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1 Kombinatorische Abz¨ ahlprobleme und erzeugende Funktionen Im ersten Kapitel werden kombinatorische Abz¨ ahlprobleme behandelt. Die Problemstel- lung lautet hier normalerweise folgendermaßen: Gegeben sei eine Menge A von kom- binatorischen Objekten, wobei jedem Objekt aus der Menge ein Gewicht |σ| A N 0 zugeordnet wird. Nun gilt es, zu bestimmen, wieviele Objekte mit einem gegebenen Gewicht in der Menge A enthalten sind. 1.1 Bin¨ arb¨ aume Als erstes Beispiel und als Einf¨ uhrung in die Thematik betrachten wir im folgenden Ab- schnitt eine in der diskreten Mathematik und Informatik wichtige Menge von Objekten, die Bin¨ arb¨ aume. Definition 1.1.1 (Bin¨ arbaum). Ein Bin¨arbaum ist entweder ein externer Knoten (auch Blatt genannt) oder ein interner Knoten mit einem linken und einem rechten Teil- bin¨arb¨aum, wobei es auf die Reihenfolge ankommt. Die Menge B ist die Menge aller Bin¨arb¨aume. Rekursiv kann man die Menge der Bin¨ arb¨ aume folgendermaßen definieren: B = ext. Knoten z}|{ {} ˙ Wurzelknoten z }| { {} × linker Teilbaum z}|{ B × rechter Teilbaum z}|{ B Die induktive Definition lautet: B ist die kleinste Menge, f¨ ur die gilt: 1. ∈B (externer Knoten) 2. Aus l ∈B, r ∈B folgt (,l,r) ∈B 1

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1 Kombinatorische Abzahlproblemeund erzeugende Funktionen

Im ersten Kapitel werden kombinatorische Abzahlprobleme behandelt. Die Problemstel-lung lautet hier normalerweise folgendermaßen: Gegeben sei eine Menge A von kom-binatorischen Objekten, wobei jedem Objekt aus der Menge ein Gewicht |σ|A ∈ N0

zugeordnet wird. Nun gilt es, zu bestimmen, wieviele Objekte mit einem gegebenenGewicht in der Menge A enthalten sind.

1.1 Binarbaume

Als erstes Beispiel und als Einfuhrung in die Thematik betrachten wir im folgenden Ab-schnitt eine in der diskreten Mathematik und Informatik wichtige Menge von Objekten,die Binarbaume.

Definition 1.1.1 (Binarbaum). Ein Binarbaum ist entweder ein externer Knoten (auchBlatt genannt) oder ein interner Knoten mit einem linken und einem rechten Teil-binarbaum, wobei es auf die Reihenfolge ankommt. Die Menge B ist die Menge allerBinarbaume.

Rekursiv kann man die Menge der Binarbaume folgendermaßen definieren:

B =

ext. Knoten︷︸︸︷{�} ∪

Wurzelknoten︷︸︸︷{©} ×

linker Teilbaum︷︸︸︷B ×

rechter Teilbaum︷︸︸︷B

Die induktive Definition lautet:B ist die kleinste Menge, fur die gilt:

1. � ∈ B (externer Knoten)

2. Aus l ∈ B, r ∈ B folgt (©, l, r) ∈ B

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Beispiele fur Binarbaume

Datenstruktur Trie

Ein Trie ist ein binarer Baum, in dem die Daten in den Blattern (externen Knoten)gespeichert werden. Die den Daten zugeordneten Schlussel sind 0-1-Folgen. Der Zugriffs-pfad wird durch den kurzesten eindeutigen Anfangsabschnitt (Prafix) des Schlusselsfolgendermassen festgelegt: 1 .. Datum befindet sich im rechten Teilbaum, 0 .. Datumbefindet sich im linken Teilbaum.

Beispiel 1. Trie mit 5 Schlusseln.

K1 10100010K2 01101111K3 10111001K4 10010100K5 00010100

K1

K2

K3

K5

K4

0

0 1

1

0

0 1

0 1

Anzahl der Klammerungen eines Termes

Gegeben ist eine binare Operation ◦, die nicht assoziativ ist.Nun betrachtet man einen zu den Variablen x1, x2, . . . , xn den Ausdruck

x1 ◦ x2 ◦ . . . ◦ xn.

Dieser ist, da die Operation nicht assoziativ ist, nur sinnvoll, wenn man die Klammerungdazu angibt, z.B.:

(((x1 ◦ x2) ◦ (x3 ◦ x4)) ◦ x5)

Nun stellt sich die Frage, wieviele zulassige Klammerungen es gibt. Man stellt fest, dassman jedem Klammerausdruck mit n Variablen in umkehrbahr eindeutiger Weise einen

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Binarbaum mit n Blattern zuordnen kann. Die Anwendung des Operators wird durchinterne Knoten reprasentiert, die externen Knoten entsprechen den Variablen.

Da die oben genannte Bijektion existiert, ist die Frage nach der Anzahl der gultigenKlammerungen aquivalent zu der Frage, wieviele verschiedene Binarbaume mit n exter-nen Knoten es gibt.

Lemma 1.1.2. Ein Binarbaum mit n internen Knoten besteht aus n+ 1 externen Kno-ten.

Proof. Vollstandige Induktion nach der Anzahl der internen Knoten.n = 0: Ein Baum mit 0 internen Knoten besteht aus 1 externen Knoten.n→ n+ 1: Ein Baum mit n+1 internen Knoten entsteht aus einem Baum mit n internenKnoten, indem ein externer Knoten durch einen internen Knoten mit 2 externen Knotenersetzt wird. Dieser Baum besteht also aus 1 zusatzlichen internen und 1 zusatzlichenexternen Knoten.

Sei nun

an := Anzahl der zulassigen Klammerungen von x1 ◦ x2 ◦ . . . ◦ xn+1 (n mal ◦)bn := Anzahl der Binarbaume mit n+ 1 externen Knoten

cn := Anzahl der Binarbaume mit n internen Knoten

dann gilt wegen des Lemmas und der Bemerkung uber die Bijektion:

an = bn = cn n ≥ 0.

Nun stellt sich die Frage, wie man diese Anzahlen bestimmen kann.

1. Idee: Man erstellt eine Liste von an fur kleine Indizes n und versucht, eine Aufzahl-formel zu erraten und diese dann mit vollstandiger Induktion zu beweisen.

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a0=1 a1=1 a2=2

a3=5

Hier erkennt man auf den ersten Blick keine einfache Anzahlformel.

2. Idee: Man versucht, eine Rekursionsformel fur an zu gewinnen, und die Rekursion zulosen.

In userem Beispiel betrachten wir nun einen Klammerausdruck mit n + 1 Operations-symbolen ◦. (Variablen x1, x2, . . . , xn2). Wenn man definiert, dass eine alleinstehende Va-riable ein Klammerausdruck mit 0 Operationssymbolen ist, ergeben sich durch Auflosender außersten Klammer folgende Moglichkeiten (k, n− k . . . Anzahl der Operationssym-bole): ( . . .︸ ︷︷ ︸

k

)◦

. . .︸ ︷︷ ︸n−k

mit 0 ≤ k ≤ n

Dadurch erhalt man die folgende Rekursionsformel:

an+1 =n∑k=0

ak · an−k fur n ≥ 0, a0 = 1

Wie lost man nun diese Rekursion?

Idee: Man betrachtet ein (scheinbar) komplizierteres Problem, das aber auf eine einfache-re Rekursion fuhrt. In diesem Fall betrachten wir nun eine binare Operation ◦, die nichtassoziativ und nicht kommutativ ist, und sehen uns die zulassigen Klammerausdrucke,die aus x1, . . . , xn gebildet werden konnen, an.

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Da die Operation nun nicht kommutativ ist, gilt (x ◦ y) 6= (y ◦ x). Beispielsweise sehendie gultigen Klammerausdrucke mit 3 Variablen x1, x2, x3 folgendermaßen aus:

((x1 ◦ x2) ◦ x3), ((x2 ◦ x1) ◦ x3),

((x1 ◦ x3) ◦ x2), ((x3 ◦ x1) ◦ x2),

((x2 ◦ x3) ◦ x1), ((x3 ◦ x2) ◦ x1),

(x1 ◦ (x2 ◦ x3)), (x1 ◦ (x3 ◦ x2)),

(x2 ◦ (x1 ◦ x3)), (x2 ◦ (x3 ◦ x1)),

(x3 ◦ (x1 ◦ x2)), (x3 ◦ (x2 ◦ x1))

Sei an := Anzahl der zulassigen Klammerausdrucke, die man fur die nicht assoziativeund nicht kommutatiive Operation ◦ und die Variablen x1, . . . , xn+1 erhalten kann.

Da bei der nicht kommutativen Operation die Reihenfolge der Variablen von Relevanzist, und es n! Anordnungen der n Variablen bei gegebener Klammersetzung gibt, bestehtder folgende Zusammenhang zwischen an und an:

an = an · (n+ 1)!

Um nun eine Rekursion fur an zu erhalten, betrachtet man, auf wieviele Arten manaus einem Klammerausdruck mit n Variablen x1, x2, . . . , xn einen Klammerausdruck mitn+ 1 Variablen durch hinzufugen von xn+1 erhalten kann.

((((xi1 ◦ xi2) ◦ xi3) ◦ (xi4 ◦ xi5)) ◦ . . .) i .. Permutation von {1..n}

1. Ersetzen von xi durch (xi ◦ xn+1) . . .n Moglichkeiten.

2. Ersetzen von xi durch (xn+1 ◦ xi) . . .n Moglichkeiten.

3. Verknupfung eines vorhandenen Klammerausdrucks mit xn+1 von links . . .n − 1Moglichkeiten.

(. . .)→ (xn+1 ◦ (. . .))

4. Verknupfung eines vorhandenen Klammerausdrucks mit xn+1 von rechts . . .n− 1Moglichkeiten.

(. . .)→ ((. . .) ◦ xn+1)

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Insgesamt gibt es also 4n−2 Moglichkeiten, um aus einem zulassigen Klammerausdruckmit n Variablen einen zulassigen Klammerausdruck mit n + 1 Variablen zu erzeugen,und man erhalt fur an die folgende Rekursionsformel:

an = (4n− 2)an−1 , n ≥ 1 , a0 = 1

an =an

(n+ 1)!=

4n− 2

n+ 1· an−1

n!=

4n− 2

n+ 1· an−1 , a0 = 1

Losen der Rekursion durch Iterieren liefert:

an =4n− 2

n+ 1· 4n− 6

n· 4n− 10

n− 1· . . . · 2

2· a0︸︷︷︸

1

=2n · (2n− 1)(2n− 3) · . . . · 1

(n+ 1)!

=2n · (2n− 1)(2n− 3) · . . . · 1 · (2n)(2n− 2) · . . . · 2

(n+ 1)! · (2n)(2n− 2) · . . . · 2=

2n · (2n)!

(n+ 1)! · 2n · n!

=1

n+ 1

(2n

n

)

Damit ist das Abzahlproblem fur Binarbaume gelost. Da der Ergebnisausdruck in derKombinatorik oft vorkommt, werden wir ihn von nun an folgenermaßen bezeichnen:

Definition 1.1.3. Fur n ≥ 0 heißt Cn := 1n+1

(2nn

)die n. Catalan-Zahl.

Die eben vorgestellte Losungsvariante hat zwar ohne Zweifel zum Ziel gefuhrt, aller-dings verlangt sie dem Mathematiker einiges an Kreativitat ab. Zum Gluck gibt es einenschonen systematischen Ansatz zur Abzahlung von kombinatorischen Objekten. Dieserwurde von L. Euler entwickelt und heißt die Methode der erzeugenden Funktio-nen.

Um einen ersten Vorgeschmack auf die Leistungsfahigkeit dieser Methode zu bekommen,soll sie anhand des gerade behandelten Problems vorgefuhrt werden.

Das Cauchy-Produkt formaler Potenzreihen ist folgendermaßen definiert:(∑n≥0

an · zn)·

(∑n≥0

bn · zn)

=∑n≥0

(n∑k=0

ak · bn−k

)zn

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Ausgehend von der fruher gefundenen Rekursionsformel

an+1 =n∑k=0

ak · an−k , fur n ≥ 1, a0 = 1

geht man zur erzeugenden Funktion dieser Folge uber. Die erzeugende Funktion A(z)ist die formale Potenzreihe in z, deren Koeffizienten den Folgengliedern an entsprechen,also gilt mit A(z) :=

∑n≥0 an · zn:

∑n≥0

an+1 · zn =∑n≥0

n∑k=0

ak · an−k︸ ︷︷ ︸cn

zn

Die Koeffizienten cn entsprechen dabei dem Koeffizienten des Cauchy-Produkts A(z) ·A(z).

Also gilt:

∑n≥0

an+1 · zn =

(∑n≥0

an · zn)·

(∑n≥0

an · zn)⇐⇒

∑n≥0

an+1 · zn+1 = z ·

(∑n≥0

an · zn)·

(∑n≥0

an · zn)⇐⇒(∑

n≥0

an · zn)− a0 · z0 = z ·

(∑n≥0

an · zn)·

(∑n≥0

an · zn)⇐⇒

A(z) = a0 + z · A(z) · A(z)⇐⇒−z · A(z)2 + A(z)− 1 = 0⇐⇒

A(z) =1±√

1− 4z

2z

Da A(0) = a0 ist, muss wegen a0 = 1 gelten, dass

A(z) =1−√

1− 4z

2z

Um nun die gewunschten Koeffizienten an zu ermitteln, benotigt man noch ein paarBegriffe.

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Definition 1.1.4. Sei A(z) =∑

n≥0 an · zn, dann bezeichnet [zn]A(z) := an den n-tenKoeffizienten der Potenzreihe A(z).

Bemerkung 1.1.5. Ist R ein Korper, so ist sowohl R[[z]] als auch R ein R-Vektorraum,und [zn] (.) ist eine surjektive lineare Abbildung.

Lemma 1.1.6 (Binomischer Lehrsatz). Sei z ∈ C, α ∈ R, dann gilt:

(1 + z)α =∑n≥0

n

)zn mit Konvergenzradius

{1 fur α ∈ R \ N∞ fur α ∈ N.

Nun gilt ∀n ≥ 0:

[zn]1√

1− 4z= [zn] (1− 4z)−

12 = [zn]

∑n≥0

(−1

2

n

)(−4z)n =

(−1

2

n

)· (−1)n · 2n · 2n

=−1

2·(−1

2− 1)·(−1

2− 2)· . . . · −

(12− (n− 1)

)1 · 2 · . . . · n

· (−1)n · 2n · 2n

=12· 3

2· 5

2· . . . · 2n−1

2

1 · 2 · . . . · n· 2n · 2n =

1 · 3 · 5 · . . . · (2n− 1)

1 · 2 · . . . · n· 2n

=(1 · 3 · 5 · . . . · (2n− 1)) · (1 · 2 · . . . · n)

(1 · 2 · . . . · n) · (1 · 2 · . . . · n)· 2n

=(1 · 3 · 5 · . . . · (2n− 1)) · (2 · 4 · . . . · 2n)

(1 · 2 · . . . · n) · (1 · 2 · . . . · n)

=(2n)!

n! · n!=

(2n

n

)

Daher folgt fur an mit n ≥ 0:

an = [zn]A(z) = [zn]1−√

1− 4z

2z=

1

2

[zn+1

] (1−√

1− 4z)

=1

2

[zn+1

] (−√

1− 4z)

=1

2

[zn+1

](4z − 1) · 1√

1− 4z= 2 [zn]

1√1− 4z

− 1

2

[zn+1

] 1√1− 4z

= 2

(2n

n

)− 1

2

(2(n+ 1)

n+ 1

)= 2 · (2n)!

n! · n!− 1

2· (2n+ 2)!

(n+ 1)! · (n+ 1)!

= 2 · (2n)!

n! · n!− (2n+ 2) · (2n+ 1)

2 · (n+ 1) · (n+ 1)· (2n)!

n! · n!

= (2− 2n+ 1

n+ 1)

(2n

n

)=

(2n+ 2)− (2n+ 1)

n+ 1

(2n

n

)=

1

n+ 1

(2n

n

)= Cn

Insgesmant erhalt man also die selbe Losung wie bei der Rekursionsmethode. DieserAnsatz mag zwar auf den ersten Blick nicht einfacher erscheinen, doch in den folgen-den Kapiteln wird offenbart, warum die erzeugenden Funktionen fur kombinatorischeAbzahlprobleme wie das eben Betrachtete sehr gut geeignet ist.

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1.2 Operationen mit Erzeugenden Funktionen

Gegeben sei eine Folge (an)n≥0. Wir nennen die formale Potenzreihe (also ohne Ruck-sicht auf Konvergenzfragen) A(z) =

∑n≥0 anz

n die gewohnliche erzeugende Funktionder Folge.

Definition 1.2.1. Sei R ein Ring, definiere R[[z]] ={∑

n≥0 anzn, an ∈ R

}, also die

Menge der formalen Potenzreihen. Auf dieser Menge lassen sich Operationen definieren:

+(∑

n≥0 anzn)

+(∑

n≥0 bnzn)

:=∑

n≥0(an + bn)zn

·(∑

n≥0 anzn)·(∑

n≥0 bnzn)

:=∑

n≥0(∑n

k=0 akbn−k)zn

Lemma 1.2.2. Damit wird die Struktur 〈R[[z]],+, ·〉 ebenfalls zu einem Ring. Es giltsogar noch mehr denn fur den Fall, dass R ein Integritatsbereich ist, ubertragen sich dieNullteilerfreiheit und die Kommutativitat; es ergibt sich wieder ein Integritatsbereich.

Fur den ublichen Fall dass R ein Korper ist, man erhalt zwar keinen Korper, jedoch hateine formale Potenzreihe ein inverses Element bezuglich der Multiplikation genau dann,wenn der erste Koeffizient a0 von 0 verschieden ist.

Proof. (∑n≥0

anzn

(∑n≥0

bnzn

)= 1z0 + 0z1 + 0z2 + · · ·

∑n≥0

(n∑k=0

akbn−k

)zn =

a0b0z0 + (a0b1 + a1b0)z1 + · · · =

Koeffizientenvergleich liefert das unendliche lineares Gleichungssystem(n∑k=0

akbn−k = δn,0

)n≥0

welches rekursiv gelost werden kann:

a0b0 = 1 b0 =1

a0

a0b1 + a1b0 = 0 b1 = −a1b0

a0

. . .

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1.2.1 Nutzliche Zusammenhange zwischen Folgen und erzeugendenFunktionen

(an) + (bn) ←→ A(z) +B(z)

(∑n

k=0 akbn−k) ←→ A(z) ·B(z)

(nan) ←→ zA′(z) 1

(n2an) ←→ z (zA′(z))′

(a0, 0, a2, 0, a4, . . .) ←→ A(z) + A(−z)

2

(0, a1, 0, a3, 0, . . .) ←→ A(z)− A(−z)

2

als Spezialfalle der Multiplikation ergeben sich noch:

(an) = (bn)⇒ (∑n

k=0 akan−k) ←→ A2(z)

(bn) = (1, . . .)⇒ (∑n

k=0 ak)Partialsummenfolge

←→ A(z)1

1− z

1.2.2 Wichtige Potenzreihendarstellugen von Funktionen

ez =∑n≥0

zn

n!R =∞

(1 + z)α =∑n≥0

n

)zn

R =∞ fur α ∈ NR = 1 fur α ∈ R \ N

log(1 + z) =∑n≥0

(−1)n+1 zn

nR = 1

1.2.3 Beispiele fur die Verwendung von erzeugenden Funktionen

Beispiel 2. Potenzsummenformeln wie die Gausche Summenformel lassen sich durchvollstandige Induktion leicht beweisen. Es soll jedoch am Beispiel der Quadratzahlsummegezeigt werden, wie eine solche Formel hergeleitet werden konnte.

12 + 22 + 32 + · · ·+ n2 =n(n+ 1)(2n+ 1)

61Fur die Ableitung definieren wir (analog zu analytischen Funktionen) A′(z) :=

∑n≥0 nanz

n−1 undsomit gilt zA′(z) =

∑n≥0(nan)zn.

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Proof. Ausgehend von der konstanten 1-Folge erhalt man die Folge der Quadratzahlen(an)n≥0 = (1, 2, 4, . . .) durch zweimalige Multiplikation mit dem Index n. Fur die erzeu-

gende Funktion bedeutet das A(z) =∑

n≥0 n2zn = z

(z(∑

n≥0 zn)′)′

. Wir suchen nun

die Partialsummenfolge der an:

cn :=n∑k=0

k2 =n∑k=0

ak · 1

l

C(z) =1

1− zA(z)

=1

1− zz

(z

(1

1− z

)′)′=

1

1− zz

(z

(1− z)2

)′=z(1 + z)

(1− z)4

Fur die Ruckfuhrung in die Welt der Folgen wird zunachst noch eine Identitat fur Bino-mialkoeffizienten benotigt. Das Vorzeichen des ersten Faktors kann umgedreht werden,indem aus jedem Faktor des Zahlerprodukts −1 herausgehoben, und die Multiplikati-onsreihenfolge vertauscht wird:(−rk

)=

(−r)(−r − 1) · · · (−r − k + 1)

k!

= (−1)kr(r + 1) · · · (r + k − 1)

k!= (−1)k

(r + k − 1

k

). (1.1)

Nun kann man die Folge durch Ablesen der Koeffizienten der erzeugenden Funktionerhalten.

cn = [zn]C(z) = [zn−1]1 + z

(1− z)4= [zn−1]

1

(1− z)4+ [zn−2]

1

(1− z)4

=

(−4

n− 1

)(−1)n−1 +

(−4

n− 2

)(−1)n−2

(1.1)=

(4 + n− 1− 1

n− 1

)+

(4 + n− 2− 1

n− 2

)=

(n+ 2

n− 1

)+

(n+ 1

n− 2

)=

(n+ 2

3

)+

(n+ 1

3

)=

(n+ 2)(n+ 1)n

6+

(n+ 1)n(n− 1)

6

=n(n+ 1)

6(2n+ 1)

Beispiel 3. Ein weiteres Beispiel ohne hier die Kombinatorische Interpretation zu be-achten: Gesucht ist cn :=

∑nk=0

(m+kk

). Die Folge der Summenglieder sei wieder an,

dann gilt fur ihre erzuegende Funktion unter Anwendung der selben Binomialidentitat

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wie oben:

A(z) =∑n≥0

azzn =

∑n≥0

(m+ n

n

)zn

(1.1)=∑n≥0

(−m− n+ n− 1

n

)(−1)nzn

=∑n≥0

(−m− 1

n

)(−z)n = (1− z)−m−1.

Die cn sind wieder die Partialsummenfolge, in der Entsprechung fur erzeugende Funk-tionen:

C(z) =1

1− zA(z) = (1− z)−m−2

Ablesen der Koeffizienten liefert das Ergebnis:

cn = [zn](1− z)−m−2 =

(−m− 2

n

)(−1)n =

(m+ 2 + n1

n

)=

(m+ n+ 1

m+ 1

).

1.3 Operatormethode fur kombinatorische Objekte underzeugende Funktionen

Sei A eine Familie kombinatorischer Objekte. Jedem Element σ ∈ A sei ein Gewicht|σ|A ∈ N0 zugeordnet. Beispielsweise fur die Familie B der Binomialbaume konnte mandefinieren:

• Anzahl der internen Knoten (das naturliche Gewicht)

• Anzahl der Blatter (externen Knoten)

• Anzahl aller Knoten

• Anzahl der Unterbaume mit ≤ 1000 Knoten

In letzterem Fall wurden wir Probleme bekommen und fordern deshalb zusatzlich an ∈ N,wobei wir analog zu oben definieren an := |{σ ∈ A : |σ|A = n}|.

Angenommen, wir hatten nun einen Strukturzusammenhang zwischen den kombinato-rischen Familien A,A1,A2, . . . wobei wir diesen Zusammenhang durch einen Operatorausdrucken wollen:

A = Φ(A1,A2, . . .).

Wenn wir nun auf die erzeugenden Funktionen (A(z), A1(z), A2(z), . . .) ubergehen, lasstsich dieser Strukturzusammenhang dann in die Form

A(z) = Ψ(A1(z), A2(z), . . .)

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ebenfals ubersetzen? Welche kombinatorischen Objekte lassen sich einfach ubertragen,bzw. wann ist ein solcher Zusammenhang herstellbar?

1.3.1 Operator zur disjunkten Vereinigung

Wir betrachten die disjunkte Vereinigung zweier Familien A,B, A ∩ B = ∅. Sei C :=A ∪ B = {σ : σ ∈ A ∨ σ ∈ B}. Fur die Gewichte verwenden wir nun sinnvollerweise

|σ|C :=

{|σ|A falls σ ∈ A|σ|B sonst

Diese Zuordnung ist wohldefiniert und eindeutig. Sei nun cn := |{σ ∈ C : |σ|C = n}|, ana-log an und bn fur A und B. Dann gilt cn = |{σ ∈ A : |σ|A = n}+ {σ ∈ B : |σ|B = n}| =an + bn und fur die Erzeugenden Funktionen C(z) = A(z) + B(z). Die disjunkte Verei-nigung entspricht also der Addition der Erzeugenden Funktionen, Φ = ∪ ↔ Ψ = +.

1.3.2 Operator kartesichses Produkt

Betrachten wir das kartesische Produkt C = A × B = {(σ1, σ2) : σ1 ∈ A, σ2 ∈ B} mitdem Gewicht |(σ1, σ2)| := |σ1|A︸ ︷︷ ︸

k

+ |σ2|B︸︷︷︸n−k

. cn sei wiederum die Anzahl der Elemente in C

mit Gewicht n. Dann gilt:

cn =n∑k=0

ak · bn−k

lC(z) = A(z) ·B(z)

Beispiel 4. Binarbaume BSei |σ|B die Anzahl der internen Knoten in σ, bn die Anzahl der Binarbaume mit ninternen Knoten und B(z) =

∑n≥0 bn · zn.

B =

ext. Knoten︷︸︸︷{�} ∪

Wurzelknoten︷︸︸︷{©} ×

linker Teilbaum︷︸︸︷B ×

rechter Teilbaum︷︸︸︷B

lB(z) = 1 · z0 + 1 · z1 ·B(z) ·B(z)

B(z) = 1 + z ·B(z)2

⇒ B(z) =1−√

1− 4z

2z

13

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Beispiel 5. Sei B die Familie der Binarbaume, bei denen es keine Unterscheidung zwi-schen internen und externen Knoten gibt. Sei |σ|B die Anzahl der Gesamtknoten (also

int. + ext.) in σ, bn die Anzahl der Binarbaume mit n Gesamtknoten und B(z) =∑n≥0 bn wobei gilt b0 = 0.

