Bedeutung (l ). Die '"" ~ . . ",~ ^ ",,. ,' ,: * * Enzyme im Harn sind zwar empfindliche, aber uncharak- χ Λ- ·* τ j-i ·* "- V·· ΑΙ - u w -····· TV tenstische Indikatoren f r pathologische Vorgange. Die ^ χ u ^ Λ · u* i ^ i. * i Tatsache, da nicht nur renale, sondern auch extrarenale C1 , . · * * * i3 · ^-u Erkrankungen zu einer gesteigerten Enzymune fuhren -------- - β- . . -0^ ^ ^_ k nnen, gebietet gro e Vorsicht bei de-r Deutung von _ , - f , κίν T^· τ- j VT- u * -i- u · Laborbef nden (2). Die Frage der Nierenbetedigung bei j t. - t nr *u ·*- · * * ·** f*\' t der chronischen Pdyarthntis ist Dritten (3), msbe- sondere da ein Teil der renalen Ver nderungen Therapie- folgen sind. In einer fr heren Untersuchung an 50 Patien- ten mit chronischer Polyarthritis ergaben sich aufgrund Diese Arbeit w rde unterst tzt aus Mitteln der Robert-Bosch- Stiftung, Stuttgart. von Urinproteinuntersuchungen mit der Diskelektro- phorese die im Rahmen der Z)-Penicillamintherapie * · . . Λ ν . durchgef hrt wurden Anhaltspunkte fur eine tubulare . 5 ,,. , A1 .. ...... Nierensch digung bei stark entz ndlicher Aktivit t der ,' t- A ., A ^ «-j ι ι ι * u τ τ · Polyarthritis (4). Bei der Diskelektrophorese von Urinen J · 44 u'i« χτ· u»j * + von Patienten mit tubul ren Nierenschaden treten . . _, f charakteristische Mikroprotemfraktionen (T i -T 5 ) auf, w 11 i · uf 1 1 · ι /rcnnA-i η· ^ de Molekulargewicht kleiner als 65 000 ist. Dieppe - - - f^^ · ττ · u + ^ ·* u^«; et al (5) fanden 1 976 im Urin von Patienten mit chroni- t V, ^ - - ^-^ «/ * ^ c w Λ A *,i scher Polyarthntis erh hte Werte des Enzyms N-Acetyl- ^g! uco y saminidas e (EC 3.2.1.30), wobei sie gleich- Ausscheidung von N . A cetyl^ zeigen konnten . N-Acetyl-^-glucos- amiiiidase ist ein lysosomales Enzym, das vor allem in den Epithelzellen der Nierentubuli in hohen Konzen- trationen vorkommt (9). Es wird im Urin von Normal- 0340-076X/80/0018-0053S2.00 ©by Walter de Gruyter & Co. · Berlin - New York

Transcript of 53 Vol. 18,1980, pp. 53-58 - edoc.hu-berlin.de

Page 1: 53 Vol. 18,1980, pp. 53-58 - edoc.hu-berlin.de

Knoll, Wisser und Rautenstrauch: Diskelektrophorese der Urinproteine und N-Acetylglucosaminidaseausscheidung 53

J. Clin. Chem. Clin. Biochem.Vol. 18,1980, pp. 53-58

Vergleichende Untersuchung zur diagnostischen Wertigkeit von Diskelektrophorese der Urinproteineund N-Acetylglucosaminidaseausscheidung zur Erkennung von tubul ren Nierensch digungen beichronischer Polyarthritis1)

Von E. ΚηοΙΙ,Η. Wisser und H. Rautenstrauch

Abteilung f r Klinische Chemie und Abteilung f r Nephrologie, Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart

(Eingegangen am 21. Mai/6. August 1979)

Zusammenfassung: Es wird ein Verfahren zur Bestimmung des Enzyms N-Acetyl-j3-D-glucosaminidase in gelfiltriertenUrinen beschrieben. Die einzelnen Reaktionsparameter wurden berpr ft und die Zuverl ssigkeitskriterien derMethode ermittelt. Die Stabilit t des Enzyms im Urin bei verschiedenen Temperaturen wurde ber einen Zeitraum von6 Wochen untersucht.

