1. Die Wellengleichung

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Prof. Dr. Wandinger 2. Grundlagen der Wellenausbreitung Akustik 2.1-1 1. Die Wellengleichung Die Wellengleichung ist eine partielle Differenzialglei- chung für das Schallfeld. Sie lässt sich durch Linearisierung aus der Massenbilanz, der Impulsbilanz und der Energiebilanz herleiten. Linearisierung: Untersucht wird die Schallausbreitung in ruhender Luft: Die Massendichte ρ 0 ist räumlich und zeitlich konstant. Der Luftdruck p 0 ist im Gleichgewicht mit der Schwerkraft. Die Strömungsgeschwindigkeit v 0 ist null.

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1. Die Wellengleichung

● Die Wellengleichung ist eine partielle Differenzialglei-chung für das Schallfeld.

● Sie lässt sich durch Linearisierung aus der Massenbilanz, der Impulsbilanz und der Energiebilanz herleiten.

● Linearisierung:

– Untersucht wird die Schallausbreitung in ruhender Luft:

● Die Massendichte ρ0 ist räumlich und zeitlich konstant.

● Der Luftdruck p0 ist im Gleichgewicht mit der Schwerkraft.

● Die Strömungsgeschwindigkeit v0 ist null.

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1. Die Wellengleichung

– Die Schallausbreitung wird durch die akusti-schen Größen Schall-druck p(t), Dichteände-rung ρ(t) und Schall-schnelle v(t) beschrieben.

– Für die gesamten Größen gilt:

pg x , t =p0 xp x , t g x , t =0 x , t vg x , t =v x , t

pt ≪ p0 , t ≪0

0 v2≪ p0

– Die akustischen Größen sind klein gegenüber den entsprechenden Größen im Ruhezustand:

– Die gesamten Größen müssen die Bilanzglei-chungen erfüllen.

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1. Die Wellengleichung

● Mitbewegtes Teilgebiet:

– Die Bilanzgleichungen werden für ein so genanntes mitbeweg-tes Teilgebiet V aufgestellt.

– Dabei handelt es sich um ein beliebiges Teilgebiet, dessen Oberfläche S = ∂V sich mit der Schallschnelle v bewegt.

– Ein mitbewegtes Teilgebiet be-steht also zu jeder Zeit aus den-selben Luftpartikeln.

V

S = ∂V

n

v

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1. Die Wellengleichung

1.1 Massenbilanz

1.2 Impulsbilanz

1.3 Energiebilanz

1.4 Materialgesetz

1.5 Wellengleichung

1.6 Randbedingungen

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1.1 Massenbilanz

● Integrale Massenbilanz:

– Das mit bewegte Gebiet enthält zu jedem Zeitpunkt die gleiche Masse an Luft.

– Daher gilt:

– Mit dem Transporttheorem von Reynolds folgt:

ddt ∫V t

gt dV=0

∫V t

∂g

∂ t

∂ g v i ∂ x i

dV=0

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1.1 Massenbilanz

● Lokale Massenbilanz:

– Da das Teilgebiet V(t) beliebig gewählt werden kann, muss gelten:

– Mit folgt daraus:

● Linearisierung:

– Mit folgt schließlich:

∂g

∂ t

∂ g vi ∂ x i

=0

gt =0t ∂

∂ t

∂ 0t v i ∂ x i

=0

t ≪0

∂ t0

∂v i

∂ x i

=0

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1.2 Impulsbilanz

● Integrale Impulsbilanz:

– Die zeitliche Änderung des Impulses des mitbewegten Teil-gebiets ist gleich der Summe aller am Teilgebiet angreifen-den Kräfte:

– Dabei ist gi der Vektor der Erdbeschleunigung.

– Mit dem Transporttheorem von Reynolds und dem Integral-satz von Gauß folgt:

ddt ∫V t

g vi dV=∫V t

g gi dV−∫S

pgni dS

∫V t

∂g v i

∂ t

∂ g vi v j ∂ x j

−g gi∂ pg

∂ x idV=0

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1.2 Impulsbilanz

● Lokale Impulsbilanz:

– Da die integrale Impulsbilanz für ein beliebiges Teilgebiet gelten muss, folgt:

– Ausdifferenzieren führt auf

∂g v i

∂ t

∂ g vi v j ∂ x j

−g gi∂ pg

∂ x i

=0

∂g

∂ t

∂ g v j ∂ x j

v ig ∂v i

∂ tv j

∂v i

∂ x j −g gi∂ pg

∂ x i

=0

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1.2 Impulsbilanz

– Mit der Massenbilanz

vereinfacht sich diese Gleichung zu

– Da der Luftdruck p0 im Gleichgewicht mit der Gewichtskraft

ist, gilt:

−0gi∂ p0

∂ x i

=0

∂g

∂ t

∂ g v j ∂ x j

=0

g ∂v i

∂ tv j

∂v i

∂ x j −g gi∂ p0

∂ x i

∂ p∂ x i

=0

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1.2 Impulsbilanz

– Mit folgt:

– Diese Gleichung ist noch nichtlinear in v.