B = {©} ∪ {©} × B × Bl

B(z) = 1 · z1 + 1 · z1 · B(z) · B(z)

B(z) = z + z · B(z)2

⇔ z · B(z)2 − B(z) + z = 0

B(z) =1±√

1− 4z2

2z⇒ B(z) =

1−√

1− 4z2

2z

Somit gilt B(z) = z ·B(z2).

bn = [zn]B(z) = [zn−1]B(z2) =

1

k+1

(2k

k

)fur n− 1 = 2k gerade

0 fur n− 1 ungerade, (d.h. n gerade)

[zn]B(z) = 1n+1

(2nn

)

1.3.3 Operator endliche Folgen

Betrachten wir weiters endliche Folgen:C = A∗, das sind alle endlichen Folgen von Objekten aus A einschließlich E , d.h. einerFolge der Lange 0. Als Voraussetzung muss gelten, dass A kein Objekt mit Gewicht 0enthalt, d.h. a0 = 0. Sei σ︸︷︷︸

∈C

= ( σ1︸︷︷︸∈A

, σ2︸︷︷︸∈A

, . . . , σk︸︷︷︸∈A

), mit Gewicht |(σ1, σ2, . . . , σk)|C :=

|σ1|A + |σ2|A + · · ·+ |σk|A und |E|C := 0.Es gilt:

C = {E} ∪ A ∪ A ×A ∪ A ×A×A ∪ . . .= {E} ∪ A ∪ A2 ∪ A3 ∪ . . .l

C(z) = 1 · z0 + A(z) + A(z)2 + A(z)3 + · · · =∞∑k=0

A(z)k

14

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A(z) =∑

n≥0 an · zn

Unter der Voraussetzung an = 0 ist∑

k≥0A(z)k im Ring der formalen Potenzreihensinnvoll erklart (zulassig), weil gilt:

[zn]∑k≥0

A(z)k = [zn]n∑k=0

A(z)k

A(z) = a1z + a2z2 + . . .

A(z)k = ak1zk + . . .

Es gilt weiter: C(z) = 11−A(z)

. Dies ist zunachst nur eine abkurzende Schreibweise fur∑k≥0A(z)k, es lasst sich aber leicht zeigen, dass dies algebraisch gerechtfertigt ist, weil

gilt:

(∑k≥0

A(z)k) · (1− A(z)) = 1 · z0 + 0 · z1 + 0 · z2 + . . .

Beispiel 6. ZahlpartitionenPartition einer naturlichen Zahl n ≥ 1, d.h. eine Darstellung von n ≥ 1 als eine Summevon naturlichen Zahlen ≥ 1, wobei Wiederholungen erlaubt sind, aber die Reihenfolgeder Summanden irrelevant sein soll.z.B. 3 = 31 + 2 (= 2 + 1)1 + 1 + 1P (n) sei die Anzahl der verschiedenen Partitionen von n, und die erzeugende Funktionist P (z) =

∑n≥0 p(n) · zn. Fur die Abzahlung treffen wir die Konvention, dass die

Summanden n1 + n2 + · · ·+ ni = n schwach monoton steigend angeordnet sind.P sei die Familie der Zahlpartitionen, zusammen mit E, der Partition von 0.Das Gewicht ist:|{1}| := 1|{2}| := 2...|{k}| := k

15

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Dann gilt:

P ∼=Folge von Summanden 1︷︸︸︷

{1}∗ ×Folge von Summanden 2︷︸︸︷

{2}∗ ×{3}∗ × . . .l

P (z) =1

1− EF ({1})· 1

1− EF ({2})· 1

1− EF ({3})· . . .

EF ({1}) := 1 · z1, EF ({k}) := 1 · zk, k ≥ 1

⇒P (z) =1

1− z· 1

1− z2· 1

1− z3· · · · =

∏k≥1

1

1− zk

P (n) kann durch Ablesen von P (z) erlangt werden:

P (n) := [zn]P (z) = [zn]∏n

k=11

1−zk

Beispiel 7. Komposition einer naturlichen Zahl n ≥ 1Damit ist die Darstellung als Summe n1 + n2 + · · · + ni = n, mit Summanden ni ≥1, gemeint, bei der Wiederholungen erlaubt sind und die Reihenfolge der Summandenwesentlich ist.z.B. 3 = 31 + 22 + 11 + 1 + 1C sei die Familie der Kompositionen.EF ({1, 2, 3, 4, . . . }) = 1 · z1 + 1 · z2 + 1 · z3 + · · · = z

1−zDann gilt:

C = {1, 2, 3, 4, . . . }∗

l

C(z) =1

1− EF ({1, 2, 3, 4, . . . })=

1

1− z1−z

=1− z1− 2z

Fur n ≥ 1 ist C(n) (Anzahl der Kompositionen von n):

C(n) := [zn] 1−z1−2z

= [zn]1

1− 2z︸ ︷︷ ︸∑k≥0 2kz2

−[zn−1] 11−2z

= 2n − 2n−1 = 2n−1

Es gibt also genau 2n−1 Kompositionen der Zahl n ≥ 1 mit Summanden ≥ 1.

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Anschaulich kann man sich das auch so vorstellen:n entspricht einer Kette mit n Gliedern. Somit gibt es 2n−1 Moglichkeiten die Verbin-dung zwischen i-ten und (i+1)-ten Glied zu trennen. Jede Moglichkeit entspricht alsogenau einer Komposition.

Beispiel 8. Ebene WurzelbaumeP sei die Familie der ebenen Wurzelbaume, Pn bezeichne die Anzahl der ebenen Wur-zelbaume mit n Knoten. Die erzeugende Funktion ist P (z) =

∑n≥0 pn · zn, wobei gilt

p0 = 0. P∗ bezeichne die Folge von Unterbaumen, wobei die links-rechts-Reihenfolge derUnterbaume wesentlich ist.

Es gilt:

P =

Wurzel︷︸︸︷{©} ×P∗

l

P (z) = z · 1

1− P (z)

⇒ P (z)2 − P (z) + z = 0

P (z) =1±√

1− 4z

2da p0 = 0

⇒ P (z) =1−√

1− 4z

2

Zur Erinnerung: Die erzeugende Funktion der Binarbaume ist B(z) = 1−√

1−4z2z

.

⇒ P (z) = z ·B(z)

d.h. pn = [zn]P (z) = [zn−1]B(z) = bn−1 =1

n

(2(n− 1)n− 1

)

Die Anzahl der ebenen Wurzelbaume mit n Knoten ist also gleich der Anzahl derBinarbaume mit n− 1 internen Knoten.

Dieser Zusammenhang kann mit der Rotationskorrespondenz anschaulich gezeigt werden.Dabei verbinde ich beim ebenen Wurzelbaum alle “Geschwister“ die den selben “Elternknoten“

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besitzen und trenne, bis auf den ersten, die Verbindung zum Elternknoten. Danach er-folgt eine Drehung um 45 Grad und durch Hinzufugen der externen Knoten erhalte icheinen Binarbaum. Ebenso funktioniert es umgekehrt, sozusagen eine Bijektion.

Beispiel 9. rekursives Traversieren von BinarbaumenFolgende rekursiven Operationen stehen zur Verfugung:1.) Besuche die Wurzel2.) Traversiere den linken Teilbaum3.) Traversiere den rechten Teilbaum

Schrittfolge: Reihenfolge der besuchten KnotenPreorder 1.) 2.) 3.) A B D E G C FInorder 2.) 1.) 3.) B D G E A C FPostorder 2.) 3.) 1.) G E D B F C A

Es gibt eine weitere Moglichkeit, die Aquivalenz von Binarbumen und ebenen Wur-zelbaumen zu zeigen:

Ein Stack ist eine Datenstruktur, ahnlich einer Liste, bei der das Einfugen und Loschennur am Kopf moglich ist (LIFO, Last-In, First-Out).

Nun soll fur den rekursiven Aufruf der in-order Traversierung die Rucksprungadresseim Stack abgelegt werden. Die Stackfolge fur ein Teilelement bestehend aus der WurzelR und den Unterbaumen t1, t2 ist damit:

s(t1 R� ��t2) :=

R� ��

1. Schritt

R� ��, s(t1) 2. Schritt

∅ → R� ��3. Schritt

Mit → R� ��soll angedeutet werden, dass der Knoten R� ��

traversiert wird.

Fur das Beispiel von oben wurde die Stackfolge lauten:

A AE → G� ��AB A → EA → B ∅ → AAD CA → D ∅ → CAE FAEG ∅ → F

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Nun soll die Bijektivitat gezeigt werden:

Binarbaum = Stackfolge = ebener Wurzelbaum

Fur den ebenen Wurzelbaum muss noch ein Knoten hinzugefugt werden, das ist dieWurzel ∅.

Die ebenen Wurzelbaume sind weiters bijektiv zu den Familien von positiven Gitter-punktpfaden der Lange 2n: Wird der Wurzelbaum positiv orientiert umfahren und dieDistanz zur Wurzel als Funktionswert interpretiert, so ergibt sich ein Gitterpunktpfadvon (0, 0) nach (2n, 0), welcher nie unter die x-Achse kommt.

Daraus folgt nun: Die Anzahl der positiven Gitterpunktpfade von (0, 0) nach (2n, 0) istgenau die Anzahl der Binarbaume der Große n, also 1

n+1

(2nn

).

1.3.4 Operator endliche Teilmengen

Ein weiterer wichtiger kombinatorischer Operator ist die Bildung aller endlichen Teil-mengen der Menge A = {σ1, σ2, σ3, . . .}, wobei A hochstens abzahlbar ist, er wird inAnlehnung an die Potenzmenge im Folgenden mit C = 2A gekennzeichnet. Eine zweiteZusatzvoraussetzung ist, dass a0 = 0, also keine Elemente mit Gewicht 0 in A vorkom-men.

C = 2A ' (ε ∪ σ1)× (ε ∪ σ2)× · · ·l

C(z) = (1 + z|σ1|)(1 + z|σ2|) · · · = (1 + z1)a1(1 + z2)a2 · · ·

Da jedoch nur endliche Teilfolgen betrachtet werden, sind fast alle σi = ε damit diezweite Gleichheit auch Sinn ergibt.

Diese Darstellung lasst sich noch unter Anwendung von Exponential- und Logarithmus-

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funktion (log(1 + z) =∑

n≥1(−1)n+1 zn

numformen:

C(z) =∏k≥1

(1 + zk)ak

logC(z) =∑k≥1

ak log(1 + zk) =∑k≥1

ak∑n≥1

(−1)n+1 zkn

n

=∑n≥1

(−1)n+1

n

∑k≥1

ak (zn)k︸ ︷︷ ︸=A(zn)

=∑n≥1

(−1)n+1

nA(zn)

⇒ C(z) = exp

(∑n≥1

(−1)n+1

nA(zn)

)= exp

(A(z)− A(z2

2+A(z3)

3− · · ·

)

1.3.5 Operator endliche Multimengen

Sei C = M [A], die Familie der endlichen Multimengen fur ein hochstens abzahlbaresA = {σ1, σ2, . . .} mit a0 = 0. Ein σ ∈M [A] hat also die Gestalt:

σ = {σi1 , . . . , σi1︸ ︷︷ ︸k1−mal

, σi2 , . . . , σi2︸ ︷︷ ︸k2−mal

, . . . , σir , . . . , σir︸ ︷︷ ︸kr−mal

}

σ ist eine k = k1 + k2 + · · · + kr elementige Menge. Als Gewicht auf C definieren wirnun

|σ|C := |σi1 |A + . . .+ |σi1 |A︸ ︷︷ ︸k1−mal

+k2 |σi2 |A + · · ·+ kr |σir |A =r∑j=1

kj∣∣σij ∣∣A

Die Darstellung mittels kombinatorischen Operatoren lasst sich nun wieder direkt uber-setzen:

C = M [A] ' {σ1}∗ × {σ2}∗ × · · ·l

C(z) =1

1− z|σ1|︸︷︷︸EF(σ1)

· 1

1− z|σ2|· · · =

∏k≥1

(1

1− zk

)ak

logC(z) =∑k≥1

ak log1

1− zk=∑k≥1

ak

(log(1)−

∑n≥1

(−1)n+1 (−zk)n

n

)

=∑k≥1

ak∑n≥1

zkn

n=∑n≥1

1

nA(zn)

C(z) = exp

(∑n≥1

A(zn)

n

)= exp

(A(z) +

A(z2)

2+A(z3)

3· · ·)

20

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Gerade bei der letzten Darstellung ist die Konvergenz der Reihe schwer infragegestellt.Dies ist jedoch auch gar nicht notwendig, da fur beliebiges n alle hoheren Terme als nkeine Auswirkungen auf den n-ten Koeffizienten haben. Fur unsere Anwendungen kannalso nach n abgebrochen werden; die Konvergenz ist vollig unnotig.

Beispiel 10 (Kombinationen ohne Wiederholung).Mit den oben gezeigten Operatoren lassen sich leicht die aus der Kombinatorik bekanntenFormeln fur Kombinationen herleiten.Eine Kombination ohne Wiederholung ist eine ungeordnete Auswahl einer fest vorge-geben Anzahl an Elementen aus einer gegebenen Grundmenge. Sei A = {1, . . . , n} dieGrundmenge, aus der k Elemente ausgewahlt werden. Hier ist die direkte Herleitungnoch vergleichsweise einfach: Die Anzahl der moglichen Kombinationen ist genau dieAnzahl der geordneten Auswahlen, dividiert duch die Zahl der moglichen Anordnungen:

# =#geord. Auswahl

#versch. Anordnungen=n(n− 1) . . . (n− k + 1)

k!=

(n

k

).

Um dies mittels erzeugenden Funktionen herzuleiten benotigt man zunachst die Ge-wichte. Sinnvollerweise verwendet man fur einelementige Mengen das Gewicht 1, also|{1}|A = . . . = |{n}|A := 1. Fur großere Teilmengen von A ergibt dann beispielsweise|{2, 3, 5}|A = |{2} ∪ {3} ∪ {5}|A = 1 + 1 + 1 = 3. Die erzeugende Funktion von A hatdamit die einfache Gestalt A(z) = n · z. Suchen wir nun Kombinationen ohne Wieder-holung, so sind dies genau die endlichen Teilmengen,

C := 2A

l

C(z) = exp

(A(z)− A(z2)

2+A(z3)

3− · · ·

)= exp

(nz − nz2

2+nz3

3− · · ·

)

= exp

n(z − z2

2+z3

3− · · ·

)︸ ︷︷ ︸

=log(1+z)

= exp (n log(1 + z)) = (1 + z)n

ck = [zk](1 + z)n =

(n

k

)

Wahrend die direkte kombinatorische Methode bei Kombinationen ohne Wiederholungim vergleich zur Operatormethode noch einfach war, benotigt schon einiges an Vorstel-lungsvermogen, um sich eine Formel herleiten zu konnen, wenn man die Voraussetzung,dass alle Elemente verschieden sind, fallen lasst. So erhalt man Kombinationen mit Wie-derholung.

Beispiel 11 (Kombinationen mit Wiederholung). Eine Moglichkeit, der Intuition aufdie Sprunge zu helfen, ist indem man die Situation als ein Verteilungsproblem darstellt.Gegeben sind n Kastchen, auf die k Kugeln aufgeteilt werden: Bild:

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| o | ooo | oo | | | |

------------------------- ... ------

1 2 3 4 n

Schreibt man nun die Kastchennummern entsprechend der Anzahl der Kugeln auf, hierzB 122233, erhalt man genau die Kombinationen mit Wiederholung. Eine aquivalenteDarstellung ergibt sich, indem man nur die Kastchenwande und Kugeln der Reihe nachaufschreibt, also |o|ooo|oo||...||. Jeder Konfiguration entspricht nun eine Folge aus n− 1Strichen und k Kugeln und es werden von n+k−1 Platzhaltern k Positionen ausgewahltund mit Kugeln befullt:

_ o _ o o o _ o o _ ... _ <- k Kugeln

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 n+k-1 <- Platzhalter

# =

(n+ k − 1

n

)Die erzeugenden Funktionen fuhren nun auch ohne dieser Problemumschreibung zumZiel: Unter Verwendung der oben definierten Gewichte ergibt sich fur die Kombinationenmit Wiederholung, die ja genau die Multimengen von A sind:

C = M [A]

l

C(z) = exp

(nz +

nz2

2+nz3

3+ · · ·

)= exp

(n

(log

1

1− z

))=

1

(1− z)n

ck = [zk]1

(1− z)n= (−1)k

(−nk

)=

(n+ k − 1

k

).

1.3.6 Operator Substitution

C = A(B) ... B in A eingesetzt.

Bei der Substitution C = A(B) werden zum Beispiel die Knoten von Elementen aus Amit Elementen aus B ersetzt:

σ ∈ A −→ (σ, τ1, τ2, . . . , τn︸ ︷︷ ︸∈B

)

|σ|A = n −→ |(σ, τ1, τ2, . . . , τn)|C = |τ1|B + |τ2|B + · · ·+ |τn|BIn der Welt der erzeugenden Funktionen bedeutet das:

C(z) =∑n≥0

an ·B(z)n = A(B(z))

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Beispiel 12. Motzkin-Baume (unary-binary trees)

• Wir betrachten die Binarbaume B ohne Unterscheidung zwischen internen undexternen Knoten aus Beispiel 5 :

B = {©} ∪ {©} × B × B

l

B(z) =1−√

1− 4z2

2z

Wir ersetzen die Knoten in B durch Ketten von Knoten der Lange ≥ 1 und be-zeichnen die Familie von Ketten mit K. Als Gewicht verwenden wir jeweils dieAnzahl der Knoten. Die erzeugende Funktion ist

K(z) = z + z2 + z3 + · · · = z

1− z

M sei die Familie der Motzkin-Baume.Es gilt:

M = B(K)

l

M(z) = B(K(z)) =1−

√1− 4( z

1−z )2

2 z1−z

=1− z −

√1− 2z − 3z2

2z

Die Anzahl Mn der Motzkin-Baume der Große n ist somit:Mn = [zn]M(z)

• Dieser Zusammenhang kann auch direkt beschrieben werden:

M = {©} ∪ {©} ×M ∪ {©} ×M×Ml

M(z) = z + zM(z) + zM(z)2

zM(z)2 + (z − 1)M(z) + z = 0

M =1− z ±

√(1− z)2 − 4z2

2z

M =1− z −

√1− 2z − 3z2

2z

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Zusammenfassung

Komb. Konstruktion Erzeugende FunktionDisjunkte Vereinigung A ∪ B A(z) +B(z)Kartesisches Produkt A× B A(z) ·B(z)Endliche Folgen A∗ 1

1−A(z)

Endliche Teilmengen 2A exp(A(z)− A(z2)2

+ A(z3)3− . . . )

Endliche Multimengen M(A) exp(A(z) + A(z2)2

+ A(z3)3

+ . . . )Substitution A(B) A(B(z))

1.4 Markierte Objekte und exponentiell erzeugendeFunktionen

Beispiel 13. PermutationenP sei die Familie aller Permutationen (auf n Elementen). Jede Permutation lasst sichals Produkt elementfremder Zyklen darstellen, z.B. (2 4 5) (1 6) (3). Die Dar-stellung ist, bis auf die Reihenfolge der Zyklen untereinander und bis auf zyklische Ver-tauschungen innerhalb der Klammern, eindeutig.Z sei die Familie aller zyklischen Permutationen:

Z = {(1), (1 2), (1 2 3), (1 2 3 4), . . . }

Gibt es nun eine Funktion f, sodass P = f(Z)? Mit Hilfe der bekannten Konstruktionengibt es dafur keine Losung.

Beispiel 14. Sei A die Familie der nummerierten zusammenhangenden Graphen, wobeidie Knoten mit {1, . . . , |σ|} nummeriert werden, und B die nummerierten Graphen, dieaus genau zwei Zusammenhangskomponenten bestehen.Wie kann man nun den Zusammenhang konstruieren?B = A × A gilt nicht, da die Nummerierungen im Allgemeinen nicht stimmen. Dieeinzelnen Komponenten aus B mussen fur sich genommen nicht notwendigerweise in Aliegen.

Wir definieren eine neue Konstruktion A ∗ A folgendermaßen:

Ausgangspunkt sind alle geordneten Paare (σ1, σ2) mit σ1, σ2 ∈ A. Durch folgende Vor-schrift werden Marken {1, 2, . . . , |σ1|+ |σ2|} auf (σ1, σ2) verteilt:

• Wahle eine |σ1| - elementige Teilmenge aus dem Markenvorrat {1, 2, . . . , |σ1|+|σ2|},dafur gibt es

(|σ1|+|σ2||σ1|

)Moglichkeiten.

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• Die Marken dieser |σ1| - elementigen Teilmenge werden ordnungserhaltend anstelleder ursprunglichen Marken auf σ1 verteilt.

• Die restlichen |σ2| Marken werden ordnungserhaltend anstelle der ursprunglichenMarken auf σ2 verteilt.

Alle Objekte, die man auf diese Weise aus A gewinnen kann, liegen in A ∗ A (Partiti-onsprodukt).

Die Definition von A ∗ B erfolgt analog:Ausgangspunkt sind alle geordneten Paare (σ1, σ2) mit σ1 ∈ A, σ2 ∈ B. Diese Paarewerden durch die eben genannte Vorschrift mit Marken {1, 2, . . . , |σ1| + |σ2|} neu num-meriert.

Sei C = A ∗ B. Wieviele Objekte der Große n gibt es in C?( σ1︸︷︷︸∈A

, σ2︸︷︷︸∈B

) |σ1| = k, |σ2| = n− k

cn =n∑k=0

(n

k

)· ak · bn−k

Dividiert man diese Gleichung nun durch n!, erhalt man:

cnn!

=n∑k=0

akk!· bn−k

(n− k)!

Definition 1.4.1. Wir verwenden nun die exponentiell erzeugenden Funktionen (EEF):

A(z) :=∑

an ·zn

n!

B(z) :=∑

bn ·zn

n!

C(z) :=∑

cn ·zn

n!

⇒ C(z) = A(z) · B(z)

Kombinatorische Konstruktion fur markierte Objekte

• Disjunkte Vereinigung:

A ∪ B ←→ A(z) + B(z)

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• Partitionsprodukt:

A ∗ B ←→ A(z) · B(z)

Spezialfalle:

A ∗ A ←→ (A(z))2

k-Tupel A ∗ · · · ∗ A︸ ︷︷ ︸k - mal

←→ (A(z))k

• Alle endlichen Folgen von Objekten aus A und insgesamt richtig neu nummeriert(und Folge der Lange 0: E). a0 = 0 wird vorausgesetzt.

A〈∗〉 ∼= {E} ∪ A ∪ A ∗ A ∪ A ∗ A ∗ A ∪ . . . ←→ 1

1− A(z)

• Alle endlichen ungeordneten Auswahlen von Objekten aus A und insgesamt richtigneu nummeriert. Voraussetzung: a0 = 0

A[∗] ∼= {E} ∪ A ∪A ∗ A

2!∪ A ∗ A ∗ A

3!∪ . . .

←→ 1 + A(z) +1

2!(A(z))2 +

1

3!(A(z))3 + · · · = exp(A(z))

Beispiel 15. Sei P die Familie der Permutationen, Z die Familie der zyklischen Per-mutationen, pn die Anzahl der Permutationen der Große n ≥ 1 (pn = n!) und zn dieAnzahl der zyklischen Permutationen der Große n ≥ 1 (zn = (n − 1)!). (Jede zyklischePermutation kann auf genau n Arten angeschrieben werden.)

⇒ P (z) =∑n≥0

n!zn

n!=∑n≥0

zn =1

1− z

Z(z) =∑n≥1

(n− 1)!zn

n!=∑n≥1

zn

n= log(

1

1− z)

⇒ P (z) = exp(Z(z))

Alternativ kann man sich auch die Frage stellen: Wie hangt Z mit P zusammen?

P = Z [∗] ←→ P (z) = exp(Z(z))

z.B. (2 4 5) (1 6) (3) entsteht aus folgenden zyklischen Permutationen:(1 2 3) (1 2) (1). Man verteile die Marken: {2, 4, 5} auf σ1, {1, 6} auf σ2, {3}auf σ3.

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Beispiel 16 (fixpunktfreie Permutationen, derangements). D sei die Familie der fix-punktfreuen Permutationen. Bei der Konstruktion von D kann genauso wie oben vorge-gangen werden (P = Z [∗]), jedoch muss aus den Bausteinen Z der einelementige Zyklus{(1)} entfernt werden, da dieser genau einem Fixpunkt entspricht. Die erzeugende Funk-tion von B = Z \ {(1)} ist damit B(z) = log 1

1−z − z.

D = B[∗]

l

D(z) = exp(B(z)

)= exp

(log

1

1− z− z)

=1

1− ze−z

Wir konnen nun wie gewohnt die Koeffizienten (hier naturlich die Koeffizienten von zn

n!)

ablesen und Dn ist die Zahl der fixpunktfreien Permutationen (auf n Elementen),

Dn =

[zn

n!

]1

1− ze−z =

[zn

n!

]1

1− z∑n≥0

(−1)nzn

n!

=

[zn

n!

]∑n≥0

znn∑k=0

(−1)k

k!=

[zn

n!

]∑n≥0

zn

n!

(n!

n∑k=0

(−1)k

k!

)= n!

n∑k=0

(−1)k

k!.

Noch eine interessante Beobachtung: Da n! die Zahl der Permutationen der Lange n ist,ergibt sich als Wahrscheinlichkeit, dass eine zufallige Permtation fixpunktfrei ist genauDnn!

=∑n

j=0(−1)j

j!und dieser Ausdruck strebt gegen 1

efur n gegen ∞.

Beispiel 17 (Mengenpartitionen). Eine Zerlegung einer Grundmenge in paarweise dis-junkte nichtleere Teilmengen, deren Vereinigung die gesamte Menge ergibt, wird Men-genpartition genannt. Beispielsweise konnte man die Menge {1, 2, 3, 4, 5, 6} in eine Par-tition der Blocke {2, 3, 5} , {1, 6} , {4} (die Reihenfolge spielt hier keine Rolle) partitio-niert werden. Sei im Folgenden die Grundmenge {1, 2, . . . , n}, und Bn die Anzahl derverschiedenen Partitionierungen.

Wieder ausgehend von einer Bausteinmenge der Blocke B konstruiert man die entspre-chende EEF:

B = {{1}, {1, 2}, {1, 2, 3}, . . .}l

B(z) = 1z1

1!+ 1

z2

2!+ . . . = ez − 1

Fur die Familie der Partitionen, also der ungeordneten Auswahl der Bausteine, mit

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anschließender Verteilung der Nummern gilt damit:

P = B[∗]

l

P (z) = exp(B(z)

)= ee

z−1

Bn ist der n-te Koeffizient der EEF P (z) und wird gemeinhin auch als n-te Bellzahlbezeichnet.