Die Ausscheidung der N-Acetyl- -D-glucosaminidase ist - ebenso wie die Analyse der Urinproteine mit der Disk-elektrophorese — eine empfindliche Kenngr e f r renale Sch digungen. An einer Stichprobe von 50 Patienten mitchronischer Polyarthritis wurde ein Vergleich beider Verfahren ber ihre diagnostische Wertigkeit zur Erkennung vonrenalen Sch digungen durchgef hrt. Beide Verfahren sind in ihrer Aussagekraft als gleichwertig anzusehen.

Comparative study of the diagnostic value of disc electrophoresis of urinary proteins and measurement of the excretionof N-acetylglucosaminidase for the detection of renal tubule damage in chronic polyarthritis

Summary: A method is described for the determination of the enzyme N-acetyl^S-ZJ-glucosaminidase in gel-filteredurine. The individual reaction parameters were tested, and the reliability of the method was determined. The stabilityof the enzyme in urine was investigated at different temperatures over a 6 week period.

The excretion of N-acetyl-j3-£)-glucosaminidase, like the analysis of urinary proteins by disc electrophoresis, is asensitive parameter for renal damage. The two methods were compared, using 50 random urine samples from patientswith chronic polyarthritis; both methods were found to have equal diagnostic value.

Einf hrung^. „ A. « · *T * * i>- j- r%-Die Bestimmung von Enzymen im Harn ist fur die Diag-

... ντ- ι ι τ> Α + si\ τ\-nostik von Nierenerkrankungen von Bedeutung (l ). Die'"" ~ . „ . ",~ ^ ",,. ,' ,: * *Enzyme im Harn sind zwar empfindliche, aber uncharak-χ Λ- ·* τ j-i ·* " - V·· Α Ι - u w - · · · · · TVtenstische Indikatoren f r pathologische Vorgange. Die^ χ u ^ Λ · u* i ^ i. * iTatsache, da nicht nur renale, sondern auch extrarenaleC1 , . · * * * i3 · ^-uErkrankungen zu einer gesteigerten Enzymune fuhren-------- -β - β- . . -0^ ^ ^_k nnen, gebietet gro e Vorsicht bei de-r Deutung von_ , - f , κίν T^· τ- j VT- u * -i- u ·Laborbef nden (2). Die Frage der Nierenbetedigung beij t. - t n r *u ·*- · * * ·** f*\' tder chronischen Pdyarthntis ist Dritten (3), msbe-sondere da ein Teil der renalen Ver nderungen Therapie-folgen sind. In einer fr heren Untersuchung an 50 Patien-ten mit chronischer Polyarthritis ergaben sich aufgrund

Diese Arbeit w rde unterst tzt aus Mitteln der Robert-Bosch-Stiftung, Stuttgart.

von Urinproteinuntersuchungen mit der Diskelektro-phorese — die im Rahmen der Z)-Penicillamintherapie* · . . Λν.durchgef hrt wurden — Anhaltspunkte fur eine tubulare. 5 ,,. , A 1 .. ......Nierensch digung bei stark entz ndlicher Aktivit t der

,' t - A .,A^ « - j ^· ι ι ι * u τ τ ·Polyarthritis (4). Bei der Diskelektrophorese von UrinenJ ·4 4 u ' i « χτ· u»j * +von Patienten mit tubul ren Nierenschaden treten. . _ , fcharakteristische Mikroprotemfraktionen (T i -T5) auf,w 11 i · uf 1 1 · ι / r c n n A - i η· ^

de Molekulargewicht kleiner als 65 000 ist. Dieppe- - - f^^ · ττ · u + ^ ·* u^«;et al (5) fanden 1 976 im Urin von Patienten mit chroni-

t V, ^ - - ^-^ «/ * ^ c w Λ A*,ischer Polyarthntis erh hte Werte des Enzyms N-Acetyl-^g!uco

ysaminidase (EC 3.2.1.30), wobei sie gleich-

Ausscheidung von N.Acetyl^zeigen konnten. N-Acetyl-^-glucos-

amiiiidase ist ein lysosomales Enzym, das vor allem inden Epithelzellen der Nierentubuli in hohen Konzen-trationen vorkommt (9). Es wird im Urin von Normal-