– Bei akustischen Vorgängen ist die konvektive Beschleuni-gung klein:

– Dann gilt:

v j

∂v i

∂ x j

≪∂v i

∂ t

0

∂ vi

∂ t=−

∂ p∂ x i

g≈00 ∂v i

∂ tv j

∂v i

∂ x j ∂ p∂ x i

=0

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1.2 Impulsbilanz

– Die Partikelbeschleunigung ist entgegengesetzt zum Druckgradienten gerichtet.

– Dieses Ergebnis lässt sich auch direkt aus dem Newton-schen Grundgesetz für einen infinitesimalen Quader gewin-nen:

– Dabei wird allerdings nicht deutlich, welche Annahmen ge-troffen wurden.

p(x) p(x+Δx)

x

y

z

Δx

0 x y z∂v x

∂ t= px −p x x y z

0

∂ v x

∂ t=−

∂ p∂ x

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1.3 Energiebilanz

● Integrale Energiebilanz:

– Die zeitliche Änderung der Energie eines mitbewegten Teil-gebiets ist gleich der Leistung der angreifenden Kräfte plus der Summe der Wärmeströme.

– Die Energie setzt sich zusammen aus der inneren Energie und der kinetischen Energie.

– Mit der massenspezifischen inneren Energie u gilt unter Vernachlässigung von Wärmeleitung:

ddt ∫V t

gu12

v i vidV=∫V t

ggi vi dV−∫Sv i pgni dS

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1.3 Energiebilanz

– Mit dem Transporttheorem von Reynolds und dem Integral-satz von Gauß folgt:

∫V t [ ∂

∂ t g u12

v i v i ∂∂ x j gu

12

v i viv j]dV=∫

V t [g gi vi−∂ pg vi

∂ x i ]dV

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1.3 Energiebilanz

● Lokale Energiebilanz:

– Da die integrale Energiebilanz für ein beliebiges Teilgebiet gelten muss, folgt:

– Ausdifferenzieren ergibt

∂∂ t g u1

2vi v i ∂

∂ x j g v j u12

vi v i=g gi vi−∂ pg vi

∂ x i

∂g

∂ t

∂ g v j ∂ x j

u12

v i v ig ∂∂ t u

12

v i viv j∂

∂ x ju

12

v i vi=g gi−

∂ pg

∂ x i vi−pg∂v i

∂ x i

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1.3 Energiebilanz

– Der erste Term auf der linken Seite verschwindet wegen der Massenbilanz.

– Weiteres Ausdifferenzieren führt auf

– Mit der aus der Impulsbilanz gewonnen Beziehung

folgt:

g ∂u∂ t

v j∂u∂ x j g v i ∂v i

∂ tv j

∂v i

∂ x j −g gi−∂ pg

∂ x i vipg

∂ vi

∂ x i

=0

g ∂v i

∂ tv j

∂v i

∂ x j −g gi−∂ pg

∂ x i =0

g ∂u∂ t

v j∂u∂ x j pg

∂v i

∂ x i

=0

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1.3 Energiebilanz

– Mit den Näherungen

folgt die linearisierte Energiegleichung:

– Die innere Energie hängt von der spezifischen Entropie s und der Dichte ρ ab. Damit gilt:

g≈0 , pg≈ p0 , v j∂u∂ x j

≪∂u∂ t

0∂u∂ t

p0

∂v i

∂ x i

=0

∂u∂ t

=∂u∂ s

∂ s∂ t

∂u∂

∂ t

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1.3 Energiebilanz

– Mit den thermodynamischen Beziehungen

folgt:

– Dabei ist T0 die Temperatur im Ruhezustand.

– Einsetzen ergibt:

∂u∂ s

=T 0 und∂u∂

=p0

02

∂u∂ t

=T 0∂ s∂ t

p0

02

∂ t

0T 0

∂ s∂ t

p0

0

∂ tp0

∂ v i

∂ x i

=0T 0

∂ s∂ t

p0

0 ∂

∂ t0

∂v i

∂ x i =0

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1.3 Energiebilanz

– Mit der Massenbilanz folgt daraus:

– Bei der Schallausbreitung bleibt die Entropie konstant.

∂ s∂ t

=0

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1.4 Materialgesetz

● Zustandsgrößen:

– Dichte, Druck und Entropie sind Zustandsgrößen.

– Ein ideales Gas lässt sich durch zwei Zustandsgrößen be-schreiben.