Das gestellte Problem kann auch noch verfeinert werden: Sei S(n, k) die Anzahl derPartitionen der n-elementigen Grundmenge wie oben, jedoch nun in genau k Blocke, Pkdie zugehorige Familie:

Pk =B ∗ B ∗ . . .B

k!=Bk

k!l

Pk(z) =

(B(z)

)kk!

=(ez − 1)k

k!

S(n, k) =

[zn

n!

](ez − 1)k

k!=

[zn

n!

]1

k!

k∑j=0

(k

j

)ejz(−1)k−j

=

[zn

n!

]1

k!

k∑j=0

(k

j

)(−1)k−j

∑n≥0

jnzn

n!=

[zn

n!

]∑n≥0

zn

n!

1

k!

k∑j=0

(k

j

)(−1)k−jjn

=1

k!

k∑j=0

(k

j

)(−1)k−jjn.

Um nun die Anzahl der verschiedenen Partitionen der Menge {1, . . . , n} zu erhalten,kann man die Zahl Moglichkeiten in k Blocke betrachten, und uber alle k aufsummieren.Beachte: fur die erste Gleichheit benutzen wir die Tatsache, dass die oben hergeleiteteFormel auch ohne die (kombinatorisch notwendige) Voraussetzung n ≥ k gilt (es werdenhier mehr Blocke gefordert als die Grundmenge machtig ist). Es muss also S(n, k) =0 ∀n ≥ k sein, und somit kann auch bis ∞ aufsummiert werden.

Bn =n∑k=0

S(n, k) =∑k≥0

S(n, k) =∑k≥0

1

k!

k∑j=0

(k

j

)(−1)k−jjn

=∑j≥0

jn

j!

∑k≥0

(−1)k−j

(k − j)!=∑j≥0

jn

j!

∑l ≥ 0

(−1)l

l!=

1

e

∑j≥0

jn

j!

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Diese Darstellung wird auch als Formel von Dobinski2 bezeichnet. Beachte, dass Bn einenaturliche Zahl ist, und damit

∑j≥0

jn

j!ein vielfaches von e sein muss.

Die S(n, k) haben auch noch eine weitere zentrale Bedeutung: Ausgehend von den New-tonpolynomen (x)k := (x)(x − 1)(x − 2) . . . (x − k + 1), oft auch notiert als xk erhalt

man unter benutzung von (x)kk!

= (x)(x−1)...(x−k+1)k!

=(xk

):∑

k≥0

∑n≥0

S(n, k)zn

n!︸ ︷︷ ︸=pk(z)

(x)k =∑k≥0

(ez − 1)k

k!(x)k =

∑k≥0

(x

k

)(ez − 1)k = (1 + ez − 1)x = ezx

Liest man nun rechts und links der Gleichungskette die Koeffizienten [ zn

n!] ab, so ergibt

sich die Gleichheit [zn

n!

]∑n≥0

zn

n!

∑k≥0

S(n, k)(x)k =

[zn

n!

]∑n≥0

zn

n!xn∑

k≥0

S(n, k)(x)k = xn.

Diese Gleichung bildet einen wichtigen Zusammenhang zwischen den fallenden faktoriel-len Polynomen (Newtonpolynomen) und den Monomen; S(n, k) wird in diesem Zusam-menhang auch als Stirlingzahl 2. Art bezeichnet. Die Stirlingzahlen 1.Art s(n, k) erfullendie umgekehrte Gleichung

∑k≥0 s(n, k)xk = (x)n.

Beispiel 18 (up-down Permutationen). Wir betrachten die sog. up-down Permutatio-nen, dh. Permutationen die die Nebenbedingung π(1) < π(2) > π(3) < π(4) . . . erfullen.Sei an die Anzahl der Permutationen dieser Gestalt. Es bietet sich an, die zwei Falle zuunterscheiden, ob n gerade oder ungerade ist.

Fur den Fall, dass n ungerade ist, die Struktur bildlich niedergeschrieben als:

./’\./’\./’\./’\./’\./’\.

Zerlegen wir nun diese Struktur nach dem großten Element n, so muss sich dieses obenbefinden, links und rechts davon sind wieder zwei up-down Permutationen (nach einerentsprechenden ordnungserhaltenden Umnummerierung). Suchen wir nun eine struk-turelle Darstellung, so darf fur das Element n nicht das Partitionsprodukt verwendetwerden3. Die korrekte Darstellung fur U lautet:

U = {1} ∪ {n} × U ∗ U .2Dobinski, G. 1877, Summierung der Reihe

∑nm/n! fur m = 1, 2, 3, 4, 5, . . ., Grunert Archiv.

3Wurde man U = {1} ∪ {n} ∗ U ∗ U} setzen, so erhielte n nicht die großte, sondern eine beliebigeMarke, da die Marken von 1 bis n verteilt werden.

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Hier tritt das kartesische Produkt zusammen mit dem Partitionsprodukt in einer Glei-chung auf; ersteres lasst sich jedoch nicht so leicht fur erzeugende Funktionen verwenden.Mithilfe eines Tricks kommt man aber unter Verwendung der ublichen Notation auf:

B ' {©} ×Al

B(z) = zA(z) bzw. bn = [zn]B(z) = [zn−1]A(z) = an−1

B(z) =∑n≥1

bnzn

n!=∑n≥1

an−1zn

n!=∑n≥0

anzn+1

(n+ 1)!(B(z)

)′=∑n≥0

an(n+ 1)zn

(n+ 1)!= A(b)

Damit gilt, wenn man den Fixpunkt auf die linke Seite bringt:

U \ {1} = {n} × U ∗ Ul

[EEF(U \ {1})]′ = EEF(U ∗ U)(U(z)− z1

1!

)′= U(z) · U(z)

U ′(z) = U2(z)

Trennung der Variablen:

dU

1 + U= dz ⇒ arctan U(z) = z + c, AW: U(0) = 0⇒ c = 0.

U(z) = tan z

Fur die Geraden n erhalten wir auf ahnliche Weise G = {ε} ∪ { n� ��} × U ∗ G.

G \ {ε} = { n� ��} × U ∗ G

l(G(z)− 1z0

)′= U(z) · G(z)

G′(z)

G(z)= tan z

log G(z) = − log cos z + c

Der Anfangswert G(0) = 1 liefert c = 0, also ist G(z) = 1cos z

. Es verbleibt noch, dieKoeffizienten in den jeweiligen Fallen abzulesen.

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1.5 Lineare Rekursionen mit konstanten Koeffizientenund Erzeugende Funktionen

1.5.1 Homogene lineare Rekursionen mit konstanten Koeffizienten

Beispiel 19. Homogene lineare Rekursion 2. Ordnung (Fibonacci-Zahlen)

Fn = Fn−1 + Fn−2 n ≥ 2, F0 = F1 = 1⇐⇒Fn − Fn−1 − Fn−2 = 0 n ≥ 2, F0 = F1 = 1

Um dieses lineare Rekursion mit konstanten Koeffizienten zu losen, kann man sich wiederder erzeugenden Funktionen bedienen. Dazu definiert man:

F (z) :=∑n≥0

Fnzn

Nun gilt:

Fn − Fn−1 − Fn−2 = 0 ∀n ≥ 2

=⇒∑n≥2

Fnzn −

∑n≥2

Fn−1zn −

∑n≥2

Fn−2zn = 0

⇐⇒ F (z)− 1︸︷︷︸F0

·z0 − 1︸︷︷︸F1

·z1 − z

F (z)− 1︸︷︷︸F1

·z0

− z2F (z) = 0

⇐⇒ (1− z − z2)F (z)− 1− z + z = 0

⇐⇒ F (z) =1

1− z − z2rationale Funktion

Aus der aus der rekursiven Definition erhaltenenen erzeugenden Funktion konnen nundurch Ablesen der Koeffizienten die Folgenglieder der definierten Folge abgelesen wer-den.

Nun konnen wir die Vorgehensweise auf beliebige lineare Rekursionen mit konstantenKoeffizienten erweitern.

Definition 1.5.1. Eine homogene lineare Rekursion r-ter Ordnung mit konstanten Ko-effizienten hat folgende Form:

c0an + c1an−1 + . . .+ cr−1an−r+1 + cran−r = 0 ∀n ≥ r

c0, c1, . . . , cn ∈ C sind die Koeffizienten, wobei gelten soll, dass c0 6= 0 und cr 6= 0.Zusatzlich sind noch die Anfangswerte a0, a1, . . . , ar−1 ∈ C gegeben. (an)n≥0 bezeichnetdie durch die Rekursion definierte Folge.

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Lemma 1.5.2. Sei (an)n≥0 die durch die homogene lineare Rekursion r-ter Ordnungwie oben definierte Folge, dann gilt, wenn A(z) :=

∑n≥0 anz

n die erzeugende Funktionder Folge bezeichnet, dass

A(z) =Pr−1(z)

c0 + c1z + . . .+ crzr,

wobei A(z) eine rationale Funktion ist, Pr−1(z) ein von den Anfangswerten abhangigesPolynom in z vom Grad ≤ r− 1, und q(z) := c0 + c1z + . . .+ crz

r das charakteristischePolynom der Rekursion ist.

Proof.

c0an + c1an−1 + . . .+ cr−1an−r+1 + cran−r = 0 ∀n ≥ r

=⇒∑n≥r

c0anzn +

∑n≥r

c1an−1zn + . . .+

∑n≥r

cran−rzn = 0

⇐⇒ c0

(A(z)− a0z

0 − a1z1 − . . .− ar−1z

r−1)

+ z · c1

(A(z)− a0z

0 − a1z1 − . . .− ar−2z

r−2)

+ . . .+ zr−1cr−1

(A(z)− a0z

0)

+ zrcrA(z) = 0

⇐⇒ A(z) (c0 + c1z + . . .+ crzn)−

− c0

(a0z

0 + a1z1 + . . .+ ar−1z

r−1)− c1

(a0z

1 + a1z2 + . . .+ ar−2z

r−1)

− . . .− cr−1

(a0z

r−1)

⇐⇒ A(z) (c0 + c1z + . . .+ crzn)− Pr−1(z) = 0

Pr−1(z) ist ein Polynom in z von Grad ≤ r − 1, das von den Anfangswerten a0 . . . ar−1

abhangt.

=⇒ A(z) =Pr−1(z)

c0 + c1z + . . .+ crzr=Pr−1(z)

q(z)

Nach diesem Zwischenergebnis betrachten wir nun das Fibonacci-Zahlen-Beispiel weiter.Der nachste Schritt in der Losung der Rekursion besteht darin, aus der gewonnenenerzeugenden Funktion die Koeffizienten und damit die Fn abzulesen.

F (z) =1

1− z − z2=

−1

z2 + z − 1

Um die Koeffizienten einer rationalen Funktion gut ablesen zu konnen, wendet man diePartialbruchzerlegung an, in diesem Fall also:

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z2 + z − 1 = (z − z1)(z − z2)

1z2 =−1±

√1 + 4

2⇒ z1 =

−1 +√

5

2, z2 =

−1−√

5

2

⇒ F (z) =A

z − z1

+B

z − z2

=−1

(z − z1)(z − z2)

⇒ A(z − z2) +B(z − z1) = −1

Koeffizientenvergleich ergibt:[z1]A(z − z2) +B(z − z1) = A+B =

[z1]− 1 = 0 ⇒ A = −B[

z0]A(z − z2) +B(z − z1) = −z2A− z1B = z2B − z1B = (z2 − z1)B = −1

⇒ B =−1

z2 − z1

=−1

−1−√

52− −1+

√5

2

=1√5

⇒ A = −B =−1√

5

F (z) = − 1√5· 1

z − z1

+1√5· 1

z − z2

=

=1√

5 · z1

· 1

1− zz1

− 1√5 · z2

· 1

1− zz2

=

=1√

5 · z1

∑n≥0

1

zn1zn − 1√

5 · z2

∑n≥0

1

zn2zn

⇒ [zn]F (z) =1√

5 · zn+11

− 1√5 · zn+1

2

Um zur ublichen Darstellung der Fibonacci-Zahlen zu gelangen, beachte man Folgen-des:

(z − z1)(z − z2) = z2 + z − 1 ⇒ z1 · z2 = −1

1

z1

= −z2 =1 +√

5

2,

1

z2

= −z1 =1−√

5

2

⇒ Fn =1√5

(1 +√

5

2

)n+1

(1−√

5

2

)n+1

Betrachtet man nun wieder den allgemeinen Fall, so kann man folgende weitere Vorge-hensweise zur Losung der Rekursion festhalten:

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Ausgehend von der erzeugenden Funktion

A(z) =Pr−1(z)

c0 + c1z + . . .+ crzr=Pr−1(z)

q(z)

fuhrt man folgende Schritte durch:

1. Zerlegen des charakteristischen Polynoms in Linearfaktoren:

q(z) = c0 + c1z + . . .+ crzn = cr ·

k∏i=1

(z − qi)λi

wobei q1, q2, . . . , qk die verschiedenen Nullstellen von q(z) sind, und λ1, λ2, . . . λkdie jeweiligen Vielfachheiten angeben (mit

∑ki=1 λi = r).

2. Partialbruchzerlegung liefert:

A(z) =c1,λ1

(z − q1)λ1+

c1,λ1−1

(z − q1)λ1−1+ . . .+

c1,1

(z − q1)1+

+c2,λ2

(z − q2)λ2+

c2,λ2−1

(z − q2)λ2−1+ . . .+

c2,1

(z − q2)1+

...

+ck,λk

(z − qk)λk+

ck,λk−1

(z − qk)λk−1+ . . .+

ck,1(z − qk)1

mit ci,j ∈ C, 1 ≤ i ≤ k, 1 ≤ j ≤ λk

3. Ablesen der Koeffizienten von A(z):

1

(z − q)j=

1

(−q)j· 1(

1− zq

)j =(−1)j

qj·(

1− z

q

)−j

=(−1)j

qj·∑n≥0

(−jn

)(−1)n

zn

qn=

(−1)j

qj·∑n≥0

(n+ j − 1

n

)zn

qn

=(−1)j

qj

∑n≥0

(n+ j − 1

j − 1

)zn

qn

=(−1)j

qj

∑n≥0

(n+ j − 1)(n+ j − 2) · . . . · (n+ 1)

(j − 1)!· z

n

qn

⇒ [zn]1

(z − q)j=

(−1)j

qj(j − 1)!· (n+ j − 1) · (n+ j − 2) · . . . · (n+ 1)︸ ︷︷ ︸

Polynom in n vom Grad ≤j−1

· 1

qn

=Qj−1(n)

qn

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Also gilt:

an = [zn]A(z) =1

qn1· P1,λ1−1(n)︸ ︷︷ ︸

Polynom in n vom Grad ≤λ1−1

+1

qn2· P2,λ2−1(n)︸ ︷︷ ︸

Polynom in n vom Grad ≤λ2−1

+ . . .+

+1

qnk· Pk,λk−1(n)︸ ︷︷ ︸

Polynom in n vom Grad ≤λk−1

Daraus ergibt sich folgender

Satz 1.5.3. Sei

c0an + c1an−1 + . . .+ cr−1an−r+1 + cran−r = 0 , c0, c1, . . . , cn ∈ C , c0, cn 6= 0

eine lineare homogene Rekursion r-ter Ordnung, dann lautet die allgemeine Losung derGleichung:

an =k∑i=1

pi,λi−1(n)

qni

wobei q1, q2, . . . , qn die verschiedenen Nullstellen des charakteristischen Polynoms q(x) =c0 + c1x+ . . .+ crx

r mit den jeweiligen Vielfachheiten λ1, λ2, . . . , λk sind, und Pi,λi−1(n)ein Polynom in n vom Grad ≤ λi − 1 ist.

Meist definiert man das charakteristische Polynom einer homogenen linearen Rekursionanders, namlich als

p(x) := c0xr + c1x

r−1 + . . .+ cr−1x1 + cr = xr · q

(1

x

)

Daraus ergibt sich folgende alternative Beschreibung der Losung:

an =k∑i=1

pi,λi−1(n) · αni , wobei α1 :=1

q1

, α2 :=1

q2

, . . . , αk :=1

qk

die verschiedenen Nullstellen des charakteristischen Polynoms p(x) = xrq(

1x

)mit den

jeweiligen Vielfachheiten λ1, . . . , λk sind.

Diese Darstellung dient als Grundlage fur die Ansatzmethode. Da man weiß, dass dieLosung von der eben hergeleiteten Gestalt ist, kann man die Losung mittels erzeugendenFunktionen uberspringen und die Polynome gleich unbestimmt ansetzen und dann durchEinsetzen deren Koeffizienten bestimmen.

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Beispiel 20. an − 2an−1 + an−2 = 0 ∀n ≥ 2, a0 = a1 = 1

Allgemeine Losung:Das charakteristische Polynom lautet:

p(x) = 1 · x2 − 2 · x+ 1

Dessen Nullstellen sind: α1 = 1 mit Vielfachheit λ1 = 2. Daher lautet die allgemeineLosung: an = P1,1(n) · 1n = An+B, A,B Konstanten

Sucht man nun die Losung zu den Anfangswerten, so gilt:

a0 = A · 0 +B

a1 = A · 1 +B

⇒B = 1, A = 0 ⇒ an = 1 ∀n ≥ 0

1.5.2 Inhomogene lineare Rekursionen mit konstanten Koeffizienten

Definition 1.5.4. Eine inhomogene lineare Rekursion r-ter Ordnung mit konstantenKoeffizienten hat folgende Form:

c0an + c1an−1 + . . .+ cr−1an−r+1 + cran−r = q(n) ∀n ≥ r

c0, c1, . . . , cn ∈ C sind die Koeffizienten, wobei gelten soll, dass c0 6= 0 und cr 6= 0.Zusatzlich sind noch die Anfangswerte a0, a1, . . . , ar−1 ∈ C gegeben. (an)n≥0 bezeichnetdie durch die Rekursion definierte Folge. Die Funktion g : N→ C wird als Storfunktionbezeichnet.

Die allgemeine Losung einer inhomogenen Rekursion von obiger Form laßt sich folgen-dermaßen darstellen:

an = a[h]n + a[p]

n

wobei a[h]n die allgemeine Losung der entsprechenden homogenen linearen Rekursion, und

a[p]n eine beliebige Losung der inhomogenen Rekursion, auch Partikularlosung genannt,

bezeichnet.

Seien nun A(z) :=∑

n≥0 anzn und G(z) :=

∑n≥0 g(n)zn die erzeugenden Funktionen

der von der Rekursion definierten Folge und der Storfunktion, dann gilt (wie in denHerleitungen der homogenen Losung):

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A(z) (c0 + c1z + . . .+ crzr)− Pr−1(z) = G(z)

⇒ A(z) =Pr−1

q(z)+G(z)

q(z)

Es laßt sich zeigen (z.B. mit erzeugenden Funktionen), dass fur bestimmte Typen vonStorfunktionen g(n) eine zugehorige Partikularlosung eine schone Gestalt besitzt.

Beispielsweise gilt:

g(n) = Qµ(n)︸ ︷︷ ︸Polynom in n vom Grad µ

·βn (β ∈ C Konstante)

⇒ a[p]n = Rµ(n) · βn · nλ(β)

λ(β) bezeichnet die Vielfachheit von β als Nullstelle des charakteristischen Polynomsp(x) = c0x

r + c1xr−1 + . . .+ cr−1x+ cr, Rµ(n) ist ein Polynom in n vom Grad ≤ µ. Der

Fall λ(β) 6= 0 heißt Resonanzfall (ahnlich wie bei den linearen Differentialgleichungenmit konstanten Koeffizienten).

Beispiel 21. an − 2an−1 + an−2 = 2 ∀n ≥ 2

Die allgemeine homogene Losung lautet wie beim vorigen Beispiel:

a[h]n = An+B

Die Storfunktion kann man nun in der Form wie oben anschreiben:

g(n) = 2 = 2︸︷︷︸Polynom in n vom Grad 0

· 1︸︷︷︸β

n

Daher setzt man folgendermaßen an:

a[p]n = R0(n) · 1n · nλ(1)

Weil 1 doppelte Nullstelle des charakteristischen Polynoms ist, gilt λ(1) = 2. Ein Poly-nom vom Grad 0 ist einfach eine Konstante. Daher lautet in diesem Fall der spezielleAnsatz:

37

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a[p]n = C · n2 , C ∈ CC bestimmt man nun durch Einsetzten in die Rekursion

Cn2 − 2C(n− 1)2 + C(n− 2)2 = 2

⇐⇒ C(n2 − 2n2 + 4n− 2 + n2 − 4n+ 4

)= 2

⇐⇒ 2C = 2⇐⇒ C = 1

=⇒ a[p]n = n2 ist eine Partikularlosung

Insgesamt erhalt man also als allgemeine Losung der inhomogenen linearen Rekursion:

an = a[h]n + a[p]

n = An+B + n2

1.5.3 Systeme linearer Rekursionsgleichungen mit konstantenKoeffizienten

Beispiel 22.

an+1 = 2an + bn (1.2)

bn+1 = 3an−1 + 2bn (1.3)

fur n ≥ 1 mit gegebenen Anfangswerten a0, a1, b0, b1.

Eine einfache Moglichkeit, die jedoch nicht bei allen Gleichungssystemen anwendbar ist,ist die Entkopplung, sodass Aus (1.2) folgt: bn = an+1 − 2an, bn+1 = an+2 − 2an+1. Diesin Gleichung (1.3) eingesetzt ergibt eine gewohnliche lineare Rekursionsgleichung mitkonstanten Koeffizienten, die auf herkommliche Art gelost werden kann:

an+2 − 2an+1 = 3an−1 + 2(an+1 − 2an).

Ein System kann aber auch mittels erzeugenden Funktionen direkt gelost werden, seienA(z) =

∑n≥0 anz und B(z) =

∑n≥0 bnz

n die jeweiligen Funktionen, dann lautet dasGleichungssystem nach Multiplikation mit z:

∑n≥1

an+1zn+1 = 2

∑n≥1

anzn+1 +

∑n≥1

bnzn+1

∑n≥1

bn+1zn+1 = 3

∑n≥1

an−1zn+1 + 2

∑n≥1

bnzn+1.

38

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Diese Summen entsprichen, abgesehen von einigen Werten am Reihenanfang schon denerzeugenden Funktionen:

A(z)− a0 − a1z = 2z(A(z)− a0) + z(B(z)− b0)

B(z)− b0 − b1z = 3z2A(y) + 2z(B(z)− b0)

und man erhalt das lineare Gleichungssystem

(1− 2z)A(z)− zB(z) = a0 + a1z − 2a0z − b0z

−3z2A(z) + (1− 2z)B(z) = 3z2A(z) + 2z(B(z)− b0),

welches auf herkommliche Art gelost werden kann. Wir zeigen aber noch eine Besonder-heit, die durch Anwendung der Cramer’schen Regel schon ersichtlich wird: Seinen dieAnfangswerte beispielsweise a0 = b0 = 1 und a1 = b1 = 0, dann lautet das System

(1− 2z)A(z)− zB(z) = 1− 3z

−3z2A(z) + (1− 2z)B(z) = 1− 2z.

Mittels der Determinante D(z) =∣∣ 1−2z −z−3z2 1−2z

∣∣ = (1− 2z)2 − 3z2 lautet die Losung:

A(z) =

∣∣∣∣1− 3z −z1− 2z 1− 2z

∣∣∣∣D(z)

B(z) =

∣∣∣∣1− 2z 1− 3z−3z2 1− 2z

∣∣∣∣D(z)

.

Die Determinanten sind aber jeweils Polynome, und so erhalten wir als Losung fur dieerzeugenden Funktionen A(z) und B(z) wieder rationale Funktionen.

1.5.4 nichtkonstante Koeffizienten

Sind die Koeffizienten cn selbst von n abhanging, kann nicht wie oben vorgegangenwerden. In bestimmten Fallen kann man jedoch durch geschickte Transformationen dieGleichung in eine mit konstanten Koeffizienten uberfuhren. Wir wollen dies an einemeinfachen Beispiel veranschaulichen:

Beispiel 23.

an − 2nan−1 + n(n− 1)an−2 = 0

nach division durch n! erhalt man durch die einfache Substitution bn := ann!

ann!− 2

nann(n− 1)!︸ ︷︷ ︸

=n!

+n(n− 1)an−2

n(n− 1)(n− 2)!= 0

bn − 2bn−1 + bn−2 = 0

39

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Diese Gleichung wurde oben schon gelost. Etwas allgemeiner gilt fur eine Gleichung derForm

c0an + c1enan−1 + c2enen−1an−2 = 0

nach Division wie oben und der Substitution bn := anenen−1...e1

c0anenen−1 . . . e1

+c1enan−1

enen−1 . . . e1

+c2enen−1an−2

enen−1 . . . e1

= 0

c0bn + c1bn−1 + c2bn−2 = 0

40

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2 Der formale Residuenkalkul und dieLagrang’sche Inversionsformel

2.1 Motivation und Vorbereitung

Beispiel 24. Fur Binarbaume erhielten wir als erzeugende Funktion B(z) = 1−√

1−4z2z

.Verglichen mit der schonen Formel fur die Koeffizienten [zn]B(z) ist das direkte Ablesenan der erzeugenden Funktion aber schon alleine durch die Wurzel relativ aufwandig.

Idee: Durch eine geeignete Substitution z = g(u) konnte man B(z) wesentlich verschonern:

Mit z = u(1+u)2 wird die Diskriminante zu 1− 4z = (1+u)2−4u

(1+u)2 = (1−u)2

(1+u)2 . Damit vereinfachtsich die erzeugende Funktion auf die Form

B

(u

(1 + u)2

)=

1− 1−u(1+u)

2u(1+u)2

=2u(1 + u)

2u= 1 + u.

Es stellt sich aber nun die Frage, wie die gesuchten Koeffizienten [zn]B(z) mit denen

der einfach abzulesenden [un]B(

u(1+u)2

)zusammenhangen.

Es gibt auch noch einen weiteren Schwachpunkt, bei dem die Methode mit erzeugendenFunktionen ohne weiter Hilfsmittel versagen wurde:

Beispiel 25. Die Funktionalgleichung fur die erzeugende Funktion des Binarbaums warmit der Losungsformel fur Quadratische Gleichungen einfach losbar. Betrachtet man nunBaume, bei denen ein Knoten nicht zwei, sondern allgemein t Unterbaume enthalt, soist fur die Gleichung

T (z) = 1 + z · T (z)t.

die Losung fur t ≥ 5 nicht geschlossen darstellbar.

Idee: Wir konnen zwar nicht nach T , aber nach z auflosen: z = T (z)−1T t(z)

. Zur einfacheren

Darstellung sei noch W (z) := T (z)− 1, dann gilt

z =W (z)

(1 +W (z))t.