0340-076X/80/0018-0053S2.00©by Walter de Gruyter & Co. · Berlin - New York

Page 2: 53 Vol. 18,1980, pp. 53-58 - edoc.hu-berlin.de

54 Knoll, Wisser und Rautenstrauch: Diskelektrophorese der Urinproteine und N-Acetylglucpsaminidaseausscheidung

personen ausgeschieden und in erhöhten Konzentrationenvon Patienten mit Nierenerkrankungen. Auch bei einigenextrarenalen Erkrankungen, wie z.B. Herzstillstand oderHypotonie, treten erhöhte N-Acetyl-|8-/)-glucosaminidase-Konzentrationen auf (6). Nach Therapie mit Amino-glykosiden und einigen Antiphlogistica kommt es eben-falls zu erhöhten Ausscheidungen von N-Acetyl-/W)-glucosamimdase. Zu erwähnen sind hier vor allemGentamycin, das allein oder in Kombination mit anderenAntibiotika nephrotoxisch wirkt (7), sowie die Salicylateab einer Dosierung von etwa 2 g/d (8,9). Aus der Tat-sache, daß auch bei unbehandelten Polyarthritis-Patientenerhöhte Ausscheidungen von N-Acetyl-ß-/)-glucosamini-dase gemessen wurden, kann auf eine Beeinflussung derNierenfunktion durch den rheumatischen Prozeß ge-schlossen werden. In der folgenden Untersuchung wur-den im Urin von Patienten mit chronischer Polyarthritissowohl Bestimmungen von N-Acetyl-jS-D-glucosaminidaseals auch Urinproteinanalysen mit der Diskelektrophoresedurchgeführt mit der Fragestellung, inwieweit disk-elektrophoretische Veränderungen und solche der Aus-scheidung der N-Acetyl-glucosaminidase miteinanderkorrelieren.

Methodik

Die Technik der Diskelektrophorese wurde von Rautenstrauch(4,10) bereits ausführlich beschrieben. Der je nach Proteingehalt100- bzw. 200-fach konzentrierte Urin wurde mit der Flachgel-Elektrophorese-Apparatur von DESAGA2) aufgetrennt. Die Be-stimmung der N-Acetyl-/3-jD-glucosaminidase erfolgte in Anleh-nung an ein von Maruhn (11) publiziertes Verfahren in gelfiltrier-ten. Urinproben. N-Acetyl-0-D-glücosaminidase katalysiert dieHydrolyse des Substrates p-Nitrophenyl-N-acetyl-0-/)-glucos-aminid. Die nach 15 Minuten freigesetzte p-Nitrophenolmengeist proportional der Aktivität der N-Acetyl-ß-D-glucosaminidaseund kann durch Messung der Absorption des p-Nitrophenols bei405 nm bei pH > 10 gemessen werden.

Reagenzien und Lösungen1. Sephadex G-25 M-Fertigsäulen3)2. Natriumchlorid-Lösung, 154 mmol/1 mit und ohne Zusatz von

Natriumazid (200 mg/1).3. Citronensäure/Citrat-Puffer, pH 4,4

56 ml Citronensäure (0,1 mol/1) + 44 ml Trinatriumcitrat-lösung (0,1 mol/1).

4. Substratlösung (10 mmol/1):342,3 mg p-Nitrophenyl-N-acetyl-/J-Z>-glucosaminid4) werdenin 100 ml Citronensäure/Citrat-Puffer (pH 4,4) gelöst. DieSubstratlösung wird zu jeweils 200 -Aliquoten in Eppendorf-Reaktionsgefäßen abgefüllt und bis zum Gebrauch bei -27 °Caufbewahrt. Die Lösung ist über mehrere Wochen stabü.

5. 2-Amino-2-methyl-l-propanoi-Puffer (0,75 mol/1); pH 10,2566,86 g (2-Amino-2-methyi-l-propanol5) werden in 11 Wassergelöst und mit konz. HC1 auf pH 10,25 eingestellt.

Arbeitsweise

2 ml zentrifugierter Urin werden auf Sephadex G-25 M-Fertig-säulen gegeben und mit 5 00 physiologischer NaCl-Lösung ge-waschen; das Eluat wird verworfen. Mit 4 ml der NaCl-Lösungwerden danach die Enzyme von der Säule eluiert. Die Sephadex-2) Fa. C. DESAGA GmbH, Heidelberg3) Pharmacia, Uppsala, Schweden.4) Calbiochem, Giessen/Lahn.s) EGA-Chemie, Steinheim/Albuch.