– Für die Dichte gilt daher:

– Da bei akustischen Vorgängen die Entropie konstant ist, gilt

– Wie später gezeigt wird, ist c die Schallgeschwindigkeit.

= p , s

∂ t= ∂

∂ p s

∂ p∂ t

=1

c2

∂ p∂ t

mit c2=∂ p∂

s

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1.4 Materialgesetz

● Materialgesetz:

– Einsetzen in die Massenbilanz führt auf

– Das ist das Materialgesetz für das akustische Medium.

∂ p∂ t

=−0 c2 ∂v i

∂ x i

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1.4 Materialgesetz

● Kompressionsmodul:

– Die Materialkonstante wird als Kompressionsmo-dul bezeichnet.

– Aus

folgt:

– Für ein infinitesimal kleines Volumen verknüpft der Kom-pressionsmodul die relative Volumenänderung des Volu-mens mit der zugehörigen Druckänderung:

∂v i

∂ x i

= limV 0

1V ∫

Svi ni dS= lim

V 0

1V

∂V∂ t

∂ p∂ t

=−K limV 0

1V

∂V∂ t

p=−K VV

K=0 c2

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1.4 Materialgesetz

● Berechnung der Schallgeschwindigkeit:

– Für eine adiabate Zustandsänderung eines idealen Gases gilt

– Dabei ist κ der Isentropenexponent.

– Ableiten nach ρ ergibt:

pg

g=

p0

0

p0p=p0

0 0

∂ p∂ s=

p0

0 0

−1=

p0

0 0

−11 0

−1

≈p0

0

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1.4 Materialgesetz

– Die thermische Zustandsgleichung eines idealen Gases lau-tet

mit der spezifischen Gaskonstanten R.

– Damit gilt:

p00

=RT 0

c=p0

0= RT 0

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1.4 Materialgesetz

– Zahlenwerte für Luft:● Isentropenexponent:

● Spezifische Gaskonstante:

● Massendichte bei 20°C:

● Schallgeschwindigkeit bei 20°C:

=1,4

R=287J

kg K

c=343m /s

0=1,204 kg /m3

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1.5 Wellengleichung

● Mit der Impulsbilanz und dem Materialgesetz stehen zwei Gleichungen für die zwei unbekannten Größen p und v zur Verfügung.

● Daraus lässt sich eine Gleichung für den Schalldruck ge-winnen:

– Impulsbilanz:

– Materialgesetz:

10

∂ p∂ x i

=−∂ vi

∂ t

1

0 c2

∂ p∂ t

=−∂ vi

∂ x i

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1.5 Wellengleichung

– Wird die Divergenz der Impulsbilanz von der zeitlichen Ab-leitung des Materialgesetzes abgezogen, so folgt

und daraus:

– Diese Gleichung wird als Wellengleichung bezeichnet.

1

0 c2

∂2 p

∂ t 2−

10

∂2 p

∂ x i ∂ x i

=0

∂2 p

∂ t 2−c2 ∂

2 p∂ x i∂ x i

=0

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1.6 Randbedingungen

● Das Schallfeld ist die Lösung der Wellengleichung, die auch die gegebenen Anfangs- und Randbedingungen er-füllt.

● Die Anfangsbedingung legt das Schallfeld zum Zeitpunkt t = 0 im gesamten untersuchten Gebiet fest.

● Die Randbedingungen legen den Wert des Schallfelds auf dem Rand des untersuchten Gebiets für jeden Zeitpunkt fest.

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1.6 Randbedingungen

● Innenraumprobleme:

– Fläche Sv :

● Die Schallschnelle normal zurWand ist vorgegeben:

● Eine Fläche mit vRn = 0 wird als schallhart bezeichnet.

– Fläche Sp :

● Der Schalldruck ist vorgegeben:● Ein geöffnetes Fenster lässt sich näherungsweise als Fläche

mit pR = 0 betrachten.

VSv

Sp

Sa

vi ni=vn=vRn

p= pR

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1.6 Randbedingungen

– Fläche Sa :

● Eine lineare Beziehung zwischen Schalldruck und Schall-schnelle normal zur Wand ist vorgegeben:

● Die Größe z wird als spezifische akustische Impedanz oder Feldimpedanz bezeichnet.

● Mithilfe der spezifischen akustischen Impedanz lassen sich absorbierende Flächen beschreiben.

● Der Kehrwert

der spezifischen Impedanz wird als spezifische akustische Admittanz bezeichnet.

p=z vn

a=1/ z

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1.6 Randbedingungen

● Außenraumprobleme:

– Auf Sr gilt die Abstrahlbe-

dingung von Sommerfeld: rS

r

limr∞ [r ∂ p

∂ r

1c

∂ p∂ t ]=0