41

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Sei nun g(z) := z(1+z)t

, dann ist W (z) genau die Umkehrfunktion, da(g ◦W

)(z) = z ist.

Wie kann man aber nun von den Koeffizienten von g(z) auf die der Inversen schließen?

Definition 2.1.1 (formale Laurentreihe). Sei K der Quotientenkorper zu einem Inte-gritatsbereich R, also Bruche der Form p

qmit p, q ∈ R, q 6= 0, wobei wir vermoge einer

Klasseneinteilung die Elemente pq

= rs

als gleich identifizieren, soferne p · s = q · r. Nach

Lemma 1.2.2 ist 〈R[[z]],+, ·〉 ebenfalls ein Integritatsbereich. Betrachten wir nun den

Quotienten a(x)b(x)

mit a(x), b(x) ∈ R[[x]], b(x) 6≡ 0. Da b(x) nicht das Nullelement ist, seij ∈ N der kleinste Index, sodass bj 6= 0 ist.

a(x)

b(x)=

∑n≥0 anx

n∑n≥0 bnx

n=

∑n≥0 anx

n∑n≥j bnx

n=

∑n≥0 anx

n

xj∑

n≥j bnxn−j =

1

xj

∑n≥0 anx

n∑n≥0 bn+jxn

Beide Reihen,∑

n≥0 anxn und

∑n≥0 bn+jx

n liegen in R[[x]], damit aber nach der Ein-bettung auch in K[[x]]. Weiters gilt bj 6= 0, der erste Koeffizient der Reihe im Nenner

ist von Null verschieden und nach Lemma 1.2.2 ∃(∑

n≥0 bn+jxn)−1

das multiplikativInverse in K[[x]]. Nun ist∑

n≥0 anxn∑

n≥0 bn+jxn=

(∑n≥0

bn+jxn

)−1(∑n≥0

bn+jxn

)=∑n≥0

cnxn ∈ K[[x]]

ebenfalls eine formale Potenzreihe. Mit diesem Wissen konnen wir den Quotienten schrei-ben als

a(x)

b(x)=

∑n≥0 cnx

n

xj=∑n≥0

cnxn−j =

∑n≥−j

cn+jxn.

Der Quotientenkorper der formalen Potenzreihen besteht also aus solchen Reihen, beidenen nur endlich viele negative Potenzen auftreten.

Allgemein nennen wir eine Reihe der Gestalt∑n≥−j

cnxn, cn ∈ K, j ≥ 0

eine formaleLaurentreihe und bezeichnen diese Struktur zur Unterscheidung mit run-den Klammern, K((x)).

Es gilt weiters, dass fur eine formale Laurentreihe f(x) ∈ K((x)) die Variable x durcheine formale Potenzreihe r(x) ∈ K[[x]] ohne Konvergenzprobleme ersetzen konnen, fallsfur r(x) =

∑n≥0 rnx

n der erste Koeffizient r0 = 0 ist.

2.1.1 Die formale Umkehrfunktion

Eine formale Potenzreihe g(x) ∈ K[[x]] heißt invers bezuglich der Komposition zu eineranderen f(x) ∈ K[[x]], im Zeichen: g(x) = f [−1](x), falls f

(g(x)

)= x.

42

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Lemma 2.1.2. Eine formale Potenzreihe f(x) =∑

n≥0 fnxn ∈ K[[x]] besitzt eine in-

verse bezuglich der Komposition, genau dann wenn f0 = 0 und fn 6= 0.

Proof. Durch Ausschreiben von

f(x) = f0 + f1x1 + f2x

2 + . . .

f [−1] = g(x) = g0 + g1x1 + g2x

2 + . . .

erhalten wir mittels der Eigenschaft fur die Inverse:

x = f(g(x)

)= f0 + f1(g0 + g1x+ g2x

2 + . . .) + f2(g0 + g1x+ g2x2 + . . .)2 + . . . .

Als erste Bedingung erhalt man direkt g0 = 0, da ansonsten schon die Reihe fur denersten Koeffizienten uneigentlich ware. Mittels Koeffizientenvergleich ergibt sich nun:

[x0] 0 = f0

[x1] 1 = f1g1 g1 =1

f1

[x2] 0 = f1g2 + f2g21 g2 = −f2g

21

f1

. . .

2.2 Der formale Residuenkalkul

1. Problem: Wie lassen sich die Koeffizienten einer Substitution f(r(x)

)bestimmen?

Einfache Voruberlegungen: Wir konnen das Ablesen von [xn] in einer formalen Lau-rentreihe f(x) ∈ K((x)) immer auf den Koeffizienten [x−1] einer anderen Reihe f(x)zuruckfuhren:

[xn]f(x) = [x−1]f(x)

xn+1.

Wir nennen den Koeffizienten [x−1]f(x) einer formalen Laurentreihe f(x) ∈ K[[x]] inAnlehnung an die Funktionentheorie das formale Residuum von f(x).

Lemma 2.2.1 (formaler Residuenkalkul).

[x−1]f(x) =1

α[u−1]f(r(u)) · r′(u) (2.1)

Wobei f(x) ∈ K((x)) und r(u) ∈ K[[u]], r(u) = rαuα+rα+1u

α+1 + . . . und α der kleinsteIndex, sodass rα von 0 verschieden ist (Beachte: wie oben gefordert ist r0 = 0).

43

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Proof. Da das Ablesen der Koeffizienten (der Operator [x−1]) ein stetiger linearer Ope-rator von K((x)) nach K ist, genugt es, diesen Satz fur alle Monome f(x) = xn, n ∈ Zzu zeigen.

1. Fall n 6= −1:Die linke Seite ausgewertet ist [x−1]xn = 0, die rechte Seite ist unter Beachtung vonAbleitungsregeln:

[u−1](r(u)

)nr′(u) = [u−1]

(r(u)n+1

n+ 1

)′.

Nun gilt jedoch fur jede formale Laurentreihe h(x) dass das formale Residuum seinerAbleitung [x−1]h′(x) = 0 ist: Sei h(x) =

∑n≥−j hnx

n, dann ist h′(x) =∑

n≥−j nhnxn−1

und fur [x−1] ist n = 0, also auch [x−1]h′(x) = 0 und damit gilt die geforderte Gleichheit.

2. Fall f(x) = x−1:Es gilt: r(u) = uα(rα + rα+1u+ . . . ) = uα · t(u), wobei t(u) = t0︸︷︷︸

=rα 6=0

+t1u+ · · · ∈ K[[u]].

Es existiert also 1t(u)∈ K[[u]].

Die linke Seite ist [x−1]x−1 = 1. Zu zeigen ist nun [u−1] r′(u)r(u)

= 1.

[u−1]α · uα−1 · t(u) + uα · t′(u)

uα · t(u)= [u−1]

α

u︸ ︷︷ ︸1

+ [u−1]

∈K[[u]]︷ ︸︸ ︷t′(u)

t(u)︸ ︷︷ ︸0

= 1

Beispiel 26. Betrachten wir wieder die Binarbaume mit der erzeugenden FunktionB(z) = 1−

√1−4z

2z. Mit der Substitution

z =u

(1 + u)2

= r(u) = 1 · u

=α︷︸︸︷1 + . . .

r′(u) =(1 + u)2 − 2u(1 + u)

(1 + u)4=

1− u(1 + u)3

ergibt sich die vereinfachte erzeugende Funktion:

B

(u

(1 + u)2

)= 1 + u

44

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Mit dem formalen Residuenkalkul erhalt man also:

Bn = [zn]B(z) = [z−1]B(z)

zn+1=

= [z−1](1 + u)(1 + u)2(n+1)

un+1= [z−1]

(1 + u)2n+3

un+1=

=1

1· [u−1]

(1 + u)2n+3

un+1· 1− u

(1 + u)3=

= [un](1 + u)2n − [un](1 + u)2nu =

=

(2n

n

)−(

2n

n− 1

)=

(2n

n

)(1− n

n+ 1

)=

1

n+ 1

(2n

n

)

2. Problem: Wie lassen sich die Koeffizienten der Umkehrfunktion bestimmen?

Da fur eine Funktion g(x) ∈ K[[x]] gilt, dass g[−1](x) genau dann existiert, falls g0 = 0und g1 6= 0 ist, konnen wir g(x) folgendermaßen schreiben:

g(x) = g1x+ g2x2 + · · · = x (g1 + g2x+ g3x

2 + . . . )︸ ︷︷ ︸1

ϕ(x)

=x

ϕ(x)

mit ϕ(x) =∑

k≥0 ϕk · xk, wobei ϕ0 6= 0, und ϕ(x) ∈ K[[x]].

Satz 2.2.2 (Inversionsformel von Lagrange). Sei f(x) eine formale Potenzreihe in K[[x]]und sei weiters z = x

ϕ(x), mit ϕ(x) =

∑k≥0 ϕk · xk ∈ K[[x]] und ϕ0 6= 0. Dann gilt:

[zn]f(x) =1

n[xn−1]f ′(x) ·

(ϕ(x)

)n, fur n ≥ 1 (2.2)

[z0]f(x) = [x0]f(x) (2.3)

Spezialfall: f(x) = x.Dann liefert der Satz die Koeffizienten [zn]x, wobei z = x

ϕ(x), d. h. die Koeffizienten der

Umkehrfunktion von zϕ(z)

.

Fur den Beweis benotigen wir noch einen

Hilfssatz 2.2.3. h(x) ∈ K((x)), dann gilt: [x−1]h′(x) = 0.

Proof. n = 0: [z0]f(x) = [x0]f(x) ist klar.n ≥ 1:

[zn]f(x) = [z−1]f(x)

zn+1= [z−1]

f(x)(ϕ(x)

)n+1

xn+1

45

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Mit dem formalen Residuenkalkul und

r(x) =x

ϕ(x)= r1︸︷︷︸

6=0

·x1 + . . . (α = 1)

r′(x) =ϕ(x)− xϕ′(x)

ϕ2(x)

erhalt man

[zn]f(x) = [z−1]f(x)

(ϕ(x)

)n+1

xn+1=

1

1[x−1]

f(x)(ϕ(x)

)n+1

xn+1· ϕ(x)− xϕ′(x)

ϕ2(x)

= [x−1]f(x)

(ϕ(x)

)nxn+1

− [x−1]f(x)

(ϕ(x)

)n−1ϕ′(x)

xn

= [x−1]f(x)

(ϕ(x)

)nxn+1

− [x−1]f(x)

xn

((ϕ(x)

)nn

)′Nun verwenden wir den Hilfssatz, dabei sei

h(x) =f(x)

xn·(ϕ(x)

)nn

h′(x) =

(f(x)

xn

)′ (ϕ(x))n

n+f(x)

xn

((ϕ(x)

)nn

)′0 = [x−1]h′(x) = [x−1]

(f(x)

xn

)′ (ϕ(x))n

n+ [x−1]

f(x)

xn

((ϕ(x)

)nn

)′Damit erhalten wir

[zn]f(x) = [x−1]f(x)

(ϕ(x)

)nxn+1

+ [x−1]

(f(x)

xn

)′ (f(x))n

n

= [x−1]f(x)

(ϕ(x)

)nxn+1

+ [x−1]f ′(x)

xn·(ϕ(x)

)nn

− [x−1]nf(x)

xn+1·(ϕ(x)

)nn

=1

n[xn−1]f ′(x)

(ϕ(x)

)n

Beispiel 27 (t-are Baume).

T = {�} ∪ {©} × T t

T (z) = 1 + z(T (z))t

Mit W (z) := T (z)− 1 und ϕ(z) := (1 + w)t erhalt man:

z =T (z)− 1

(T (z))t=

W (z)

(1 +W (z))t=

w

(1 + w)t=

w

ϕ(w)

46

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Wir suchen nun die Koeffizienten [zn]W (z):

[zn]W (z) = [zn]w

=1

n[wn−1] · 1 · (1 + w)n−t

=1

n

(nt

n− 1

)=

1

(t− 1)n+ 1

(nt

n(t− 1)

)Fur t = 2 ergeben sich die Catalan-Zahlen.

Beispiel 28. Gesucht sind die Koeffizienten in der Entwicklung von ea·t nach Potenzenvon t · e−t, also die cn mit

ea·t︸︷︷︸f(t)

=∑n≥0

cn · (t · e−t)n︸ ︷︷ ︸tet

= tϕ(t)

, fur a ∈ R

Wir verwenden die Lagrangesche Inversionsformel:

cn =1

n[tn−1]f ′(t)(ϕ(t))n

=1

n[tn−1]a · ea·t · en·t =

a

n[tn−1]e(a+n)t

=a

n· (a+ n)n−1

(n− 1)!=a · (a+ n)n−1

n!

⇒ ea·t =∑n≥0

a · (a+ n)n−1 · (t · e−t)n

n!

Definition 2.2.4. Polynome der Art x · (x+n)n−1 =: pn(x) werden als Abel-Polynomebezeichnet.

Mit dieser Definition ist ex·t =∑

n≥0 pn(x) · (t·e−t)nn!

.

Wir betrachten nun e(x+y)t =∑

n≥0 pn(x+ y) · (t·e−t)nn!

.

ext · eyt =

(∑n≥0

pn(x) · (t · e−t)n

n!

)·(∑

n≥0

pn(y) · (t · e−t)n

n!

)

=∑n≥0

(t · e−t)n

n!·( n∑

k=0

pk(x) · pn−k(y) · n!

k!(n− k)!

)

=∑n≥0

(t · e−t)n

n!·

n∑k=0

(n

k

)· pk(x) · pn−k(y)

47

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Durch Koeffizientenvergleich erhalt man:

pn(x+ y) =n∑k=0

(n

k

)· pk(x) · pn−k(y)

So ein pn nennt man Polynomfolge vom Binomialtyp. Fur pn(x) = xn erhalt man genauden Binomischen Lehrsatz: (x+ y)n =

∑nk=0

(nk

)· xn · yn−k.

Beispiel 29.∑n

k=0

(n+kk

)· 1

2k+n = sn

sn =1

2n

n∑k=0

(−n− k + k − 1

k

)· (−1)k · 2−k

=1

2n

n∑k=0

(−n− 1

k

)·(− 1

2

)k=

1

2n

n∑k=0

[xn](

1− x

2

)−n−1

=1

2n[xn]

1

1− x· 1

(1− x2)n+1

sn =1

2n[xn]

1

1− x·(

1

1− x2

)n+1

Wir versuchen dies als rechte Seite der LIF zu interpretieren.Die linke Seite ist [zn+1]f(x).

Die rechte Seite ist 1n+1

[xn]f ′(x) ·(ϕ(x)

)n+1.

Wahle ϕ(x) = 11−x

2.

Gibt es nun ein f(x) so, dass f ′(x) = 11−x? Ja, und zwar: f(x) = log 1

1−x =∑

k≥1xk

k.

⇒ sn =1

2n(n+ 1)[zn+1]log

1

1− x

Substituiere

z =x

ϕ(x)= x

(1− x

2

)= x− x2

2

⇔ x2 − 2x+ 2z = 0

⇒ x = 1−√

1− 2z

48

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Also sn =n+ 1

2n[zn+1]log

1

1− (1−√

1− 2z)

=n+ 1

2n[zn+1]log

1√1− 2z

=n+ 1

2n+1[zn+1]log

1

1− 2z

=n+ 1

2n+1· 2n+1

n+ 1= 1

Daraus folgt alson∑k=0

(n+ k

k

)1

2n+k= 1

Das beschreibt das Banach’sche Zundholzproblem. Man hat 2 Schachteln Zundholzerund nimmt zufallig Zundholzer raus. Dann beschreibt

(n+kk

)1

2n+k die Wahrscheinlichkeit,dass in der anderen Zundholzschachtel noch genau k Zundholzer sind.

2.3 Polynomfolgen vom Binomialtyp undtranslationsinvariante Operatoren

Satz 2.3.1 (Binomischer Lehrsatz).

(x+ y)n =n∑k=0

(n

k

)xk · yn−k

Definition 2.3.2. Identitatsoperator:

Ip(x) := p(x)

Differentialoperator:Dp(x) := p′(x)

Translationsoperator:Eyp(x) := p(x+ y)

Damit ist also der binomische Lehrsatz in Operatorschreibweise:

Eyxn =n∑k=0

(n

k

)xk · yn−k

49

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• Taylor’scher Satz: p(x) ∈ R[x],

p(x+ y) = Eyp(x) = p(x) +y

1!p′(x) +

y2

2!p′′(x) + . . .

= Ip(x) +y

1!Dp(x) +

y2

2!D2p(x) + . . .

= ( I︸︷︷︸=D0

+y

1!D +

y2

2!D2 + . . . )p(x)

=(∑n≥0

yn

n!Dn)p(x) = eyDp(x)

Da p(x) ein Polynom ist, tragen nur endlich viele Summanden etwas bei.

Der Taylor’sche Satz Ey =∑

k≥0yk

k!Dk ist eine Identitat fur Operatoren auf R[x].

Beim Binomischen Lehrsatz gilt:

(x+ y)n =n∑k=0

(n

k

)xkyn−k =

n∑k=0

(n

k

)ykxn−k

=n∑k=0

nk

k!ykxn−k =

n∑k=0

yk

k!nkxn−k

=n∑k=0

yk

k!Dnxn =

∑k≥0

yk

k!Dnxn = eyDxn

Nun lasst sich (x + y)n aber auch umschreiben als (x + y)n = Eyxn. Insgesamt ergibtdie Gleichungskette nun

Eyxn = eyDxn,

und der Binomische Lehrsatz ist aquivalent zum Taylor’schen Satz da die xn eine Basisauf R[x] bilden.

Es stellen sich nun die weiteren Fragen:

1. Frage Welche linearen Operatoren lassen sich als formale Potenzreihe des Differentia-tionsoperators D darstellen und liegen damit in R[[D]]?

2. Frage Gibt es noch weitere Polynomfolgen pn vom Binomialtyp, also solche die die

Gleichung pn(x+ y) =∑n

k=0

(nk

)pk(x)pn−k(y) erfullen?

3. Frage Konnen wir in Analogie zum Differentialoperator, der auf R[x] operiert, einenAbleitungsoperator Q auf R[[x]] definieren, der dasselbe leistet?

50

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Bevor wir uns diesen Fragen zuwenden definiern wir neben dem y-Shift Operator Ey =∑k≥0

yk

k!Dk = eyD und der Identitat I = D0 noch einen weiteren zentralen Operator aus

R[[D]]:

Sei ∆ der Differenzenoperator ∆p(x) := p(x+1)−p(x) = E1p(x)−Ip(x) = (E1−I)p(x)dann ist ∆ ebenfalls aus R[[x]]:

∆ = E1 − I =∑k≥0

1k

k!Dk −D0 =

∑k≥1

Dk

k!.

Allgemein konnen wir jede formale Potenzreihe in R[[D]] als linearen Operator auf R[x]auffassen: (∑

k≥0

akDk

)(n∑j=0

bjxj

)=∑k≥0

n∑j=0

akbjDkxj

Da Dkxj = 0 ∀k ≥ j hat auch die unendliche Reihe nur hochstens n von 0 verschiedeneSummanden.

Damit entsprechen die Operatoren + und · auf den formalen Potenzreihen R[[D]] denfolgenden linearen Operatoren:

R[[D]] lin. Op auf R[x]+ + Addition der lin. Op

·(Cauchyprodukt) ◦ Hintereinanderausfuhrung

Beachte: Fur das Cauchyprodukt benotigen wir die Multiplikation von zwei Differential-operatoren:

DiDjxn = Dinjxn−j = njn− jixn−j−i = ni+jxn−i−j = Di+jxn

Sei nun F die Abbildung, die die Operationen in R[[D]] auf die linearen Operatorenuberfuhrt, so ist F ein Ringhomomorphismus.

2.3.1 formale Potenzreihen in R[[D]] und Translationsinvarianz

Definition 2.3.3. Ein linearer Operator T auf R[x] heißt translationsinvariant, wenner mit der Translation kommutiert, dh.

EyT p(x) = TEy p(x) ∀p(x) ∈ R[x],

bzw. wenn man die formalen Potenzreihen als Operatoren auf R[x] auffasst, kurz als

EyT = TEy.

51

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Satz 2.3.4. Ein linearer Operator T ∈ R[x] liegt genau dann in R[[D]], wenn T trans-lationsinvariant ist.

Proof. ”⇒” Sei T ∈ R[[D]], dann beachte dass Ey = eyD und weil 〈R[[D]], ·〉 kommutiertfolgt unmittelbar EyT = TEy.

”⇐” Sei also nun T ein translationsinvarianter, linearer Operator auf R[x]. In Analogie

zum Taylor’schen Satz f(x) =∑

n≥0(Dnf(x))x=0

n!xn definieren wir den Operator

S :=∑n≥0

(Txn)x=0

n!Dn.

Dies ist eine direkte Konstruktionsvorschrift fur den gesuchten Operator in R[[D]].

Wir zeigen zunachst die Gleichheit S = T an der der Stelle x = 0, als Vereinfachung derSchreibweise sei Lx die Evaluierung an dieser Stelle. Ist das Argument x bezuglich demevaluiert wird eindeutig, so schreiben wir auch einfach L.

Damit leistet S =∑

n≥0LTxn

n!Dn auf den Monomen xm an der Stelle 0:

L darf hineingezogen werden (wieso?)

LSxm = L∑n≥0

LTxn

n!Dnxm =

∑n≥0

LTxn

n!LDnxm

Nun ist LDnxm =

0 fur n > m, da schon Dnxm = 0

0 n < m, da xm−n|0 = 0

n! n = m

.

LSxm =LTxm

m!m!

Da die xm eine Basis bilden, gilt LS = LT , S leistet also an der Stelle 0 dasselbe.

Fur eine beliebige Stelle wenden wir nun die Translationsinvarianz an. Sei p ein Polynomin x, wende S darauf an und ersetzte x durch y:

(Sp)(y) : = (EySp(x))x=0 = (LxEy)Sp(x)

52

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und da S ∈ R[[D]], Ey ∈ R[[D]] darf vertauscht werden:

= (LxSEy) p(x) = (LxTE

y) p(x) = (LxEyT ) p(x) = (EyTp(x))x=0

= (Tp)(y) ∀p ∈ R[y],

⇒ S = T.

Beispiel 30 (Differenzenoperator ∆). Wenden wir nun diese Konstruktionsvorschriftfur den Differenzenoperator an, dieser ist ja translationsinvariant:

Ey∆p(x) = Ey(p(x+ 1)− p(x)

)= Eyp(x+ 1)− Eyp(x)

= p(x+ y + 1)− p(x+ y) = ∆p(x+ y)

= ∆Eyp(x).

Um diesen Operator nun als formale Potenzreihe des Defferentialoperators zu schreiben,benotigen wir die Koeffizienten L∆xn

n!.

L∆xn = L((x+ 1)n − xn

)= 1n − 0n =

{1 n ≥ 1

0 n = 0

Damit lasst sich der Operator schreiben als

∆ =∑n≥0

L∆xn

n!Dn =

∑n≥1

1

n!=∑n≥1

Dn

n!

und wir kommen zum selben Ergebnis wie oben.

2.3.2 Polynomfolgen vom Binomialtyp (pn(x))n≥0

Die bestimmende Gleichheit fur diese Eigenschaft ist

pn(x+ y) =n∑k=0

(n

k

)pn(x)pn−k(y). (2.4)

Wir beschranken uns hier auf die Klasse der normalen Familie von Polynomen, welche

1. deg pn(x) = n

2. pn(0) = 0, ∀n ≥ 1

3. p0 ≡ 1 erfullen.

53

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Der Differentialoperator leistet auf den Monomen Dxn = nxn−1.

Sei der zugehorige Ableitungsoperator Q definiert uber die drei Eigenschaften

1. Q ist ein linearer operator auf R[x],

2. Qpn(x) = npn−1(x), n ≥ 1

3. Qp0(x) = 0

Bemerkung. Damit ist Q fur jede normale Familie von Polynomen als der zugehorigeAbleitungsoperator eindeutig bestimmt.

Unter Verwendung des Ableitungsoperators gilt:

pn(x+ y) =n∑k=0

(n

k

)pn(x)pn−k(y) =

n∑k=0

(n

k

)pn(y)pn−k(x) =

n∑k=0

nk

k!pk(y)pn−k(x)

=n∑k=0

pk(y)

k!nkpn−k(x)︸ ︷︷ ︸Qkpn(x)

=∑k≥0

pk(y)

k!Qkpn(x) ∀p

Wieder kann pn(x + y) umgeschrieben werden als pn(x + y) = Eypn(x) und es gilt

Eypn(x) =∑

k≥0pk(y)k!Qkpn(x). Da die pn eine Basis bilden, (garantiert durch die erste

Eigenschaft der normalen Familie von Polynomen) gilt nun die Gleichheit der Operato-ren:

Ey =∑k≥0

pk(y)

k!Qk (2.5)

Die beiden Gleichungen (2.4) und (2.5) sind damit aquivalent. Nach dieser Darstellungist aber Q translationsinvariant (EyQ = QEy) und es gilt Q ∈ R[[D]].

Jede formale Potenzreihe in R[[D]] muss aber erfullen Wissen aus Beweis des Satzes:

Q =∑n≥0

LQxn

n!Dn

Es gilt:

LQx0 = LQ1 = LQp0(x) = L0 = 0

LQx1 = LQp1(x)

c= L

1

cQp1(x) =

1

cL1 =

1

c6= 0

In der Summe:Q =

∑k≥0

gkDk g0 = 0, g1 6= 0

54

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und damit der Satz

Satz 2.3.5. Sei(pn(x)

)n≥0

eine normale Familie von Polynomen, welche (2.4) erfullen,und Q der zugehorige Ableitungsoperator, dann

Q =∑k≥0

gkDk =: g(D) ∈ R[[D]]

mit den Eigenschaften g0 = 0, g1 6= 0 ist gezeigt.

Ebenso gilt die Umkehrung:

Satz 2.3.6. Sei

Q = g(D) =∑k≥0

gkDk mit g0 = 0 und g1 6= 0.

Dann existiert eine eindeutig bestimmte normale Familie von Polynomen pn(x), sodassQ der zugehorige Ableitungsoperator ist.

Proof. Vollstandige Induktion nach n.n = 0: p0(x) = 1, es gilt

Qp0(x) = Q1 =∑k≥0

gkDk1 = 0

n→ n+ 1: Induktionsannahme: Es gibt eindeutig bestimmte Polynome p0(x), p1(x), . . . , pn(x),welche alle Eigenschaften einer normalen Familie von Polynomen erfullen, und wo weitersgilt, dass

Qp(x) = k · pk−1(x) fur alle 0 ≤ k ≤ n.