Säulen weiden mit 10-20 ml NaCl-Lösung - mit einem Zusatzvon 200 mg/1 Natriumazid - regeneriert. 200 der Eluatewerden mit 200 Substratlösung bei 37 °C exakt 15 min in-kubiert. Danach wird die Reaktion durch Zugabe von 2002-Amino-2-methyl-l-propanol-Puffer gestoppt. Das Reaktions-gemisch hat danach einen pH-Wert von etwa 10,2, wobei dasgelbe /7-Nitrophenolat bei 405 nm photometrisch gemessen wer-den kann. Es wird gegen den jeweiligen Probenleerwert gemessen,bei dem der 2^Ami os·2-methyl-l-propano^Puffer schon vor derZugabe des Eluats zur Substratlösung zugegeben wurde, so daßdie enzymatische Spaltung gar nicht stattfinden konnte. Die Be-rechnung erfolgt über den molaren Absorptionskoeffizientendesp-Nitrophenöls (für pH > 10): 18,5 X 103l/mol · cm. Esergibt sich folgende Umrechnungsformel für die katalytischeKonzentration in U/l:

N-Acetyl-/3-£)-glucpsaminidase (U/l) = 21,62

Ab etwa 20 U/l müssen die Proben vor der Messung, verdünntwerden. Das Verfahren wurde kontrolliert durch tägliches Mit-führen von selbst hergestellten Kontrollproben, die bis zurAnalyse bei -27 °C aufbewahrt wurden. Die Aktivität von N-Acetyl-0-jD-glucosaminidase in den Kontrollproben war über denuntersuchten Zeitraum konstant.Das Kollektiv für-die Vergleichsuntersuchung Diskelektro^·phorese/Aktivität von NrAcetyl-j^p-glucosaminidase bestand aus50 Patienten im Alter zwischen 19 und 84 Jahren (42 Frauen,8 Männer), die die Kriterien der American Rheumatism Association(ÄRA) für eine sichere chronische Polyarthritis erfüllten. Ausge-schlossen wurden Patienten mit Nierenerkrankungen (Kreatinin-Clearance < 70 ml/min) und mit Hochdruck. Bei jedem Patientenwurde eine qualitative Harnuntersuchung einschließlich Sediment-beurteilung sowie Keimzahlbestimmung zum Ausschluß einerentzündlichen Erkrankung der ableitenden Harnwege durch-geführt. Untersucht wurden 3 h-Urinproben bei einer Sammekperiode von 6-9.00 Uhr morgens, die Enzymausscheidungwurde auf g Kreätmin bezogen.

Ergebnisse und Diskussion

Es sind eine ganze Reihe von niedermolekularen En-zyminhibitoren und ^aktivatoren bekannt, die im Urinausgeschieden werden und eine Enzymbestimmung innativem Urin erschweren. Das traditionelle Verfahren,diese Störungen zu beseitigen, bestand in der Dialysedes Urins. Besser reproduzierbare Ergebnisse erhieltman jedoch mit den moderneren Verfahren, der Ultra-fdtration (12) und der Gelfiltration (13) der Urine. Wirentschieden uns für die Gelfiltration, da sie einfacherund schneller durchführbar ist.

~ 7 -

l 6•o'5 5*eU) /o A-u3?3o«-2>N

Q» t«f.s

-_

-

l —1 2 :1 4 5 6 7

Eluat [ml]

Abb. 1. Elutionsprofil der N-Acetyl-^-Drgiucosaminidase von derSephadex G-25 M-Säule.

J. Clin. Chem. Clin. Biochem. / VoL 18,1980 / No. l

Page 3: 53 Vol. 18,1980, pp. 53-58 - edoc.hu-berlin.de

Knoll, Wisser und Rautenstrauch: Diskelektrophorese der Urinproteine und N-Acetylglucosaminidaseausscheidung 55

Die Enzyme mit einem Molekulargewicht > 30 000werden in der Lösungsmittelfront eluiert; hierzu gehörtauch N-Acetyl-j3-/?-glucosaminidase, die ein Molekular-gewicht von etwa 168 000 hat. In Abbildung l ist dasElutionsprofil der N-Acetyl-0-Z)-glucosaminidase wieder-gegeben. Es werden 4 ml Eluat gesammelt, von 2,5—6,5 ml, in denen sich die gesamte Aktivität der N-Acetyl-j3-£>-glucosarninidase befindet. Da 2 ml Urin eingesetztwerden, ergibt dies einen Verdünnungsfaktor 2.