Wir wollen zeigen, dass ein eindeutig bestimmtes Polynom pn+1(x) vom Grad n + 1existiert, mit pn+1(0) = 0 und Qpn+1(x) = (n+ 1)pn(x).

Es gilt:

Q = g(D) =∑k≥1

gkDk = D

(∑k≥0

gk+1Dk)

︸ ︷︷ ︸=g1+g2D+...

=D

ϕ(D)

mit ϕ(D) =∑

k≥0 ϕkDk, wobei ϕ0 6= 0. Das multiplikative Inverse von

∑k≥0 gk+1D

k

existiert, weil g1 6= 0.

Qpn+1(x) = (n+ 1)pn(x)

⇔ D

ϕ(D)pn+1(x) = (n+ 1)pn(x)

⇔ Dpn+1(x) = ϕ(D)(n+ 1)pn(x) =: qn(x) Polynom in x

⇔ p′n+1(x) = qn(x)

55

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ϕ(D)(n+ 1)pn(x) = (n+ 1)n∑k=0

ϕkDkpn(x)

= (n+ 1)(ϕ0pn(x)︸ ︷︷ ︸

Grad n

+n∑k=1

ϕkDkpn(x)︸ ︷︷ ︸

Grad ≤n−1

)= qn(x)︸ ︷︷ ︸

Grad n

pn+1(x) ist als Stammfunktion von qn(x) erklart und eindeutig aufgrund der Bedingungpn+1(0) = 0.

pn+1(x) =

∫ x

0

qn(t)dt

Satz 2.3.7. Sei

Q = g(D) =∑k≥0

gkDk mit g0 = 0 und g1 6= 0.

Dann gilt fur die exponentiell erzeugenden Funktionen der zugehorigen eindeutig be-stimmten normalen Familie von Polynomen pn(x):∑

n≥0

pn(x)tn

n!= exG(t) (2.6)

wobei G(t) = g[−1](t) die bezuglich der Hintereinanderausfuhrung inverse formale Po-tenzreihe zu g(t) ist.

Der Beweis folgt etwas spater. Zuerst noch eine unmittelbare Folgerung von (2.6):

∑n≥0

pn(x+ y)tn

n!= e(x+y)G(t) = exG(t) · eyG(t)

=

(∑n≥0

pn(x)tn

n!

)(∑n≥0

pn(y)tn

n!

)Ablesen der Koeffizienten

[tn

n!

]:

pn(x+ y) = n!n∑k=0

pk(x)

k!

pn−k(y)

(n− k)!

=n∑k=0

(n

k

)pk(x)pn−k(y)

Daraus folgt

56

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Korollar 2.3.8. pn(x) ist eine normale Familie von Polynomen vom Binomialtyp.

Nun zum Beweis von (2.6):

Proof. Wir wissen:∑

k≥0yk

k!Dk = Ey.

Es gilt Ey =∑

k≥0 akQk mit reellen Koeffizienten ak, weil wir vorausgesetzt haben, dass

Q = g(D) = Dϕ(D)

, woraus folgt, dass D = G(Q), mit G(t) = g[−1](t). Es gilt dabei:

G(t) =∑

k≥1Gktk.

Daraus folgt: R[[D]] = R[[Q]].

∑n≥0

pn(y)

(g(t)

)nn!

=∑n≥0

(pn(x+ y)

)x=0

(g(t)

)nn!

=∑n≥0

(LxE

ypn(x))(g(t)

)nn!

=∑n≥0

Lx∑k≥0

akQkpn(x)

(g(t)

)nn!

=∑n≥0

∑k≥0

akLxukpn−k(x)︸ ︷︷ ︸

ak·n!·δn,k

(g(t)

)nn!

=∑n≥0

ann!

(g(t)

)nn!

=∑n≥0

an(g(t)

)n=∑n≥0

yn

n!tn = eyt

denn wir hatten∑

k≥0yk

k!Dk =

∑k≥0 akQ

k =∑

k≥0 ak(g(D)

)k,

also ist∑

n≥0yn

n!tn =

∑n≥0 an

(g(t)

)n.

Somit ist ∑n≥0

pn(y)

(g(t)

)nn!

= eyt

Ersetzt man y durch x und t durch G(t) = g[−1](t), erhalt man das Gewunschte:∑n≥0

pn(x)tn

n!= exG(t)

57

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Als Folgerung von (2.6) erhalten wir Formeln, die es erlauben, die normale Familie vonPolynomen pn(x) aus Q = g(D) = D

ϕ(D)zu bezeichnen. Es gilt:

•pn(x) = x

1

g′(D)pn−1(x), n ≥ 1, p0(x) = 1

•pn(x) = x

(ϕ(D)

)nxn−1, n ≥ 1, p0(x) = 1

Beispiel 31. Operator

Q = ∆ = E1 − I =∑k≥1

Dk

k!= g(D)

⇒ g′(D) =∑k≥1

kDk−1

k!=∑k≥0

Dk

k!= eD

⇒ 1

g′(D)= e−D = E−1

pn(x) = xE−1pn−1(x)

= xpn−1(x− 1) = x(x− 1)pn−2(x− 2)

...

= xnp0(x) = xn

= x(x− 1) . . . (x− n+ 1) Newton-Polynome

Es folgt daraus∆xn = nxn−1, n ≥ 0

Es lasst sich sogar zeigen:

Lemma 2.3.9. Folgende Aussagen sind aquivalent:

1.(pn(x)

)n≥0

ist eine normale Familie von Polynomen vom Binomialtyp.

2. Der zugehorige Ableitungsoperator Q erfullt:

Q = g(D) mit g0 = 0, und g1 6= 0

=D

ϕ(D)mit ϕ0 6= 0

3. ∑n≥0

pn(x)tn

n!= exG(t) mit G(t) = g[−1](t)

58

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4.

pn+1(x) = x1

g′(D)pn(x), n ≥ 0 und p0(x) = 1

5.pn(x) = x

(ϕ(D)

)nxn−1, n ≥ 1 und p0(x) = 1

Wir zeigen, dass aus 3. ⇒ 4. folgt:

Es gelte∑

n≥0 pn(x) tn

n!= exG(t) und wir wollen

∑n≥0 pn+1(x) t

n

n!darstellen.

(2.6) nach t ableiten: ∑n≥0

pn+1(x)tn

n!=

∂texG(t) = xG′(t)exG(t)

(2.6) nach x ableiten:

Dx

(∑n≥0

pn(x)tn

n!

)= Dxe

xG(t) = G(t)exG(t)

Weiters folgt:

Dkx

(∑n≥0

pn(x)tn

n!

)=(G(t)

)kexG(t)

Sei h(t) eine formale Potenzreihe.

⇒ h(Dx)

(∑n≥0

pn(x)tn

n!

)= h

(G(t)

)exG(t)

Wahle h(t) = G[−1](t) = g(t)

⇒ g(Dx)

(∑n≥0

pn(x)tn

n!

)= texG(t)

Weiters folgt: (g(Dx)

)k(∑n≥0

pn(x)tn

n!

)= tkexG(t)

Sei r(t) eine formale Potenzreihe.

⇒ r(g(Dx)

)(∑n≥0

pn(x)tn

n!

)= r(t)exG(t)

59

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Wahle r(t) = G′(t).

⇒ G′(g(Dx)

)(∑n≥0

pn(x)tn

n!

)= G′(t)exG(t)

Es gilt: G(g(t)

)= t | ∂

∂t⇒ G′

(g(t)

)g′(t) = 1

⇒ G′(g(t)

)=

1

g′(t)

⇒ 1

g′(Dx)

(∑n≥0

pn(x)tn

n!

)= G′(t)exG(t)

⇒∑n≥0

pn+1(x)tn

n!= xG′(t)exG(t)

= x1

g′(Dx)

(∑n≥0

pn(x)tn

n!

)Koeffizientenvergleich bei tn

n!ergibt:

pn+1(x) = x1

g′(D)pn(x)

Wir zeigen nun, dass aus 3. ⇒ 5. folgt:

Aus 3. folgt pn(x)n!

= [tn]exG(t), wobei G(t) = g[−1](t) das Inverse zu g(t) = tϕ(t)

ist.

G(t) = u ⇔ t = g(u) =u

ϕ(u)

pn(x)

n!= [tn]exG(t) (verwende LIF)

=1

n[un−1]

(ϕ(u)

)n ∂∂u

(exu)

=1

n[un−1]

(ϕ(u)

)nx(exu) =

x

n[un−1]

(ϕ(u)

)n(exu) (verwende Taylor’sche Formel)

=x

n

1

(n− 1)!LuD

n−1n

(ϕ(u)

)nexu

=x

n!LuD

n−1n

(ϕ(u)

)nexu

Das ist bereits eine explizite Formel.

60

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Zusammengefasst erhalt man also mit der Lagrang’schen Inversionsformel die Darstel-lung fur die Polynomfamilie durch

Pn(x)

n!= . . . =

x

n!Lu D

n−1u︸ ︷︷ ︸

=:r(Du)

(φ(u)

)nexu︸ ︷︷ ︸

s(u)

.

Satz 2.3.10. Seien r(Du) =∑

k≥0 rkDku, s(u) =

∑n≥0 snu

n formale Potenzreihen, danngilt

Lur(Du)s(u) = Lus(Du)r(u).

Die Rolle von Operator und Operand durfen vertauscht werden, wenn in der Folge anNull ausgewertet wird.

Proof.

Lur(Du)s(u) = Lu∑k≥0

rkDku

∑n≥0

snun =

∑k≥0

∑n≥0

rusnLuDkuu

n

=∑k≥0

∑n≥0

rksnn!δn,k =∑k≥0

∑n≥0

rksnk!δn,k

=∑k≥0

∑n≥0

rksnLuDnuu

k = Lu∑n≥0

snDnu

∑k≥0

rkuk

= Lus(Du)r(u).

Damit folgt aber

Pn(x) = xLu(φ(Du)

)nexDuun−1 = xLue

xDu(φ(Du)

)nun−1 = xLuE

xu

(φ(Du)

)nun−1.

Sei q(u) das Polynom(φ(Du)

)nun−1. Dieses Polynom wird verschoben zu q(u + x) und

anschließend an u = 0 ausgewertet. Damit ist aber u irrelevant, es gilt

. . . = x(φ(D)

)nxn−1.

Gezeigt wurden also 2 ⇒ 3, 2 ⇒4. Die umgekehrten Richtungen gelten ebenso, werdenhier aber nicht gezeigt

Anmerkung: Es gilt auch, dass aus 4 pn(x) = x(φ(D)

)nxn−1 folgt, dass damit eine

Normale Familie von Polynomen vom Binomialtyp mit Ableitungsoperator Q = Dφ(D)

definiert ist. Dies konnte benutzt werden, um die LIF zu beweisen.

Noch einige Beispiele zu obigem:

61

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Beispiel 32. Q = ∆ = E − I. Zu diesem Operator gehoren als normale Familie dieNewtonpolynome pn(x) = xn. Sie erfullen

pn(x+ y) =n∑k=0

(n

k

)pk(x)pn−k(y),

sind also vom Binomialtyp. Anders aufgeschrieben gilt:

(x+ y)n

n!=

n∑k=0

xk

k!

yn−k

n− k!(x+ y

n

)=

n∑k=0

(x

k

)(y

n− k

)Dies ist die Vandermondeidentitat, eine sehr alte Binomialidentitat.

Diese Formel gilt ∀x, y ∈ R. Fur naturliche x, y ∈ N gibt es aber auch eine kombinato-rische Erklarung: Gegeben sei eine (x + y)-elementige Grundmenge. Die linke Seite istnun die Anzahl der Auswahlemoglichkeiten von n Elementen. Fur die rechte Seite wirdnun die Grundmenge in eine x und in eine y-elementige Teilmenge Zerlegt. Wahlt mannun k Elemente aus der ersten, und die Restlichen aus der zweiten Menge und summiertuber alle moglichen k, so ergibt sich die Gleichheit.

Beispiel 33. Nochmals Gleichung (??):∑n≥0

pn(x)tn

n!= exG(t).

Falls G(t) =∑

n≥1Gntn

n!die EEF der Folge (Gn) mit Gn ∈ N, also einer Folge naturli-

cher Zahlen ist, so lasst sich die Formel auch kombinatorisch Interpretieren: Sei G eineFamilie markierter kombinatorischer Objekte, sei Gn die Anzahl der Objekte mit Gewichtn in G.

Die geordneten k-Tupel von Elementen aus G, insgesamt ordnungserhaltend neu num-meriert sind

W ∼ G ∗ G ∗ · · · ∗ Gl

W (t) =(G(t)

)kOhne betrachtung der Ordnung ergibt sich die EEF nun als

(G(t))k

k!. Die Formel liefert

nun

[xk]∑n≥0

pn(x)tn

n!=G(t)k

k!

62

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Damit gilt aber (weshalb) ?[xktn

n!

]∑n≥0

pn(x)tn

n!= [xkpn(x)] =

[tn

n!

]G(t)k

k!.

Dies ist also die Anzahl der ungeordneten k-Tupel aus G, insgesamt richtig neu numme-riert mit Gewicht n.

Beispiel 34. Wollen wir das gesagte noch fur ein Konkretes Objekt G betrachten:

Ein ungeordneter markierter Wurzelbaum ist: ... Reihenfolge der Nachfolger der Wurzelirrelevant

[BILD]

Ein Baum ist ein kreisfreier zusammenhangender Graph. Ein Wald ist ein kreisfreierGraph, dessen Zusammenhangskomponenten Baume sind. Ein markierter Wurzelwaldist ein kreisfreier Graph, dessen Zusammenhangskomponenten markierte Wurzelbaumesind.

[BILD]

Sein an,k die Anzahl der markierten Wurzelwalder der Große n (dh. n Gesamtknoten),die aus k Zusammenhangskomponenten bestehen. an,1 ist also die Anzahl der markiertenWurzelbaume.

Zur Konstruktion:

W:= [BILD] Mittels der exponentiell erzeugenden Funktion W (z) =∑

n≥0Wnzn

n!gilt:

W ∼ {0} ∗W [∗]

l

W (z) = zeW (z) ⇔ z =W (z)

eW (z)

Wobei W1[∗] die ungeordnete Auswahl, richtig neu nummeriert bezeichnet. Es verbleibtnun als Ubungsaufgabe zu zeigen:

an,1 =

[zn

n!

]W (z) = nn−1.

Fur den allgemeinen Fall ergibt sich aber aus den vorigen Uberlegungen, dass an,k =[xk]pn(x), wobei die pn(x) die normale Familie von Polynomen vom Binomialtyp ist,

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dessen zugehoriger Ableitungsoperator Q = g(D) = G [−1](D) ist. Hier ist also G dieFamilie der markierten Wurzelbaume, G(t) =

∑n≥0Gn

tn

n!die exponentiell erzeugene

Funktion und da W = G gilt t = G(t)

eG(t) . G(t) ist also die Umkehrfunktion zu g = tet

.

Fur den zugehorigen Ableitungsoperator gilt nun: Q = g(D) = DeD

=: Dφ(D)

. Mittels derFormel 4 ? ergeben sich nun auch die Polynome als

pn(x) = x(φ(D)

)nxn−1 = x

(eD)nxn−1

= xenDxn−1 = xEnxn−1 = x(x+ n)n−1,

die Familie der Abel-Polynome (vergleiche Seite ??). Nun ist aber das Problem gelost:

an,k = [xk]pn = [xk]x(x+ n)n−1

= [xk−1](x+ n)n−1

= [xk−1]n−1∑j=0

(n− 1

j

)xjnn−1−j =

(n− 1

k − 1

)nn−1−(x−1) =

(n− 1

k − 1

)nn−k.

Beispiel 35 (Laguerrepolynome). Wir suchen die normale Familie von Polynomen zumAbleitungsoperator Q = −D − D2 − D3 − · · · = −D

I−D = DD−I =: D

φ(D). Wir bezeichnen

diese Polynome Ln als das n-te Laguerrepolynom.

Aus der Formel 4 ? lasst sich nun unter Verwendung des binomischen Lehrsatzes eineexplizite Darstellung herleiten: Ln(x) = x

(φ(D)

)nxn−1 = x(D− I)nxn−1 = . . .. Dies soll

jedoch als Ubung verbleiben.

Betrachten wir aber den Operator (exDe−x): Dieser leistet auf ein Polynom angewandt,nach der Leibnitz’schen Produktregel:

(exDe−x)(p(x)

)= −ex(−e−xp(x) + e−xDp(x)) = −p(x) +Dp(x).

Damit folgt aber die Operatoridentitat (exDe−x) = (D − I).

Nun gilt fur die Laguerrepolynome:

Ln(x) = x(exDe−x)nxn−1 = x(exDe−x)(exDe−x) . . . (exDe−x)xn−1 = xexDne−xxn − 1

Das sollte eine bekannte Darstellung aus Analysis-Lehrbuchern sein, eher aber ergebendie Koeffizienten als Dreieck Sloane’s A111596. Das sind die zugeordneten Laguerrepo-lynome fur k=-1.

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3 Kombinatorische Probleme aufHalbordnungen

3.1 Grundlegende Definitionen

Definition 3.1.1. Eine binare Relation R ⊆ M ×M heißt Halbordnung (HO) R aufM , falls R die folgenden Eigenschaften besitzt:

1. R ist reflexiv, d.h. ∀x ∈M : xRx

2. R ist antisymmetrisch, d.h. ∀x, y ∈M : xRy ⇒ yRx.

3. R ist transitiv, d.h. ∀x, y, z ∈M : xRy ∧ yRz ⇒ xRz.

Beispiel 36. 〈N,≤〉 mit der gewohnlichen Ordnungsrelation

Beispiel 37. 〈P(K),⊆〉 Potenzmenge und Teilmengenbeziehung

Beispiel 38. 〈Menge aller Unterraume eines Vektorraums,E〉, wobei E die Unterraum-relation bezeichnet.

Beispiel 39. 〈N \ {0} , |〉, wobei | die Teiler- oder Teilbarkeitsrelation bezeichnet.

Im Allgemeinen schreiben wir anstelle von R, falls es sich um eine Halbordnung handelt,das Symbol ≤.

Definition 3.1.2. Ein Element m ∈ M heißt maximales Element, falls ∀x ∈ M : x ≥m ⇒ x = m. Ein Element m ∈ M heißt minimales Element, falls ∀x ∈ M : x ≤ m ⇒x = m.

In einer Halbordnung muss es keine eindeutigen maximalen bzw. minimalen Elementegeben.

Definition 3.1.3. Ein Element m ∈ M heißt großtes oder 1-Element falls ∀x ∈ M :m ≥ x. Ein Element m ∈M heißt kleinstes oder 0-Element falls ∀x ∈M : m ≤ x.

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Definition 3.1.4. Zusatzlich definieren wir folgende Begriffe und Abkurzungen:

1. a < b :⇔ a ≤ b ∧ a 6= b.

2. a und b heißen vergleichbar, falls a ≤ b ∨ b ≤ a gilt.

3. a und b heißen unvergleichbar, falls sie nicht vergleichbar sind, d.h. a � b∧ b � a.

4. Ein Intervall [a, b] := {c ∈M : a ≤ c ∧ c ≤ b}

5. Eine Halbordnung heißt lokal endlich, falls ∀a, b ∈ M das Intervall [a, b] endlichist.

6. b heißt unmittelbarer Nachfolger von a, in Zeichen a < ·b, falls gilt: a < b und esgibt kein c mit a < c < b.

Fur lokal endliche Halbordnungen besteht die Moglichkeit einer graphischen Darstellung.Allgemein gilt: Jeder binaren Relation R ⊆M×M entspricht ein gerichteter GraphG(R)der Relation R. Die Knoten von G(R) entsprechen den Elementen von M , zwei Knotena und b sind genau dann durch eine Kante a→ b verbunden, wenn aRb gilt.

Fur Halbordnungen kann man den Graph wesentlich vereinfachen:

1. R ist reflexiv. Daher kann man alle Schlingen (also Kanten a→ a) ohne Informa-tionsverlust weglassen.

2. R ist transitiv. Daher genugt es, wenn es nur Kanten zwischen direkten Nachfolgerngibt.

Als Konvention werden Elemente ”der Große nach” von unten nach oben gezeichnet.Den auf diese Weise aus dem Graphen G(R) entstandenen Graphen bezeichnet man alsHasse Diagramm.

Beispiel 40. 〈P({1, 2, 3}),⊆〉.

{1,2}

{1}

{2,3}

{3}

{1,2,3}

{1,3}

{2}

{}

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Diese Halbordnung ist isomorph zum Produkt von Ketten.

P({1, 2, 3}) ∼=3∏i=1

{0, 1} = {0, 1}1 × {0, 1}2 × {0, 1}3

Definition 3.1.5. Eine Kette K ist eine Teilmenge von M , sodass je zwei Elementeaus K vergleichbar sind, also a, b ∈ K ⇒ a ≤ b ∨ b ≤ a. Eine Antikette A ist eineTeilmenge von M , sodass je zwei unterschiedliche Elemente aus K unvergleichbar sind,also a, b ∈ A ∧ a 6= b⇒ a � b ∧ b � a.

Antikette

Kette

Die Elemente einer Kette mussen nicht unmittelbar aufeinanderfolgen.

Definition 3.1.6. Eine lokal endliche Halbordnung 〈M,≤〉 erfullt die Jordan-Dedekind’scheKettenbedingung, falls ∀a, b ∈M je zwei maximale aufsteigende Ketten zwischen a undb gleich lange sind. Eine Kette ist maximal, wenn keine Elemente mehr hinzugefugtwerden konnen.

Beispiel fur eine Halbordnung, die die Jordan-Dedekind’sche Kettenbedingung nichterfullt:

Fur eine lokal endliche Halbordnung 〈M,≤〉, die die Jordan-Dedekind’sche Kettenbedin-gung erfullt, und die ein 0-Element besitzt, konnen wir die Elemente in Niveaus einteilengemaß der Funktion r(x), die jedem Element x aus M die Lange einer maximalen auf-steigenden Kette von 0 nach x zuordnet. Dies entspricht der maximalen Anzahl vonKanten im Hasse-Diagramm auf einem Pfad von 0 nach x.

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0Niveau 0

Niveau 1

Niveau 2

Im Folgenden betrachten wir N(k) := |{x ∈M : r(x) = k}|, die Anzahl der Elemente inM auf Niveau k.

Beispiel 41. Halbordnung 〈N,≤〉

Hierbei handelt es sich um eine Kette mit 0-Element 0. Offensichtlich gilt N(k) = k furalle k ∈ N.

Beispiel 42. Halbordnung 〈P({1, 2, . . . , n}),⊆〉

Hier ist das 0-Element die leere Menge ∅. N(k) ist die Anzahl der k-elementigen Teil-mengen von {1, 2, . . . , n}. Also gilt

N(k) =

(n

k

)=

n!

k!(n− k)!

Beispiel 43. Endlichdimensionaler Vektorraum uber einem endlichen Korper GF (q)mit q = pm, p Primzahl, m ∈ N

Sei V = (GF (q))n mit der Unterrelation E, dann ist 〈V,E〉 eine Halbordnung. Hiergilt, dass N(k) die Anzahl der k-dimensionalen Unterraume von (GF (q))n, oder aqui-valent die Anzahl der (n, k)-Linearcodes uber GF (q) ist. Zunachst definieren wir denq-Binomialkoeffizienten als (

n

k

)q

:= N(k)

Es gilt (n

k

)q

=aq(n, k)

aq(k, k)

wobei aq(n, k) die Anzahl der geordneten k-Tupel von linear unabhangigen Vektorenvon (GF (q))n bezeichnet (geordnete Basen). Um die ungeordneten k-Tupel zu erhalten,muss diese Anzahl durch aq(k, k) dividiert werden.

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Die Bestimmung von aq(n, k) ist nun ein Abzahlproblem.

(GF (q))n =

x1

...xn

: xi ∈ GF (q)

, |(GF (q))n| = qn

aq(n, k) = (qn − 1)︸ ︷︷ ︸1. Basisvektor

· (qn − q)︸ ︷︷ ︸2. Basisvektor

· . . . ·(qn − qk−1

)︸ ︷︷ ︸k. Basisvektor

Die Faktoren haben deswegen die obige Gestalt, weil man fur den 1. Basisvektor alleVektoren bis auf den Nullvektor wahlen kann, fur den 2. Basisvektor alle Vektoren, dienicht in der linearen Hulle des ersten gewahlten Vektors liegen (also q), usw...

⇒ aq(k, k) =(qk − 1

) (qk − q

)· . . . ·

(qk − qk−1

)

⇒(n

k

)q

=(qn − 1) (qn − q) · . . . ·

(qn − qk−1

)(qk − 1) (qk − q) · . . . · (qk − qk−1)

=(qn − 1) · q (qn−1 − 1) · . . . · qk−1

(qn−k+1 − 1

)(qk − 1) · q (qk−1 − 1) · . . . · qk−1 (q − 1)

=(qn − 1) (qn−1 − 1) · . . . ·

(qn−k+1 − 1

)(qk − 1) (qk−1 − 1) · . . . · (q − 1)

=

[(qn − 1) (qn−1 − 1) · . . . ·

(qn−k+1 − 1

)] [(qn−k − 1

) (qn−k−1 − 1

)· . . . · (q − 1)

][(qk − 1) (qk−1 − 1) · . . . · (q − 1)] [(qn−k − 1) (qn−k−1 − 1) · . . . · (q − 1)]

=

qn−1q−1

qn−1−1q−1

· . . . · q−1q−1(

qk−1q−1

qk−1−1q−1

· . . . · q−1q−1

)(qn−k−1q−1

· . . . · q−1q−1

) =:[n]q!

[k]q! [n− k]q!

mit

[n]q :=qn − 1

q − 1und [0]q! := 1

in Analogie zum Binomialkoeffizient(n

k

)=n (n− 1) · . . . · (n− k + 1)

k (k − 1) · . . . · 1=

n!

k!(n− k)!.

[n]q entspricht also der Anzahl der eindimensionalen Unterraume von (GF (q))n.

Nun betrachten wir die Verallgemeinerung des q-Binomialkoeffizienten auf q ∈ R+.

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limq→1

[n]q = limq→1

qn − 1

q − 1= lim

q→1

(q − 1) (qn−1 + qn−2 + . . .+ q + 1)

(q − 1)

= limq→1

(qn−1 + qn−2 + . . .+ q + 1

)= n

Also folgt:

limq→1

(n

k

)q

= limq→1

[n]q!

[k]q! [n− k]q!=

n!

k!(n− k)!=

(n

k

)

Der Grenzwert ist also der gewohnliche Binomialkoeffizient. Nun stellt sich die Frage,ob man fur den q-Binomialkoeffizient ein Analogon zum Pascal’schen Dreieck, d.h. derRekursionsformel (

n+ 1

k + 1

)=

(n

k

)+

(n

k + 1

)fur den gewohnlichen Binomialkoeffizient, findet.

[n]q ist wie oben definiert die Anzahl der 1-dimensionalen Unterraume von (GF (q))n. Sei

nun W der n-Dimensionale Unterraum von (GF (q))n+1, bei dem die letzte Komponentexn+1 = 0 ist. Weiters betrachte man einen beliebigen k+ 1-Dimensionalen Unterraum Uvon (GF (q))n+1. Nun muss man folgende Falle unterscheiden:

1. U ⊆ WU liegt in W ⇒ U E W . Also gilt, dass U ein k + 1-dimensionaler Unterraum desn-dimensionalen Vektorraums W , und dafur gibt es

(nk+1

)q

Moglichkeiten.

2. U * Wdann gilt U = (U∩W )⊕U ′ mit einem Unterraum U ′ von einem Komplementarraumvon W . Der Dimensionssatz liefert:

k + 1 = dim U = dim (U ∩W )︸ ︷︷ ︸=k

+ dim U ′︸ ︷︷ ︸=1

Nun betrachten wir die Anzahl der Moglichkeiten, U ∩W bzw U ′ auszuwahlen.

a) Anzahl der Moglichkeiten fur U ∩W :U ∩ W ist ein k-dimensionaler Unterraum des n-dimensionalen VektorrausW . Daher gibt es

(nk

)q

Moglichkeiten.

b) Anzahl der Moglichkeiten, U ′ auszuwahlen:U ′ ist ein eindimensionaler Unterraum von V mit U ′ * W . Daher gibt es

[n+ 1]q!− [n]q! =qn+1 − 1

q − 1− qn − 1

q − 1=qn(q − 1)

q − 1= qn

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Moglichkeiten. Nun stoßt man auf das Problem, dass die Darstellung als di-rekte Summe im Allgemeinen nicht eindeutig ist, d.h. es kann gelten:

U = (U ∩W )⊕ U ′1 = (U ∩W )⊕ U ′2 mit U ′1 6= U ′2.

Da ein Komplementarraum von U ∩W allerdings Dimension 1 besitzt, liefertin der obigen Darstellung jeder eindimensionale Unterraum, der nicht in U∩Wliegt, eine Darstellung fur ganz U . Die Anzahl dieser Raume ist [k + 1]q = [k]q.Daher erhalt man als Anzahl der Moglichkeiten, um U ∩W und U ′ eindeutigauszuwahlen (

n

k

)q

· qn

qk=

(n

k

)q

· qn−k

Moglichkeiten.

Addition der Falle 1 und 2 liefert das q-Pascal’sche Dreieck(n+ 1

k + 1

)q

=

(n

k + 1

)q

+ qn−k(n

k

)q

(Rekursionsformel)

Diese Formel gilt fur beliebiges q ∈ R, wie man ducrh Betrachtung der Definition desq-Binomialkoeffizienten leicht feststellen kann.

Definition 3.1.7. In Analogie zur herkommlichen Exponentialfunktion ist dieq-Exponentialfunktion definiert als:

eq(t) :=∑n≥0

tn

[n]q!

Der gewohnliche Differentialoperator D hat die Eigenschaft, die Exponentialfunktion aufsich selbst abzubilden, also De(t) = e(t).

Definition 3.1.8. Der q-Differentialoperator Dq ist jener lineare Operator, der tn 7→[n]q t

n−1 und 1 7→ 0 abbildet.

Es gilt:

Dqeq(t) =∑n≥0

[n]q tn−1

[n]q!=∑n≥0

tn

[n]q!= eq(t),

also leistet der q-Differentialoperator auf der q-Exponentialfunktion das Gleiche wieder gewohnliche Differentialoperator auf der herkommlichen Exponentialfunktion. FurPolynome gilt:

Dqtn = [n]q · t

n−1 =qn − 1

q − 1tn−1 =

qntn − tn

(q − 1) · t=

(q · t)n − tn

(q − 1) · t

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also folgt wegen der Linearitat

Dqp(t) =p(q · t)− p(t)

(q − 1) · t

Fur Potenzreihen gilt analog:

Dqeq(t) =eq (q · t)− eq(t)

(q − 1) · t= eq(t)

⇒ eq(t) · (q − 1) · t = eq (q · t)− eq(t)

⇒ eq(t) =1

1 + (q − 1) · teq (q · t) = eq(t) =

1

1 + (q − 1) · t1

1 + (q − 1) · qt= . . .

=1

1 + (q − 1)t· 1

1 + (q − 1)qt· 1

1 + (q − 1)q2t· . . . · eq(qn+1t)

Fur |q| < 1 folgt aus dem Quotientenkriterium, dass limn→∞ eq (qn+1t) = 1. Daher gilt:

eq(t) =∏n≥0

1

1 + (q − 1) · qnt=∑k≥0

tk

[k]q!

Mit x = (1− q) · t erhlalt man:∏n≥0

1

1− qn · x∑k≥0

tk

qk−1q−1· qk−1−1

q−1· . . . · q−1

q−1

=∑k≥0

(q − 1)k · tk

(qk − 1) · (qk−1 − 1) · . . . · (q − 1)=∑k≥0

xk

(1− qk) · (1− qk−1) · . . . · (1− q)

Dies liefert die Produktidentitat von Euler :∏n≥0

1

1− qnx=∑k≥0

xk

(1− qk) · (1− qk−1) · . . . · (1− q)

Diese Identitat tragt vermoge folgender kombinatorischer Interpretation auch die Be-zeichnung Partitionsidentitat. Von fruher wissen wir:∏

n≥1

1

1− qn=∑k≥0

akqk,

wobei ak die Anzahl der {1}∗ × {2}∗ × {3}∗ × . . . Zahlpartitionen von k angibt. Nunbetrachten wir die folgende erzeugende Funktion in 2 Variablen:∏

n≥1

1

1− xqn=∑k≥0

∑m≥0

bk,mqkxm

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bk,m ist die Anzahl der Zahlpartitionen von k in genau m Summanden. Es gilt

1

1− xqn= 1 + x1qn + (xqn)2 + (xqn)3 + . . . ,

wobei die Potenz von x die Zahl der Summanden zahlt. Daher folgt∏n≥0

1

1− xqn=

1

1− x︸ ︷︷ ︸Partialsumme

∏n≥1

1

1− xqn=∑k≥0

∑m≥0

ck,mqkxm.

ck,m ist dann die Partialsummer der Koeffizienten uber m, also die Anzahl der Zahlpar-titionen von k in hochstens m Summanden. Die Produktidentitat ware bewiesen, wennman zeigen konnte, dass

[xm]∑k≥0

xk

(1− qk) · (1− qk−1) · . . . · (1− q)=

1

(1− qk) · (1− qk−1) · . . . · (1− q)(3.1)

die erzeugende Funktion in q fur die Anzahl der Zahlpartitionen in hochstens m Sum-manden ist. Dazu betrachten wir

{m}∗ × {m− 1}∗ × . . .× {1}∗ ,

die Zahlpartitionen in Summanden, die ≤ m sind, d.h.

1

(1− qm) · (1− qm−1) · . . . · (1− q)(3.2)

ist die erzeugende Funktion der Anzahl der Zahlpartitionen in lauter Summanden kleinergleich m. Um nun zu zeigen, dass die beiden Anzahlen gleich sind, betrachtet man diegraphische Veranschaulichung einer Partition n = n1+n2+. . .+nj, n1 ≤ n2 ≤ . . . ≤ njaufsteigend geordnet. Diese Veranschaulichung wird als Ferrer-Diagramm bezeichnet:

nj

nj-1

nj-2

n1

Zusammenschieben

Die Anzahl (3.1), also die Anzahl der Zahlpartitionen von k in hochstens m Summanden,entspricht einem Ferrer-Diagramm mit hochstens m Zeilen. Die Anzahl (3.2), also dieAnzahl der Zahlpartitionen in lauter Summanden kleiner gleich m entspricht einemFerrer-Diagramm mit hochstens m Spalten. Das Spiegeln des Ferrer-Diagramms an der

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Diagonale liefert eine Bijektion, und man erhalt die Identitat. Damit ist die Euler’scheProduktidentitat kombinatorisch bewiesen.

Fur q = 1 gilt:e(x+ y) = ex+y = ex · ez + e(x) · e(y),

und

(x+ y)n =n∑k=0

(n

k

)xkyn−k

Fur den Fall, dass q 6= 1 ist, gilt folgender Satz:

Satz 3.1.9. Seien x, y Elemente einer Algebra mit der Eigenschaft y ·x = q ·x · y, wobeiq mit x kommutiert, dann gilt das q-Binomialtheorem ( q-Binomischer Lehrsatz):

(x+ y)n =n∑k=0

(n

k

)q

xk · yn−k

Die algebraische Struktur ist also nichtkommutativ.

Proof. Der Beweis wird mittels vollstandiger Induktion nach n gefuhrt:n = 0: klar.n→ n+ 1:

(x+ y)n+1 = (x+ y)n(x+ y) =

[n∑k=0

(n

k

)q

xkyn−k

]· (x+ y) =

=n∑k=0

(n

k

)q

qn−kxk+1yn−k +n∑k=0

(n

k

)q

xkyn−k+1

=n∑k=0

(n

k

)q

qn−kxk+1yn−k + yn+1︸︷︷︸k=0

+n∑k=1

(n

k

)q

· xkyn−k+1

=n∑k=0

(n

k

)q

qn−kxk+1yn−k + yn +n−1∑k=0

(n

k + 1

)q

xk+1yn−k

=n∑k=0

((n

k

)q

qn−k +

(n

k + 1

)q

)xk+1yn−k + yn+1

=n∑k=0

(n+ 1

k + 1

)q

xk+1yn−k + yn+1 =n∑k=1

(n+ 1

k

)q

xky(n+1)−k + yn+1

=n∑k=0

(n+ 1

k

)q

xky(n+1)−k

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x, y seien Elemente einer nichtkommutativen R(C)-Algebra, wobei gilt: y · x = q · x · ymit q ∈ R(C). (q kommutiert daher mit x und y). Bemerkung: x · y = 1

q· y · x.

Weiters seien x, y mit y · x = q · x · y:

eq(x+ y) =∑n≥0

(x+ y)n

[n]q!=∑n≥0

(n∑k=0

(n

k

)q

· xk · yn−k)· 1

[n]q!=

∑n≥0

n∑k=0

xk

[k]q!· yn−k

[n− k]q!=∑k≥0

xk

[k]q!·∑n−k≥0

yn−k

[n− k]q!= eq(x) · eq(y)

Gelte nun y ·x = q ·x · y und sei weiters t ein Element, welches mit x und y kommutiert,dann folgt eq ((x+ y)t) = eq (x · t) · eq(y · t).

Dies nutzen wir folgendermaßen aus: Betrachte die R-Algebra der linearen Operatorenauf R [x]. Fur x, y wahlen wir folgende Operatoren:

x : R [x]→ R [x] , p(x) 7→ x · p(x)

y := −xTq, wobei Tq : R [x]→ R [x] , p(x) 7→ p(q · x)

Behauptung: y · x = q · x · y. Um die Gleichheit zu zeigen, genugt es, da es sich umlineare Operatoren handelt, die Gleichheit fur die Basis {xn : n ∈ N0} von R [x] zu zeigen.Betrachten der linken Seite ergibt:

(y · x)xn = (−x · Tq · x)xn = (−xTq)xn+1 = (−x)qn+1xn+1 = −qn+1xn+2

Betrachten der rechten Seite liefert:

(q · x · y)xn = (qx(−xTq))xn = (−qx2)qnxn = (−q)qnxn+2 = −qn+1xn+2

Nun benutzen wir eq ((x+ y)t) = eq(xt) · eq(yt) fur ein Element t, welches mit x und ykommutiert (t ∈ R). Hierbei handelt es sich nun um eine Operatoridentitat fur lineareOperatoren auf R [x].

Wir wenden die Operatoren x und y auf das Polynom p(x) = 1 an:Betrachten der linken Seite liefert:

eq ((x+ y)t) 1 = eq ((x− xTq)t) 1 =

(∑n≥0

(x− xTq)n tn

[n]q!

)1 =

=

(∑n≥0

tn (x (I − Tq))n

[n]q!

)1 = 1 + 0 + 0 + . . . = 1

75

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da gilt:

(I − Tq)1 = (I − Tq)x0 = x0 − (qx)0 = 0⇒ (x(I − Tq))n 1 = 0 ∀n ≥ 1

Betrachten der rechten Seite ergibt:

[eq (xt) · eq ((−xTq)t)] 1 = eq (xt) ·∑n≥0

(−txTq)n

[n]q!1 =

= eq (xt) ·∑n≥0

(−1)ntn (xTq)n 1

[n]q!= eq (xt) ·

∑n≥0

(−1)ntnq(n2)xn

[n]q!

da gilt:

(xTq)n 1 = q(

n2) · xn

n = 1:xTq1 = xTqx

0 = x(qx)0 = x = q(12)x

n→ n+ 1:(xTq)

n+1 1 = (xTq) (xTq)n 1 = (xTq) q

(n2)xn =

xq(n2) (qnxn) = xq(

n2)+nxn = q

n(n−1)+2n2 xn+1 = q

n2−n+2n2 xn+1 =

= qn2+n

2 xn+1 = q(n+1)n

2 xn+1 = q(n+1

2 )xn+1

Man erhalt also folgende Identitat:

1 = eq (xt) ·∑n≥0

(−1)ntnq(n2)xn

[n]q!

Einsetzen von 1 ergibt:

1 = eq (t) ·∑n≥0

(−1)ntnq(n2)

[n]q!

Daraus folgt wegen eq(t) =∏

n≥01

1+(q−1)tqn

1

eq(t)=∑n≥0

(−1)ntnq(n2)

[n]q!=∏n≥0

(1 + (q − 1)tqn)

Mit x := (1− q) · t folgt weiters:

∏n≥0

(1− xqn) =∑k≥0

(−1)ktkq(k2)

(qk−1)(qk−1−1)·...·(q−1)(q−1)(q−1)·...·(q−1)

=

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=∑k≥0

(−1)k(t(q − 1))kq(k2)

(qk − 1) · . . . · (q − 1)=∑k≥0

xkq(k2)

(qk − 1) · . . . · (q − 1)=

=∑k≥0

(−1)kq(k2)xk

(1− qk)(1− qk−1) · . . . · (1− q)

Und man erhalt dadurch eine Produktidentitat von Euler :

∏n≥0

(1− xqn) =∑k≥0

(−1)kq(k2)xk

(1− qk)(1− qk−1) · . . . · (1− q)

3.2 Der Satz von Dilworth und verwandte Resultate

Satz 3.2.1 (Satz von Dilworth). Sei 〈P,≤〉 eine endliche Halbordnung, dann gilt: diemaximale Große k einer Antikette in P ist gleich der minimalen Anzahl von paarweisedisjunkten Ketten Ci in P , sodass gilt P =

⋃iCi.

Proof. Da jedes Element einer Antikette in verschiedenen Ketten Ci liegen muss, gilt inder Darstellung P =

⋃li=1Ci, dass l ≥ k ist. Es muss also nur noch gezeigt werden dass

es eine Darstellung P =⋃iCi mit genau k Ketten gibt.

Der Beweis erfolgt durch vollstandige Induktion nach n := |P |.

n = 0: ∅ ist sowohl die einzige Kette, als auch die einzige Antikette in P .

n = 1: P besteht aus einem Element x. Die maximale Antikette ist {x} und hat Große1, eine minimale Kettenzerlegung besteht aus einer Kette {x}. Also ist auch hier derSatz richtig.

n⇒ n+ 1: Angenommen, der Satz stimmt fur P mit |P | ≤ n. Nun betrachten wir 〈P,≤〉mit |P | = n+ 1. Weiters sei k die Große einer maximalen Antikette in P .

Es mussen 2 Falle unterschieden werden:

1. Jede maximale Antikette in P beinhaltet alle minimalen oder alle maximalen Ele-mente von P . Sei b ein maximales Element in P . Nun wahle man ein minimalesElement a ∈ P mit der Eigenschaft, dass a ≤ b. (Eventuell gelte dabei a = b).Nun betrachtet man die Menge C := {a, b}. Die Menge C ist eine Kette in P . Nungilt, dass die Menge P ′ := P \ C mit der auf P ′ eingeschrankten ≤-Relation eineHalbordnung bildet.

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Die Große einer maximalen Antikette in P ′ ist k − 1, denn die Unvergleichbarkeitder Elemente in P ′ ist wie in P . Ware die Große einer maximalen Antikette inP ′ = k, dann wurde eine Antikette in P der Große k existieren, die nicht alleminimalen bzw. maximalen Elemente beinhaltet, ein Widerspruch.

Da |P ′| < |P | ist, folgt |P ′| ≤ n, und die Induktionsvoraussetzung ist fur P ′

erfuellt. Daher folgt, dass k− 1 paarweise disjunkte Ketten C1, C2, . . . , Ck−1 in P ′

mit P ′ =⋃k−1i=1 Ci existieren. Also ist P =

(⋃k−1i=1 Ci

)∪C eine disjunkte Zerlegung

von P in k Ketten.

2. Angenommen, es gibt eine maximale Antikette A der Große k in P , die weder allemaximalen, noch alle minimalen Elemente von P beinhaltet.

P+ := {x ∈ P : ∃a ∈ A : a ≤ x}

P− := {x ∈ P : ∃a ∈ A : x ≤ a}

Aufgrund der Reflexivitat von Halbordnungen gilt A ⊆ P+ und A ⊆ P−. DieMengen P+ und P− besitzen folgende Eigenschaften:

a) P+ ∪ P− = P .Angenommen, es existiert ein z ∈ P mit z /∈ P+ und z /∈ P−. Dann giltwegen z /∈ P+, dass ∀a ∈ A : a � z, und wegen z /∈ P−, dass ∀a ∈ A : a � z.Daher ist z mit allen Elementen der Antikette A unvergleichbar. Das ist einWiderspruch zur geforderten Maximalitat der Antikette A.

b) P+ ∩ P− = AKlarerweise gilt A ⊆ P+ ∩ P−. Sei nun angenommen, es existiert ein z ∈ Pmit z ∈ P+ ∩ P−, aber z /∈ A. Dann gilt:

z ∈ P+ ⇒ ∃a1 ∈ A : a1 ≤ z

z ∈ P− ⇒ ∃a2 ∈ A : z ≤ a2

Also folgt a1 ≤ z ≤ a2, wegen der Transitivitat also a1 ≤ a2. a1 und a2

sind aber aus A, also muss wegen der Unvergleichbarkeit von verschiedenenElementen in A gelten, dass a1 = a2, also auch a1 = a2 = z. Daher ist z ∈ A,ein Widerspruch zu z /∈ A.

c) |P+| < |P | , |P−| < |P |Angenommen |P+| = |P |, dann gilt P+ = P . Daher sind in der Antikette Aalle minimalen Elemente von P enthalten, im Widerspruch zur Voraussetzung.Ein analoger Schluß gilt fur |P−| = |P | mit maximalen anstatt minimalerElemente.

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A ist eine maximale Antikette in P , also erst recht in den Halbordnungen 〈P+,≤〉und 〈P−,≤〉. Diese erfullen aufgrund von (c) die Induktionsvoraussetzung. Alsoexistieren Ketten E1, E2, . . . , Ek mit P+ = E1 ∪ E2 ∪ . . . ∪ Ek, F1, F2, . . . , Fk mitP− = F1 ∪ F2 ∪ . . . ∪ Fk. Man kann die Elemente von A so numerieren, dass mitA = {a1, a2, . . . , ak} gilt, dass al ∈ El und al ∈ Fl, l = 1 . . . k, und erhalt dadurchk Ketten C1 := E1 ∪ F1, C2 := E2 ∪ F2, . . . , Ck := Ek ∪ Fk, die paarweise disjunktsind, und fur die

⋃ki=1 Ci = P gilt.

Beispiel 44. Die folgenden Hasse-Diagramme sollen den Satz von Dilworth illustrieren.

k = 3 k = 2

maximale Antikette maximale Antikette

Partition in 3 Ketten

Partition in 2 Ketten

Satz 3.2.2 (Heiratssatz, Satz von Hall, Frobenius, Rado). Seien D und H zwei endlicheMengen und R ⊆ D × H eine Relation zwischen D und H. D wird als Damenmenge,H als Herrenmenge und R als Freundschaftsbeziehung bezeichnet. Weiters gelte diesogenannte Heiratsbedingung: Fur alle Teilmengen D0 ⊆ D gelte:

|R(D0) := {h ∈ H : ∃d ∈ D0 : dRh}| ≥ |D0|

Dann gibt es immer eine injektive Abbildung ϕ : D → H mit der Eigenschaft:

h = ϕ(d)⇒ hRd bzw. h ∈ R ({d}) .

In anderen Worten: Dann gibt es eine zulassige Heirat.

Anmerkung: Klarerweise ist die Heiratsbedingung notwendig fur die Existenz von ϕ.

Proof. Interpretieren den Graphen der Relation R als Hasse-Diagramm einer Halbord-nung

Behauptung: H ist eine Antikette maximaler Große.

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Proof. Angenommen es existiert eine Antikette U mit |U | > |H|. Es gilt

U = (U ∩D) ∪ (U ∩H)

Da U eine Antikette, folgt dass die Damen von U (also von U ∩D) nur mit Herren ausH \ (U ∩H) befreundet sein konnen.Es gilt: |H \ (U ∩H)| = |H| − |U ∩H| und weiters:

U = (U ∩D) ∪ (U ∩H) ⇒ |U | = |U ∩D|+ |U ∩H|⇒ |U ∩H| = |U | − |U ∩D|⇒ |H \ (U ∩H)| = |H| − |U |︸ ︷︷ ︸

<0

+|U ∩D| < |U ∩D|

Das ist ein Widerspruch zur Heiratsbedingung fur die Menge D0 := U ∩D (|R(D0)| ≤|H \ (U ∩H)| < |U ∩D|).Die Herren H bilden also eine Antikette maximaler Große.

Nach dem Satz von Dilworth existiert eine Zerlegung der Halbordnung in |H| paarweisedisjunkte Ketten. Diese Ketten konnen aber nur von der Form |hd oder · h sein. DieKetten der Form |hd definieren jetzt aber eine injektive Funktion ϕ (mit den gewunschtenEigenschaften) und somit eine zulassige Heirat.

Weitere Anwendungen

Definition 3.2.3. • Ein Bipartiter Graph (=Paarer Graph) G ist ein Graph mitKnotenmenge V (G) = V1(G) ∪ V2(G), mit der Eigenschaft, dass Kanten nur zwi-schen V1(G) und V2(G) verlaufen.

• Ein Matching (=Paarung) M eines Graphen G ist eine Teilmenge der Kanten-menge E(G), mit der Eigenschaft, dass keine zwei Kanten in M einen Knotengemeinsam haben.

• Ein Transversalsystem (=Knotenuberdeckung, vertex cover) T eines Graphen Gist eine Teilmenge der Knotenmenge V (G), mit der Eigenschaft, dass jede Kantein E(G) einen Knoten in T gemeinsam hat.

Satz 3.2.4 (Satz von Konig (Konig-Egervary)). Sei G ein endlicher bipartiter Graph.Dann ist die maximale Große eines Matchings gleich der minimalen Große eines Trans-versalsystems.

maxM Matching

|M | = minT Transversalsystem

|T |

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Proof. Fasse G als Hasse-Diagramm einer Halbordnung P auf.

Behauptung: Folgende Aussagen sind aquivalent:U ist eine Antikette in P = V (G) ⇔ V (G) \ U ist ein Transversalsystem von G.

Proof. “⇒“: U ist Antikette in P , sei x ∈ U, y ∈ U ⇒ (x, y) /∈ E(G).Negation: (x, y) ∈ E(G) ⇒ x /∈ U ∨ y /∈ U ,das heißt x ∈ V (G) \ U ∨ y ∈ V (G) \ U .Also ist V (G) \ U ein Transversalsystem.“⇐“: V (G) \ U ist ein Transversalsystem, sei (x, y) ∈ E(G)

⇒ x ∈ V (G) \ U ∨ y ∈ V (G) \ U ⇒ x /∈ U ∨ y /∈ U

Negation: x ∈ U ∧ y ∈ U ⇒ (x, y) /∈ E(G)x und y sind also unvergleichbar, somit ist U eine Antikette in P .

Sei die maximale Große einer Antikette U in P gleich K, also K = maxU Antikette |U |.Aquivalent dazu ist die minimale Große eines Transversalsystems in G gleich |V (G)|−K.Nach dem Satz von Dilworth ist die minimale Anzahl von paarweise disjunkten Kettenin einer Zerlegung von P = V (G) gleich K.

Fur solch eine Zerlegung gilt, dass die Ketten der Form |y∈V2(G)x∈V1(G) ein Matching von G

bilden. Umgekehrt gilt auch, dass jedes Matching M von G eine Zerlegung von P inpaarweise disjunkte Ketten (Kanten aus M und die restlichen Knoten) impliziert. Furein Matching M hat die zugehorige Zerlegung genau |V (G)| − |M | Ketten.|M | maximal ⇔ Anzahl von Ketten in einer solchen Zerlegung der Halbordnung Pist minimal.Die minimale Anzahl von Ketten in der Zerlegung ist gleich K.

⇔ maxM Matching

|M | = |V (G)| −K = minT Transversalsystem

|T |

Definition 3.2.5. • Eine n× n Matrix A = (aij)1≤i,j≤n heißt doppeltstochastischeMatrix (DSM) falls aij ≥ 0 fur alle i, j und falls die Summe der Eintrage in jederZeile und in jeder Spalte gleich 1 ergeben.

• Eine n×n Matrix P = (pij)1≤i,j≤n heißt Permutationsmatrix falls pij ∈ {0, 1} furalle i, j und falls in jeder Zeile und jeder Spalte von P genau eine 1 steht.

Satz 3.2.6 (Birkoff, van Neumann). Sei M eine n × n DSM. Dann lasst sich M alskonvexe Linearkombination von Permutationsmatrizen darstellen, d.h. M =

∑λi · Pi,

mit λi ≥ 0 fur alle i und∑λi = 1, wobei Pi Permutationsmatrizen sind.

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Eine aquivalente Formulierung des Satzes lautet:Die Menge der DSM bildet eine konvexe Menge, wobei die Permutationsmatrizen dieExtremalpunkte darstellen.

Proof. (Zuruckfuhren auf den Heiratssatz)Sei M eine DSM. Nun fuhren wir eine Relation R zwischen der Menge der Zeilen{Z1,Z2, . . . ,Zn} und der Menge der Spalten {S1,S2, . . . ,Sn} ein indem Zi R Sj

genau dann, wenn das Element mij ≥ 0 in der Matrix M = (mij)i,j.