Abhängigkeit vom pH-Wert des Citrat-PuffersDie Abhängigkeit der Aktivität von N-Acetyl-)3-Z)-glucos-aminidase vom pH-Wert des Citrat-Puffers wurde anUrinen von Normalpersonen und an Urinen von Patientenmit erhöhter N-Acetyl-j3-^-glucosaminidase-Ausscheidunguntersucht.

Die Ergebnisse sind in Abbildung 2 wiedergegeben. Es er-gibt sich für alle Urine ein relativ breites pH-Optimumvon 4,2—4,6 mit einem Maximum bei pH 4,4.

18

^ 16

«·£CD

c,«i 6

>ä 42

3,6 4,0 4 4,8 5,2PH

Abb. 2. Abhängigkeit der Aktivität von N-Acetyl-/M>-glucoS"aminidase vom pHtWert des Citratpuffers.

Abhängigkeit von der Citratpuffer- und Substrat-KonzefatrationBei der Untersuchung der Abhängigkeit der Aktivität vonder Konzentration des Citratpuffers ergab sich 0^05 mol/1als günstigste Endkonzentration des Puffers im Inku-bationsgemisch. Ab Pufferkönzentrationen von 0,3 mol/1wird die Aktivität von N-Acetyl-/3-Aglucosanynidasestark gehemmt.

Wegen der schlechten löslichkeit des Substrats p- Nitro-phenyl-N-acetyl^jD-glucosaminid konnte nicht bei vollerSättigung des Enzyms mit Substrat gearbeitet werden.Wir verwendeten im Inkubationsgemisch eine Sübstrat-konzentration von 5 mmol/L

60

I 50

§40S·!> 30

i 20l

5.1+9 1*4 2+3 3+2 4+1 unverdünnt

Serumverdünnungen

Abb. 3. N-Acetyl-/?-Z)-glucosaminidase-Aktivität eines Urins beisteigender Verdünnung mit physiologischer NaCl-Lö-sung.

Linearität

Es wurde geprüft, ob eine lineare Abhängigkeit vonkatalytischer Konzentration und Enzymkonzentrationbesteht. Dazu wurde ein Urin mit hoher Aktivität anN-Acetyl-j3-£)-glucosaminidase mit physiologischer NaCl-Lösung verdünnt, und in den einzelnen Urinverdünnungenwurde dann die N-Acetyl-/J-£)-glucosaminidase bestimmt.

Wie Abbildung 3 zeigt, besteht für den untersuchten Kon-zentrationsbereich (unverdünnter Urin bis l: 10-Verdün-nung) eine lineare Abhängigkeit von katalytischer undEnzym-Konzentration.

Stabilität der N-Acetyl-ß-D-glucosaminidaseUrin stellt für Enzyme ein sehr ungünstiges Milieu dar.Der pH-Wert der Urine schwankt erheblich und einEnzym, das bei neutralem pH stabil ist, kann durchausz.B. bei pH 5 inaktiviert werden. Von Wilkinson (2)wurde auf die Möglichkeit einer irreversiblen Enzymin-aktivierung während der Verweildauer des Enzyms inder Harnblase hingewiesen. Außerdem kommen imUrin eine Reihe von — z. T. unbekannten — Enzymin-hibitoren vor. In einer Untersuchung zur Stabilität derN-Acetyl-,0rD*glucosaminidase bei verschiedenen Lage-rungstemperaturen haben wir drei Urine von Patientenmit Polyarthritis über 1,5 Monate in bestimmten Ab-ständen analysiert.Es ist zu sehen, daß sich die N-Acetyl-/J-Z)-glucosamini-dase in den drei Urinen sehr unterschiedlich verhält.Während bei Raumtemperatur (Abb. 4a) im Urin 3 dieN?Acetyl-|3-jDrglucosaminidase über 45 Tage vollkommenstabil bleibt, fällt sie im Urin l nach 4 Tagen ab, und imUrin 2 fällt sie am l. Tag schon auf ein Drittel und am2. Tag auf ein Fünftel der Ausgangsaktivität ab.