Behauptung: R erfullt die Heiratsbedingung.

Proof. Wahle beliebige Teilmenge der Zeilen: {Zi1 ,Zi2 , . . . ,ZiK} der Große K.K ist gleich die Summe aller Elemente mij in den betrachteten Zeilen Zi1 , . . . ,ZiK . Esgilt weiters, dass K die Summe uber alle positiven Elemente mij in den betrachtetenZeilen Zi1 , . . . ,ZiK ist.Betrachte nun die Menge der Spalten, die mit mindestens einer Zeile aus Zi1 , . . . ,ZiK inRelation stehen:

{Sj1 ,Sj2 , . . . ,SjS} = R({Zi1 ,Zi2 , . . . ,ZiK})

S ist die Summe uber alle Elemente mij in den Spalten {Sj1 , . . . ,SjS}. Es gilt auch,dass S die Summe uber alle positiven Elemente mij in den Spalten {Sj1 , . . . ,SjS} ist.Aufgrund der Definition von R gilt, dass alle positiven Elemente mij in den betrachtetenZeilen Zi1 , . . . ,ZiK auch in dieser Summe fur S uber alle positiven Elemente mij in denSpalten {Sj1 , . . . ,SjS} vorkommen. Daraus folgt:

S = |R({Zi1 , . . . ,ZiK})| ≥ K = |{Zi1 , . . . ,ZiK}|

Also ist die Heiratsbedingung erfullt.

Es existiert also eine injektive Funktion ϕ von {Z1, . . . ,Zn} nach {S1, . . . ,Sn}, alsoexistiert eine bijektive Funktion ϕ : {Z1, . . . ,Zn} → {S1, . . . ,Sn} mit der Eigenschaftmiϕ(i) > 0 fur 1 ≤ i ≤ n.Diese Funktion ϕ erklart eine Permutationsmatrix P = (pij)i,j mittels

pij =

{1 j = ϕ(i)0 sonst

wobei gilt: pij = 1 ⇒ mij > 0.Definiere

λ := min1≤i≤n

miϕ(i) > 0

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1. Fall: λ < 1: Betrachte M − λP , diese Matrix hat nur nichtnegative Eintrage, daλ = minmiϕ(i). Die Summe der Elemente in jeder Zeile und jeder Spalte ergibt1− λ.Die Matrix 1

1−λ(M − λP ) ist also eine doppeltstochastische Matrix, die zumindestein Element 0 mehr als die ursprungliche Matrix M besitzt.

2. Fall: λ = 1: Dann ist M eine Permutationsmatrix.

Man iteriert das angegebene Verfahren mit der Matrix M ′ = 11−λ(M − λP ), bis schließ-

lich nach endlich vielen Schritten der Fall λ = 1 erreicht ist und man also auf einePermutationsmatrix reduziert hat.Die Aussage des Satzes erfolgt durch vollstandige Induktion nach Anzahl der “Reduktionen“bis eine Permutationsmatrix erreicht wurde.

3.3 Arithmetische Funktionen und Mobiusinversion

Beispiel 45.

Sf (y) =∑x|y

f(x)

Frage: Wie konnen wir aus Kenntnis der Summenfunktion Sf (y) die Funktion f(x)gewinnen?

Allgemein: Sei 〈P,≤〉 eine lokal endliche Halbordnung mit 0-Element, d.h. 0 ≤ x, furalle x ∈ P .Analoge Fragestellung:

Sf (y) :=∑x∈[0,y]

f(x)

Wie konnen wir f(x) aus Kenntnis von Sf (y) berechnen?

Beispiel 46. Kette: 0-1-2-3-4-5-

Sf (y) =∑x∈[0,y]

f(x) =

y∑x=0

f(x)

f(y) = Sf (y)− Sf (y − 1), y ≥ 1

f(0) = Sf (0)

Definition 3.3.1. Eine arithmetische Funktion “auf P“ ist eine Funktion f : P ×P →R(C) mit der Eigenschaft:

x � y ⇒ f(x, y) = 0

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Auf der Menge aller arithmetischen Funktionen auf einer lokal endlichen HalbordnungP lassen sich folgende Operationen definieren:

+ (Addition):(f + g)(x, y) := f(x, y) + g(x, y)

∗ (Faltung):

(f ∗ g)(x, y) :=∑z∈[x,y]

f(x, z) · g(z, y)

Da die Halbordnung lokal endlich ist, hat die Summe nur endlich viele Summanden.

Eigenschaften der Faltung:

• ∗ ist assoziativ. (Lasst sich durch Nachrechnen zeigen.)

• ∗ besitzt als neutrales Element die arithmetische Funktion

δ(x, y) = δx,y =

{1 x = y0 sonst

Beweis: (f ∗ δ)(x, y) =∑z∈[x,y]

f(x, z) · δ(z, y) = f(x, y) = (δ ∗ f)(x, y)

Frage: Welche arithmetischen Funktionen auf einer lokal endlichen Halbordnung P be-sitzen ein Inverses bezuglich der Faltung ∗?

Die notwendige Bedingung ist klarerweise f ∗ f−1 = δ.Auswerten bei (x, x):

(f ∗ f−1)(x, x) = δ(x, x) = 1

⇔ f(x, x) · f−1(x, x) = 1

⇒ f−1(x, x) =1

f(x, x)

Die notwendige Bedingung fur die Existenz der Inversen f−1 ist also, dass f(x, x) 6= 0,∀x ∈ P .

Definition 3.3.2. Eine eigentliche arithmetische Funktion f auf einer lokal endlichenHalbordnung P ist eine arithmetische Funktion auf P , welche f(x, x) 6= 0, ∀x ∈ Perfullt.

Behauptung: Jede eigentliche arithmetische Funktion f auf einer lokal endlichen Halb-ordnung P besitzt eine inverse Funktion f−1 bezuglich der Faltung ∗.

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Proof. In f ∗ f−1 = δ einsetzen:

(f ∗ f−1)(x, y) =∑z∈[x,y]

f(x, z) · f−1(z, y) = δ(x, y)

Vollstandige Induktion nach d(x, y) (Abstand zwischen x und y), das ist die maximaleAnzahl von Kanten auf dem Pfad von x nach y im Hasse-Diagramm der lokal endlichenHalbordnung P .

Induktionsanfang: d(x, y) = 0 ⇔ x = y:

f(x, x) · f−1(x, x) = 1 ⇒ f−1(x, x) =1

f(x, x)

Das ist eindeutig definiert, da f(x, x) 6= 0.

d(x, y) = 1 ⇔ x = y − 1, damit ist gemeint, dass x ein unmittelbarer Vorgangervon y ist:

f(y − 1, y − 1) · f−1(y − 1, y) + f(y − 1, y) · f−1(y, y) = δ(y − 1, y) = 0

Dabei ist f(y − 1, y − 1) 6= 0 und f−1(y, y) = 1f(y,y)

bereits bekannt.

f−1(y − 1, y) = − 1

f(y − 1, y − 1)· f(y − 1, y) · f−1(y, y)

Angenommen f−1(x, y) ware bereits eindeutig bestimmt fur alle x, y mit d(x, y) ≤ r. Sei(x, y) mit d(x, y) = r + 1. ∑

z∈[x,y]

f(x, z) · f−1(z, y) = δ(x, y) = 0

f(x, x) · f−1(x, y) +∑z∈[x,y]

f(x, z) · f−1(z, y) = 0

f(x, x) 6= 0 sowie f(x, z) sind bekannt. Fur f−1(z, y) gilt d(z, y) ≤ r, also ist nachInduktionsvoraussetzung f−1(z, y) eindeutig bestimmt.

⇒ f−1(x, y) = − 1

f(x, x)

∑z∈[x,y]

f(x, z) · f−1(z, y)

ist eindeutig bestimmt.

Eine spezielle eigentliche arithmetische Funktion auf einer lokal endlichen HalbordnungP ist die Zeta-Funktion ζ(x, y):

ζ(x, y) =

{1 x ≤ y0 sonst

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Die bezuglich der Faltung ∗ inverse Funktion zu ζ ist die Mobiusfunktion µ, also ζ ∗µ =µ ∗ ζ = δ.

Nun zur Behandlung des eingangs formulierten Umkehrproblems:

Sf (y) =∑x∈[0,y]

f(x) =∑x∈[0,y]

f(x) · ζ(x, y) =∑x∈[0,y]

F (0, x) · ζ(x, y)

da ζ(x, y) = 1 und F (a, x) ist wie folgt definiert:

F (a, x) :=

{0 a 6= 0f(x) a = 0

Mit dieser Definition gilt, dass F (a, x) eine arithmetische Funktion auf der HalbordnungP ist. Weiters gilt: Sf (y) = (F ∗ ζ)(0, y).Sei g(a, y) := (F ∗ ζ)(a, y), dann gilt:

g(a, y) :=

{0 a 6= 0Sf (y) a = 0

Falte g = F ∗ ζ von rechts mit ζ−1:

⇒ g ∗ µ = (F ∗ ζ) ∗ µ = F ∗ (ζ ∗ µ) = F

Das eingesetzt ergibt:

F (0, y) = (g ∗ µ)(0, y) =∑x∈[0,y]

g(0, x) · µ(x, y)

Es gilt ja F (0, y) = f(y) und g(0, x) = Sf (x). Damit erhalt man die

Lemma 3.3.3 (Mobius’sche Umkehrformel).

f(y) =∑x∈[0,y]

Sf (x) · µ(x, y) (3.3)

Eine alternative Version der Mobius’schen Umkehrformel fur eine lokal endliche Halb-ordnung P mit 1-Element, also x ≤ 1, ∀x ∈ P mit Summenfunktion

Sf (y) :=∑x∈[y,1]

f(x)

erhalten wir durch analoge Betrachtungen:

f(y) =∑x∈[y,1]

µ(y, x) · Sf (x) (3.4)

Fur die Anwendung der Mobius’schen Umkehrformel benotigen wir noch die Kenntnisder Mobiusfunktion µ fur wichtige Halbordnungen.

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3.3.1 Mobiusfunktion fur Ketten

〈P,≤〉 sei Kette. Fur die Mobiusfunktion µ gilt ζ ∗ µ = δ.

Fur y = x ist die Mobiusfunktion µ(x, x) = 1, ∀x ∈ P , da

(ζ ∗ µ)(x, x) = ζ(x, x) · µ(x, x) = δ(x, x) = 1

Fur x < y, also y = x+ 1:

(ζ ∗ µ)(x, x+ 1) = ζ(x, x) · µ(x, x+ 1) + ζ(x, x+ 1) · µ(x+ 1, x+ 1)

= δ(x, x+ 1) = 0

⇒ µ(x, x+ 1) = −1, ∀x ∈ P

y = x+ 2:

(ζ ∗ µ)(x, x+ 2)

= ζ(x, x) · µ(x, x+ 2) + ζ(x, x+ 1) · µ(x+ 1, x+ 2) + ζ(x, x+ 2) · µ(x+ 2, x+ 2)

= δ(x, x+ 2) = 0

⇒ µ(x, x+ 2) = 0

Vollstandige Induktion:Fur y = x+ k, k ≥ 2 ist die Mobiusfunktion immer 0: µ(x, x+ k) = 0.

Fur eine Kette 〈P,≤〉 ist die Mobiusfunktion also:

µ(x, y) =

1 x = y−1 y = x+ 10 sonst

Mobius’sche Umkehrformel:

f(y) =∑x∈[0,y]

Sf (x) · µ(x, y)

= Sf (y − 1) · µ(y − 1, y) + Sf (y) · µ(y, y)

= Sf (y)− Sf (y − 1), y ≥ 1

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3.3.2 Mobiusfunktion fur die Teilbarkeitsrelation auf dennaturlichen Zahlen

〈P,≤〉 sei 〈N+, |〉.x, y ∈ N+, Primfaktorzerlegung von x, y: x =

∏peii , y =

∏pfii , ei, fi ∈ N.

x|y ⇔ ei ≤ fi ∀i

d.h.: 〈P,≤〉 = 〈N+, |〉, mit der Primfaktorzerlegung ist das holomorph zu∏

(Ketten,≤),dem Produkt von Ketten mit der gewohnlichen ≤-Relation.Wir betrachten nun konkret eine positive naturliche Zahl n =

∏ki=1 p

gii , wobei pi ver-

schiedene Primzahlen sind.Sei P die Menge aller positiven Teiler von n, d.h.

x ∈ P ⇔ x =k∏i=1

peii fur ei ∈ {0, 1, . . . , gi}

Die ≤-Relation ist dann die Teilbarkeitsrelation |.Dann ist 〈P, |〉 isomorph zu

∏ki=1({0, 1, . . . , gi},≤).

Wir benotigen nun die Mobiusfunktion fur das Produkt von Halbordnungen.

3.4 Arithmetische Funktionen und ErzeugendeFunktionen

Sei f(x, y) eine arithmetische Funktion auf einer Halbordnung, die fur isomorphe In-tervalle die selben Werte annimmt. Dann hangt die Funktion f nur vom sogenanntenIsomorphietyp des Intervalls ab. Wichtige Beispiele fur solche Funktionen sind unteranderem δ, ζ, µ, . . ..

Beispiel 47. Halbordnung Kette

Fur Ketten gilt: [i, j] ∼= [0, j − i] fur alle i, j ∈ N. Also kann man jede Klasse vonisomorphen Intervallen mit einer naturlichen Zahl identifizieren. In diesem Fall hat dasIntervall [i, j] den Isomorphietyp j − i ∈ N.

88

Page 89: 1 Kombinatorische Abz ahlprobleme und …info.tuwien.ac.at/panholzer/DM_Skriptum_V1.pdfNun gilt es, zu bestimmen, wieviele Objekte mit einem gegebenen Gewicht in der Menge Aenthalten

Typ 0 Typ 1 Typ 2 Typ n

n Kanten

Sei nun f eine arithmetische Funktion, die nur vom Isomorphietyp des betrachtetenIntervalls abhangt. Diese Funktion laßt sich, da sie auf Intervallen vom gleichen Isomor-phietyp den gleichen Wert annimmt, uber eine Funktion f : N → R(C), n 7→ f(0, n)definieren:

f(i, j) =

{f(j − i) j ≥ i

0 sonst

Wir ordnen nun der arithmetischen Funktion f die gewohnliche erzeugende Funktion

F (z) :=∑n≥0

f(n)zn

zu, und betrachten die algebraischen Operationen fur die arithmetische Funktion f , undwie sich diese in die Welt der erzeugenden Funktionen ubersetzen.

1. Addition +:

(f + g)(n) = f(n) + g(n)⇒ (F +G)(z) = F (z) +G(z)

2. Faltung ∗:

(f ∗ g)(n) = (f ∗ g)(0, n) =∑

0≤k≤n

f(0, k) · g(k, n) =∑

0≤k≤n

f(0, k) · g(0, n− k) =

=n∑k=0

f(k) · g(n− k)

⇒ EF(f ∗ g)(z) =∑n≥0

(f ∗ g)(n)zn =∑n≥0

(n∑k=0

f(k) · g(n− k)

)zn =

=

(∑n≥0

f(n)zn

(∑n≥0

g(n)zn

)= F (z) ·G(z)

89

Page 90: 1 Kombinatorische Abz ahlprobleme und …info.tuwien.ac.at/panholzer/DM_Skriptum_V1.pdfNun gilt es, zu bestimmen, wieviele Objekte mit einem gegebenen Gewicht in der Menge Aenthalten

Das heißt, die Faltung ubersetzt sich in das Cauchy-Produkt von gewohnlichenerzeugenden Funktionen.

Um nun einen Vorteil aus dem Ubergang zu erzeugenden Funktionen zu gewinnen, be-trachten wir nun die ζ−, µ− und δ− Funktion. Es gilt ζ ∗ µ = δ. Sei nun

Z(z) =∑n≥0

ζ(n)zn =∑n≥0

ζ(0, n)zn =∑n≥0

1 · zn =1

1− z

∆(z) =∑n≥0

δ(n)zn =∑n≥0

δ(0, n)zn = 1 · z0 = 1

M(z) =∑n≥0

µ(n)zn =∑n≥0

µ(0, n)zn

Nach dem oben Gezeigten gilt Z(z) ·M(z) = ∆(z), also folgt

M(z) =∆(z)

Z(z)=

11

1−z= 1− z

und durch Ablesen der Koeffizienten erhalt man:

µ(n) = [zn]M(z) = [zn] (1− z) =

1 , n = 0

−1 , n = 1

0 , n ≥ 2

Dieses Ergebnis stimmt mit dem fruher auf elementarem Weg erhaltenen Ergebnis ube-rein.

Beispiel 48. Sei M eine endliche Menge und 〈M,⊆〉 diese Menge versehen mit derTeilmengenrelation, womit M zur Halbordnung wird.

Sei A ⊆ B, dann gilt: [A,B] ∼= [∅, B \ A]. Weiters kommt es bei der Isomorphie nichtauf die konkrete Wahl der Mengen B und A an, sondern nur auf die Kardinalitat derDifferenzmenge, es gilt also: Seien A,B,C,D ⊆M mit A ⊆ B und C ⊆ D, dann gilt:

|B \ A| = |D \ C| ⇒ [A,B] ∼= [C,D]

Als Isomorphietyp kann man hier also die Kardinalitat der Differnzmenge wahlen, d.h.der Isomorphietyp eines Intervalls [A,B] ist |B \ A| ∈ N.

Typ 0 Typ 1 Typ 2 Typ 3

n-dimensionalerWürfel

Typ n

90

Page 91: 1 Kombinatorische Abz ahlprobleme und …info.tuwien.ac.at/panholzer/DM_Skriptum_V1.pdfNun gilt es, zu bestimmen, wieviele Objekte mit einem gegebenen Gewicht in der Menge Aenthalten

Sei nun f eine arithmetische Funktion, die nur vom Isomorphietyp abhangt. Wie imvorigen Beispiel konnen wir f uber eine Funktion f : N → R(C), n 7→ f(∅, C) mit|C| = n definieren:

f(A,B) =

{f(|B \ A|) , falls A ⊆ B

0 sonst

Nun konnen wir wieder die algebraischen Operationen auf f und deren Ubersetzung indie Welt der erzeugenden Funktionen betrachten.

1. Addition +:

(f + g)(n) = f(n) + g(n).

2. Faltung ∗:Seien A,B ⊆M mit A ⊆ B, dann gilt

(f ∗ g)(A,B) =∑

A⊆C⊆B

f(A,C) · g(C,B) =∑

A⊆C⊆B

f(∅, C \ A) · g(∅, B \ C).

Sei nun |B \ A| = n, dann folgt

(f ∗ g)(A,B) =n∑k=0

∑A⊆C⊆B|C−A|=k

f(∅, C \ A︸ ︷︷ ︸|C\A|=k

) · g(∅, B \ C︸ ︷︷ ︸|B\C|=n−k

) =

=n∑k=0

∑A⊆C⊆B|C−A|=k

f(k) · g(n− k) =n∑k=0

(n

k

)f(k) · g(n− k) = (f ∗ g)(n)

Der Binomialkoeffizient(nk

)erklart sich dadurch, dass alle Mengen C mit A ⊆ C ⊆

B und |C \ A| = k geschrieben werden konnen als C = A ∪ D mit |D| = k undD ⊆ B \ A (|B \ A| = n).

Aufgrund der erhaltenen Gestalt des Faltungsproduktes ist es zweckmaßig, einerFunktion f , die die oben definierten Eigenschaften hat, ihre exponentiell erzeugen-de Funktion zuzuordnen. d.h. sei

F (z) :=∑n≥0

f(n)

n!, G(z) :=

∑n≥0

g(n)

n!

dann gilt

EEF(f ∗ g) =∑n≥0

(f ∗ g)(n)zn

n!=∑n≥0

(n∑k=0

(n

k

)f(k) · g(n− k)

)zn

n!=

91

Page 92: 1 Kombinatorische Abz ahlprobleme und …info.tuwien.ac.at/panholzer/DM_Skriptum_V1.pdfNun gilt es, zu bestimmen, wieviele Objekte mit einem gegebenen Gewicht in der Menge Aenthalten

=∑n≥0

(n∑k=0

n!

k!(n− k)!f(k) · g(n− k)

)zn

n!=∑n≥0

n∑k=0

(f(k)

zk

k!

)·(g(n− k)

zn−k

(n− k)!

)=

=

(∑n≥0

f(n)zn

n!

(∑n≥0

g(n)zn

n!

)= F (z) · G(z)

Die Faltung ubersetzt sich also in das Cauchy-Produkt von exponentiell erzeugen-den Funktionen.

Als Anwendung wollen wir wieder die µ-Funktion bestimmen. Es gilt:

ζ(n) = 1, n ≥ 0, δ(n) = δn,0

Z(z) =∑n≥0

ζ(n)zn

n!=∑n≥0

1 · zn

n!= ez

∆(z) =∑n≥0

δ(n)zn

n!= 1 · z

0

0!= 1

Mit M(z) :=∑

n≥0 µ(n) zn

n!gilt also wegen Obigem:

Z(z) · M(z) = ∆(z)⇒ M(z) =∆(z)

Z(z)=

1

ez= e−z

Ablesen der Koeffizienten liefert:

µ(n) =

[zn

n!

]M(z) =

[zn

n!

]e−z = (−1)z

Also gilt fur A,B ⊆M mit A ⊆ B:

µ(A,B) = µ(∅, B \ A) = µ(|B \ A|) = (−1)|B\A|

Beispiel 49. Halbordnung 〈(GF (q))n,E〉.

Die Bestimmung der µ-Funktion dieser Halbordnung laßt sich mit der in den vorigenBeispielen verwendeten Methoden behandeln.

Sei U E V E (GF (q))n, dann gilt: [U, V ] ∼= [0, V/U ], wobei V/U den Raum V faktorisiertnach U bezeichnet (Faktorraum). Die Struktur des Intervalls ist als nur abhangig vondim V/U = dim V − dim U ∈ N. Als Isomorphietyp eines Intervalls [U, V ] mit U E Vkann man also dim V − dim U ∈ N verwenden.

92

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Typ 0 Typ 1 Typ 2

Vektorraum über GF(2)

Nun betrachten wir wiederum eine arithmetische Funktion f , die nur vom Isomorphietypabhangt. Diese kann durch eine Funktion f : N → R(C), n 7→ f(0, V/U) mit dim V −dim U = n definiert werden:

f(U, V ) =

{f(dim V − dim U) , U E V

0 , sonst

Wir betrachten nun die algebraischen Operationen auf auf f und deren Ubersetzung indie Welt der erzeugenden Funktionen.

1. Addition +:

2. Faltung *:Sei U E V , dann gilt:

(f ∗ g)(U, V ) =∑

UEWEV

f(U,W ) · g(W,V ) =∑

UEWEV

f(0,W/U) · g(0, V/W ) =

∑UEWEV

f(dim W − dim U) · g(dim V − dim W )

Sei nun dim V − dim U = n, dim W − dim U = k, dann folgt dim V − dim W = n− k,und somit:∑

UEWEV

f(dim W − dim U) · g(dim V − dim W ) =n∑k=0

∑UEWEV

dim W−dim U=k

f(k) · g(n− k)

Nun stellt sich die Frage, wieviele Unterraume W es gibt, fur die gilt, dass U E W E Vund dim W −dim U = k ist. Zu diesem Zwecke halten wir den Raum U fest. Dann kannman W darstellen als:

W = U ⊕K, wobei K isomorph zu einem k-dimensionalen Unterraum von V/U ist.

93

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Da die Dimension von V/U = n ist, gilt also, dass es(nk

)q

Moglichkeiten gibt. Also

erhalten wir als Fortsetzung von oben:

(f ∗ g)(U, V ) =n∑k=0

∑UEWEV

dim W−dim U=k

f(k) · g(n− k) =n∑k=0

(n

k

)q

f(k) · g(n− k) = (f ∗ g)(n)

Wir hatten nun gerne, dass sich die Faltung derartiger arithmetischer Funktionen wie beiden vorigen Beispielen in das Cauchy-Produkt der entsprechenden erzeugenden Funk-tionen ubersetzt. Dazu definieren wir:

Definition 3.4.1. Sei an eine Folge aus R(C) und q ∈ R, dann heißt die formalePotenzreihe Aq(z), die definiert ist als

Aq(z) :=∑n≥0

anzn

[n]q!

die sogenannte q-exponentiell erzeugende Funktion.

Wenn wir uns nun das Produkt von zwei q-exponentiell erzeugenden FunktionenAq(z), Bq(z)ansehen, dann gilt:

Aq(z) ·Bq(z) =

(∑n≥0

anzn

[n]q!

(∑n≥0

bnzn

[n]q!

)=∑n≥0

n∑k=0

(ak

zk

[k]q!

(bn−k

zn−k

[n− k]q!

)=

=∑n≥0

(n∑k=0

[n]q!

[k]q! [n− k]q!akbn−k

)zn =

∑n≥0

(n

k

)q

akbn−kzn

Aufgrund der Gestalt des Cauchy-Produktes gilt also mit Fq(z) :=∑

n≥0 f(n) zn

[n]q !,

Gq(z) :=∑

n≥0 g(n) zn

[n]q !:

q-EEF(f ∗ g) = Fq(z) ·Gq(z).

Mit den gewonnnen Erkenntnissen konnen wir nun die µ-Funktion dieser Halbordnungbestimmen. Wir setzen dazu:

Zq(z) :=∑n≥0

ζ(n)zn

[n]q!=∑n≥0

1 · zn

[n]q!= eq(z)

∆q(z) :=∑n≥0

δ(n)zn

[n]q!=∑n≥0

δn,0zn

[n]q!= 1 · z

0

[0]q!= 1

94

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Dann gilt wegen der Ubersetzung der Faltung ins Cauchy-Produkt, dass mit

Mq(z) :=∑n≥0

µ(n)zn

[n]q!,

Zq(z) ·Mq(z) = ∆q(z)⇒Mq(z) =∆q(z)

Zq(z)=

1

eq(z)

Fruher haben wir die Potenzreihendarstellung von 1eq(z)

schon hergeleitet. Es gilt:

Zq(z) =1

eq(z)=∑n≥0

(−1)nq(n2) zn

[n]q!.

Ablesen der Koeffizienten liefert:

µ(n) =

[zn

[n]q!

]Zq(z) = (−1)q(

n2).

Also ergibt sich insgesamt fur U, V E (GF (q))n mit U E V , dass

µ(U, V ) = (−1)dim V−dim U · q(dim V−dim U

2 )

Beispiel 50. Halbordnung 〈N+, |〉, also die positiven naturlichen Zahlen mit der Teil-barkeitsrelation.