Bei - 27 °C ist die Situation kaum wesentlich davonverschieden (Abb. 4b). Der Urin 3 fällt etwas ab, derUrin l ist stabiler, und beim Urin 2 ist der Abfall derN-Acetyl-/3-jD-glucosaminidase etwa gleich stark wie beiRaumtemperatur.Die Lagery ; im Kühlschrank bei etwa 6 °C erweist sichals beste Methode zum Aufbewahren der Urine (Abb. 4c).

J. Clin. Chem. Clin, Bioehem. / Vol. 18,1980 / No. l

Page 4: 53 Vol. 18,1980, pp. 53-58 - edoc.hu-berlin.de

56 Knoll, Wisser und Rautenstrauch: Diskelektrophorese der Urinproteine und N-Acetylglucosaminidaseausscheidung

Raumtemperatur

10 12 14 16 18 20 44 46

2 4 6 8 10 12 H 16 18 20 44 46

60

50-

40

30-

20

10

" 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 44 46t [dl

Abb. 4. Abhängigkeit der N-Acetyl-/?-/)-glucosaminidase-Aktivitätvon der Lagerungszeit des Urins.a) bei Raumtemperaturb) bei - 27 °Cc)bei + 6°C

In den Urinen l und 3 ist die N-Acetyl-ß-Z)-glucosamini-dase über die gesamte Untersuchungszeit stabil, währendauch im Urin 2 vom 2. bis zum 10. Tag der Abfall sehrgering ist. Der Abfall vom 1. auf den 2. Tag dürfte da-durch zu erklären sein, daß die Urine am l. Tag bis zumAliquotieren zu lange bei Raumtemperatur gestandenhaben. Wenn möglich, sollten die Urine aber am Sammel-tag noch analysiert werden.

Wir haben bei dem Methodenvergleich 3 fcUrine gesam-melt — Sammelzeit 6-9.00 Uhr morgens — und amgleichen Tag die Aktivität der N-Acetyl-^D-glucos-.aminidase gemessen. Durch die konstante Sammelzeitsollten Einflüsse einer eventuell vorhandenen circadianenRhythmik, die bei einigen Urinenzymen — vor allem derArylsulphatase A - sehr ausgeprägt ist (14), ausgeschaltetwerden. Außerdem wurde die N-Acetyl-|3-Z)-glucosamini-dase-Ausscheidung auf die Kreatininausscheidung be-zogen, wodurch Einflüsse durch unterschiedliche Diurese.raten eliminiert werden können (6).

Präzision der Bestimmung von N-Acetyl-ß-D-glucos-aminidaseAus den täglich in Doppelbestimmung mitgeführtenKontrollurinen ließ sich die Streuung von Tag zu Tagund die Streuung in der Serie ermitteln: Für die Streuungin der Serie ergab sich bei einem Mittelwert von 7,4 U/lein Variationskoeffizient von 4,3 % (n - 8) und für dieStreuung von Tag zu Tag ein Variatioiiskoeffizient von11,5 % bei dem gleichen Mittelwert (n = 11).

Vergleich von Diskelektrophorese und von N-Acetyl-ß-D-glücosaminidase Ausscheidung bei Patienten mit chro-nischer PolyarthritisDer Normalbereich der Ausscheidung von N-Acetyl-j3-jD-glucosaminidase wurde einer Arbeit vonMaruhn (15)entnommen:Frauen: 0,31-1,58 U/3 h Mediän: 7 U/3 hMänner: 0,26^1,83 U/3 h Median: 8,5 U/3 hDie Ausscheidung von N-Acetyl-ß-D-glucosaminidase istbei den Männern etwas höher. Auf Kreatinin bezogenergaben sich dagegen infolge der höheren Kreatininaus-scheidung bei Männern höhere Aktivitäten von N-Acetyl-0-£>-gJucpsaminidase als bei den Frauen:Frauen: 2,4-10,4 U/g Kreatinin Mediän: 5 U/g KreatininMänner: 1,7- 9,4 U/g Kreatinin Mediän: 4,1 Ü/g Kreatinin

Bei der Untersuchung von 50 Patienten mit chronischerPolyarthritis wurde bei 33 Patienten mit der Diskelektro-phorese eine tubuläre Proteinurie gefunden. Aus dengleichen Urinproben wurde die N^Acetyl-jS-jp-glucos-aminidase bestimmt. Das Ergebnis dieser Untersuchungist in Tabelle l zusammengefaßt.Bei 28 Patienten wurde sowohl eine tubuläre Proteinurieals auch eine erhöhte Ausscheidung von N-Acetyl-j8-D-glucosaminidase gefunden. Je fünfmal stellten wir eine er-höhte Ausscheidung von N-Acetyl-|3-.D-glucosaminidasebei normalen Urinproteifimustern bzw. eine normaleAusscheidung von N-Acetykß-Z)-glucosarninidase bei tubu-lären Proteinurien fest. In 12 Fällen waren sowohl dieDiskelektrophorese als auch die Ausscheidung von N-Acetyl-£Z)-glucosarninidase normal.Nachdem einige Jahre umstritten war, ob die erhöhtenAusscheidungen von N-Acetyl-jS-D-glucosaminidase beiRheumatikern als Folge der Beeinträchtigung der Nieren-funktion durch die Polyarthritis oder als Folge dernephrotoxischen Wirkung der Medikamente zu beurteilenwaren, waren von unseren Patienten besonders diejenigenvon Interesse, die zum Zeitpunkt der Klinikaufnahmeohne Basis- bzw. symptomatische Therapie waren (Basis*therapie Gold und Penicillamin). Insgesamt 16 Patienten(Nr. 1-1-6 der Tabelle 1) erfüllten obige Bedingung: 7hatten zum Zeitpunkt der Klinikaufnahme nach ana-mnestischen Angaben keine Therapie erhalten, und bei 9Patienten lag die Bäsistherapie mit Gold und D-PenicÜl-amin Monate oder Jahre zurück. Bei 13 dieser 16 Patientenergab sich eine Übereinstimmung zwischen Urinprotein-muster, Ausscheidung von N-Acetyl^jD-glucosaminidase

J. Clin. Ghem. Clin. Biochem. / Vol. 18,1980 / No. l

Page 5: 53 Vol. 18,1980, pp. 53-58 - edoc.hu-berlin.de

Knoll, Wisser und Rautenstrauch: Diskelektrophorese der Urinprotcine und N-Acelylglucosaminidaseausscheidung 57

Tab. l. Einzelergebnisse von Diskelektrophorese und Ausscheidung von N-Acetyl-0-£-glucosajmnidasc (NAG) bei 50 Patienten mitchronischer Polyarthritis. BSG == Blutkörperchen-Senkungs-Geschwindigkeit nach Westergreen

Pat.Nr.

Alter Disk·Elektrophorese1 )

N-Acetyl-0-D-glucosaminidaseU/gKreatinin

BSGmm

VergleichNAG/Disk-Elektro-phorese2)

123456789

1011121314151617181920212223242526272829303132333435363738394041424344454647484950

' )Atig

5874546843637250536978486725725873723133726958733932575564586659787367686142502284731970646165726570

= Albumin= tubuläres Immunglobulin

AtIgT,-.3GI — 3 A Tj— 3

A tlgTj—3A tlg T, -3A tlg TI — 3AA tIgTj-3A

GI — 3 A T2— 3AAtigTi-3

AtlgT-II jAAtigT,-3At lgTj-3AA tlg T, -3AA T2-3AtIgT2-2A T2-3A T,-3A T3AA tlgAAA T2-3AAtIgT,-3AA T,-3