Sei x, y ∈ N+ mit x|y, dann gilt [x, y] ∼=[1, y

x

]. Die Struktur des Intervalls ist dabei nur

von yx

abhangig. Also kann man als Isomorphietyp eines Intervalls [x, y] mit x|y yx∈ N+

wahlen.

1 1

p

1

2 3

6

1

2 3

4 6

12

Typ 1 Typ pp Primzahl

Typ 6 Typ 12

95

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4 Kombinatorische Probleme aufGruppen

4.1 Lemma von Burnside

Betrachte den gewohnlichen 6-seitigen Wurfel mit Farbungen der Seitenflachen in weißoder schwarz. Wieviele Farbungen des Wurfels gibt es, sodass zwei Seiten schwarz undvier weiß gefarbt sind, wobei aber nur jene Farbungen als verschieden gezahlt werdensollen, die nicht durch Drehungen des Wurfels auseinander hervorgehen?

Allgemein: Betrachte eine endliche Menge M (Menge der Konfigurationen, hier z.B. dieFarbungen) und die Permutationsgruppe Γ mit Γ E SM (symmetrische Gruppe auf derMenge der Konfigurationen M).

Definition 4.1.1. Zwei Konfigurationen f1, f2 heißen aquivalent, wenn es ein Elementπ ∈ Γ gibt mit

π(f1) = f2

Bemerkung 4.1.2. Der Ausdruck “aquivalent“ ist berechtigt, da dies eine Aquivalenz-relation ist:

- reflexiv:f ∼ f ∀f ∈M

da id ∈ Γ (da Γ eine Gruppe ist).

- symmetrisch:f1 ∼ f2 ⇔ f2 ∼ f1

da f1 ∼ f2 heißt, es existiert ein π mit π(f1) = f2, und da Γ eine Gruppe ist, folgt∃π−1 ∈ Γ mit π−1(f2) = f1.

- transitiv:f1 ∼ f2 ∧ f2 ∼ f3 ⇒ f1 ∼ f3

da ein π1 und π2 aus Γ existiert, mit π1(f1) = f2 und π2(f2) = f3, und da Γ eineGruppe ist, gilt: π2(π1(f1)) = (π2 ◦ π1)(f1) = f3 also ist f1 ∼ f3.

96

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Definition 4.1.3. Die Aquivalenzklasse von einer Konfiguration bezuglich dieser Aqui-valenzrelation heißt die Bahn (oder Orbit) von f in M unter Γ. In Zeichen: BΓ(f).

Wir interessieren uns fur die Anzahl der nicht aquivalenten Konfigurationen, d.h. fur dieAnzahl der Bahnen in M unter Γ.

Satz 4.1.4 (Lemma von Burnside). Sei M eine endliche Menge der Konfigurationen,Γ E SM eine Untergruppe der symmetrischen Gruppe auf M . Dann gilt:

Die Anzahl der Bahnen in M unter Γ ist gleich der durchschnittlichen Anzahl der Fix-punkte der Permutationsgruppe Γ. Das heißt:

Anzahl der Bahnen =1

|Γ|∑π∈Γ

|{f ∈M : π(f) = f}|

Proof.

1

|Γ|∑π∈Γ

|{f ∈M : π(f) = f}| = 1

|Γ|∑π∈Γ

∑f∈M

[π(f) = f ]

Inversion Bracket: [A] :=

{1 A wahr0 A falsch

=1

|Γ|∑f∈M

∑π∈Γ

[π(f) = f ]

=1

|Γ|∑f∈M

|{π ∈ Γ : π(f) = f}|

Definiere {π ∈ Γ : π(f) = f} =: S(f), der Stabilisator von f .

Behauptung: S(f) ist eine Untergruppe von Γ (S(f) E Γ) fur jedes f .

Proof. • S(f) ist nichtleer, da id ∈ Γ und id(f) = f ∀f ⇒ id ∈ S(f).

• Γ ist endliche Gruppe, d.h. es genugt zu zeigen:π1 ∈ S(f), π2 ∈ S(f) ⇒ π1 ◦ π2 ∈ S(f) Untergruppenkriteriumda π1(f) = f , π2(f) = f ist (π1 ◦ π2)(f) = π1(π2(f)) = π1(f) = f⇒ (π1 ◦ π2) ∈ S(f)

97

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1

|Γ|∑π∈Γ

|{f ∈M : π(f) = f}| = 1

|Γ|∑f∈M

|S(f)|

=∑f∈M

|S(f)||Γ|

=∑f∈M

1

| ΓS(f)|

=∑f∈M

1

Anz. d. verschiedenen Nebenklassen von S(f) in M

Es besteht aber ein bijektiver Zusammenhang zwischen den verschiedenen Nebenklassenvon S(f) in Γ und den verschiedenen Elementen der Bahn von f in M unter Γ.Begrundung:

π1 ◦ S(f) = π2 ◦ S(f) “Zwei Nebenklassen sind gleich“

m(π−1

2 ◦ π1) ◦ S(f) = S(f)

m(π−1

2 ◦ π1) ∈ S(f)

π1(f) = π2(f) “Zwei Elemente der Bahn sind gleich“

m(π−1

2 ◦ π1)(f) = f

m(π−1

2 ◦ π1) ∈ S(f)

Das heißt es existiert eine Bijektion zwischen

π ◦ S(f) ∈ Γ

S(f)

lπ(f) ∈ BΓ(f)

98

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1

|Γ|∑π∈Γ

|{f ∈M : π(f) = f}| =∑f∈M

1

Anz. d. versch. El. der Bahn von f in M unter Γ

=∑f∈M

1

|BΓ(f)|

=∑

b Bahn in Munter Γ

∑f∈M

BΓ(f)=b

1

|b|(Es gibt genau |b| solche f ∈M)

=∑

b Bahn in Munter Γ

1 = Anzahl der Bahnen in M unter Γ

4.2 Satz von Polya

Seien D und R endliche Mengen. Dabei sei D die Menge der Platze (z.B. die Seiten-flachen des Wurfels aus dem letzten Beispiel), und R die Menge der Belegungen (z.B.die Farben).Weiters sei die Gruppe Γ E SD, |D| = d und F = RD = {g : D → R} die Konfiguratio-nen.Die Gruppe Γ E SD induziert eine Permutationsgruppe Γ auf F :

(πf)(x) := f(π(x)) ∀x ∈ D.

Γ induziert eine Aquivalenzrelation:

f1 ∼ f2 ⇐⇒ ∃π ∈ Γ : πf1 = f2

Gegeben sei eine Gewichtsfunktion w : R → A, wobei A ein kommutativer Ring mit 1sei.

Definition 4.2.1. Das Gewicht einer Konfiguration f ∈ F = RD ist folgendermaßendefiniert:

w(f) =∏x∈D

w(f(x)).

Bemerkung 4.2.2. Aquivalente Konfigurationen haben dasselbe Gewicht:

f1 ∼ f2 ⇐⇒ πf1 = f2

w(f2) =∏x∈D

w(f2(x)) =∏x∈D

w((πf1)(x))

=∏x∈D

w(f1(π(x))) =∏y∈D

w(f1(y)) = w(f1)

99

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Daher konnen wir vom Gewicht einer Aquivalenzklasse f sprechen: w(f) := w(f), f ∈ f.Sei F die Menge aller Aquivalenzklassen.

w(F) =∑

f Aquivalenzklasse

w(f)

Frage: Gibt es eine “einfache“ Moglichkeit w(F) zu bestimmen?Zur Beantwortung dieser Frage benotigen wir die Zyklenstruktur der Permutationenπ ∈ Γ E SD. |D| = dGegeben sei eine Permutation π ∈ Γ in kanonischer Zyklendarstellung:

k1(π) . . . Anzahl der Zyklen der Lange 1

k2(π) . . . Anzahl der Zyklen der Lange 2

...

kd(π) . . . Anzahl der Zyklen der Lange d

Definition 4.2.3. Der Zyklentyp einer Permutation π ∈ Γ ist

ZT (π)(x1, . . . , xd) =d∏l=1

xkl(π)l

Der Zyklenzeiger ist

ZZ(Γ)(x1, . . . , xd) =1

|Γ|∑π∈Γ

ZT (π)(x1, . . . , xd) =1

|Γ|∑π∈Γ

d∏l=1

xkl(π)l

Satz 4.2.4 (Satz von Polya). (Polya 1937, Redfield 1927)Seien D, R endliche Mengen, |D| = d, Γ E SD. Gegeben sei eine Gewichtsfunktionw : R→ A und Konfigurationen F = RD = {g : D → R}. Dann gilt:

w(F) = ZZ(Γ)(∑y∈R

w(y),∑y∈R

w2(y), . . . ,∑y∈R

wd(y))

Proof. Sei ξ ∈ A. Fξ bezeichne die Menge aller Konfigurationen f ∈ F mit Gewicht ξ:Fξ = {f ∈ F : w(f) = ξ}.Γ induziert auch eine Permutationsgruppe Γξ auf Fξ.

100

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Mit der Verwendung des Lemmas von Burnside erhalt man:

w(F) =∑ξ∈A

ξ · (Anzahl der Aquivalenzklassen aus F mit Gewicht ξ)

=∑ξ∈A

ξ1

|Γ|∑π∈Γ

|{f ∈ Fξ : πf = f}|

=1

|Γ|∑π∈Γ

∑ξ∈A

ξ|{f ∈ Fξ : πf = f}|

=1

|Γ|∑π∈Γ

∑f∈Fπf=f

w(f)

Bedingung πf = f , f Fixpunkt von π: (πf)(x) = f(π(x)) = f(x) ∀x ∈ DSei π ∈ Γ: z1(π)z2(π) . . . zs(π), 1 ≤ s ≤ d, wobei gelten muss, dass alle x aus zi(π)dasselbe Bild yi ∈ R haben (i ∈ {1, . . . , s}).π ∈ Γ, f ∈ F : πf = f

w(f) :=∏x∈D

w(f(x)) =s∏l=1

∏x∈zl(π)

w(f(x)) =s∏l=1

∏x∈zl(π)

w(yl) =s∏l=1

w(yl)(zl(π))

w(F) =1

|Γ|∑π∈Γ

∑f∈Fπf=f

w(f)

=1

|Γ|∑π∈Γ

∑y1∈R

· · ·∑yd∈R

d∏l=1

w(yl)(zl(π))

=1

|Γ|∑π∈Γ

d∏l=1

(∑yl∈R

w(yl)(zl(π))

)Bezeichne kl(π) die Anzahl der Zyklen von π der Lange l, es gilt:

ZZ(Γ)(x) =1

|Γ|∑π∈Γ

ZT (π)(x) =1

|Γ|∑π∈Γ

d∏l=1

xkl(π)l =

1

|Γ|∑π∈Γ

d∏n=1

x(zn(π))

w(F) =1

|Γ|∑π∈Γ

d∏n=1

(∑y∈R

w(y)(zn(π)))

Beispiel 51 (Wurfelseitenflachen).

ZZΓ(x) =1

24(x6

1 + 6x21x

14 + 8x2

3 + 6x32 + 3x2

1x22)

101

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Nichtaquivalente Farbungen vom Gewicht w4s2

ZZΓ(w + s, w2 + s2, . . . , w4 + s4) =

=1

24

((w + s)6 + 6(w + s)2(w4 + s4) + 8(w3 + s3)2 + 6(w2 + s2)3 + 3(w + s)2(w2 + s2)2

)[w4s4]ZZΓ(w + s, w2 + s2, . . . , w4 + s4) =

1

24(15 + 6 + 18 + 9) = 2

Betrachte eine Variante w(weiß) = w(schwarz) = 1.

1

24(26 + 6 · 22 · 2 + 3 · 22 · 22 + 8 · 22 + 6 · 23) =

1

24(64 + 48 + 48 + 32 + 48) = 10

Korollar 4.2.5. Die Gesamtanzahl der nichtaquivalenten Konfigurationen ist gleichZZ(Γ)(|R|, . . . , |R|).

Zum Satz von Polya existieren einige wichtige Verallgemeinerungen. Eine wichtige Situa-tion ist, wenn auf R auch eine Permutationsgruppe agiert. Seien D, R endliche Mengen,|D| = d, |R| = r, Γ1 E SD, Γ2 E SR.f, g ∈ RD : f ∼ g : ∃π ∈ Γ1,∃ϕ ∈ Γ2 : ϕg = fπ, d.h. ∀x ∈ D : ϕ(g(x)) = f(π(x))

Satz 4.2.6 (Satz von De Brujn). Die Voraussetzungen sind wie oben und die Gesamtan-zahl der nicht aquivalenten Konfigurationen aus F = RD ist gegeben durch(

ZZΓ1

( ∂∂z1

,∂

∂z2

, . . . ,∂

∂zd

)· ZZΓ2

(es1 , . . . , esr

))|z1=z2=···=zr=u

wobei sl :=∑b 1

lc

k=1 zlk mit 1 ≤ l ≤ d.Es existieren ahnliche Formeln fur die nicht aquivalenten injektiven bzw. surjektivenKonfigurationen.

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5 Graphentheoretische Grundprobleme

5.1 Grundlegende Definitionen

Sei G ein Graph. Bei einem gerichteten Graph bezeichnet man die Knotenmenge mitV (G) (vertex set) und die Kantenmenge mit E(G) (edge set).

Eine Definition: E(G) ⊆ V (G)×V (G). Eine Kante e = (v1, v2) ∈ E(G) ist ein geordnetesPaar von Knoten, wobei v1 der Anfangsknoten und v2 der Endknoten ist.

V1 V2

Mehrfachkanten

Eine einfache Definition fur einen Graphen ist G = 〈V (G), E(G)〉. Das Problem dabeisind Mehrfachkanten. Somit kommt man zur erweiterten Defintion:

G = 〈V (G), E(G), α〉

mit der Inzidenzfunktion α : E(G) → V (G) × V (G). Jeder Kante wird mittels α eingeordnetes Paar von Knoten zugeordnet. z.B. α(e1) = α(e2) = α(e3) = (v, w)Auch eine Schlinge e = (v, v) kann mit der urprunglichen Definition dargestellt werden.

Bei einem ungerichteten Graph besteht jede Kante aus einem ungeordneten Paar {vi, vj}von Knoten.

• Sei G ein gerichteter Graph, v ∈ G.Dann bezeichnet man mit d+(v) den Weggrad von v (out-degree), das ist die Anzahlder Kanten der Gestalt e = (v, w), w ∈ V (G).d−(v) heißt Hingrad von v (in-degree), die Anzahl von Kanten der Gestalt e =(w, v), w ∈ V (G).

• Sei G ein ungerichteter Graph, v ∈ G.d(v) ist der Grad von v, die Anzahl der Kanten mit denen v inzidiert.Achtung: Bei Schlingen muss die Kante zweimal gezahlt werden.

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• Eine Kantenfolge ist eine Folge von Kanten e1e2e3 . . . ek mit e1 = (v1, v2), e2 =(v2, v3), . . . , ek = (vk, vk+1).

V1 V2 V3 V5

V6

V4

1 2, 5

34

6

7Kantenfolge(V1,V2)(V2,V3)(V3,V4)(V4,V2)(V2,V3)(V3,V5)(V5,V6)

Kanten können mehrmals verwendet werden

• Ein Kantenzug ist eine Kantenfolge, bei der keine Kante mehrfach durchlaufenwird.

Kantenzug

V1 V2

V3 V4

V5

(V1,V2)(V2,V3)(V3,V4)(V4,V2)(V2,V5)

• Eine Kantenfolge, wo kein Knoten mehrfach auftritt, heißt bei einem gerichtetenGraph Bahn und bei einem ungerichteten Graph Weg.

(V1,V2)(V2,V3)(V3,V4)(V4,V5)

V1 V2

V3

V4 V5 V1 V2

V3

V4 V5

(V1,V2)(V2,V3)(V3,V4)(V4,V5)Bahn Weg

• Eine Kantenfolge, wo kein Knoten mehrfach auftritt, mit der einzigen Ausnahme,dass der Anfangspunkt gleich dem Endpunkt ist, heißt bei einem gerichteten GraphZyklus und bei einem ungerichteten Graph Kreis.

Definition 5.1.1. Ein ungerichteter Graph G heißt zusammenhangend, wenn fur allex, y ∈ V (G) ein Weg W (x, y) existiert, der x als Anfangspunkt und y als Endpunkt be-sitzt (d.h. x mit y verbindet).Die maximal zusammenhangenden Teilgraphen von G heißen die Zusammenhangskom-ponenten von G.

Definition 5.1.2. Ein gerichteter Graph G heißt stark zusammenhangend, wenn furalle x, y ∈ V (G) eine Bahn B(x, y) existiert, der x als Anfangspunkt und y als Endpunktbesitzt.Die maximal stark zusammenhangenden Teilgraphen von G heißen die starken Zusam-menhangskomponenten von G.

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Definition 5.1.3. Ein gerichteter Graph G heißt schwach zusammenhangend, wenn derungerichtete Graph GU , der aus G durch Weglassen aller Kantenorientierungen entsteht,zusammenhangend ist.GU ist der Schatten von G.Die maximal schwach zusammenhangenden Teilgraphen von G heißen die schwachenZusammenhangskomponenten von G.

5.2 Euler’sche und Hamilton’sche Linien

Konigsberger Bruckenproblem (1739)

A

B

C

D

1

2 3

4

5

6 7

A B C

D

1

2 3

4

56 7

Frage: Kann man auf einem Spaziergang alle 7 Brucken der Stadt genau einmal betretenund wieder an den Ausgangspunkt zuruckkehren?

Graphentheoretische Formulierung des Problems:Gibt es eine Kantenfolge im Graphen, der jede Kante genau einmal enthalt und derAnfangspunkt gleich dem Endpunkt ist?

Hier gibt es keine Losung, weil es Knoten mit ungeradem Knotengrad gibt.

Definition 5.2.1. Eine Euler’sche Linie in einem Graph G ist eine Kantenfolge, diejeden Knoten und jede Kante von G beinhaltet, und zwar jede Kante genau einmal.Wenn der Anfangspunkt gleich dem Endpunkt ist, spricht man von einer geschlossenenEuler’schen Linie, ansonsten von einer offenen Euler’schen Linie.

Im Folgenden werden nur endliche Graphen behandelt.

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Satz 5.2.2. Sei G ein ungerichteter Graph.

Dann besitzt G genau dann eine offene Euler’sche Linie, wenn gilt:

• G ist zusammenhangend

• d(v) ≡ 0 mod 2 fur alle v ∈ G mit Ausnahme von genau zwei Knoten v1, v2 ∈ V (G)fur die gilt: d(v1) ≡ 1 mod 2 und d(v2) ≡ 1 mod 2.

G besitzt genau dann eine geschlossene Euler’sche Linie, wenn gilt:

• G ist zusammenhangend

• d(v) ≡ 0 mod 2, ∀v ∈ V (G) (d.h. alle Knoten in G haben geraden Knotengrad).

Satz 5.2.3. Sei G ein gerichteter Graph.

Dann besitzt G genau dann eine offene Euler’sche Linie, wenn gilt:

• G ist schwach zusammenhangend

• d+(v) = d−(v) ∀v ∈ V (G) mit Ausnahme von genau zwei Knoten v1, v2 ∈ V (G)fur die gilt:d+(v1) = d−(v1)− 1 und d+(v2) = d−(v2) + 1.

G besitzt genau dann eine geschlossene Euler’sche Linie, wenn gilt:

• G ist schwach zusammenhangend

• d+(v) = d−(v) ∀v ∈ V (G).

Definition 5.2.4. Ein Euler’scher Graph ist ein Graph, der eine geschlossene Eu-ler’sche Linie besitzt.

Proof. (fur gerichteten Graph und geschlossene Euler’sche Linie)⇒:Falls G eine geschlossene Euler’sche Linie besitzt, ist G stark zusammenhangend undsomit schwach zusammenhangend.Weiters gilt: d+(v) = d−(v) ∀v ∈ V (G), weil entlang der Euler’schen Linie jeder Knotengleich oft durch eine hinfuhrende Kante betreten wird, wie er auch durch eine wegfuhren-de Kante verlassen wird.

⇐:G erfullt folgende Voraussetzungen: G ist schwach zusammenhangend und d+(v) = d−(v)

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∀v ∈ V (G).Wir wollen zeigen, dass G eine geschlossene Euler’sche Linie besitzt. Der Beweis erfolgtdurch vollstandige Induktion nach der Anzahl der Kanten von G.

• |E(G)| = 0: einzelner Knoten v

• |E(G)| = 0: laut Voraussetzung nur Schlinge, diese ist geschlossene E.L.

• Wir nehmen an der Satz sei fur alle Graphen G mit |E(G)| ≤ n gezeigt undbetrachten Graphen G mit |E(G)| = n+ 1.

Betrachten einen beliebigen Knoten v1 ∈ V (G). Aufgrund der Voraussetzung, dassG schwach zusammenhangend ist, folgt, dass d(v) = d+(v) + d−(v) > 0 und,aufgrund der Voraussetzung d+(v) = d−(v), dass d+(v) > 0. Das heißt es existierteine von v1 wegfuhrende Kante e1 = (v1, v2).Eventuell gilt v2 = v1.

Allgemein: Angenommen wir haben bereits eine Kantenfolge von v1 bis vj konstru-iert, wobei keine Kante mehrfach auftritt.Falls es noch eine bisher unbenutzte Kante (vj, vj+1) gibt, die von vj wegfuhrt,dann hangen wir diese an die konstruierte Kantenfolge an.Irgendwann erreichen wir den Knoten vk, von dem keine unbenutzte Kante mehrwegfuhrt.Aufgrund der Voraussetzung d+(v) = d−(v) kann dann nur gelten: vk = v1, d.h.wir sind wieder am Ausgangspunkt.

Das heißt wir haben eine geschlossene Kantenfolge Z konstruiert, wo keine Kantemehrfach auftritt.

2 Falle:

– Z beinhaltet alle Kanten von G ⇒ Z ist geschlossene E.L.

– Ansonsten betrachten wir den Graphen G′, der aus G entsteht indem wir allein Z beinhalteten Kanten entfernen.Im Allgemeinen ist G′ nicht mehr schwach zusammenhangend, er zerfallt inschwache Zusammenhangskomponenten.Fur G′ gilt nun: d+(v) = d−(v) ∀v ∈ V (G′).Seien H1, . . . , Hs die schwachen Zusammenhangskomponenten von G′. Es gilt:|E(Hi)| ≤ n, fur 1 ≤ i ≤ s.Aufgrund der Induktionsvoraussetzung gilt: jede Zusammenhangskomponen-te Hi besitzt eine geschlossene Euler’sche Linie Zi, 1 ≤ i ≤ s.Wir konnen nun z.B. folgendermaßen eine geschlossene E.L. in G konstruie-ren:

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Starte in v1 und gehe entlang von Z bis wir einen Knoten erreichen, der miteinem Hi einen Knoten gemeinsam hat. Wir reisen nun entlang Zi. Anschlie-ßend reisen wir entlang von Z weiter bis wir einen Knoten erreichen, dermit einer weiteren Komponente Hj, die noch nicht eingebunden wurde, einenKnoten gemeinsam hat. Wir reisen entlang Zj usw. bis wir schließlich wiederbei v1 landen.

Definition 5.2.5. Eine Hamilton’sche Linie in G ist eine Kantenfolge, in der jederKnoten genau einmal auftritt und keine Kante mehrfach besucht wird. Bei einer ge-schlossen Hamilton’schen Linie ist die einzige Ausnahme, dass der Anfangspunkt gleichdem Endpunkt ist.

Ein spezieller ungerichteter Graph ist der vollstandige Graph der Ordnung n Kn.V (Kn) = {1, 2, . . . , n}E(Kn) = {{i, j} : 1 ≤ i < j ≤ n}d(x) = n− 1, ∀x ∈ Kn

Kn besitzt eine geschlossene Hamilton’sche Linie fur n ≥ 3.

Definition 5.2.6. G ist ein einfacher Graph, wenn G keine Schlingen und keine Mehr-fachknoten besitzt.

Sei G ein ungerichteter einfacher Graph. Dann gilt:

Satz 5.2.7 (Satz von Dirac). Falls d(x) ≥ n2, ∀x ∈ V (G) mit n = |V (G)|, dann besitzt

G eine geschlossene Hamilton’sche Linie.

Satz 5.2.8 (Satz von Ore). Falls fur je 2 Knoten x, y ∈ V (G), die nicht durch eineKante verbunden sind, d.h. also (x, y) /∈ E(G), gilt: d(x) + d(y) ≥ n. Dann besitzt Geine geschlossene Hamilton’sche Linie.

Bemerkung 5.2.9. Der Satz von Dirac folgt direkt aus dem Satz von Ore.

Proof. Betrachte Graph G mit |V (G)| = n. Sei V = {x1, x2, . . . , xn}. Wir betrachtenalle n! Anordnungen dieser Knoten. Sei v1, v2, . . . , vn = xi1 , xi2 , . . . , xin eine solche An-ordnung. Dann bezeichnen wir (vk−1, vk) als eine Lucke, falls (vk−1, vk) /∈ E(G) wobeik ∈ {2, . . . , n+ 1} und wir identifizieren vn+1 = v1.

G besitzt eine Hamilton’sche Linie genau dann, wenn eine Anordnung der Knoten ohneLucke existiert.

Indirekter Beweis: Wir nehmen an es gibt keine Hamilton’sche Linie, d.h. jede Anord-nung besitzt zumindest eine Lucke.

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Sei v1, v2, . . . , vn eine Anordnung der Knoten mit minimaler Luckenanzahl und (vj−1, vj)eine Lucke. Betrachten den Nachbarn von vj−1: sei vk ein Nachbar von vj−1, d.h. (vj−1, vk) ∈E(G).Behauptung: Dann ist vk+1 kein Nachbar von vj, d.h. (vj, vk+1) /∈ E(G).Angenommen vk+1 ist ein Nachbar von vj. Dann konnen wir aber eine neue Anordnungder Knoten angeben mit einer kleineren Luckenanzahl als bei v1, v2, . . . , vn.Fall: k < j ⇒ k < j − 1: ⇒ zumindest eine Lucke weniger.Fall: k > j: ⇒ zumindest eine Lucke weniger.⇒ Widerspruch zur Annahme v1, . . . , vn hat minimale Luckenanzahl⇒ vk+1 ist kein Nachbar von vj, d.h. fur jeden Nachbarn von vj−1 gibt es mindestenseinen Nicht-Nachbarn von vj.

Graphentheoretische Formulierung:Anzahl der Nachbarn von vj−1 = d(vj−1) ≤ n− 1− d(vj) = Anzahl der Nicht-Nachbarnvon vj⇒ d(vj−1)+d(vj) ≤ n−1, wobei (vj−1, vj) /∈ E(G), das widerspricht der Voraussetzung.

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