A Ti-3A T2-3AtIgTj-3AAAA T2-3A T2-3A tlg T! -3AA

GI — 3 AAtlgTi— 3A tlg T! -3

T!-3GI A TI — 3G! A Tj-3

86,930,82,4

70,82,0

15,023,0

3,021,42,0

11,599,223,1

6,745,0

203,01,9

42,45,89,6

14,621,67,5

27,00,85,4

10,425,028,410,423,0

3,515,027,624,228,320,04,64,7

22,920,261,222,010,212,456,422,935,823,7

381,0

123/127 +66/102 +15/ 4797/126 +45/ 8070/108

110/135 +15/ 41 +28/ 58 +91/133 +

118/145 +80/1 20 +

135/155 +9/28 +

78/121 +90/1 30 +14/ 36 +23/ 55 +65/109 +60/110

110/146 +50/ 70 +

5/ 1484/121 +

3/ 10 +2 / 6

71/114 +61/10110/ 23 +71/114 +

110/135 +26/ 45 +78/121 +72/100 +99/13837/ 70 +

115/1293 / 9 +S/ 19 +

37/53 +38/ 69 +95/130 +34/ 735/ 17 +

100/14670/100 +S6/ 90 +85/148 +62/ 97 +

120/142 +

MikroprpteineG!—3= Makroproteine

?)+ = Übereinstimmung zwischen Ausscheidung und Diskelektrophorese.- = Erhöhte Ausscheidung von N-Acetyl-^Z>-glucosaminidase bei normaler Diskelektrophorese bzw. normale Ausscheidung von

N-Acetyl-ß-JDrglucosaminidase bei tubulärer Proteinurie.

und Krankheitsaktivität. Dies ist eine Bestätigung derBefunde von Dieppe et al. (5), daß die chronische Poly-arthritis eine Schädigung der Nierenfunktion zur Folgehat.Bei einer abschließenden Beurteilung der Aussagekraftvon Diskelektrophorese und Ausscheidung von N-Acetyl-

/3-/3-glucosaminidase zur Erkennung von tubulärenNierenschädigungen sind diese beiden Verfahren in etwaals gleichwertig anzusehen; die schnellere und einfachereDurchführbarkeit der Bestimmung von N-Acetyl-ß-£>-glucosarninidase ist jedoch ein gewichtiges Argumentfür diese Methode.

J. Clin. Chem. Clih. Biochem. / Vol. 18,1980 / No. l

Page 6: 53 Vol. 18,1980, pp. 53-58 - edoc.hu-berlin.de

58 Knoll, Wisser und Rautenstrauch: Diskelektrophorese der Urinproteine und N-Acetylglucosaminidaseausscheidung

Literatur

1. Raab, W. P. (1972): Clin. Chem. 18, 5-25.2. Mattenheimer, H. (1974) in: Methoden der enzymatischen

Analyse, 3. Auflage, (Bergmeyer, ed.) H. U. Verlag Chemie,Weinheim/Bergstr., S. 64-74.

3. Salomon, M. L, Gallo, G., Poon, T. P., Goldblat, M. V. &Tchertkoff, V. (1974): Nephron 12, 297-310.

4. Rautenstrauch, H. (1977): Z. Rheumatoi. 36, 239-246.5. Dieppe, P. A., Doyle, D. V., Burry, H. C. & Tucker, S. M.

(1976): Brit. Med. J. 1976/1, 611-612.6. Wellwood, J. M., Ellis, B. G., Price, R. G., Hammond, K.,

Thompson, A. E. & Jones, N. F. (1975): Brit. Med. J.1975/111,408-411.

7. Wellwood, J. M., Simpson, P. M., Tighe, J. R. & Thompson,A. E. (1975): Brit. Med. J. 1975/111, 278-281.

8. Burry, H. C., pieppe, P. A., Breshnihan, F. B. & Brown, C.(1976): Brit. Med. J. 1976/1, 613-615.

9. Dieppe, P. A., Doyle, D, V. & Burry, H. C. (1978): Brit. Med.J. 1978, 664.

10. Rautenstrauch, H. (1977): Z. Klin. Chem. Klin. Biöchem. 75,333-337.

11. Marühn, D. (1976): CUn. Chim. Acta 73,453-461.12. Werner, M. & Gabrielson, D. (1977): Clin. Chem. 23, 700-704.13. Werner, M., Marühn, D. & Atoba, M. (1969): J. Chromatog.

40, 254-263.14. Marühn, D., Strozyk, K., Gielow, L. & Bock, K. D. (1977):

Clin. Chim. Acta 75,427-433.15. Maruhn, D., Fuchs, L, Mues, G. & Bock, K. D. (1976): Clin.

Chem. 22,1567-1574.

Dr. E. KnollAbteilung für Klinische ChemieRobert-Bosch-KrankenhausAuerbachstr. 110D-7000 Stuttgart 50

J. Clin. Chem. Clin. Biöchem. / Vol. 18.» 1980 / No. I